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Nachfolge

von Sören Brenner (Halle (Saale))

Predigtdatum : 23.03.2014
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : Reminiszere
Textstelle : 1. Könige 19,1-8.(9-13a)
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Wochenspruch:

Wer seine Hand an den Pflug legt und sieht zurück, der ist nicht geschickt für das Reich Gottes. (Lukas 9, 62)
Psalm: Psalm 34,16 - 23

Lesungen
Altes Testament: 1.Könige 19, 1 - 8.(9 – 13 a)
Epistel: Epheser 5, 1 – 8 a
Evangelium: Lukas 9, 57 - 62

Liedvorschläge
Eingangslied: EG 440 All Morgen ist ganz frisch und neu
Wochenlied: EG 82 oder EG 96 Wenn meine Sünd' mich kränken
Du schöner Lebensbaum des Paradieses
Predigtlied: EG 295 Wohl denen, die da wandeln
Schlusslied: EG 93 Nun gehören unsre Herzen

Hinführung
Das erste Buch Könige erzählt die Geschichte des Propheten Elia und seines Nachfolgers Elisa. Elia ist einer der bedeu-tendsten Propheten im Alten Testament, der Hebräischen Bibel. Er stirbt am Ende nicht, sondern wird mit einem feu-rigen Wagen in den Himmel entrückt. Die Johannesjünger fragen Jesus, ob er der wiedergekommene Elia ist. Am Sab-battisch wird ihm noch heute von frommen Juden ein Platz freigehalten.

Elia ist ein Kämpfer für den Glauben an den einen Gott Isra-els. Seine Gegner sind die Baalspriester, die dem Kanaanä-ischen Kult mit seinen Göttern folgen. Elia sieht sich als Letzter der wahren Propheten umringt von Irrglaube und Götzendienst. In Isebel, der Frau des Israelitischen Königs Ahab hat er seine größte Widersacherin. Sie will ihn töten, da er am Bach Kischon eine große Anzahl ihrer Priester ei-genhändig umgebracht hat. (1. Kön 18, 40)

Die Geschichte, die der Predigttext erzählt, beginnt an der Stelle, als Isebel Rache schwört. Es fällt auf, dass sie ihn warnt und ihm damit die Flucht erst ermöglicht, anstatt un-verzüglich gegen ihn vorzugehen. Nachdem Elia erfolgreich fliehen konnte, folgt die Selbstaufgabe in der Wüste von Juda, als Elia erschöpft unter einem Wachholderstrauch liegt und zu sterben wünscht. Nun erfolgt die wundersame Ret-tung und die anschließende Wanderung zum Gottesberg Horeb, wo Gott dem Elia nach zwei Manifestationen von Feuer und Erdbeben in einem sanften Windhauch erscheint. (1. Kön 19, 12)

Ich deute diese Geschichte als die Erzählung einer Umkehr zu sich selbst. Elia ist ausgelaugt und erschöpft, weil er im Einsatz für die Sache Gottes alles mobilisiert hat und an sei-ne Grenzen gekommen ist. Nun, obwohl in der Sache sieg-reich, steht er mit seiner Seelennot allein. Aber Gott lässt seinen Propheten nicht im Stich. Elia erfährt körperliche und seelische Zuwendung, die es ihm ermöglicht, zum Berg Got-tes und dann auch zum Wesen Gottes vorzudringen. Die Geschichte bietet auch einen Schlüssel für den Umgang mit religiösem Eifer und seelischer Überlastung.

Heutigen Predigthörern wird der religiöse Eifer des Elia fremd sein und die Vorgeschichte mit den getöteten Baalspriestern gar abstoßend. Auf der anderen Seite kann er ein Beispiel für die bedingungslose Nachfolge trotz mas-siver äußerer Widerstände sein. In dieser Spannung befin-det sich die Auslegung auch, die den Konflikt zwischen gro-ßen Aufgaben und inneren Kräften umreißt. Ich möchte ne-ben der Thematik des religiösen Eifers auch andere Formen der Nachfolge ansprechen. Nicht nur über einen Fanatismus muss geredet werden, der seinen Glaubenseifer bis zum Mord an den Gegnern treiben kann, sondern darüber, dass starke Glaubensüberzeugungen generell eine problematische Seite aufweisen können: Sie werden zu Ersatzgöttern, hinter denen der eigentliche Auftraggeber verschwindet.

Predigt
Elia ist fertig, ausgelaugt, am Ende. Er hat alles gegeben, nach Menschen Ermessen geradezu Übermenschliches ge-leistet. Und obwohl er einen Sieg über seine Widersacher erringen konnte, die den falschen Glauben propagiert hatten, obwohl sein Triumph und damit der Triumph Gottes total gewesen ist, der Sieger kann sich seines Siegs nicht freuen. Das hat erst einmal einen ganz äußerlichen Grund: Die heidnische Königin, deren Priester Elia eigenhändig massakriert hatte, sinnt auf Rache und trachtet ihm nun ih-rerseits nach dem Leben. Elia fühlt sich bedroht. Er flieht. Im Süden von Juda, einem unwirtlichen, wüsten Landstrich an der Grenze zu Ägypten, bleibt er erschöpft im Schatten eines Wacholders liegen. Er, der den Glauben an den Gott Israels gegen alle Widerstände verteidigt hat, der einer Übermacht von Götzendienern todesmutig die Stirn geboten hat, der nun dem Machtbereich des Königs Ahab und seiner Isebel glücklich entkommen konnte, er will sterben. Nach dem Sieg über die Baalspriester und der Flucht vor der Rache ist der erste Moment, in dem er mit sich allein ist, der schwerste von allen. Vorher war der Mut sein Motor, war er vom Willen zum Kämpfen erfüllt. Dann kam der Fluchtreflex um zu Überleben. Jetzt, wo die Gefahr erst einmal vorüber ist, folgt keineswegs das Aufatmen. Jetzt scheint alles aus. Warum?

Elia sagt, als die Stimme Gottes ihn fragt, (1. Kön 19, 9 f.) er habe für den HERRN, den Gott Zebaoth geeifert; weil Is-rael den Gottesbund aufgekündigt und den Gottesdienst durch Götzendienst ersetzt hat. Einer gegen alle – ein Held für den wahren Glauben, der letzte seiner Art unter lauter falschen Priestern und Propheten. Nun leidet er an Seelen-not. Wo ist seine Stärke geblieben? Hat Elia sich verkämpft für den wahren Glauben oder ist er gar einer Täuschung er-legen? Eine psychologische Spurensuche soll Klarheit bringen:

Erschöpfungszustände gibt es mehrere: Da ist zum einen der Zustand nach großen Leistungen, die ein ungewöhnliches Maß an Kreativität freigesetzt haben. Stunden-, tage- oder gar wochenlang wurde mit aller Kraft an einer bestimmten Sache gearbeitet, nun ist sie fertig. Nach dem Hochzustand folgt das Tief. Der Adrenalinspiegel senkt sich wieder, der Körper meldet sich zurück und verlangt nach seinem Recht. Die Pause, die dann nötig ist, kann sehr angenehm sein. Etwas Wichtiges ist geschafft, nun kann wieder abgeschaltet und der Blick auf das Neue frei werden.
Es gibt aber auch einen Erschöpfungszustand, der überhaupt kein Echo des Erfolgs transportiert. Das Werk ist beendet, aber das macht nicht glücklich oder wenigstens zufrieden. Im Gegenteil. Der Zweifel nagt: 'Was habe ich eigentlich getan?' 'War das richtig?' 'Habe ich mich da in etwas verrannt?'

Der andauernde Einsatz hat alle Kräfte mobilisiert. Weil er für eine Sache geschah, die keine Alternative hatte, war er von heroischen und absoluten Gefühlen begleitet. Eigentlich kann der Kampf niemals abgeschlossen sein, denn das Böse ist immer und überall. Deshalb schleicht sich mit der Er-schöpfung auch Zweifel ein. Menschen, die zu absoluten Überzeugungen neigen, haben oft Probleme damit, Dingen einfach mal ihren Lauf zu lassen, etwas loszulassen oder abzugeben. War Elia so ein Typ Mensch?

Heutzutage gibt es einen Begriff, der den Seelenzustand nach einem kräftezehrenden Einsatz für die gute Sache be-nennt: „Burn out“. Dieses „Ausgebrannt sein“ deutet auf eine innere Leere hin, so als wenn eine Batterie keinen Saft mehr hat. Es trifft besonders oft gerade die Menschen, die zu einem hohen Idealismus neigen, Menschen in sozialen und pflegerischen Berufen, auch Menschen in der Gemein-dearbeit, Haupt- und Ehrenamtliche.

Der Eiferer verzehrt sich um des Guten willen, das er unter allen Umständen erreichen möchte. Sein Idealismus setzt vordergründig Kräfte frei, die ihm das Gefühl der Machbar-keit suggerieren. Am Ende folgt die Ernüchterung. Der hehre Anspruch bleibt unerfüllt. Hier nun sehe ich Elia, wie er unter dem Wachholder liegt und zu sterben wünscht. Er, der seine Wünsche und Bedürfnisse so lange hinten an gestellt hat, der nicht anders konnte, als für Gott gegen Windmühlen zu kämpfen, sieht sich selbst als gescheitert an. Elia scheitert an seiner eigenen Dunkelheit. Wo viel Licht ist, da ist auch viel Schatten.

Aber der Held wird nicht preisgegeben. Gottes Boten treffen ein. Dem Erschöpften wird zugehört. Ihm wird Nahrung und Wasser gereicht. Zwischen Träumen und Wachen geschieht eine Veränderung. Elia verwandelt sich vom Ausgebrannten mit Todessehnsucht zum ausdauernden Wanderer auf Gott-suche.

In der Tiefe der Nacht, mit der Einsicht der eigenen Wir-kungslosigkeit beginnt der Heilungsprozess. Der, der Gott alles zu geben können glaubte, öffnet sich einer größeren Wirklichkeit. Elia glaubte sich auf Gottes Seite, als er mit Feuer und Schwert kämpfte. Nun wird sich Gott ihm als ei-ner offenbaren, der weder im Feuer noch im Erdbeben zu finden ist. Am Berg Horeb zeigt sich Gott als ein sanfter Hauch, nicht als zorniger Donnerschlag.

Welche Kräfte wirken zum Segen, welche zum Fluch? Abso-lute Nachfolge, unbedingter Einsatz für eine „gute Sache“ - auch in Glaubensdingen geschieht das, und es geschieht in unserer Mitte als christliche Gemeinschaft. In der Nachfolge Jesu zu stehen ist ein großer Anspruch. „Gott will keine hal-ben Sachen“ ist manchmal zu hören. Aber was wird aus den Menschen, die um dieses Auftrags willen alle Bedürfnisse hinten an stellen? Die sich für die Sache Gottes aufopfern, alles für die Gemeinde geben und vergessen, dass sie auch noch ein eigenes Leben haben?

Gott verlangt keinen Kampf bis zur Selbstaufgabe. Wer sich im guten Glauben verrannt hat, wird seinen Krug Wasser und seinen Laib Brot dort finden, wo er mit seiner eigenen Wegzehrung nicht mehr weiter kommt. Der Engel steht de-nen bei, die von Machtausübung und Gewalt im Namen und Auftrag Gottes absehen. Mit der Erschöpfung kommt die Einsicht, dass das hoch gehängte Ideal vielleicht doch nicht mit dem Willen Gottes identisch war. Eine Nachfolge, die die Trennung zwischen Person und Werk vergisst, setzt sich am Ende selbst an die Stelle Gottes und muss sich geradezu zwangsläufig verrennen. So wird die eigentlich gute Sache zum eigenen Projekt. Gott hat keine Chance mehr, mit seiner Kraft zu wirken.

Am Ende wird Elia abgelöst. Er ist nicht unersetzlich. Der Prophet Elisa übernimmt das Prophetenamt. Die Sache Got-tes wird weitergehen. Aber das Blut der getöteten Baals-priester bleibt ein mahnendes Signal, sich nicht als Vor-kämpfer, sondern als Nachfolger des Gottes zu verstehen, dessen Kraft im Schwachen mächtig ist.
Amen.

Verfasser: Pfarrer Sören Brenner
Franz-Andres-Straße 12, 06108 Halle

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