Pharisäer und Zöllner
von Kurt Rainer Klein (55288 Schornsheim)
Predigtdatum
:
07.08.2005
Lesereihe
:
ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr
:
10. Sonntag nach Trinitatis - Israelsonntag: Kirche und Israel
Textstelle
:
Matthäus 21,28-32
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Wochenspruch:
Gott widersteht den Hochmütigen, aber den Demütigen gibt er Gnade. (1. Petrus 5,5b)
Psalm: 113,1-8 (EG 745)
Lesungen
Altes Testament:
2. Samuel 12,1-10.13-15a
Epistel:
Epheser 2,4-10
Evangelium:
Lukas 18,9-14
Liedvorschläge
Eingangslied:
EG 396,1-3
Jesu, meine Freude
Wochenlied:
EG 299
Aus tiefer Not schrei ich zu dir
Predigtlied:
EG 398
In dir ist Freude
Schlusslied:
EG 395
Vertraut den neuen Wegen
Jesus sprach zu den Hohenpriestern und den Ältesten des Volkes: 28 Was meint ihr? Es hatte ein Mann zwei Söhne und ging zu dem ersten und sprach: Mein Sohn, geh hin und arbeite heute im Weinberg. 29 Er antwortete aber und sprach: Nein, ich will nicht. Danach reute es ihn und er ging hin. 30 Und der Vater ging zum zweiten Sohn und sagte dasselbe. Der aber antwortete und sprach: Ja, Herr!, und ging nicht hin. 31 Wer von den beiden hat des Vaters Willen getan? Sie antworteten: Der erste. Jesus sprach zu ihnen: Wahrlich, ich sage euch: Die Zöllner und Huren kommen eher ins Reich Gottes als ihr. 32 Denn Johannes kam zu euch und lehrte euch den rechten Weg, und ihr glaubtet ihm nicht; aber die Zöllner und Huren glaubten ihm. Und obwohl ihr’s saht, tatet ihr dennoch nicht Buße, sodass ihr ihm dann auch geglaubt hättet.
Hinführung
Das Gleichnis von den ungleichen Söhnen ist Sondergut des Matthäus. Es kennzeichnet die Juden als Ja-Sager und Nein-Tuer, die Heiden als Nein-Sager und Ja-Tuer. Das spiegelt die Gemeindesituation der frühen Christenheit wider. Die vorliegende Predigt hat die Alternative Glauben - Nichtglauben und das gemäße Handeln im Blick. Es ist kompliziert: Gläubige bekennen sich und handeln gegen ihr Bekenntnis, Ungläubige spotten übers Christentum und werden in ihrem Handeln Christen zum Vorbild. Gläubige verlieren ihren Bezug. Ungläubige finden in die Gemeinde. Es gibt keinen Schutz, der das Umkippen von Ja zu Nein sicher verhindert. Es gibt kein Rezept, das aus einem Nein ein Ja macht. Aber weil bei Gott alle Dinge möglich sind, kann auch aus unserem Nein ein Ja werden.
Liebe Gemeinde!
1. Ja oder Nein
„Könntest Du bitte ...?“ Eine Frage, die uns in den unterschiedlichsten Situationen treffen kann. Eine Bitte, die, einmal laut ausgesprochen, nach unserer Hilfsbereitschaft fragt. Ein Anliegen, das eine klare Antwort von uns verlangt. „Könntest Du mir bitte ... einen Brief schreiben ... ein Brot beim Bäcker holen ... mit mir spazieren gehen ... den Garten umgraben ... auf die Kinder aufpassen ... mich zum Arzt fahren ...?“
Dem Gefragten wird in der Tat Großes zugetraut. Sagen wir ‚Ja’, ist die Freude groß. Bejahen wir die Bitte, erfüllen wir einen Herzenswunsch. Kommen wir dem Anliegen nach, weitet sich der Horizont und vergrößert sich der Lebensraum. Es ist ein ‚Ja’ in erster Linie zu dem Menschen, der uns fragt und bittet. Und dann erst ein ‚Ja’ zu einem ganz konkreten Anliegen.
Allein das ‚Ja’ gibt der Gelegenheit eine Chance. Es packt die Möglichkeit beim Schopf. Seien wir gespannt, was daraus werden kann. Es wird immer mehr sein als nur die reine Erfüllung eines Wunsches. Das äußere Tun verändert natürlich auch unsere innere Einstellung. Es ist schwer zu fassen, was ein ‚Ja’ alles bewegt. Es beinhaltet eine ihm gehörende ganz eigene Dynamik.
Und das ‚Ja’ setzt uns in ein Verhältnis. Zu dem, der an uns herangetreten ist mit seiner Bitte, seinem Anliegen, seinem Wunsch. Zwischen dem Bittsteller und dem ‚Ja’-Sager wird eine wunderbare Verbindung hergestellt. Nicht in Abhängigkeit, sondern in freier Begegnung. Nicht durch Druck oder Zwang, sondern in herzlicher Verbundenheit und Zuneigung. In jedem ‚Ja’ steckt ein unübersehbar überraschendes Moment.
2. Das ‚Ja’ zum Leben
Freuen wir uns an einem ‚Ja’! Das ‚Ja’ ist immer fruchtbar. Das ‚Ja’ wozu? Zum Leben: Das das Dasein als reines Geschenk annimmt. Zum Mitmenschen: Das sich an ihm erfreut und mit ihm die eigene Einsamkeit überwindet. Zur Arbeit: Die uns erfüllen will, auch wenn sie Mühe und Verschleiß bedeutet. Zum Schicksal: Das einem zusetzen kann, aber dem man so überwindend begegnet. Zu Tier und Pflanze: Die die Lebensfreude unseres Schöpfers repräsentieren. Zu Gott: Der über unserem ‚Ja’ seine ganze Engelschar jubeln lässt.
Ich sehe das ‚Ja’ in Form eines Kreuzkettchens am Hals einer Konfirmandin. Ich höre das ‚Ja’ in den Liedern Xavier Naidoos ebenso wie in der Musik eines Johann Sebastian Bachs. Ich finde das ‚Ja’ in den Häusern, wo mir die Dankbarkeit begegnet. Ich erkenne das ‚Ja’ in jedem, der sonntags den Gottesdienst besucht. Ich schmecke das ‚Ja’ mit denen, die mit mir am Altar beim Empfang von Brot und Wein stehen. Ich spüre das ‚Ja’ in den Zeitungsartikeln und Fernsehsendungen, die unsere christlichen Wurzeln bedenken.
Unser ‚Ja’ wendet sich gegen alle Verhältnislosigkeit, gegen jegliche Art von Gleichgültigkeit, gegen die Langeweile und das Nichts. Unser ‚Ja’ fördert das Leben. Macht es lebendig, vielfältig, interessant, aufregend, erfüllend. Darum probieren wir es aus. Sprechen wir heute unser ‚Ja’ zu dem, was uns das Leben bietet. Zu unserem Partner, zu unseren Kindern, zu unseren Eltern, zu den Menschen, mit denen wir arbeiten, auch zu denen, die uns Mühe machen oder zu denen, die uns um etwas bitten!
3. Ein Vater - zwei Söhne
Dass Söhne ganz unterschiedlich sein können, wer mag das bestreiten. Auch hier sehen wir zwei ganz entgegengesetzte Wesensarten: „Mein Sohn, geh hin und arbeite heute im Weinberg.“ Es ist kein orientalischer Befehl. Hier bittet der Vater. Und je nachdem, wie der Ton dieser Bitte klang, liegt eine gewisse Zärtlichkeit in ihr. Der Erste antwortet barsch: „Nein, ich will nicht.“ Basta! Keine Diskussion! Klare Antwort! Aber dann klingt die Zärtlichkeit der väterlichen Bitte nach, es gereut ihn und er geht auf den väterlichen Wunsch ein. Der zweite Sohn gibt eine andere Antwort: „Ja, Herr!“, sagt er. Mit Respekt, der in seiner Antwort herauszuhören ist, aber vielleicht auch einer innerlichen Ablehnung der Autorität heraus bejaht er die Bitte des Vaters. Aber dann hat er schnell vergessen, was er zugesagt und bejaht hat. Aus dem ‚Ja’-Wort wird ein Nicht-Tun.
Wir hören hier zwei Wesensarten heraus: Den Ja-aber-Typ und den Nein-doch-Typ. Worüber freuen wir uns mehr? Über den, der aus seinem ‚Ja’ ein Nein macht oder über den, der sein Nein in ein ‚Ja’ verwandelt? Über den Ja-Sager, der keine Taten folgen lässt, werden wir enttäuscht sein. Über den Nein-Sager, der es sich doch noch einmal überlegt, werden wir positiv überrascht sein. Auch im Himmel wird die Freude über einen Nein-Sager, der zu einem Ja-Tuer wird, groß sein.
Wodurch wird ein ‚Ja’ zu einem Nein? Warum wird aus dem ‚Ja’ junger Menschen bei der Konfirmation schnell ein Nein? Was bewegt einen Menschen, der im christlichen Glauben erzogen wurde, aus seiner Kirche auszutreten? Weshalb bricht das Engagement eines Mitarbeiters in seiner Kirchengemeinde von heute auf morgen ab? Das sind schwierig zu beantwortende Fragen. Und nichts ist miteinander zu vergleichen. Jedes „Nein“ ist anders zu bewerten. Und immer gibt es einen Grund oder Gründe, die ins Feld geführt werden. Ob sie in einem Menschen liegen oder von außen aufgegriffen wurden. Meist ist das ‚Ja’ längst zu einem Nein geworden, ehe es offensichtlich wird.
Wir können auch ganz konkret auf uns selbst bezogen fragen: Wo liegt unser Weinberg, den wir verkommen lassen? Wo weigern wir uns, ihn zu pflegen und zu ernten? Ein jeder weiß am besten, wo sein verwilderter Weinberg liegt. Ein jeder weiß, warum er ihn lieber verkommen lässt. Vielleicht sind die Gründe eher nichtig. Vielleicht bedarf es nur wenig, die Widerstände aus dem Weg zu räumen. Oder hat alles keinen Zweck, wie es dieser eine Satz ausdrückt: „Johannes kam zu euch und lehrte euch den rechten Weg, und ihr glaubtet ihm nicht.“ Jegliche Besinnung wird verweigert. Alles Zureden geht ins Leere. Die innere Stimme wird erfolgreich verdrängt. Das ‚Ja’ bleibt ein Nein.
4. Ein Ja aus einem Nein?!
Wie wird aus einem Nein ein ‚Ja’? - Aus der Verweigerung Engagement? Aus einer Kirchendistanzierten eine Begeisterte? Aus einem Spötter ein Gläubiger? Es entzieht sich jeglicher Machbarkeit. Wir können in unserer Gemeinde Events veranstalten oder Missionsabende anbieten. Solch eine Wandlung bleibt im Unverfügbaren. Wo immer es geschieht, es ist ein überraschendes Wunder, woran wir uns auf Erden freuen dürfen, wie die Freude im Himmel ist. Manchmal zieht Jesu Botschaft doch in den Bann. Manchmal begegnet er Menschen, in welcher Gestalt auch immer, und überzeugt. Wandelt ein klares Nein in ein feuriges ‚Ja’.
Der verlorene Sohn ist zurückgekommen. Aus seinem Nein ist ein ‚Ja’ geworden. Der die Distanz gesucht hat, hat die Nähe wieder gefunden. Zachäus hat aus einem Nein ein ‚Ja’ werden lassen. Jesus hat durch reine Zuwendung Zachäus innere Einstellung gewandelt. Er hat sein Leben auf den Kopf gestellt. Aus einem Saulus wurde vor Damaskus ein Paulus. Nur weil Christus sich ihm in den Weg gestellt hat. Aus dem Christushasser wurde der große Völkerapostel. Aus dem Blinden ein Sehender. Seine Briefe sind uns ein Schatz urchristlicher Erfahrung. - Was aus dem reichen Jüngling oder Nikodemus oder dem zu Hause gebliebenen Bruder des verlorenen Sohnes geworden ist, ob aus ihrem Nein ein ‚Ja’ wurde, hat die Bibel offen gelassen. Möglich ist es schon ...
Auch aus unserem Nein kann noch ein ‚Ja’ werden. Unser verwilderter Weinberg, wo immer er auch liegt, kann noch bearbeitet werden. Wollen wir seine Früchte nicht doch ernten?! Amen.
Verfasser: Pfr. Kurt Rainer Klein, Pfaffenwaldstr. 21, 55288 Schornsheim
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