Pharisäer und Zöllner
von Paul-Ulrich Lenz (63679 Schotten-Einartshausen)
Predigtdatum
:
31.08.2003
Lesereihe
:
ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr
:
10. Sonntag nach Trinitatis - Israelsonntag: Kirche und Israel
Textstelle
:
Lukas 18,9-14
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Wochenspruch:
Gott widersteht den Hochmütigen, aber den Demütigen gibt er Gnade. (1. Petrus 5,5b)
Psalm: 113,1-8 (EG 745)
Lesungen
Altes Testament:
2. Samuel 12,1-10.13-15a
Epistel:
Epheser 2,4-10
Evangelium:
Lukas 18,9-14
Liedvorschläge
Eingangslied:
EG 452
Er weckt mich alle Morgen
Wochenlied:
EG 299
Aus tiefer Not schrei ich zu dir
Predigtlied:
EG 353
Jesus nimmt die Sünden an
Schlusslied:
EG 421
Verleih uns Frieden
9 Jesus sagte zu einigen, die sich anmaßten, fromm zu sein, und verachteten die andern, dies Gleichnis: 10 Es gingen zwei Menschen hinauf in den Tempel, um zu beten, der eine ein Pharisäer, der andere ein Zöllner. 11 Der Pharisäer stand für sich und betete so: Ich danke dir, Gott, dass ich nicht bin wie die andern Leute, Räuber, Betrüger, Ehebrecher oder auch wie dieser Zöllner. 12 Ich faste zweimal in der Woche und gebe den Zehnten von allem, was ich einnehme. 13 Der Zöllner aber stand ferne, wollte auch die Augen nicht aufheben zum Himmel, sondern schlug an seine Brust und sprach: Gott, sei mir Sünder gnädig! 14 Ich sage euch: Dieser ging gerechtfertigt hinab in sein Haus, nicht jener. Denn wer sich selbst erhöht, der wird erniedrigt werden; und wer sich selbst erniedrigt, der wird erhöht werden.
Liebe Gemeinde!
Jesus ist ein Erzähler unbequemer Geschichten. Er ist ein Erzähler von Geschichten, die uns einen dicken Strich durch die Rechnung machen, Er ist ein Erzähler von Geschichten, die aufregen, weil sie die Dinge auf den Kopf stellen, Solch eine Geschichte erzählt er uns heute: Ist das nicht Wasser auf die Mühlen von Leuten, die es schon immer gewusst haben: Die Frommen tun ja nur so, sie sind doch alles Heuchler. Ist das nicht Wasser auf die Mühlen derer, die sagen: Lieber ein ehrlicher Sünder als ein scheinheiliger Frommer? Ist das nicht Wasser auf die Mühlen derer, die sich all ihren kirchlichen Verpflichtungen entziehen, am Ende aber eben doch einen „lieben Gott“ erwarten? Lassen Sie uns dieser Geschichte einmal nachgehen.
Wir wollen das in drei Schritten tun:
l. Ich soll nicht der Pharisäer sein.
2. Ich kann nicht der Zöllner sein.
3. Gott will für mich sein.
1. Ich soll nicht der Pharisäer sein.
Darf ich es einmal sagen: ich wünsche mir mehr Leute wie diesen Mann. Ich wünsche mir mehr Leute, die von Herzen fromm sein wollen, Ich wünsche mir mehr Leute, denen das Wort Gottes nicht gleichgültig ist, sondern für die es eine lebensgestaltende Kraft hat. Es ist ja einigermaßen modern, die Pharisäer nur als Heuchler übelster Sorte aufzufassen. Das hindert uns zu sehen, was für diese Leute spricht. Sie haben ein Leben geführt, das sich am Wort Gottes orientiert. Sie haben ernst gemacht mit den Forderungen Gottes. Für sie war es selbstverständlich, dass sie den Sabbat halten. Peinlich genau haben sie darauf geachtet bei sich selbst und bei ihren Familien. Jeder Bettler am Wegrand konnte gewiss sein: Ich halte meine Hand nicht vergeblich zu einem Almosen offen hin diese Leute wissen von der Verpflichtung, Gutes zu tun mit ihrem Hab und Gut. Und wenn einer zu einem Pharisäer kam und ihn bat: Du, ich bin in Not, bete für mich und hilf mir dann hatte er das nicht umsonst gesagt.
Leute, auf die man rechnen kann im Leben der Gemeinde und im Leben der Gemeinschaft das sind diese Pharisäer. Darf ich übertragen in unsere Zeit: Sie arbeiten mit in der Kirchengemeinde und halten sich zum Gottesdienst. Sie sind Leute, die auch selbst in der Bibel lesen und sich daraus den Weg ihres Lebens zeigen lassen. Sie geben freiwillige Spenden, gegen die die Kirchensteuer ein harmloser Klacks ist.
Sie ringen im Gespräch mit anderen um eine Kirche, die sich nicht selbst genügt, sondern sich den Forderungen der Zeit stellt: wir müssen Stellung nehmen zu den Fragen der Abtreibung, des Krieges, des Umweltschutzes wir dürfen nicht an der neuen Armut vorübergehen. Wir müssen uns den Menschen zuwenden, die durch ihr persönliches Lebensschicksal schwer getroffen sind. Und es sind Leute, die sich auch in den öffentlichen Belangen der Stadt engagieren, die sich mit einspannen lassen, wenn es um ein großes Stadtfest oder eine andere Bürgeraktivität geht. Nein, ihr Leben spricht sehr für die Pharisäer und manches in unseren Gemeinwesen und Kirchen wäre bessert wenn es mehr Leute, Männer und Frauen von ihrem Zuschnitt gäbe.
Aber warum dies harte Urteil Jesu? Warum ist das nicht genug, was der Pharisäer leistet? Ist Jesus denn unersättlich? Eines hat der Pharisäer nicht verstanden: er hat geglaubt, durch all diese Aktivitäten könnte er sich vor Gott ins rechte Licht setzen. Er hat geglaubt: mein gutes Leben macht, dass ich mit Gott im Reinen bin. Er hat geglaubt, dass er mit seinem Verhalten gegenüber Gott und Menschen so viele Pluspunkte gesammelt hat, dass Gott auf jeden Fall nichts Entscheidendes mehr an ihm auszusetzen haben könnte.
Liebe Schwestern und Brüder ist uns diese Haltung fremd? Ich denke, dass wir jetzt vielleicht den Pharisäer in uns entdecken: ich habe doch immer gebetet, immer geglaubt, ich habe doch immer mein Leben nach Gottes Geboten gerichtet warum trifft mich dieser Schicksalsschlag? Haben wir nicht schon so gedacht? Oder: Wie oft mischt sich in die Empörung über irgendwelche Leute, die sich unmöglich benehmen die ihre Ehe mit Füßen treten, die mit der Wahrheit Schindluder treiben, die ihren eigenen Grundsätzen in den Rücken fallen - dieser Gedanke: ich bin froh, dass ich anders bin – dass ich so nicht vor Gott dastehe.
Da liegt der Fehler, dass er sich aus seinem Leben sein Urteil ableitet, dass er sich gewissermaßen ausgerechnet hat, wie Gott über ihn zu denken hat. Aber unsere Lage vor Gott deckt sich nicht mit dem, was wir uns da selbst attestieren. Wer mit der Fülle seiner guten Taten und seines guten Lebens vor Gott tritt und damit argumentieren will, der hat sich schon selbst ins Abseite gestellt, weil vor Gott nicht zählt, was wir vorzuweisen haben, sondern wie wir ihm vertrauen. Darum sollen wir nicht vor Gott treten wie der Pharisäer.
2. Ich kann nicht der Zöllner sein.
Ist der denn nun besser dran? Er hat sich nicht um Gott gekümmert. Er hat sein Leben erst einmal aufgebaut nach der Devise: Geld stinkt nicht, aber es verleiht so ein schönes Gefühl der Sicherheit. Er hat all die lästigen religiösen Vorschriften beiseite gewischt die hindern einen nur, im Lebenskampf klarzukommen. Du musst mit den Wölfen heulen und sehen, wo du bleibst. Dass er sich dabei über viele Spielregeln hinweggesetzt hat, die in seiner Zeit gelten, steht auf einem anderen Blatt. Aber der Erfolg heiligt schließlich die Mittel.
Und nun steht dieser Mann vor Gott. Was ihn dahin gebracht hat, das erzählt Jesus nicht. Aber wie er vor Gott steht, das erzählt er uns. Er weiß, dass sein Leben Gott nicht gefallen kann. Er weiß, das er mit Gott nicht rechten kann. Er weiß, dass all sein finanzieller Erfolg das nicht überdecken kann: ich bin vor Gott hoffnungslos im Defizit. Und auch das ist ihm klar, das er nicht mit Gottes Güte kalkulieren kann. Es gibt kein Armenrecht, auf das er sich berufen könnte. Darum steht er mit ganz und gar leeren Händen vor Gott und bittet: Gott, sei mir Sünder gnädig!
Liebe Gemeinde, es ist eines der schlimmsten Dinge, wenn wir aus dem Urteil Jesu „er ging gerechtfertigt“ nun eine Methode machen wollten. Wir dürfen ruhig tapfer drauflos sündigen – am Ende wird Gott schon fünf gerade sein lassen. Ein bisschen Zerknirschung wäscht 50 Jahre weg. Ich mache mir da nichts vor. Unzählig viele Menschen in unserem Land leben genau so. Sie leben, ohne nach Gott zu fragen, ohne wirklich den Willen zu haben, sich nach Gottes Wegweisung zu richten. Unzählige Menschen gehen von der festen Überzeugung aus, dass Gott ja am Ende doch gar nicht anders kann als sie zu akzeptieren: weil ja sonst sein Himmel leer bliebe, weil er ja sonst ungerecht wäre.
Es gibt bei uns nicht nur den Hochmut der frommen Leute, die Gott ihre Frömmigkeit vorrechnen. Es gibt den genauso schlimmen Hochmut der unkirchlichten Leute, die sich selbst längst ihre Unbescholtenheit bescheinigt haben weil sie nicht anders leben als all die anderen auch. Und es gibt da eben das Spekulieren auf die „Zöllnergnade“ und die „Schächergnade.“ Und es gibt dann auch den empörten Aufschrei über den ungerechten Gott, wenn er die Folgen unserer Sünde über uns kommen lässt.
Aber so wenig der rechnende Fromme wirklich aus dem Vertrauen auf Gott lebt, so wenig tut es der, der Gottes Vergeben einrechnet, der darin den Freibrief für sein Leben sieht.
Darf ich es sagen: Jesus wertet doch nicht das konsequente Leben des Pharisäers ab darin soll er uns wohl Vorbild bleiben, ohne uns unter Leistungsdruck zu setzen. Er wendet sich nur gegen seine Rechnungshaltung. Und Jesus wertet doch nicht den gottlosen Lebenswandel des Zöllners auf das ist und bleibt Sünde aber darin darf er uns eine Herausforderung bleiben, wie er vor Gott steht.
3. Gott will für mich sein.
Das ist nun das Evangelium, das in dieser Geschichte liegt. Es gibt keinen Weg, wie wir mit Gott ins Reine kommen weder den Weg der frommen Pluspunktsammlung noch den Weg der bürgerlichen Unauffälligkeit noch den Weg der demütigen Selbstzerknirschung. Alle unsere Wege, die uns vor Gott recht machen sollen, erweisen sich als Sackgassen. Das Urteil wird nicht von uns gesprochen und wir können uns nicht selbst bescheinigen: Jetzt hast du’s richtig gemacht. Da ist nur ein Weg: Gott spricht uns gerecht. Es ist nicht der Pharisäer. der das Urteil fällt. Es ist nicht der Zöllner, der das Urteil fällt. Es ist Jesus Christus. Er sagt: dieser ist gerecht gemacht. Er allein hat die Vollmacht, über ein Menschenleben zu urteilen.
Lassen Sie uns das nie vergessen, wenn wir so schnell bei der Hand sind mit unseren Urteilen über die fehlende Frömmigkeit oder die unmögliche Frömmigkeit, über das Getue und über den schmerzlichen Zwiespalt zwischen Wort und Tat. Uns steht das Urteil nicht zu. Es ist ganz alleine seine Sache. Und darum werden wir auch nicht aus dieser Geschichte eine neue Regel machen: Nur wer so ist wie der Zöllner oder nur wer anders ist als der Pharisäer der wird gerechtfertigt.
Es bleibt ein letzter Punkt. Es gibt weit verbreitet die Einstellung, dass keiner ein Urteil fällen wird, dass das letzte Wort sowieso heißt: Das jüngste Gericht fällt aus. Wie ein Naturereignis wendet sich denn am Ende alles zum Guten. Wenn Jesus so gelehrt hätte, hätte er sich diese Geschichte erspart. Denn soviel macht sie sehr deutlich: Wer vor Gott darauf beharrt, ich will nach meiner Fasson mit Dir ins Reine kommen und ich biete Dir meine guten Werke der wird bei seinen Taten genommen. Uns ist nicht zu helfen, wenn wir uns das nicht gefallen lassen, dass unser Stand vor Gott nicht aus unserem Leben bestimmt wird, sondern aus dem Lebensopfer Jesu Christi.
Vor denen, die damals auf sich selbst vertrauten und vor uns, die heute heimlich genauso denken und leben, steht der Herr, der uns am Zöllner zeigt, wie er sich der Verlorenen bedingungslos erbarmt. Indem Jesus uns das erzählt, will er uns anbieten, dass wir so vor Gott treten: mit leeren Händen, mit einem Herzen, das nichts mehr vorzubringen weiß und dass wir uns von ihm beschenken lassen mit seiner Gnade. Amen.
Verfasser: Pfr. Paul-Ulrich Lenz, Leonhardstr. 20, 61169 Friedberg
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