Pharisäer und Zöllner
von Paul-Ulrich Lenz (63679 Schotten-Einartshausen)
Predigtdatum
:
27.08.2006
Lesereihe
:
ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr
:
10. Sonntag nach Trinitatis - Israelsonntag: Kirche und Israel
Textstelle
:
Galater 2,16-21
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Wochenspruch:
Gott widersteht den Hochmütigen, aber den Demütigen gibt er Gnade. (1. Petrus 5,5b)
Psalm: 113,1-8 (EG 745)
Lesungen
Altes Testament:
2. Samuel 12,1-10.13-15a
Epistel:
Epheser 2,4-10
Evangelium:
Lukas 18,9-14
Liedvorschläge
Eingangslied:
EG 396,1-3
Jesu, meine Freude
Wochenlied:
EG 299
Aus tiefer Not schrei ich zu dir
Predigtlied:
EG 398
In dir ist Freude
Schlusslied:
EG 395
Vertraut den neuen Wegen
16 Weil wir wissen, dass der Mensch durch Werke des Gesetzes nicht gerecht wird, sondern durch den Glauben an Jesus Christus, sind auch wir zum Glauben an Christus Jesus gekommen, damit wir gerecht werden durch den Glauben an Christus und nicht durch Werke des Gesetzes; denn durch Werke des Gesetzes wird kein Mensch gerecht. 17 Sollten wir aber, die wir durch Christus gerecht zu werden suchen, auch selbst als Sünder befunden werden - ist dann Christus ein Diener der Sünde? Das sei ferne! 18 Denn wenn ich das, was ich abgebrochen habe, wieder aufbaue, dann mache ich mich selbst zu einem Übertreter.
19 Denn ich bin durchs Gesetz dem Gesetz gestorben, damit ich Gott lebe. Ich bin mit Christus gekreuzigt. 20 Ich lebe, doch nun nicht ich, sondern Christus lebt in mir. Denn was ich jetzt lebe im Fleisch, das lebe ich im Glauben an den Sohn Gottes, der mich geliebt hat und sich selbst für mich dahingegeben. 21 Ich werfe nicht weg die Gnade Gottes; denn wenn die Gerechtigkeit durch das Gesetz kommt, so ist Christus vergeblich gestorben.
Liebe Gemeinde!
Es ist gut sich einzugestehen: Das sind fremde Worte. Es sind Gedanken, die wir nicht jeden Tag denken. Sie sind schwierig zu verstehen. Und nicht nur Ihr Konfirmanden werden euch fragen: worum geht es hier eigentlich?
1. Es geht um eine Frage, die uns alle leidenschaftlich bewegt: Wie kann das Leben gelingen? Wie können wir so leben, dass wir glücklich werden, dass wir es nicht vertun und versäumen, dass wir nicht im Alter einmal sagen müssen: du hast alles falsch gemacht! Du hast unglaublich viele Chancen gehabt und sie alle verpasst.
Ich glaube, dass diese Frage uns alle umtreibt, auch wenn wir sie nicht jeden Tag lauthals stellen. Aber wir geben auf diese Frage immerzu Antworten - etwa wenn wir sagen: „Du kriegst im Leben nichts geschenkt, also streng dich gefälligst an und schaff was.“
Oder wenn wir uns vornehmen: Ich muss unbedingt so viel Kohle machen, dass ich mir mit 30 eine Weltreise leisten kann. Oder wenn uns die Werbung einen Menschen zeigt, der voller Stolz sagen kann: „Mein Haus, mein Auto, meine Yacht“ - und damit seinen Freund alt aussehen lässt, der da nicht mehr mithalten kann.
Die Frage nach dem gelingenden Leben steht hinter allem, was in der Bibel unter dem Stichwort „Gesetz” verhandelt wird. Das Gesetz ist nicht dazu da, damit es Menschen klein macht, ihnen ihre Grenzen zeigt. Es soll ihnen helfen, so zu leben, dass sie ihr Leben nicht vergeuden, dass sie ihr Leben nicht in lauter Sackgassen hineinleben. Hinter dem Gesetz steht die Überzeugung, dass es Spielregeln für das Leben gibt, die uns vor Irrtümern bewahren. Es gibt Spielregeln, die uns den Weg durchs Leben finden helfen - z. B. nicht stehlen, nicht lügen, nicht pausenlos arbeiten....Und der Grundgedanke heißt: Wer sich an diese Spielregeln hält, der ist Gott recht und dessen Leben wird gelingen. Wer sich nicht daran hält, der trennt sich von Gott und damit zugleich von dem Grund des Lebens - sein Leben wird nicht gelingen können. Halten wir das als Merkposten fest: Gelingendes Leben braucht nach christlicher Überzeugung die Verbindung zu Gott.
2. Die häufigste Antwort unserer Zeit heißt: Gelungen ist das Leben dann, wenn du es zu etwas gebracht hast, ohne wirtschaftliche Sorgen leben kannst, dir auch einmal etwas Gutes gönnen kannst und dabei nicht allzusehr zum Schwein geworden bist. Du musst zwar ein bisschen ein Schwein sein, um Erfolg zu haben, aber wer zu viele Leichen im Keller seines Lebens hat, kann womöglich auch nicht mehr gut schlafen, selbst wenn er auf einem Luxusbett liegt. Aber das ist der Leitsatz unserer Gesellschaft: Gelungen ist das Leben dann, wenn du dir etwas leisten kannst, weil du auch ordentlich geleistet hast.
Das also ist gelungenes Leben: erfolgreich, anerkannt, beliebt, geachtet, zufrieden mit sich und seinen Lebensumständen. Ich glaube, darauf können wir alle uns einigen - die Konfirmanden mit ihren Großeltern, die Leute mitten im Leben und auch die, die nicht mehr so mitten in den Aufgaben der Zeit stehen.
Die Frage heißt dann: wie komme ich da hin? Was muss ich tun?
Die Antwort: Streng dich gefälligst an. „Was du heute kannst besorgen, das verschiebe nicht auf morgen.“ Es liegt so nahe: In einem Parteiprogramm haben die Partei-Strategen geschrieben: Wir sind selbst die Produzenten unseres Sinnes. Ich übersetze das: Wir sind ganz allein verantwortlich dafür, was wir aus unserem Leben machen, und dass wir was aus unserem Leben machen.
Wenn Sie einen Augenblick über diesen Satz nachdenken, dann merken Sie: Da wird Ihnen viel aufgebürdet. Sie müssen nicht nur arbeiten und für die Schule lernen. Sie müssen nicht nur sehen, dass Sie mit Ihrem Geld über die Runden kommen. Sie - Sie ganz allein - müssen Ihrem Leben einen Sinn geben. Da hilft Ihnen niemand - so die Überzeugung der meisten heutzutage.
Es gibt in unserer Gesellschaft kaum noch den religiösen Leistungsdruck: Du musst jeden Tag dreimal beten und jede Woche fünfmal in die Kirche gehen. Es gibt nicht mehr den Druck: So viele Wallfahrten musst du hinter dich bringen. So viele Spenden für die Kirche musst du geben, damit du in Ordnung bist, akzeptiert bei Gott und den Menschen. Das alles ist - Gott sei Dank, sage ich - vorbei. Aber: An die Stelle dieses religiösen Leistungsdruckes ist der Leistungsdruck unserer Erfolgsgesellschaft getreten - und wer da nicht mehr mithalten kann, wird gnadenlos abgehängt: Du bist zu schlecht qualifiziert. Du bist nicht mobil genug. Du bist zu alt für hohe Ausbildungskosten. Du bist zu ineffektiv, um noch am Leben erhalten zu werden.
Unser Bibelwort bringt gegenüber diesem Denken: „Gelingendes Leben = Leistung“ eine völlig andere Sicht ins Spiel. Diese andere Sicht heißt: Über das Gelingen meines Lebens entscheidet nicht der Lebenserfolg und die Leistungsbilanz, die ich mir geschaffen habe. Der Sinn meines Lebens erfüllt sich nicht in dem, was ich mir geschaffen und erarbeitet habe. Das Gelingen meines Lebens hängt nicht an meinen Leistungen - es hängt an den Geschenken Gottes. Dass mein Leben erfüllt ist, gelungen, sinnvoll ist, hängt daran, dass ich in diesem Leben die Güte Gottes erfahren habe, dass ich in diesem Leben geschmeckt habe, wie gut es Gott mit mir meint.
Das ist die Überzeugung, die Paulus zur Sprache bringt: Durch den Glauben an Jesus Christus bin ich Gott recht. Durch den Glauben an Jesus Christus weiß ich, dass ich ein angesehener Mensch bin - Gott hat mich freundlich angesehen Durch den Glauben an Jesus Christus weiß ich, dass ich ein wichtiger Mensch bin - denn Gott sagt zu mir: Du bist mir wertvoll und wichtig. Du bist mir so wichtig, dass ich mein Ein und Alles, meinen Sohn drangebe, damit ich dich für mich gewinne. Durch den Glauben an Jesus Christus weiß ich, dass ich gebraucht werde - denn Gott sagt zu mir: Du sollst in dieser Welt meinen Willen tun und dafür sorgen, dass es in deinem Umfeld mehr so zugeht, wie ich mir das denke. Dafür brauche ich dich!
Wie kommt Paulus zu dieser Sicht des Lebens?
Zum einen hat er erkannt: Auf dem Weg meiner Leistungen komme ich nicht ans Ziel. Ich bleibe immer etwas schuldig. Ich bleibe Menschen gegenüber Liebe, Geduld, Freundlichkeit schuldig. Ich lebe nicht wirklich so, wie es den Geboten, den Weisungen Gottes entspricht. Das führt ihn zu der grundsätzlichen Überzeugung: Kein Mensch kann sich selbst vor Gott gerecht und gut machen.
Zum anderen hat er entdeckt: Ich muss mich auch gar nicht selbst gerecht und gut machen. Ich habe es mit einem Gott zu tun, der mich nicht erst liebt, wenn ich gut bin. Ich habe es mit einem Gott zu tun, der mich nicht erst akzeptiert, wenn ich bestimmte Standards erfüllt habe. Ich habe es mit einem Gott zu tun, bei dem ich nicht aufzählen muss, was ich alles Tolles für ihn getan habe - von wegen Beten und Nächstenliebe und Opfer bringen. Ich habe es mit einem Gott zu tun, der sich seltsamerweise festgelegt hat auf die Liebe - gerade zu denen, die die Standards nicht erfüllen, die an den Spielregeln scheitern, die eine Leistungsbilanz haben, mit der kein Staat und keine Religion zu machen sind.
Gott sucht nur eines - das aber unbedingt: dass wir aufhören, uns seine Liebe verdienen zu wollen, dass wir aufhören, unser Leben auf eigene Faust zum „Erfolg” zu machen. Stattdessen sollen wir ihm glauben, was er uns durch Jesus Christus zeigen will: Du gehörst zu mir - ohne Wenn und Aber, und ich sorge dafür, dass dein Leben gelingt, wenn du dich mir anvertraust.
Ich glaube, dass uns damit eine große Freiheit eröffnet wird: Ich muss mir die grundsätzliche Anerkennung meines Lebens nicht mehr dadurch verdienen, dass ich alles mögliche leiste. Ich muss meine Existenz nicht dadurch rechtfertigen, dass ich pausenlos gut bin. Ich muss mich nicht mehr ständig um mich kümmern - um mich kümmert sich ja schon Gott. Ich bin die Sorge um mich selbst los und kann deshalb auch ein gutes Stück weit sorglos leben.
Wer das kann, hat plötzlich ganz viele Möglichkeiten: Er kann sich um andere kümmern. Er kann auf die achten, die zu oft achtlos übersehen werden. Er kann für die sprechen, die sonst keinen Fürsprecher finden. Er kann denen helfen, die sonst hilflos sind. Er kann sich darum mühen, im eigenen Leben ein wenig mehr dem zu entsprechen, wie Jesus gelebt hat, so mit Menschen umzugehen, wie Jesus mit Menschen, mit uns umgeht. Er kann sich darum mühen, im eigenen Leben die Güte Gottes wieder zu spiegeln - die sich erbarmt über Gerechte und Ungerechte, die keinen verloren gibt und jedem nachgeht, wie weit er sich auch verrannt haben mag.
So sorglos und selbstvergessen sorgsam mit anderen und der Welt umzugehen lässt uns entdecken: Unser Leben wird reich, erfüllt, es hat seinen Sinn. Es gelingt, weil Christus mit uns seinen Weg geht. Amen.
Verfasser: Pfr. Paul-Ulrich Lenz, Leonhardstr. 20, 61169 Friedberg
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