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Pharisäer und Zöllner

von Julia Rittner-Kopp (90403 Nürnberg)

Predigtdatum : 11.08.2002
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : 10. Sonntag nach Trinitatis - Israelsonntag: Kirche und Israel
Textstelle : 2. Samuel 12,1-10.13-15a
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Wochenspruch:



Gott widersteht den Hochmütigen, aber den Demütigen gibt er Gnade. (1. Petrus 5,5b)



Psalm: 113,1-8 (EG 745)



Lesungen



Altes Testament:

2. Samuel 12,1-10.13-15a

Epistel:

Epheser 2,4-10

Evangelium:

Lukas 18,9-14



Liedvorschläge



Eingangslied:

EG 289

Nun lob, mein Seel, den Herren

Wochenlied:

EG 299

Aus tiefer Not schrei ich zu dir

Predigtlied:

EG 324,1.2.9-11

Ich singe dir mit Herz und Mund

Schlusslied:

EG 157

Lass mich dein sein und bleiben



1 Der HERR sandte Nathan zu David. Als der zu ihm kam, sprach er zu ihm: Es waren zwei Männer in einer Stadt, der eine reich, der andere arm. 2 Der Reiche hatte sehr viele Schafe und Rinder; 3 aber der Arme hatte nichts als ein einziges kleines Schäflein, das er gekauft hatte. Und er nährte es, dass es groß wurde bei ihm zugleich mit seinen Kindern. Es aß von seinem Bissen und trank aus seinem Becher und schlief in seinem Schoß und er hielt's wie eine Tochter. 4 Als aber zu dem reichen Mann ein Gast kam, brachte er's nicht über sich, von seinen Schafen und Rindern zu nehmen, um dem Gast etwas zuzurichten, der zu ihm gekommen war, sondern er nahm das Schaf des armen Mannes und richtete es dem Mann zu, der zu ihm gekommen war.

5 Da geriet David in großen Zorn über den Mann und sprach zu Nathan: So wahr der HERR lebt: Der Mann ist ein Kind des Todes, der das getan hat! 6 Dazu soll er das Schaf vierfach bezahlen, weil er das getan und sein eigenes geschont hat. 7 Da sprach Nathan zu David: Du bist der Mann! So spricht der HERR, der Gott Israels: Ich habe dich zum König gesalbt über Israel und habe dich errettet aus der Hand Sauls 8 und habe dir deines Herrn Haus gegeben, dazu seine Frauen, und habe dir das Haus Israel und Juda gegeben; und ist das zu wenig, will ich noch dies und das dazutun. 9 Warum hast du denn das Wort des HERRN verachtet, dass du getan hast, was ihm missfiel? Uria, den Hetiter, hast du erschlagen mit dem Schwert, seine Frau hast du dir zur Frau genommen, ihn aber hast du umgebracht durchs Schwert der Ammoniter. 10 Nun, so soll von deinem Hause das Schwert nimmermehr lassen, weil du mich verachtet und die Frau Urias, des Hetiters, genommen hast, dass sie deine Frau sei.

13 Da sprach David zu Nathan: Ich habe gesündigt gegen den HERRN. Nathan sprach zu David: So hat auch der HERR deine Sünde weggenommen; du wirst nicht sterben. 14 Aber weil du die Feinde des HERRN durch diese Sache zum Lästern gebracht hast, wird der Sohn, der dir geboren ist, des Todes sterben. 15 Und Nathan ging heim.



Hinführende Gedanken

1. Von Mensch zu Mensch

Die Verse aus dem Zweiten Samuelbuch sind Predigttext für den 11. Sonntag nach Trinitatis. der mitten in der Ferienzeit liegt. Für manche Menschen geschieht im Urlaub eine Auseinandersetzung mit ihrem Leben, ihrem Alltag, manchmal ein Perspektivenwechsel, sogar ein Neuanfang.

So ist es in der Begegnung zwischen Nathan und David.

In Nathan begegnet David (endlich!) jemand, der sich mit ihm auseinandersetzt, der auf sein Leben schaut. Als Prophet nennt er die Dinge, beim Namen und ermöglicht so einen Neuanfang.

Einerseits brauchen wir alle solche „prophetischen Fähigkeiten“, den Mut, andere auf Störungen aufmerksam zu machen, wenn wir aufrichtige und fruchtbare Beziehungen, Freundschaften, Arbeitsverhältnisse wollen - andererseits brauchen wir selber Menschen, die uns so gegenübertreten, die uns, wenn nötig, schonungslos mit unserer Schuld konfrontieren, wenn wir sie zu verdrängen versuchen. Wir haben Grund, uns sowohl mit David als auch mit Nathan zu identifizieren. In der narrativen (= erzählenden) Predigt kommen beide zu Wort.

2. Der Mensch vor Gott

Davids individuelles Sündenbekenntnis unterscheidet sich natürlich von unserem liturgischen Sündenbekenntnis im Gottesdienst. Aber beide Male geht es um die Gleichzeitigkeit der Sündenerkenntnis und der Erkenntnis, dass mir von Gott vergeben ist.

So heißt es folgerichtig in einem Untertitel eines hervorragenden Buches zum Thema „Sünde“: „Die christliche Lehre von der Sünde und ihrer Vergebung“. Sünde und Vergebung der Sünde sind in einem Atemzug zu nennen.

(Lit.: Christof Gestrich, Die Wiederkehr des Glanzes in der Welt. Die christliche Lehre von der Sünde und ihrer Vergebung in gegenwärtiger Verantwortung. Tübingen 1989)

Wichtig ist, Sünde nicht als einzelnen moralischen Fehltritt zu verstehen, sondern als eine Haltung, Sünde ist immer Sünde vor Gott. Das bedeutet Abwendung von Gott. Abwendung vom Leben, das er uns schenkt. Als „Zerstörung des wahren Lebens“ bezeichnet Ebeling die Sünde.

Für uns heutzutage ist es unfassbar, dass Gott den Sohn von Bathseba und David sterben lässt. Manche Predigthörerinnen und hörer werden daran hängen bleiben. Die verzweifelte Ratlosigkeit zu dieser Frage, bleibt. Die Predigt kann nur ermutigen, sich auch damit an Gott zu wenden.



Von der Sünde und ihrer Vergebung

1. David



Liebe Gemeinde,

„...und Nathan ging heim.“

Das klingt so, als sei die Geschichte nun zu Ende. Dabei fängt sie gerade erst an. Während Nathan heimgeht, geht David in seinem Palast auf und ab.

Was er gerade mit dem Propheten Nathan erlebt hat, wird Bußpredigt genannt. Passender wäre vielleicht Vergebungspredigt. Wenn es überhaupt eine Predigt ist. Eigentlich reden sie miteinander, begegnen sich, der Prophet besucht den König.

Mit einer Geschichte hat es angefangen.

Diese Geschichte, murmelt David.

Erst dachte ich: Wird Nathan wunderlich? Wieso erzählt er mir das alles? Das hat doch nichts mit mir zu tun.

Geschichten von himmelschreiendem Unrecht gibt es genug. Schon beim Zuhören werde ich zornig.

Es ist doch klar: Wer sich so verhält, muss sterben.

Wir haben ein Gesetz, die Gebote. Und ich bin König und sorge für Gerechtigkeit.

Der reiche, Mann, der dem Armen das Schaf stiehlt und es schlachtet, muss sterben.

Ich bin aufgesprungen und habe das zu Nathans Geschichte gesagt. Ohne wenn und aber.

Da schaut Nathan mich an und sagt: Du. Eine Ewigkeit - dieser Blick.

Du bist der Mann.

Da habe ich verstanden, warum er mir diese Geschichte erzählt hat. Du bist der Mann.

Ich habe mich wieder hingesetzt und nichts mehr gesagt, nur noch zugehört.

Aber in meinem Kopf haben sich die Gedanken überschlagen. Es ist aus. Aus und vorbei.

Du bist der Mann - und musst sterben. Und du hast es nicht anders verdient.

Es ist aus. Auch das Versteckspiel ist vorbei. Die Heimlichtuerei vor Gott als wäre das überhaupt möglich! Ich habe mir und allen anderen etwas vorgemacht. Die Frau eines anderen verführt, Bathseba. Ihren Mann betrogen und schließlich umbringen lassen. Ich habe Grenzen überschritten, rücksichtslos, und gelogen und andere mit hineingezogen.

Es ist aus, ich muss das Spiel nicht weiterspielen.

Nach außen hin hat das ja ganz gut geklappt. Es hat funktioniert. Ich habe funktioniert.

Es lässt sich leben mit einer Schuld, mit einer Lüge. Aber das Leben wird stumpfer, matter.

Und anstrengend. Es verliert seinen Glanz.

In immer mehr Lügen verstrickt habe ich mich. Völlig verstrickt. Mich und andere habe ich verstrickt in Schuld, Immer enger, immer fester, bis es die Kehle zuschnürt.

Schließlich habe ich kaum noch gesungen.

Und das ich, der singende, dichtende König! Das musste doch auffallen!

Aber nie hat mich jemand darauf angesprochen.

Die müssen doch gemerkt haben, dass da was nicht stimmt! Jetzt erst merke ich, wie schwer das war.

„Ich habe gesündigt vor Gott.“

Es tat so gut, das auszusprechen. Vor Nathan. Es nicht mehr herunterzuschlucken, sondern zu sagen. Und zu wissen: Da ist einer, der hört dich. Der hält das aus. Hört nicht weg.

Nathan hat mich nicht geschont. Alles kam auf den Tisch. Knallhart und klar, aber es waren keine Vorwürfe.

Nathan hat gesagt: „Gott nimmt die Sünde, von dir.“ Gott vergibt mir, ich darf leben!

Eigentlich müsste ich singen und tanzen vor Freude. Aber mein Sohn soll sterben.

Sagt Nathan, sagt Gott.

Ich habe, gesündigt und dafür muss mein Sohn, der Kleine, sterben.

Warum? Warum ist Gott so gnädig und so grausam? Was soll ich Bathseba sagen, und der Öffentlichkeit? Ach, Nathan, wieso bist du schon gegangen? jetzt muss ich das alleine schaffen.

II. Nathan

Denn Nathan ist schon gegangen. in Gedanken versunken geht er durch die staubigen. Straßen Jerusalems. Hin und wieder grüßt er. Viele Leute, kennen ihn. Nathan, der Prophet, er war beim König.

Ja, ich war beim König, denkt Nathan. Aber heute war es anders als sonst.

Wie war er schweigsam der wortgewandte David! Er hat sich alles sagen lassen.

Aber es hat gedauert, bis ihm die Augen aufgegangen sind! ins Gesicht musste ich es ihm sagen: Du bist der Mann!

Du!

Du, der von Gott gesegnet ist, den Gott begleitet und beschützt hat. Du bist der Mann, der Gottes Weg verlassen hat.

Gar nichts gibt es da zu beschönigen. Nicht edel, nicht königlich, wie der letzte Dreck hat er sich benommen.

Sünde nennen wir das.

Wer Leben zerstört, Vertrauen und Beziehungen, wer Macht missbraucht als Mann, als König wer sich so verhält, wendet sich von Gott ab.

Wendet sich ab vom wahren Leben. So lehrt es unsere Religion.

Ohne Gott sind wir ohne Leben. Sünde ist Tod.

Für David war ja längst einiges gestorben, abgestorben. Das war kein Leben mehr.

Er hat nicht mehr gesungen, gedichtet, Gott gelobt. Aber niemand hat gewagt, darüber zu sprechen. So ist es oft.

Wie aufmerksam loben die Menschen eigentlich zusammen? Männer und Frauen, Familien, Freundinnen und Freunde. Sie müssen aufmerksam sein miteinander und wahrnehmen, wenn etwas mit den anderen nicht stimmt. Dazu muss ich doch kein Prophet sein! Wenn ich sehe, da hat sich aber einer oder eine verändert, zieht sich zurück, isst nicht mehr, reagiert aggressiv wie nie zuvor oder gar nicht mehr, dann muss ich doch darauf aufmerksam werden. Es ansprechen anstatt wegzuschauen und zu schweigen. Es kostet freilich Mut, sich einzumischen und einen Konflikt zu wagen. Aber wer nur verdrängt, macht es sich leicht. Und macht sich mitschuldig. Es nützt nichts, wenn wir einander schonen und Schlimmes beschönigen. Etwas totzuschweigen tötet auch. Es erstickt das Leben. Und das lässt die Sünde. groß werden. Wie war ich froh, als David nicht ruchr schwieg! Ich habe gesündigt gegen den Herrn“, brach es aus ihm heraus. In diesem Moment wusste ich: Ihm ist vergeben. Mit diesem Sündenbekenntnis ist Selbsterkenntnis verbunden, die Erkenntnis: Ich kann ein neuer Mensch werden. Gleichzeitig. Die erlösenden Worte hat David gesprochen, nicht ich. Er hat es ausgesprochen. Jetzt ist er nicht mehr allein damit, David wendet sich wieder Gott zu.

David kann sich vergeben lassen. Nichts anderes will Gott. Er will ja das Leben, nicht den Tod, David hat er es neu geschenkt. Aber nicht so, wie es früher war. Nicht einfach Schwamm drüber. Es wird anders weiden sein Leben. Sein Sohn wird sterben. Ach, ich werde das nie begreifen, Gott! Ich kann nichts dazu sagen.

Ich verstehe nicht, wieso ausgerechnet so etwas Grausames geschehen muss. Es gibt keine Erklärungen dafür. Da kann auch ich den Leuten nichts anderes sagen.

Trotzdem rufe ich zu dir.

Es wäre noch schlimmer, mit meinem Schmerz und meiner Ratlosigkeit allein zu sein.

So klingen Nathans Gedanken auf dem Heimweg.

III. David

Vielleicht zur gleichen Zeit eilt David, der König, durch den Palast. Vieles ist falsch gelaufen, sagt er sich, ich weiß.

Viele Unstimmigkeiten, Schuld. Aber nun verstecke ich sie nicht mehr.

Ich sehe sie: meine Schuld, meine Fehler, meine Schattenseiten.

Mich sehe ich.

Und ich sehe Gott. Gott, der mich annimmt mit meiner Schuld und sie vergibt.

Ich verstehe es nicht, aber es gehört zusammen:

Dass ich sage „Ja, habe gesündigt“, und gleichzeitig höre: „Gott hat dir vergeben.“

Es gehört zusammen: meine Einsicht und Gottes Einsicht mit mir. Meine Selbsterkenntnis und meine Gotteserkenntnis.

Ohne Nathan hätte ich das nicht geschafft.

Ich habe ein Gegenüber gebraucht. Kein Spiegelbild, keinen, der mir nach dem Mund redet und mich schont und bei Laune hält. Diesen Propheten, diesen Menschen, diesen Freund habe ich gebraucht, um wieder frei zu werden.

Um wieder lebendig zu werden.

Ich kann nichts mehr rückgängig machen. Auch Gott macht nichts ungeschehen. Im Gegenteil.

Ich kann nur noch eins tun, nachdem ich so viel falsch gemacht habe. Nur noch eins!

Und David eilt durch den Palast. Er will zu seinem jüngsten Sohn, zu seinem und Bathsebas Kind

Er wird sterben, sagt Gott. Der Vater kniet vor seinem Kind am Bett.

Er streichelt den Kopf und spricht leise. Wie von selbst kommen die Worte und werden ein Lied. Und David singt seinem Sohn von Gott. Von Gott, der uns geschaffen hat und kennt. Von Gott, vor dem wir nichts verbergen müssen, nicht Schuld, nicht Schmerz, nicht Freude. nicht Glück. Von Gott, der uns Menschen schenkt, die uns die Augen öffnen. Von Gott, der vergibt. Von Gott, der in allem Schmerz, im Leben und im Sterben bei uns ist. So singt David seinem Sohn und sich. Und uns. Amen.



Verfasserin: Pfrn. Julia RittnerKopp, Egidienplatz 29, 90403 Nürnberg

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