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Reformation

von Karsten Müller (39104 Magdeburg)

Predigtdatum : 31.10.2012
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : 23. Sonntag nach Trinitatis
Textstelle : Galater 5,1-6
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Wochenspruch:

Einen andern Grund kann niemand legen als den, der gelegt ist, welcher ist Jesus Christus.
 

1. Korinther 3,11
 

Psalm: Psalm 46, 2 - 8
 

Lesungen
 

Altes Testament: Jesaja 62, 6 - 7. 10 - 12
 

Epistel: Römer 3, 21 - 28
 

Evangelium: Matthäus 5, 2 - 10. (11 - 12)
 

Liedvorschläge
 

Eingangslied: EG 345 Auf meinen lieben Gott
 

Wochenlied: EG 341 oder
 

EG 351 Nun freut euch, lieben Christen g'mein
 

oder Ist Gott für mich, so trete gleich alles wider mich
 

Predigtlied: EG 346 Such, wer da will, ein ander Ziel
 

Schlusslied: EG 347 Ach bleib mit deiner Gnade
 

Liebe Gemeinde,
 

zur Freiheit hat uns Christus befreit, dieser erste Satz unseres Briefabschnittes ist ein protestantischer Kernsatz. Fragt man Otto Normalverbraucher auf der Straße nach einem Unterschied zwischen der evangelischen und der katholischen Kirche, sagt er vielleicht: Also bei den Evangelen ist es freier, nicht so streng wie bei den Katholen.
 

Wer mag Freiheit für etwas Schlechtes halten? Freiheit ist ein hohes Gut, wir leben in einer freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Wer unter anderen Verhältnissen gelebt hat, weiß, welch hohes Gut die Freiheit ist.
 

Und doch: Schnell denkt man bei der Freiheit auch an das Chaos. Jeder macht, was er will, keiner was er soll und doch machen alle mit – so wird manchmal augenzwinkernd die Situation in der evange-lischen Kirche beschrieben. Es dauert auch nicht lange und der Ruf nach Ordnung, Vorschrift und Gesetz wird laut. Wo kämen wir hin, wenn jeder macht, was er will?
 

Ist Freiheit also doch nur ein schönes Wort, gut geeignet für Sonn-tagsreden oder Predigten am Reformationstag? Geht es aber im Alltag doch eher um Vorschrift und Gesetz? Auch in unserem Predigttext geht es ja um das Verhältnis von Freiheit und Gesetz.
 

Was ist Freiheit? Im Deutschen Wörterbuch der Brüder Grimm lesen wir zum Begriff Freiheit: „der älteste und schönste Ausdruck für diesen Begriff war der sinnliche Freihals, ... ein Hals, der kein Joch auf sich trägt.“
 

Der freie Hals, nicht gebeugt durch ein Joch, nicht belastet mit der Unfreiheit – das ist ein schönes Bild. Dann kommt der freie Mensch in den Sinn, der freie Christenmensch, den Luther eine seiner Kern-schriften in der Reformation gewidmet hat. In dieser Schrift Von der Freiheit eines Christenmenschen steht der wunderbare Satz: „Ein Christenmensch ist ein freier Herr über alle Dinge und niemand untertan“
 

Fühlen wir uns so? Oder anders gefragt: Worin begründet sich eigentlich unsere Freiheit? Paulus sagt in unserem Predigttext: Unsere Freiheit kommt von Christus. Die Freiheit, die uns Christus bringt, schenkt, das ist die Freiheit von der Sünde und vom Tod.
 

Wir alle sind Sünder. Es gelingt uns nicht, Gottes Gebote zu halten. Gott bietet uns Wegweisung an, wir suchen unsere Wege. Gott bietet uns eine Struktur zur Lebensgestaltung und -erhaltung an, wir setzten uns an vielen Stellen über sie hinweg. Wir wissen, dass die Wahrheit am weitesten bringt und verstricken uns doch immer wieder in Lügengespinste. Die Liste lässt sich fortsetzen.
 

Es passiert immer wieder, es passiert trotz aller guten Vorsätze.
 

Und trotzdem hat uns die Sünde nicht fest im Griff. Sie hat ihre Wirkung verloren seitdem Jesus unsere Schuld durchgestrichen hat. Das Zeichen dieser ewigen Sühne für uns ist das Kreuz, der Ort, an dem dieses Durchstreichen von Schuld seine Wirkung entfaltet, ist unser Leben.
 

Ich weiß, dass ich durch die Sünde schuldig war, bin und werde. Nicht selten geschieht das, weil ich mich frei machen will von Regeln und Geboten, deren Sinn ich nicht einsehe. Ich mache die Erfahrung, dass ich oft genau dadurch Freiheit einbüße, abhängig werde von Strömungen, mit denen ich eigentlich nichts zu tun haben wollte.
 

Aber ich kann darauf vertrauen, ich kann glauben, dass sich Jesus für mich einsetzt, dass er nicht gelten lässt, was ich durch mein Schul-digwerden anrichte. Es gibt immer einen Ausweg. Ich werde die Verantwortung für mein Tun und Lassen zu tragen haben, das ist gewiss. Aber gewiss ist auch, dass ich in diesen Verantwortung nicht gefangen sein werde, wie in einem Kerker.
 

Dadurch, dass ich das glauben kann, ist mir Freiheit geschenkt. Das ist die Freiheit, von der Paulus schreibt und Luther spricht. Es ist eine Freiheit, die zum Handeln befreit. Ich handele nicht aus der Angst heraus, etwas, vielleicht sogar alles richtig machen zu müssen. Das kann ich nicht. Ich bin frei, weil mir die Angst vor Strafe, die Furcht, ich könnte durch mein Reden, Tun oder auch Lassen mein Seelenheil verspielen, genommen ist. Christus hat mich befreit.
 

Ich bin frei! Ich kann darauf vertrauen, dass alles gut wird, auch wenn die äußeren Zeichen eine ganz andere Sprache sprechen. Ich bin gewiss, dass Gott mich annimmt mit meinen Fehlern oder sogar wegen meiner Fehler. Ich kann Menschen nehmen, wie sie sind, weil Gott mich eben auch nimmt, wie ich bin.
 

Ich bin ein freier Mensch, frei zum Handeln, frei zum Geben, frei zum Lieben. Meine Freiheit ist nicht politischer Natur, sie begründet sich nicht im Grundgesetz. Die Freiheit eines Christenmenschen, um die es hier geht, ist ein Geschenk von Gott an uns Menschen.
 

Diese Freiheit, die von Gott geschenkt wurde und die eine Freiheit von der Sünde ist, grenzt nicht an die Anarchie der Verantwortungs-losigkeit nach dem Motto: Ich kann ja tun und lassen, was ich will, denn Christus ist ja für mich am Kreuz gestorben.
 

An den vorhin schon zitierten wunderbaren Satz: „Ein Christen-mensch ist ein freier Herr über alle Dinge und niemand untertan“ fügt Luther sogleich einen zweiten an: „Ein Christenmensch ist ein dienstbarer Knecht aller Dinge und jedermann untertan.“
 

Wird hier die von Gott geschenkte Freiheit sogleich wieder einge-schränkt, der Mensch also doch in das Korsett der Gesetzte und Gebote eingeschnürt? Nein, so ist es nicht. Die Knechtschaft, von der hier die Rede ist, ist nicht die Einschränkung der Freiheit, sondern ihre ganz normale Folge. Vielleicht wird deutlicher, was gemeint ist, wenn man sagt: Ich bin so frei, ein Knecht zu sein. Das heißt, die Knechtschaft, von der hier die Rede ist, ist nicht eine von außen auferlegte Unfreiheit, ein aus Regeln und Gesetzen gebautes Gefängnis.
 

Ich bin so frei, ein Knecht, ein Diener, ein Mit-Bruder oder eine Mit-Schwester zu sein. Ich kann mich für andere einsetzen, für ihre Be-lange, für ihre Freiheit, für ihre Nöte. Das tue ich nicht, weil es eine
 

moralische oder auch religiöse Forderung dazu gibt. Solche Forde-rungen werden zu Recht als Freiheitsbeschränkungen angesehen. Dass Gott derlei Forderungen aufstellt, unsere Leistungen gar fordert, damit wir vor ihm gut dastehen, ist auch nicht recht zu glauben.
 

Ich bin so frei, ein Knecht zu sein, weil ich selbst erlebt habe, dass Gott für mich da ist, dass er mich beschenkt mit meinem Leben, annimmt, wie ich bin. Ich spüre seine Nähe und kann darum anderen Menschen Nähe schenken. Ich spüre seine Sorge und kann darum für andere sorgen, ich spüre seine Liebe und kann darum andere lieben.
 

Sich so etwas klar zu machen ist nicht leicht. Manchmal muss man ja auch im Leben genau hinschauen, dass man Gottes Freiheitsge-schenke auch nicht übersieht. Manchmal ist seine Freiheit nur schwer erfahrbar – das stimmt schon. Aber wir sollten dann nicht in den alten Fehler verfallen und uns an Regeln, Gesetze oder Gebote hängen und glauben, von deren Einhaltung hänge alles ab.
 

Das Halten der Gebote in der Freiheit von Menschen, die auch Knechte sind, ist sicher eine Hilfe für ein gutes Leben. Voraus-setzung dafür kann es aber nie sein. Voraussetzung für ein gutes Leben ist die Freiheit, die Christus schenkt und die uns zu befreiten Dienern in dieser Welt macht.
 

Wir retten mit unserem Dienst die Welt nicht, weil sie schon gerettet ist. Aber durch unseren Glauben an den erlösenden Christus retten wir uns selbst in eine große Freiheit und als Knechte in dieser Freiheit können wir manchem Mitmenschen ein Helfer oder eine Helferin werden.
 

Wir müssen keine Gesetzerfüller und erst recht keine Vollstrecker des Gesetzes sein. Luther sagt am Ende siener Schrift von der Freiheit eines Christenmenschen:
 

„Siehe, das ist die rechte, geistliche, christliche Freiheit, die das Herz frei macht von allen Sünden, Gesetzen und Geboten, die alle andere
 

Freiheit übertrifft wie der Himmel die Erde, die gebe uns Gott recht zu verstehen und zu behalten.“
 

Das ist die Freiheit, zu der Christus uns befreit hat. Amen
 

Verfasser: Pfarrer Karsten Müller
 

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