Segen
von Regina Eske-Keller (Prädikantin)
Predigtdatum
:
03.06.2007
Lesereihe
:
ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr
:
Pfingstmontag
Textstelle
:
4. Mose 6,22-27
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Gnade sei mit euch und Friede, von Gott unserem Vater und dem Herrn Jesus Christus. Amen.
Wir hören Worte aus dem 4. Buch Mose, im 6. Kapitel, die Verse 22 bis 27:
Und der HERR redete mit Mose und sprach: Sage Aaron und seinen Söhnen und sprich: So sollt ihr sagen zu den Israeliten, wenn ihr sie segnet:
Der HERR segne dich und behüte dich;
der HERR lasse sein Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig;
der HERR hebe sein Angesicht über dich und gebe dir Frieden.
Denn ihr sollt meinen Namen auf die Israeliten legen, dass ich sie segne.
Liebe Gemeinde,
es ist ein besonderer Moment im Gottesdienst, wenn diese alten Worte gesprochen werden. Oft werden sie in besonderer Weise – ja feierlich – eingeleitet. Dann steht die Gemeinde auf. Der Liturg hebt seine Hände und spricht mit Jahrtausende alten Worten den Segen:
Der Herr segne dich und er behüte dich;
der Herr lasse sein Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig;
der Herr hebe sein Angesicht über dich und gebe dir Frieden.
Vielleicht ist der Augenblick des Segnens überhaupt einer der wichtigsten Momente eines Gottesdienstes. Die Worte sind unübertroffen schön. Von weit her erreichen sie unser Ohr. Der heutige Predigttext erzählt, wie Gott Aaron, dem Urvater aller Priester, gebieten lässt, mit diesen Worten das Volk zu segnen. Martin Luther hat 1526 dafür gesorgt, dass dieses Segenswort Eingang in den evangelischen Gottesdienst gefunden hat. Kein anderes Wort, so war Luther der Ansicht, solle bei der Entlassung aus dem Gottesdienst gesprochen werden. Und so erhebt sich die Gemeinde bis heute am Ende jedes Gottesdienstes, um den Segen Gottes mit jenen Worten zu empfangen. Die Jahr-tausende alten Worte sind vertraut, viel mehr als alle anderen Segensworte der Bibel. Das ist auch gut so, denn jede und jeder weiß im Grunde, was kommt. Wir können uns – ohne wachsam sein zu müssen – in der Formel des Segens bergen.
Der aaronitische Segen enthält sechs Wünsche in drei Reihen. Die Worte sind kunstvoll ausgewählt und zusammengestellt. Dabei ist es so, dass die Spannung zum Ende hin ansteigt. Das erste Wort wünscht Segen, das letzte Frieden. Dies geschieht keineswegs allgemein. Vielmehr machen die Formulierungen deutlich, dass es um ein ganz intimes Geschehen geht. „Der HERR segne dich“. Im Deutschen hört man die Brisanz nicht mit. Im Hebräischen steht hier der Gottesname „Jahwe“, die vier Buchstaben, mit denen sich Gott dem Mose im br3ennenden Dornbusch gegenüber zu erkennen gab: „Ich bin, der ich bin.“. Das heißt der Segen ist etwas Besonderes, im Segen gibt Gott seinen Namen preis. Wer seinen Namen preisgibt, liefert sich damit aus und macht sich kenntlich. Den Namen preiszugeben ist offenbar ein ganz persönliches, fast intimes Ereignis. Ich mache mich kenntlich, wenn ich meinen Namen preisgebe. Menschen können mich anreden und behaften. Mein Wort und meine Tat können mit einem Namen identifiziert werden. Im Segen nun wird der Name Gottes auf die Gemeinde gelegt. Auf jeden Einzelnen, und zwar damit er – Gott selbst – die Gemeinde segne. Nicht der Pfarrer segnet, nicht die Prädikantin und nicht der Liturg, sondern Gott selbst segnet die Gemeinde. Pfarrer, Diakoninnen und Prädikanten haben nur die Aufgabe, den Namen Gottes mit den Worten des aaronitischen Segens auf die Gemeinde zu legen, die Gott selbst segnet. Das Besondere dabei ist, dass der Segen kein kollektives Geschehen ist, sondern ein persönliches. Der Einzelne wird angesprochen und gesegnet. Jede und jeder wird persönlich angeredet. Die Formulierung lautet nicht: „Der Herr segne euch…“, sondern es heißt: „Der Herr segne dich“. Das heißt: Im Segen ereignet sich etwas zwischen Gott und dir als Einzelnem. Gott wendet sich dir zu.
Liebe Gemeinde, insofern stehen wir beim Segen als Einzelne vor Gott. Und wie sieht das aus? Wie stehen wir da? Mutig und feige, traurig und fröhlich. Wir stehen vor ihm mit unserem Gelingen und unserem Versagen. Wir stehen da mit unseren Versuchen, gut und menschlich zu sein und mit unserer Schuld. Wir stehen da mit unseren Sorgen, mit Gedanken, die wir nicht auszusprechen wagen, mit uneingelösten Träumen. Wir stehen vor Gott, gesund oder krank, kraftvoll und lebensfroh manchmal und dann wieder betrübt und im Herzen beschwert. Beim Segen stehen wir als Einzelne vor Gott: Manche von uns sind jung, unbeschwert, gespannt auf das Leben, voller Freude und mit Mut im Herzen. Die Häupter der Anderen sind bereits von den Jahren und manchen Falten geziert, von der Last und der Freude des Lebens gezeichnet, bepackt mit den Siegen und Niederlagen. Manche von uns sind aufgehoben in gelingenden Beziehungen und andere fühlen sich entwurzelt. So stehen wir vor Gott. Und so, liebe Schwestern und Brüder, wie wir da stehen, werden wir als Einzelne gesegnet.
Und der Segen, das sind eben nicht nur einfach gute Wünsche, Glück, Erfolg, Reichtum, Gesundheit, wie wir sie von wohlwollenden Mitmenschen so oft zugesprochen bekommen. - Ja, auch das tut uns gut, aber ob die Wünsche in Erfüllung gehen? Das, was wir beim aaronitischen Segen in den sechs Wünschen in drei Reihen hören, das sind Wünsche, deren Erfüllung uns der dreieinige Gott nach biblischem Zeugnis zugesagt und versprochen hat. Lassen Sie uns dem nachgehen:
„Der Herr segne dich.“ Alles, was Gott geschaffen hat, soll nicht verloren gehen. Deshalb drückt ihm der Schöpfer seinen Stempel auf, signiert sein Werk, segnet es. – So die Wortherkunft: kennzeichnen = signieren, segnen. - Er bekennt sich zu dir, zeichnet dich aus mit seinem Zeichen, das du in der Taufe bekommen hast. „Fürchte dich nicht. Ich habe dich bei deinem Namen gerufen. Du bist mein.“
„Und er behüte dich.“ - Behütet und bewahrt werden, das war die große Erfahrung des auserwählten Volkes Israel. Gott hat sein Volk aus der Gefangenschaft geführt und es trotz aller Gefahren und Rückschläge sicher durch die Wüste ins gelobte Land geführt. Der wohl am häufigsten als Taufspruch gewählte Abschnitt aus Psalm 91 drückt diese Erfahrung des Behütet- und Bewahrtseins des Volkes Israel aus: „Der Herr hat seinen Engeln befohlen, dass sie dich behüten auf allen deinen Wegen.“
„Der Herr lasse sein Angesicht leuchten über dir“. Das leuchtende Angesicht drückt Freude aus. Unser Angesicht leuchtet, wenn wir uns auf den anderen freuen, uns freuen ihn zu sehen. So wie eine Mutter oder ein Vater voll Liebe ihren Sohn oder ihre Tochter ansehen, wenn sie stolz auf ihr Kind sind. So sieht Gott seinen Sohn an und so sieht er auch uns an. Da wird mir warm, da spüre ich Gottes Blick auf mir und über mir, Mut machend, aufmunternd, erhellend.
„... und sei dir gnädig“. Dass Gott uns gnädig anschauen möge, das müssen wir uns immer wieder wünschen. Gott sei Dank hat er schon früh festgelegt, dass er uns eben nicht buchhalterisch ansieht, dass er eben nicht den stechenden Blick für uns übrig hat, sondern dass er uns so ansieht, wie wir aus seiner Sicht sein könnten. Gnädig ist das, liebevoll und aufbauend. Diese Gnade Gottes ist uns zugesagt im Psalm, wie wir ihn im Eingangsteil gebetet haben: „Gnädig und barmherzig ist Gott, geduldig und von großer Güte.“
Die dritte Reihe nun weist über unseren Horizont hinaus. Der Heilige Geist, der Geist Gottes öffnet den Blick in die Zukunft auf sein kommendes Reich des Friedens:
„Der Herr hebe sein Angesicht über dich und gebe dir Frieden.“ Wieder geht es um Gottes Nähe, um seine Weite, die uns umgibt, um seinen Blick, der uns umhüllt und unseren eigenen Blick weit machen kann. Frieden meint mehr als Waffenstillstand. Der Shalom Gottes meint das Leben, wie es nach Gottes Willen sein könnte für mich selbst, für andere, für Gottes ganze Schöpfung. Gottes Friede meint ein Beziehungsgleichgewicht, das Leben für alle in Fülle möglich macht.
Wie weit dieser Friede manchmal von der Wirklichkeit unseres Lebens entfernt ist, hat wohl jeder von uns schon mehr als einmal erfahren. Aber Gottes Perspektive ist eben höher als unsere. Er hebt sein Angesicht über meines und sieht mehr als ich.
Ich stelle mir den aaronitischen Segen immer ganz real vor: Da ist der Töpfer. Er hat ein Gefäß geformt mit seinen Händen. Er ritzt am Boden seinen Namen ein, damit es nicht mehr verloren geht. (segnen) Dann wird er es vorsichtig in den Ofen setzen und aufpassen, dass es nicht kaputt geht. (behüten) Wenn es fertig ist, hält der Töpfer sein Werk in den Händen und sieht es mit leuchtenden Augen und Stolz an (lässt sein Angesicht leuchten), auch wenn es hier und da ein paar kleine Unebenheiten oder Macken hat. Das macht das Gefäß doch erst zu etwas Besonderem! (gnädig) Und dann wird er sich umsehen, wo dieses Gefäß wohl gebraucht werden kann (Angesicht heben) und es einer sinnvollen Bestimmung zuführen, damit es auch anderen Menschen zum Nutzen und zur Hilfe wird. (Frieden)
Was uns da am Ende des Gottesdienstes zugesagt wird, findet seine Erfüllung in den Zusagen der hebräischen Bibel, aber auch in den Geschichten und Briefen des Neuen Testaments. Deshalb gilt der Segen dann auch allen Menschen. Wir dürfen den Segen empfangen und annehmen, weil seine Zusagen wahr sind. Amen.
Und die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen.