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Sendschreiben an die Gemeinde in Sardes

von Philipp Dietrich (74196 Neuenstadt a. K.)

Predigtdatum : 03.12.2023
Lesereihe : VI
Predigttag im Kirchenjahr : 1. Advent
Textstelle : Psalmen 24,1-10
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Wochenspruch: "Siehe, dein König kommt zu dir, ein Gerechter und ein Helfer." (Sach 9,9)

Psalm: 24,1-10

Predigtreihen

Reihe I: Matthäus 21,1-11
Reihe II: Römer 13,8-12
Reihe III: Sacharja 9,9-10
Reihe IV: Jeremia 23,5-8
Reihe V: Offenbarung 3,14-22
Reihe VI: Psalm 24,1-10

Liedvorschläge

Eingangslied: EG 1,1-3 Macht hoch die Tür
Wochenlied: EG 11,1.2.5 Wie soll ich die empfangen
Predigtlied: EG 1,4.5 Macht hoch die Tür
Schlusslied: EG 4, 1.2.5 Nun komm, der Heiden Heiland

Predigttext: Psalm 24,1-10

1 Ein Psalm Davids. Die Erde ist des HERRN und was darinnen ist, der Erdkreis und die darauf wohnen. 2 Denn er hat ihn über den Meeren gegründet und über den Wassern bereitet. 3 Wer darf auf des HERRN Berg gehen, und wer darf stehen an seiner heiligen Stätte? 4 Wer unschuldige Hände hat und reinen Herzens ist, wer nicht bedacht ist auf Lüge und nicht schwört zum Trug: 5 der wird den Segen vom HERRN empfangen und Gerechtigkeit von dem Gott seines Heils. 6 Das ist das Geschlecht, das nach ihm fragt, das da sucht dein Antlitz, Gott Jakobs. Sela. 7 Machet die Tore weit und die Türen in der Welt hoch,[1] dass der König der Ehre einziehe! 8 Wer ist der König der Ehre? Es ist der HERR, stark und mächtig, der HERR, mächtig im Streit. 9 Machet die Tore weit und die Türen in der Welt hoch, dass der König der Ehre einziehe! 10 Wer ist der König der Ehre? Es ist der HERR Zebaoth; er ist der König der Ehre. Sela.

Predigt

I. Gott zieht in den Tempel ein

Die Prozession kommt zum Stillstand. Vier Träger stellen ihre Last behutsam auf den Boden. Es ist der edle Zedernholzkasten mit den Zehn-Gebote-Tafeln. Endlich! Ihre Hände und Arme schmerzen vom Gewicht. Eine lange Reihe aus Priestern, Trägern und Tempelmusikern steht nun vor dem Tempeltor. Es gibt kein größeres in Jerusalem. Trotzdem ist es viel zu klein für den, der da einziehen soll. Die Lade gilt als Fußschemel Gottes. Gott selbst thront unsichtbar darüber. Kein Wunder, dass da jedes Tor und jede Tür zu klein ist. Jetzt ruft der Hohepriester mit lauter Stimme: „Machet die Tore weit und die Türen in der Welt hoch, dass der König der Ehre einziehe!“ – Doch nichts geschieht. So einfach kommt man nicht in den Tempel. Erst die Parole. „Wer ist der König der Ehre?“, wird von der Mauer herunter gefragt. Der Hohepriester antwortet mit den seit Jahrhunderten vertrauten Worten: „Es ist der Herr, stark und mächtig, der Herr mächtig im Streit!“

Unter Ächzen und Knarzen setzen sich die Tempeltore in Bewegung. Die Hände der Träger umfassen die Tragestangen und heben die wuchtige Lade auf ihre Schultern. Der Tross setzt sich wieder in Bewegung. Über den weitläufigen Vorhof des Tempels zieht die Prozession zum zweiten Tor. Vor dem Innenhof mit dem Allerheiligsten. Dort halten sie wieder an und setzen die Lade auf den Boden. Nochmals ertönt die Stimme des Hohepriesters: „Machet die Tore weit und die Türen in der Welt hoch, dass der König der Ehre einziehe!“ – Und das Frage- und Antwortzeremoniell wiederholt sich: „Wer ist der König der Ehre?“, ruft es von drinnen. „Es ist der Herr Zebaoth, er ist der König der Ehre“, lautet die vorgeschriebene Antwort. Die Tore öffnen sich auch hier und die Lade wird ins Allerheiligste des Tempels gebracht. Gott nimmt Wohnung in der Welt.

II. Wie trete ich vor Gott? Fragen eines Pilgers

Am Fuß des Tempelbergs bleibt ein einzelner Pilger zurück. Die große Prozession ist längst weitergezogen. In der Ferne hört er den Klang des Widderhorns. Dieser Pilger nimmt sich Zeit. Er möchte nicht unvorbereitet den Tempel betreten. So meditiert er die alten Psalmworte:

„Wer darf auf des Herrn Berg gehen,
und wer darf stehen an seiner heiligen Stätte?
Wer unschuldige Hände hat
und reinen Herzens ist,
wer nicht bedacht ist auf Lüge
und nicht schwört zum Trug:
der wird den Segen vom Herrn empfangen
und Gerechtigkeit von dem Gott seines Heils.“

Gibt es überhaupt einen Menschen, der reinen Herzens ist, fragt sich unser Pilger. Wer behält ein Leben lang unschuldige Hände? – Er denkt an seine Kinder. Was haben sie bei der Erziehung nicht alles falsch gemacht! Beim ersten waren sie noch so unerfahren. Und die vielen Menschen, die mir schon begegnet sind. Wie vielen bin ich wohl etwas schuldig geblieben! Wie oft war ich im Gespräch nur bei mir selbst und habe die anderen überhaupt nicht recht wahrgenommen. Wie viel Not habe ich wohl übersehen? Unwissentlich, oft. Manchmal auch wissentlich – Oben ertönt nochmals der durchdringende Schall des Widderhorns. Jetzt ist die Lade im Tempel. Gott hat Einzug gehalten. Ob ich mich ihm nun nahen kann?

III. Wie treten wir über die Schwelle des neuen Kirchenjahres?

Liebe Gemeinde!

Auf unsere je und je eigene Weise sind wir diesen Adventsmorgen zur Kirche gekommen. Manche erwartungsvoll. Der Adventskranz, die festliche Musik und vor allem die Lieder erwarteten uns. Ein fröhlicher Auftakt zu dieser besonderen Zeit.

Andere kamen wohl eher zögerlich. Werden mir die vertrauten Adventschoräle überhaupt über die Lippen gehen? Das Totengedenken am Ewigkeitssonntag liegt gerade mal eine Woche zurück. Wunden wurden wieder aufgerissen. Erinnerungen an die letzte gemeinsame Zeit. Die Tür, die nun ein für alle Mal ins Schloss gefallen ist.

Womöglich ging die eine oder der andere heute Morgen auch eher nachdenklich durch das Kirchentor: Wann wird Gott endlich Einzug halten in unserer Welt? Es gibt so viel Krieg und Leid. Wir zerstören unsere Lebensgrundlagen mehr und mehr. Wann kommst du, Gott? Auch in mein persönliches Leben, mit dem ich manche Sorgen über die Kirchenschwelle trage.

Diese so unterschiedlichen Stimmungen gehören auch zum Advent. Einerseits ist es eine Zeit der Besinnung, der inneren Einkehr. Dafür steht das violette Altartuch. Wie der Pilger auf dem Weg zum Tempel erkunden wir, ob wir auf dem rechten Weg sind. Ob unser Herz für andere warm schlägt. Ob unser Tun von unserem Gott erzählt.

Auf der anderen Seite ist der 1. Advent wie ein mächtiger Paukenschlag. Er kündigt etwas Außergewöhnliches an: „Machet die Tore weit und die Türen in der Welt hoch, dass der König der Ehren einziehe!“

IV. Das Leben ist kein Adventskalender

Wo ist Gott in meinem Leben, fragt sich Herr Meyer diesen Advent.

Seine erste Frau starb durch eine Krebserkrankung. Dann begegnete er zufällig wieder einer alten Schulfreundin. Auch sie früh verwitwet. Die beiden heiraten. Erfülltes Leben.

Doch nur kurz. Wieder kommt eine Krankheit. Diesmal Demenz. Eine Tür um die andere verschließt sich. Eine Freundin begleitet die beiden über Jahre. Nachdem seine zweite Frau gestorben ist, werden sie ein Paar. Doch auch diese Partnerin stirbt. Schlaganfall.

Die Sache mit Gott hat sich eigentlich erledigt, findet Herr Meyer. Wenn da nicht auch das andere wäre. Diese großen und kleinen Wunder des Alltags. Immer wieder unverhoffte Begegnungen. Erst unlängst: Eine Studentin aus Argentinien spricht ihn an. Sie fragt ihn nach dem Weg. Seither hilft er ihr einmal die Woche beim Deutschlernen.

Und dann ist da noch diese Herzensfröhlichkeit, die sich der Neunzigjährige trotz allem bewahrt hat. Ein Geschenk.

„Macht hoch die Tür, die Tor macht weit, es kommt der Herr der Herrlichkeit?“ – Herr Meyer macht für sich ein dickes Fragezeichen dahinter. Allerdings hinter dem Fragezeichen steht auch ein kleines Ausrufezeichen. Die alten Worte und Lieder prägen ihn schließlich seit seiner Kindheit. Sie geben ihm Heimat. Sie bergen seinen Glauben. Zumindest das, was davon übriggeblieben ist. Denn das Leben ist ganz gewiss kein Adventskalender.

V. Gott kommt und klopft leise an

Liebe Gemeinde, das Leben ist kein Adventskalender. Nicht hinter jedem Türchen steckt ein Stück Schokolade. Wie sehr wünschten wir manchmal, dass Gott kommt! Dass er Türen und Tore einfach entzweibricht und dem Krieg, dem Elend, dem Klimakollaps ein Ende bereitet. Wir wünschen uns, dass er als Herr über die himmlischen Heerscharen, als „der Herr Zebaoth“ mitten hineinfährt. Ein Gott „stark und mächtig“, wie es der alte Psalm besingt.

Unsere menschlichen Könige und Herrscher in der Geschichte hinterließen oft überdimensionierte Reiterstandbilder auf den Plätzen der Städte. Jesus hingegen reitet auf einem Esel in Jerusalem ein. Das ist eine andere Spur, wie Gott in unsere Welt kommt. Nicht mit Gewalt. Nicht kriegerisch. Sondern warmherzig. Allein auf die Macht der Liebe setzend. So klopft er an unsere Herzenstüren.

VI. Ein Lied, das nachhallt

„Macht hoch die Tür, die Tor macht weit!“ Das erste Lied unseres Gesangbuches ist selbst ein Tor. Es eröffnet sowohl das Evangelische Gesangbuch als Ganzes als auch den ersten Abschnitt mit den Adventsliedern. Nicht ohne Grund: Es gehört zu den bekanntesten und beliebtesten Liedern überhaupt. Der Dichter, der Königsberger Pfarrer Georg Weissel, hat in seinem Lied gebündelt, was zum 1. Advent gehört: Es ist der Psalm „Machet die Tore weit“. Es ist die Erzählung, wie Jesus in Jerusalem einzieht. Und da ist noch der Wochenspruch „Siehe, dein König kommt zu dir, ein Gerechter und ein Helfer.“

„Macht hoch die Tür, die Tor macht weit“ ist also nicht nur ein Lied über Psalm 24. Hier wird vielmehr Gott als König besungen, wie er uns in der Fülle der biblischen Botschaft begegnet. Als universeller Weltenherrscher genauso wie als eselreitender Friedenskönig. Sanftmütig und warmherzig. „O wohl dem Land, o wohl der Stadt, so diesen König bei sich hat!“ Gott hält Einzug ins öffentliche Leben, aber vor allem auch in unsere Herzen. Daran ist dem Barockdichter Georg Weissel besonders gelegen.

Die Melodie des Liedes kam erst etwas später dazu. Sie ist genau auf den Text zugeschnitten. Eine Melodie im 6/4-Takt – alles schwingt und fließt. Die warme, aufmunterte Melodie macht fühlbar, wie Gott in unsere Herzen kommt. Immer weiter schwingt die Melodie. Sie kommt erst im Refrain zum Stehen: „Gelobet sei mein Gott.“ – Gott selbst bekommt den längsten Ton des ganzen Liedes. Etwas Größeres als diesen König gibt es nicht. Die Macht seiner Liebe überbietet alles.

„Macht hoch die Tür, die Tor macht weit!“ – Das erste Lied des Gesangbuches ist weit mehr als nur ein Adventslied, das auf die Weihnachten vorbereitet. Es eröffnet den weiten Horizont unseres Glaubens:

Gott kommt.
Er kommt und macht unsere Herzen warm.
Er kommt und bringt unsere Gemeinde in Bewegung.
Er kommt und schenkt dem ganzen Erdkreis seinen Frieden.
Und selbst wenn wir noch zögerlich sind, wenn wir uns an der Schwelle zu Gottes Advent schwertun, der fröhlich-festliche Klang dieses Liedes nimmt uns mitten hinein.
Amen.

Verfasser: Pfarrer Philipp Dietrich, Tübingen


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