Wochenspruch: „Unser Glaube ist der Sieg, der die Welt überwunden hat.“ (1. Johannes 5, 4)
Psalm: 25, 8 – 15 (EG 713)
Lesungen
Altes Testament: Jesaja 49, 1 – 6
Epistel: Römer 10, 9 – 17 (18)
Evangelium: Matthäus 15, 21 – 28
Liedvorschläge
Eingangslied: EG 440 All Morgen ist ganz frisch und neu
Wochenlied: EG 346 Such, wer da will, ein ander Ziel
Predigtlied: EG 302, 1 - 3. 5 Du meine Seele, singe, wohlauf und singe schön
Schlusslied: EG 243, 1.4.6 Lob Gott getrost mit Singen
Vorwort:
Die Predigt folgt in drei Teilen drei Sätzen der Perikope:
1. Sie konnten’s nicht
2. Alle Dinge sind dem möglich, der da glaubt.
3. Herr ich glaube, hilf meinem Unglauben !
Diese Sätze erschließen m. E. gut die Dynamik der Geschichte. In diesen drei Sätzen kann der Prediger/die Predigerin die ganze Geschichte erzählen. Zugleich sind wir in diesen Sätzen immer bei uns selbst, dabei wie Glaube und Unglaube durch uns als Einzelne und durch die Kirche hindurchgehen –ein zutiefst reformatorischer Gedanke, von dem uns nur die Bitte des Vaters befreit: Ich glaube, hilf meinem Unglauben. Exegetisch liegt das Besondere der Geschichte in der Gegenüberstellung von der Unfähigkeit der Jünger und dem Meister. (siehe J. Gnilka, Das Evangelium nach Markus Bd. 2 (EKK), S.43 ff. ) Es liegt also nahe, das Motiv (Sie konnten’s nicht) aufzugreifen. Die Frage ist, ob hier zwei Wundererzählungen zusammengefügt wurden, was einige Doppelungen erklärt (die Krankheit wird zwei Mal beschrieben; die Menge ist schon da, dann läuft sie aber erst zusammen). Für den Predigtduktus spielt diese Frage keine Rolle.
Zurzeit der Abfassung der Predigt war der rasche Aufstieg des Ministers zu Guttenberg und die Affäre um seine Doktorarbeit und die daraus entstehenden Rücktrittsforderungen Thema. Sicher ist am 17. Sonntag nach Trinitatis ein anderes Thema in den Schlagzeilen. Insofern ist die Erwähnung des Themas hier nur exemplarisch zu sehen. Wie und ob aktuelle Themen aufzugreifen sind, muss der Prediger/die Predigerin entscheiden.
Liebe Gemeinde,
Einleitung
es sind drei Sätze, die mich beim Lesen des Predigttextes besonders beindruckt haben. Und über diese drei Sätze möchte ich sprechen und Sie in diese Sätzchen verwickeln und damit in die ganze Geschichte:
1. Sie konnten’s nicht
2. Alle Dinge sind dem möglich, der da glaubt.
3. Herr ich glaube, hilf meinem Unglauben!
1. Sie konnten’s nicht
Der Vater des epileptischen Jungen sagt: Und ich habe mit deinen Jüngern geredet, dass sie ihn austreiben sollen, und sie konnten’s nicht.
Mich trifft dieser Satz. Vielleicht weil ich das auch kenne. Menschen kommen zu mir und erwarten Hilfe, Trost, ein gutes Wort, Lösung ihrer Probleme.
Und dann konnte ich nicht helfen -vielleicht weil ich mir nicht genug Zeit genommen habe oder ich einfach nicht helfen kann.
Sie konnten’s nicht. Trifft Sie dieser Satz auch?
Wir leben ja in einer Gesellschaft, in der das Schlimmste, was man uns sagen kann ist: Du kannst es nicht, Du packst es nicht, Du bist unfähig. Oft ist das mit Rauswurf, mit Kündigung verbunden – und für viele heißt das: Gesellschaftliches Todesurteil, Du bist draußen, Du gehörst nicht mehr zur Welt der Leistungsstarken.
Du kannst es nicht! Dieser Satz weckt existentielle Ängste, dass die eigene Lebensenergie, die eigenen Fähigkeiten und Möglichkeiten nicht ausreichen, um in dieser Gesellschaft zu bestehen.
Es ist gefährlich, wenn man von einem zu viel erwartet. Wir haben im Februar erlebt, wie s einem Minister gehen kann. Erst war er der Star, dann erleben wir: Er konnte etwas nicht, er hat sich zu viel vorgenommen, neben Familie und Beruf hat er seine Doktorarbeit nicht
mehr sorgfältig geschrieben und es mit mancher Fußnote nicht so genau genommen. Er wollte mehr sein als er war. Und ich glaube ihm, dass das für ihn selbst am Schmerzlichsten ist, dass die Bilder, die man in die Öffentlichkeit über ihn gestellt hat, nicht stimmen.
Die Menschen vor 2000 Jahren in Palästina lebten nicht in unserer Leistungsgesellschaft. Aber sie hatten natürlich auch Erwartungen. Erwartungen an einen Messias, der Israel aus der Knechtschaft der Römer befreit. Erwartungen an einen Erlöser, der ihre privaten Probleme löst und Krankheit und böse Geister besiegt. Erwartungen an Jesus; dessen Kunde ins ganze Land ausging. Man traute ihm zu, dieser Messias zu sein. Der kann heilen, der kann gesund machen, der kann befreien. Und das hat er ja auch, immer wieder, und damit Erwartungen auch genährt und geweckt.
Aber er hat auch immer, immer klar gemacht, dass er keiner ist, der alle Erwartungen erfüllt, der alle Bedürfnisse befriedigt, der alle heilt, heilen kann. Er hat immer klar gemacht:
Er ist kein Zauberer, sondern er ist sozusagen auf sein Gegenüber angewiesen, auf die, die etwas von ihm wollen. Heilung hat mit Beziehung zu tun: Und Heilen können hat ebenso etwas mit Beziehung zu tun.
Heilung und Heilen können gibt‘ s nicht ohne Beziehung mit sich selbst, ohne Beziehung zu seinem Umfeld, seiner Familie, Heilung und Heilen können gibt es nicht ohne Beziehung zu Gott –in einem sehr weiten Sinne allerdings.
Auch diese Geschichte ist also ein Beziehungsgeschehen. Eine Beziehung mit unterschiedlichen Akteuren:
Da sind die Jünger – da ist die erwartungsvolle Menge, also vielleicht wir, jeder von uns –und auch noch Schriftgelehrte, die mit ihnen streiten: Den Anlass kann man sich vorstellen, die Schriftgelehrten streiten mit den Jüngern über die Deutungshoheit über Jesus, ist er wirklich der Messias? Der Ruf, der ihm vorausgeht, weckt jedenfalls hohe Erwartungen, und so ist auch der Vater mit seinem epileptischen Sohn gekommen.
Und dann kommt er - Jesus, „und sobald die Menge ihn sah, entsetzen sich alle, liefen herbei und grüßten ihn“ - erschrocken, erwartungsvoll?
Und dann richtet sich die „Kamera“ der Szene auf einen aus der Menge, den Vater des Sohnes. Eine Szene in der Szene ist das, vermutlich hätte jeder andere aus der Menge auch eine Geschichte, auch eine Geschichte von Erwartungen und Sehnsüchten erzählen können. Also dieser Scheinwerfer der Geschichte fällt auf ihn: „Meister, ich habe meinen Sohn hergebracht zu dir, der hat einen sprachlosen Geist…“ Und er erzählt die Geschichte des Sohnes, seine eigene Geschichte, die er unzählige Mal erlebt hat, „und wo es ihn erwischt, da hat er Schaum vor dem Mund und knirscht mit den Zähnen und wird starr. Und ich habe mit deinen Jüngern geredet, dass sie ihn austreiben sollen und sie konnten’s nicht.“
Stille
Was greift Jesus jetzt auf, wenn er jetzt den Mund aufmacht? (Das finde ich eine höchst spannende Frage: evtl. kann man hier einen Moment innehalten)
Was greift Jesus jetzt auf? Die Erwartung und das Leid des Vaters, das Leid des Kindes, von dem wir gar nichts erfahren, oder sagt er, auf sich bezogen, selbstbewusst: Da können wir was machen, kommen Sie nur, das kriegen wir hin!
2. Alle Dinge sind möglich dem, der da glaubt…
Was greift Jesus jetzt auf?
Das mag für Viele überraschend sein: Er greift zuerst die Unfähigkeit der Jünger auf…
„O du ungläubiges Geschlecht, wie lang soll ich bei euch sein, wie lange Euch ertragen. Bringt ihn her!“
Das ist eine deutliche und harsche Kritik an den Jüngern. Offenbar steht nicht die Heilung im Mittelpunkt der Geschichte. Für Jesus ist etwas andere viel wichtiger: Warum kriegen das die Jünger nicht hin? Warum lassen sie sich so beeindrucken von den bösen Geistern, die natürlich mächtig Eindruck machen können?
Und jetzt wendet sich Jesus sich an den Vater.
Der Vater hat hohe Erwartungen an andere, an Jesus, will sich aber selbst auch nicht festlegen auf den Glauben, will sich auf dieses Beziehungsgeschehen nicht einlassen, wartet ab, ob der das wirklich kann. Kann der das?
Wenn Jesus sich selbst treu bleiben will, muss er nicht nur den kranken Jungen heilen, er muss den Vater heilen. Und Jesus bleibt sich treu:
„Du sagst: Wenn Du kannst“: Alle Dinge sind möglich dem der da glaubt…!“
3.„Herr ich glaube, hilf meinem Unglauben….“
Und da schreit der Vater, ich wäre, glaube ich, sehr zusammengeschrocken bei diesem unerwarteten Schrei, er schreit genauso wie der Dämon in dem kranken Jungen – Offenbar geht auch durch ihn wie durch den Sohn etwas hindurch: Glaube und Unglaube, Erwartung, Sehnsucht und Skepsis und Distanz:
„Herr ich glaube, hilf meinem Unglauben….“
Jesus wendet sich an den Vater –aber er wendet sich an alle, an die Jünger und an das ganze Volk: Er unterscheidet nicht zwischen innerem und äußerem Kreis, zwischen Jüngern, Mitarbeitern, Bittstellern und Menge: Letztlich haben sie alle dasselbe Problem, dasselbe Unvermögen, dieselbe Haltung. Sie wollen etwas von Jesus, ohne sich auf ihn wirklich einzulassen. Glaube und Unglaube geht mitten durch alle hindurch. Und so ist es doch auch mit uns, ob wir nun um inneren Kreis der Mitarbeiter der Gemeinde gehören oder uns eher fern ansiedeln…
„Herr ich glaube, hilf meinem Unglauben!“ Das scheint das eigentliche Problem zu sein. Und auch das eigentliche Wunder. Und dann kann auch der Sohn geheilt werden, fast nebenbei. Wir erleben jetzt eine antike Heilungsgeschichte mit: Die Vollmacht von Jesus reißt den bösen Geist in dem Jungen, bringt diesen Geist zur Weißglut. Dieser Dämon kann es nicht ertragen, dass ihm einer überlegen ist. Das macht ihn wild, noch einmal muss er sich mit seiner lächerlichen Macht aufblähen, zeigen, was er kann, so sehr dass die Umstehenden denken, der Junge ist toter sei tot! Die Botschaft Jesu heißt: „Halt den Mund! Schluss jetzt mit Deinem Theater! Fahr aus und komm nicht wieder!“
Schlimm ist, dass dieser Kampf zwischen Jesus und dem Dämon auf Kosten des Jungen geschieht, der noch einmal einen schlimmen Anfall erlebt, aber da ist die Antike, auch das Neue Testament ist da nicht zimperlich. Wichtig ist, wer das letzte Wort behält, und da hat dieser Dämon, dieser ungute Geist keine Chance gegenüber Jesus.
Der Junge steht auf. Er lebt.
Und den Jüngern bleibt noch mal die Frage: Warum konnten wir’s nicht?! Und sicher bleibt die Frage auch uns. Warum lassen wir uns so leicht einschüchtern, wenn unsere Gesellschaft an die Kirche Fragen stellt? Wie durchbrechen wir diesen Teufelskreis, der den bösen Dämonen so viel Macht einräumt in unserem Leben, in unserer Gesellschaft? Warum vertrauen wir so wenig auf den Schatz, den Jesus uns mitgegeben hat?. Vielleicht weil wir zu viel von unserem eigenen Können erwarten und dann schnell verzagen? Zu viel nach Fähigkeit und Unfähigkeit fragen?
Ich habe keine Antworten auf diese schwere Frage, aber ich will Ihnen eine kleine Geschichte mit auf den Weg geben:
Ein Afrikaner, der Christ wird, erklärt einem Freund, wie es ist, Christ zu sein. Er sagt: „Es ist, als ob zwei Hunde in mir sind, die miteinander kämpfen. Einer ist gut, der andere beißt.“ Der Freund fragt:„Und wer gewinnt?“ Der Afrikaner sagt „Das hängt davon ab, welchen Hund ich füttere.“
Amen.
Verfasserin: Pfarrerin Astrid Bender
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