Sieghafter Glaube
von Christian Kurzke (Kraftsdorf)
Predigtdatum
:
08.10.2017
Lesereihe
:
ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr
:
15. Sonntag nach Trinitatis
Textstelle
:
Markus 9,17-27
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Predigttext Markus 9, 17 – 27
Die Heilung eines besessenen Knaben
„Einer aber aus der Menge antwortete: Meister, ich habe meinen Sohn hergebracht zu dir, der hat einen sprachlosen Geist. Und wo er ihn erwischt, reißt er ihn; und er hat Schaum vor dem Mund und knirscht mir den Zähnen und wird starr. Und ich habe mit deinen Jüngern geredet, dass sie ihn austreiben sollen, und sie konnten’s nicht. Er aber antwortete ihnen und sprach: O du ungläubiges Geschlecht, wie lange soll ich noch bei euch sein? Wie lange soll ich euch ertragen? Bringt ihn her zu mir!
Und sie brachten ihn zu ihm. Und sogleich, als ihn der Geist sah, riss er ihn. Und er fiel auf die Erde, wälzte sich hin und hatte Schaum vor dem Mund. Und Jesus fragte den Vater: Wie lange ist’s? dass ihm das widerfährt? Er sprach: Von Kind auf. Und oft hat er ihn ins Feuer und ins Wasser ge-worfen, dass er ihn umbrächte. Wenn du aber etwas kannst, so erbarme dich unser und hilf uns! Jesus aber sprach zu ihm: Du sagst: Wenn du kannst – alle Dinge sind möglich, dem der da glaubt. Sogleich schrie der Vater des Kindes: Ich glaube; hilf meinem Unglauben!
Als nun Jesus sah, dass das Volk herbeilief, bedrohte er den unreinen Geist und sprach zu ihm: Du sprachloser und tau-ber Geist, ich gebiete dir: Fahre von ihm aus und fahre nicht mehr in ihn hinein! Da schrie er und riss ihn sehr und fuhr aus. Und der Knabe lag da wie tot. Jesus aber ergriff ihn bei der Hand und richtete ihn auf, und er stand auf.“
Liebe Gemeinde,
eine eindrückliche Geschichte haben wir als Evangeliumsle-sung heute gehört. Es geht um eine schlimme und damals unheilbare Krankheit. Es geht um Epilepsie. Der Vater des kranken Jungen schildert Jesus den Verlauf der Krankheit. Die Diagnose ist klar. Und sie wird bestätigt, als der Junge einen Anfall bekommt, gerade in dem Moment, als er zu Jesus gebracht wird. Er verkrampft sich, fällt hin, wälzt sich auf der Erde und bekommt Schaum vor dem Mund.
Wer einmal Zeuge eines solchen Anfalls gewesen ist, erinnert sich auch an den Schrecken, den so etwas bei den Umste-henden auslöst. Man kann im Augenblick fast gar nichts ma-chen. Allenfalls zu verhindern versuchen, dass der Betroffe-ne sich vielleicht verletzt.
Die Verzweiflung des Vaters können wir gut nachfühlen. Wie hilflos ist man bei schweren Krankheiten naher Angehöriger, gerade, wenn man hilflos nur noch zusehen kann, wie ein Mensch körperlich und oder geistig abbaut. Und um wieviel schwerer ist es, wenn Eltern dies bei ihrem eigenen Kind erleben müssen. Angesichts der Krankheit können wir die Verzweiflung des Vaters gut nachfühlen. Jeder Strohhalm von Hilfe ist dann wie ein Rettungsanker. Die Diagnose: „austherapiert“ ist das Letzte, was wir hören wollen. „Herr Doktor, versuchen Sie doch noch diese neue Heilungsmetho-de, von der Sie erzählt haben, ich bitte Sie!“
Manche sehen gerne in der ARD die Serie „In aller Freund-schaft“. Jedes Mal nimmt man Anteil am Geschehen in der Sachsenklinik, kennt das Team der Ärzte und Schwestern. Frau Marquardt, die Geschäftsführerin der Klinik hat sich einem Belegarzt anvertraut. Ihr Sohn leidet an Epilepsie. Der Arzt verspricht ihr Hilfe dank eines neuartigen Medikaments. Das ist jedoch noch nicht auf dem Markt zugelassen. Dieses Medikament einzusetzen, ist illegal, und das wissen beide. Und trotzdem: Frau Marquardt bezahlt dafür Unsummen an den Arzt. Geholfen hat das Medikament nicht. Der Schwindel fliegt auf. Der Junge kann nur durch eine neurologische Ope-ration gerettet werden. Zuvor jedoch wurde sie ausgiebig über die Chancen und Risiken dieser OP informiert. Was dann ganz eindrücklich gezeigt wurde, war das Hoffen der Mutter und ebenso der Ärzte, dass es auch gut geht. In einer wichtigen Szene sieht man Frau Marquardt am Bett ihres Sohnes, die Hände wie zu einem Gebet gefaltet.
Die biblische Heilungsgeschichte spielt nicht in der hochmo-dernen Sachsenklinik. Die medizinischen Möglichkeiten waren vor 2000 Jahren andere. Eine neurologische Operation, wie sie heute möglich ist, war undenkbar. Kranke wurden ganz selbstverständlich nicht nur zu Ärzten, sondern auch zu Hei-lern gebracht und oft war das ein und dieselbe Person. Ganzheitliche Heilung. Heilung von Körper, Geist und Seele, spielte eine große Rolle.
Und deshalb kam der Vater auch mit seinem Kind zu Jesus. Jesus nun heilt nicht sofort. Vor der Heilung führt er Gesprä-che, heilende Gespräche. Er redet mit dem Vater. Er spricht auch mit den Jüngern. Angesprochen werden aber nicht nur die Chancen und Risiken des Eingriffs. Es geht in diesen Ge-sprächen vor allem um den Glauben, um den der Jünger und um den des Vaters. Für den Evangelisten Markus sind diese Gespräche um den Glauben die Hauptsache an dieser Hei-lungsgeschichte. Die Krankenheilung soll die Chancen und Risiken von Glauben und Unglauben erläutern.
Zuerst also das Gespräch mit den Jüngern. Der Vater hatte zunächst sie gebeten, seinen Jungen zu heilen. Sie sollten den bösen Geist aus ihm austreiben, aber sie konnten es nicht. Wir hören Jesus einmal, wie er geradezu ärgerlich und ungehalten ist über seine Jünger. Als hätten sie noch gar nichts gelernt bei ihm.
Dann aber warten alle auf Jesus. Bevor der mit dem Vater reden kann, erlebt er einen neuen Anfall des Jungen. Der Vater muss gar nichts erzählen. Jesus sieht ja, was los ist, wie der Junge von dem Anfall geschüttelt wird und zu Boden fällt mit Schaum vor dem Mund. Trotz dieser erschrecken-den Symptome stellt Jesus ganz ruhig ein paar Fragen. „Seit wann hat er das? Wie lange geht das schon so?“ Der Vater aber ist gar nicht in der Lage, ein ruhiges Gespräch zu füh-ren. Für ihn ist es ein Ringen auf Leben und Tod. Der Vater ist verzweifelt und bittet Jesus dringend um Hilfe. Er sagt: „Wenn du kannst, dann hilf uns!“ Ich kann den Vater verste-hen. Was hat er nicht alles schon mit seinem Sohn durchge-macht! Bei wie vielen Ärzten wird er schon gewesen sein, aber keiner konnte helfen. So ist er sich auch nicht sicher, ob Jesus helfen kann. Wie ein Ertrinkender greift er nach jedem Strohhalm. Der Vater will nichts unversucht lassen.
Die Reaktion Jesu ist verwunderlich. Statt sofort einzugreifen und zu heilen, führt er mit dem Vater ein Gespräch über den Glauben. Jesus ist mehr als irgendein Wunderheiler, wie es damals viele gab. Er erwartet von den Menschen Glauben. Er sagt zu dem Vater: „Alle Dinge sind möglich dem, der da glaubt.“ Wer glaubt, dem kann geholfen werden.
Der Vater des kranken Jungen ist in einer verzweifelten La-ge. Er möchte glauben, aber er kann es nicht. Doch er möchte, dass seinem Sohn geholfen wird. Und dann schreit es aus ihm heraus: „Ich glaube, hilf meinem Unglauben!“ Jesus soll ihm helfen und seinen schwachen Glauben stärken.
Der Verzweiflungsschrei des Vaters scheint Jesus beein-druckt zu haben. Jetzt hilft er und heilt das kranke Kind. Er befiehlt dem bösen Geist, aus dem Jungen auszufahren. Der Junge bekommt noch einmal einen Anfall, dann ist er geheilt. Die Heilung wird fast wie eine Totenauferweckung beschrie-ben. Das Kind liegt da, wie tot, aber Jesus nimmt es bei der Hand und richtet es auf.
Wir hätten gern von der Reaktion des Vaters erfahren, von seiner Freude und Dankbarkeit. Aber davon wird uns nichts berichtet. Der Evangelist setzt andere Schwerpunkte. Es geht in dieser Geschichte weniger um die Krankenheilung, es geht um den Glauben. Eindrücklich sind die Worte: „Ich glau-be, hilf meinem Unglauben!“
Wie sind unsere Erfahrungen mit dem Glauben im Angesicht von Krankheit, Leid oder Tod? Solange es uns gut geht, so-lange alles planmäßig verläuft, machen wir uns nicht viele Gedanken. Auch der Glaube ist kein Problem. Wir nehmen es als selbstverständlich hin, dass es uns gut geht. An den Dank gegenüber Gott denken da nur wenige. Aber wenn es uns schlecht geht, wenn Nöte und Schwierigkeiten kommen, dann ist alles nicht mehr so klar. Der Glaube beginnt zu wanken, es kommen die Fragen: „Warum hat Gott das zuge-lassen? Warum muss es gerade mich treffen? Wenn es Gott gibt, dann müsste er mir doch helfen!“ Unsere Situation wird undurchschaubar. Wir wissen nicht mehr, wie es weitergehen soll. Es ist die Bewährungsprobe des Glaubens und doch so wichtig.
In einem Krankenhaus liegen im Raum der Stille Bücher aus, in denen sich Patienten und Angehörige sich alles, was sie bewegt, von der Seele schreiben können. Viele Bitten und Klagen auch Dank und Lob, nach einer erfolgreichen OP oder ein Dankeschön an die Klinikseelsorge oder über ein gutes heilendes Gespräch mit einer der Grünen Damen ist darun-ter. Ein modernes Gebetbuch unserer Tage ist entstanden, eigentlich ein ganzer Psalter. Wie in der biblischen Geschichte auch, leuchtet in jeder Bitte, in jeder Klage, in jedem Dank auch ein Stück des Glaubens des Verfassers hindurch. Und es ist beeindruckend zu sehen, wie Menschen hier in einer schwierigen Lebenssituation Kraft tanken, darum kämpfen, sich nicht selbst aufzugeben, Halt suchen, wie groß die Hoff-nung ist, dass es gut geht.
Welche Rolle spielt der Glaube an Jesus und seine heilende Kraft im modernen Krankenhaus? Manchmal bestätigten die Ärzte, dass der Glaube für Patienten, für Angehörige, aber auch für das Pflegepersonal und die Ärzte selbst ein wichti-ger Rückhalt ist. Auch wenn wie im Krankenhaus dieser Glaube immer wieder auch auf die Probe gestellt wird, so ist er doch zugleich auch Rettungsanker. Ja, die Menschen hier hängen mit ihren Hoffnungen an den Möglichkeiten moderner Medizin, am Können des Arztes, dass es gut geht. Aber die Menschen hier haben auch ihren Glauben. Im Gebetbuch der Klinikseelsorge ist das zu spüren: Der Glaube ist wie ein Rückgrat, das die Hoffnung auf Genesung und Heilung stützt. Manchmal war dieser Glaube gerade und nach oben gerich-tet, als von der Krankheit noch nichts zu spüren war und jetzt merkt man im Lesen dieses Buches, wie er gebrochen ist. Wie kannst du das nur zulassen, Gott? , lauten die ankla-genden Fragen. Manchmal war der Glaube ganz niederge-drückt und krumm gewesen damals vor dem Krankenhaus. Jetzt aber wo nichts als der Glaube noch helfen kann, wird er aufgerichtet, finden Menschen Worte ihres Glaubens, der lange verschüttet war.
Ich glaube, hilf meinem Unglauben, rief der Vater in unserer Geschichte aus dem Markusevangelium laut zu Jesus. Ich möchte einen Glauben haben, der das ganze Leben trägt, meines und das meines Sohnes und auch der kommenden Generationen. Einen Glauben, der nicht nur in Kinderschuhen auswendig gelernt wurde, weil die Eltern es so wollten, son-dern der mit mir wächst, der auch Fehler machen darf, der Zeiten innigster Nähe und Zeiten von Distanz kennt, der Raum zur Freiheit lässt, eine Glauben, der mit mir wächst, und irgendwann auch beginnt zu altern, und so eine neue Reife bekommt, der dann im Alter gewürzt ist mit einer gro-ßen dankbaren Lebenserfahrung und ein Glaube, der der Vergangenheit, das, was mal war, nicht hinterherzutrauern braucht. Ich möchte mir einen Glauben bewahren, der nicht nur in schweren Tagen trägt, sondern auch in guten Tagen stärker ist als alle Anfechtungen und Spielarten des Unglau-bens unserer Tage.
Amen.
Fürbittengebet
Unser Gebet steige auf zu dir, Herr,
und es senke sich auf uns herab dein Erbarmen.
Dein ist das Licht des Tages,
dein ist das Dunkel der Nacht,
unser Herz aber ist unruhig, bis es Ruhe findet in dir.
Vor dir, Herr, breiten wir in der Stunde
die zurückliegenden Tage aus.
Sieh freundlich an unser Tun und Lassen.
Lass uns, was wir erfahren haben, zur Reife dienen.
Lehre uns, jeden Tag
als deine Gabe an uns zu empfangen
mit allem, was er bringen mag
und stärke unser Vertrauen,
dass du keine größere Aufgabe
auf unseren Weg legen wirst,
als wir mit dir zusammen
zu bewältigen vermögen.
Wir bringen auch unseren Dank vor dich
für die Menschen dieser Woche,
deren Nähe uns gut tat,
die uns halfen und weiterhalfen
und für die wir dankbar sind.
In der Stille bringen wir ihre Namen vor dich
und bitten dich um deine
segnende Hand über ihnen ...
Und wir bringen in der Stille vor dich,
was uns zu schaffen macht
und die Menschen, die uns Mühe machen ...
Herr, lehre uns erkennen,
welchen Sinn du hineingelegt hast
und welche Aufgabe für uns darin verborgen ist ...
Und wir bitten dich für all diejenigen
aus unserer Gemeinde, die an einer Krankheit des Leibes
oder der Seele leiden.
Sei nahe denen, an die wir jetzt denken
und erhöre unser stilles Gebet ...
Und wir bitten dich für all diejenigen die einsam sind
oder sich verlassen fühlen und an diejenigen,
die an einer kleinen oder großen Sorge zu tragen haben,
von der wir wissen oder die wir ahnen.
Sei nahe denen, an die wir jetzt denken
und erhöre unser stilles Gebet ...
Verfasser: Pfarrer Christian Kurzke
Rüdersdorf 30, 07586 Kraftsdorf
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