Schriftlesung: Mt. 4,1-11
Wochenspruch:
Dazu ist erschienen der Sohn Gottes, daß er die Werke des Teufels zerstöre. (1.Joh 3,8)
Wochenlied:
EG 362
Weitere Liedvorschläge:
EG 248; 293; 358; 587
Liebe Gemeinde!
Christen sind nicht (unbedingt) besser als andere Menschen, aber sie sind besser dran. Zwar erwarten viele von uns Christen, daß wir unser Leben an der Bibel und den Zehn Geboten orientieren, daß wir wahrhaftig und hilfsbereit sind und außerdem noch hoffnungsvoll und zuversichtlich, - insofern ist immerhin bekannt, daß die Bibel dazu ermutigt - aber man muß nicht zwangsläufig Christ sein, um mit gutem Beispiel voran zu gehen.
Sicherlich ist auch so mancher „Nicht-Christ“ von unserer Lebensführung enttäuscht. Und wir können uns selbst fragen, wie stehen wir zu Gott? Suchen wir gerade Abstand zum Glauben? Hören wir noch das liebevolle Werben des Wortes Gottes oder lassen wir es oft nicht an uns ran? Zwar geht es in unseren Kerngemeinden rege zu, viele sind an Gottes Wort interessiert und bemühen sich, das Wort in Taten umzusetzen. Jedoch bröckelt die Gemeinde am Rande immer mehr ab. Die wachsende Zahl der Kirchenaustritte hat Folgen. Pfarrstellen müssen eingespart werden, und examinierte Pfarrvikare und Theologiestudenten und -studentinnen finden keine Anstellung. Ebenso fallen Stellen für Gemeindepädagogen und -pädagoginnen weg.
Mit ähnlichem hatten auch schon frühere Christengemeinden zu kämpfen. Zwar waren damals die Probleme anders gelagert als heute, die Ablenkungen der Zeit waren andere, aber letzten Endes bewirkten auch sie bereits zu früheren Zeiten Distanz zum Glauben und Gottferne. Denn das verkündigte Wort hatte sich abgenutzt, die Hörer sind abgestumpft, verhärtet, erschlafft, überdrüssig, ja von Glaubensabfall bedroht. In solch eine Situation ruft ein Prediger die Gemeinde der Hebräer zu ihrem Bekenntnis zurück. Jedoch nicht mit beschwörenden Appellen, oder indem er längst Bekanntes ständig wiederholt, sondern vielmehr so, daß er sie das Heil, zu dem sie sich schon immer bekannt haben, in seinen weiten Dimensionen in neuer Weise verstehen lehrt. Dabei greift er Grundgedanken aus dem Alten Testament auf und entwickelt sie neu im Hinblick auf Jesus Christus:
Hören wir aus dem Brief an die Hebräer, Kapitel 4, die Verse 14 bis 16:
14 Weil wir denn einen großen Hohenpriester haben, Jesus, den Sohn Gottes, der die Himmel durchschritten hat, so laßt uns festhalten an dem Bekenntnis. 15 Denn wir haben nicht einen Hohenpriester, der nicht könnte mit leiden mit unserer Schwachheit, sondern der versucht worden ist in allem wie wir, doch ohne Sünde. 16 Darum laßt uns hinzutreten mit Zuversicht zu dem Thron der Gnade, damit wir Barmherzigkeit empfangen und Gnade finden zu der Zeit, wenn wir Hilfe nötig haben.
Schön und fremd muten uns diese Bilder an: Jesus, der ,,große Hohepriester“ und Sohn Gottes, ,,der die Himmel durchschritten hat“; und auch der ,,Thron der Gnade“. Die fremde Schönheit dieser Bilder spricht uns an. Doch was ist mit dem ,,großen Hohenpriester“ gemeint? Es gab ja jeweils nur einen Hohenpriester, und der war das Oberhaupt der Priester seit der Zeit des König Salomo, seit der Zeit des ersten Tempels. Der Hohepriester verrichtete sein Amt lebenslänglich und vererbte es weiter. Er betrat nur einmal im Jahr - am Versöhnungstag - im Tempel das Allerheiligste. Zum Tempel schritten die gläubigen Juden auf den Tempelberg durch die Vorhöfe und durch die Vorhalle in das Heilige. Darin standen der goldene Räucheraltar, der Opfertisch mit dem geweihten Brot und die zweimal fünf Leuchter. Ein Vorhang trennte das Heilige vom Allerheiligsten.
Durch den Vorhang durfte als Einziger und nur mit verhülltem Haupt der Hohepriester ins Allerheiligste. Das war ein Raum ohne Fenster, zehn Meter lang und ebenso breit und hoch. Darin befand sich die Bundeslade, der heilige Kasten des Zeugnisses mit den zwei Tafeln der Zehn Gebote und dem Stab Aarons (Hebr. 9, 1-9). Seine goldene Deckplatte galt als Thron des unsichtbaren Gottes. In diesem Raum, dem Allerheiligsten, opferte der Hohepriester einmal im Jahr für die unwissentlich begangenen Sünden, die eigenen und die des Volkes. Indem er opferte, war er vor Gott mit den Menschen solidarisch. Durch seine außerordentliche Mittlerrolle zwischen Gott und den Menschen hob er sich von den anderen Priestern ab.
Jedes Jahr mußte das Opfer aufs neue dargebracht werden. Und doch hat es niemals gereicht. Anders das Opfer Jesu Christi. Jesus hat sich selbst bis ans Kreuz geopfert. Er ist der wahre und vollkommene Hohepriester, der ,,große Hohenpriester“, wie es im Hebräerbrief heißt. Kein anderer Hohepriester war beim Gang durch den Vorhang ins Allerheiligste unbelastet von eigener Sünde. Als vollkommener Hohepriester braucht Jesus nicht für die eigenen Sünden zu opfern. Er opfert nur für unsere Sünden. Und er opfert nicht irgend etwas, sondern sich selbst. Sein ein für allemal vollzogenes Opfer hat einen vollkommenen und ewigen Wert. Aber er selbst ist nicht nur das Opfer, sondern zugleich der Hohepriester, der mit diesem Opfer in das Allerheiligste hineingeht. Nun geht er nicht in das irdische, von Händen gemachte Heiligtum, sondern er durchschreitet die Himmel als seinen Tempel, und geht zu Gott selbst. Für uns gibt er sich dahin und bahnt uns den Weg zu unserem Ziel. Er macht uns den Weg frei zu Gott, zum Thron der Gnade.
Jesus ist versucht worden wie wir, und er leidet wie wir. Darin ist er ganz Mensch. Jedoch ist er trotz Versuchung schuldlos geblieben. Das unterscheidet ihn von uns. Jesus Christus ist ganz Mensch und doch auch wahrer Gott. Von nun an ist nicht mehr der Hohepriester Mittler zwischen Gott und den Menschen, sondern unser Fürsprecher ist kein geringerer als Jesus Christus. Menschlich, leidend, sterbend und liebend begleitet er uns. Er hilft uns, die Trennung, die wir zu Gott geschaffen haben, zu überwinden. Er nimmt unsere Distanz zu Gott weg. Wenn wir uns ihm anvertrauen, leitet er uns direkt zum Thron der Gnade. Hier strahlen uns Liebe, Erbarmen und Gnade an. Der Weg ist frei um Gnade zu empfangen.
Jetzt liegt es an uns, Schritte in diese Richtung zu gehen. Darum laßt uns hinzutreten mit Zuversicht. ,Mit Zuversicht’, d.h. wir können zuversichtlich sein, wir können froh auf etwas blicken, was da ist, nämlich die Gnade, ganz bildlich gesprochen als Thron der Gnade.
Thron hat ja etwas mit Regieren zu tun. Von diesem Thron aus werden Menschen geleitet. Auf dem Thron sitzt ein Herrscher, der Gnade walten läßt, genauer gesagt, eine Herrscherin, die Gnade selbst. Kein Zufall und keine Willkür regieren, sondern tatsächlich die Gnade. Dieser Macht können wir uns anvertrauen. Diese Macht ist die uns Menschen zugewandte Seite Gottes in Jesus Christus. Gnade, Erbarmen und Liebe gehen von ihm aus. Er tritt für uns ein, wenn wir es nötig haben. Er ist für uns da, wenn wir ihn brauchen. Wir können ihn anrufen und uns ihm anvertrauen. Er kennt unsre Schwächen und Nöte und hilft uns. Er ist unser Fürsprecher, unser Hoherpriester.
Wenn wir das vor Augen haben, gehen wir fast unwillkürlich auf den ,,Thron der Gnade“ zu. Die Autofahrer unter uns und auch die Konfirmanden, die auf der Kirmes schon mal Auto-Scooter gefahren sind, wissen, daß man unbewußt dahin lenkt, wohin man schaut. Man muß schon bewußt gegenlenken, um Unfälle zu vermeiden. Mit dem Bild vom Thron der Gnade vor Augen steuern wir darauf zu, kommen näher, dadurch wird uns die Gnade vertrauter, wir beziehen sie in unser Leben ein. Sie wird immer wichtiger, ja ein fester Bestandteil unseres Lebens. Schließlich erkennen wir in ihr das Fundament unseres Daseins. Alles, was uns bedrückt, was uns betroffen macht, was uns verletzt und schadet, alles, was in unserm Leben schief gelaufen ist, auch unsere Fehlentscheidungen können wir zum Thron der Gnade bringen und dort ablegen. Dies alles, auch unsere Schuld sowie die vermeintliche Schuld, unsere Schuldgefühle, können wir hier auf den Altar legen. Die Gnade nimmt sie an und hebt sie auf; denn der Altar ist nicht Opferaltar, sondern hier thront die Gnade.
„Darum laßt uns hinzutreten mit Zuversicht zum Thron der Gnade, damit wir Barmherzigkeit empfangen und Gnade finden zu der Zeit, wenn wir Hilfe nötig haben.“ Deshalb sind wir Christen besser dran, weil wir Gnade finden, wenn wir sie suchen. Nur uns hinwenden hier zum Altar, zum Thron der Gnade, das müssen wir schon selbst. Amen
Dr. Marilott Grosch, Prädikantin, E.-Kästner-Str. 66, 63329 Egelsbach
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