Wochenspruch: "Ist jemand in Christus, so ist er eine neue Kreatur; das Alte ist vergangen, siehe, Neues ist geworden." (2. Korinther 5,17)
Psalm: 66,1-9
Reihe I: Sprüche 8,22-36
Reihe II: Johannes 15,1-8
Reihe III: Apostelgeschichte 17,22-34
Reihe IV: 1. Mose 1,1-4a(4b-25)26-28(29-30)31a(31b);2,1-4a
Reihe V: Johannes 16,16-23a
Reihe VI: 2. Korinther 4,14-18
Eingangslied: EG 455 Morgenlicht leuchtet
Wochenlied: EG 432 Gott gab uns Atem, damit wir leben
Predigtlied: EG 398 In dir ist Freude
Schlusslied: EG 157 Lass mich dein sein und bleiben
16 Noch eine kleine Weile, dann werdet ihr mich nicht mehr sehen; und abermals eine kleine Weile, dann werdet ihr mich sehen. 17 Da sprachen einige seiner Jünger untereinander: Was bedeutet das, was er zu uns sagt: Noch eine kleine Weile, dann werdet ihr mich nicht sehen; und abermals eine kleine Weile, dann werdet ihr mich sehen; und: Ich gehe zum Vater? 18 Da sprachen sie: Was bedeutet das, was er sagt: Noch eine kleine Weile? Wir wissen nicht, was er redet. 19 Da merkte Jesus, dass sie ihn fragen wollten, und sprach zu ihnen: Danach fragt ihr euch untereinander, dass ich gesagt habe: Noch eine kleine Weile, dann werdet ihr mich nicht sehen; und abermals eine kleine Weile, dann werdet ihr mich sehen? 20 Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Ihr werdet weinen und klagen, aber die Welt wird sich freuen; ihr werdet traurig sein, doch eure Traurigkeit soll zur Freude werden. 21 Eine Frau, wenn sie gebiert, so hat sie Schmerzen, denn ihre Stunde ist gekommen. Wenn sie aber das Kind geboren hat, denkt sie nicht mehr an die Angst um der Freude willen, dass ein Mensch zur Welt gekommen ist. 22 Auch ihr habt nun Traurigkeit; aber ich will euch wiedersehen, und euer Herz soll sich freuen, und eure Freude soll niemand von euch nehmen. 23 Und an jenem Tage werdet ihr mich nichts fragen.
Nun beginnt sie bald wieder, liebe Gemeinde, die Reisezeit. Die wärmeren und längeren Tage verlocken dazu, hinauszugehen und hinauszufahren. So können wir uns nicht nur an der aufblühenden Natur erfreuen, sondern auch Menschen, Orte und Länder besuchen. Innerhalb der EU ist das alles auch ohne Grenzkontrollen möglich. Ganz selbstverständlich kann ich von Magdeburg nach Köln oder Paris, nach Sizilien oder Spitzbergen reisen, ohne dass sich jemand sonderlich dafür interessiert. [Diese Ortsnamen können hier und am Schluss der Predigt natürlich entsprechend geändert werden]
Diese Selbstverständlichkeit empfinde ich immer noch als Geschenk und Grund zur Freude. Die Älteren untern uns können sich noch an die Zeit vor 1989 erinnern, als dies, vor allem zwischen Ost und West, völlig undenkbar war. Da gab es das umständliche Prozedere, bis Verwandte oder Mitglieder der Partnergemeinde aus Westdeutschland zu Besuch in den Osten kommen durften. Wie groß war die Freude, wenn es dann doch möglich war. Bei den Abschieden gab es dann diese bedrückte Stimmung. Würden wir uns wieder einmal treffen können? Zu unberechenbar war die Willkür der DDR-Oberen. Erst recht, wenn jemand unterhalb des Rentenalters Richtung Westen reisen wollte. Ja, so eine Verabschiedung unten auf der Straße neben dem Westauto konnte durchaus für immer sein. Es war völlig unklar, ob es ein Wiedersehen geben würde. Ganz zu schweigen von eigenständigen Reisen ohne Grenzkontrollen von Magdeburg nach Köln oder Paris, nach Sizilien oder Spitzbergen. Es lag zwar alles in Europa, doch außerhalb unseres damaligen Vorstellungsvermögens.
Als außerhalb ihres Vorstellungsvermögens, so empfinden die Jünger Jesu die Äußerungen ihres Meisters, die uns heute als Predigttext aufgegeben sind. Auch hier geht es um die Frage, ob es ein Wiedersehen und einen Grund zur Freude geben wird. Im 16. Kapitel des Johannesevangeliums lesen wir: Lesen des Predigttextes Joh 16, 16 – 23a.
Es ist ein Abschnitt aus den Abschiedsreden Jesu. Er kündigt seinen Freunden auf komplizierte Art und Weise ein Wiedersehen und einen Grund zur Freude an. Doch die Jünger schauen sich nur fragend an und stellen fest: „Wir wissen nicht, was er redet.“ Die Jünger, von denen hier die Rede ist, hören all dies vor Ostern. Und wir, liebe Gemeinde, haben zusammen mit dem Evangelisten Johannes den Vorteil, dass wir es nach Ostern hören.
Ostern, die Auferstehung Jesu, begründet etwas, was wir neben Traurigkeit, Endlichkeit und Abschiedsschmerz setzen dürfen. Nämlich den Glauben und die Hoffnung, dass Not gewendet werden und aus Trauer Freude wachsen kann.
Ich sage bewusst „neben“. Denn christlicher Glaube und Hoffnung verhindern Traurigkeiten und Schmerzen nicht einfach. Ja, Leid und Tod sind für jedes Leben unausweichlich. Die Empfindung von Traurigkeit und Freude ist ein Wesensmerkmal des menschlichen Seins. Und in diese Traurigkeit hinein gilt auch uns die Zusage Jesu, dass unsere Traurigkeit in Freude verwandelt werden soll.
Diese Verwandlung, liebe Gemeinde, geschieht nicht im Vorübergehen. Weder bei der Auferstehung der Toten noch bei der Verwandlung von Leid im Hier und Jetzt unseres Lebens. Diese Wandlung kann auch Kraft kosten und oft viel Zeit. Nicht umsonst spricht man von Trauerarbeit, die bewältigt werden muss, bis jemand wieder lachen kann. Dabei bezieht sich das nicht nur auf die Trauer nach dem Tod eines geliebten Menschen. Auch zerplatzte Lebensträume, der Verlust der Arbeit oder gescheiterte Partnerschaften werden nicht einfach so weggesteckt.
Doch können Kummer und Sorgen auch ganz plötzlich zur Freude umschlagen. Zur Veranschaulichung gebraucht Jesus das Geburtsgeschehen. [Was eine Frau dabei an Gefühlen empfindet, kann ich als Mann nicht beschreiben. Eine Predigerin mag hier gern ausführlicher werden.] Für mich bedeutet dieses Beispiel, dass ohne Furcht und Sorge die Freude in all ihrer Tiefe nicht zu haben ist.
„Stimmt das denn?“, werden einige jetzt denken. „Geht der Freude immer die Traurigkeit voran? Kann sie nicht auch anders wachsen?“
Ich weiß nicht, ob es zwangsläufig so ist. Oftmals bringt aber gerade der tiefe Einschnitt durch eine schwere Erkrankung Menschen dazu, dass sie eine tiefe Freude und Dankbarkeit für etwas empfinden, was für sie vorher so ganz selbstverständlich war.
[Kennt die Predigerin oder der Prediger das aus eigener Erfahrung oder aus ihrer / seiner Umgebung, so können die folgenden zwei Beispiele durch eigene ersetzt werden.]
Eine Frau so Mitte 70. Es war Anfang März, der Frühling war schon zum Greifen nahe, da hatte eine Frostnacht die Wege und Straßen zu Eisbahnen werden lassen. Die Frau war gestürzt und hatte sich den Schenkelhals gebrochen. Wie groß war ihre Verzweiflung darüber, dass ihr das passieren musste. Wie laut ihr Fragen nach dem Warum und das Weinen darüber. Einige Wochen später traf sie im Treppenhaus den Klinikseelsorger. Sie rief ihm zu: „Herr Pfarrer, schauen Sie doch mal, wie gut es jetzt schon mit dem Treppensteigen geht.“ Und dabei strahlte sie über das ganze Gesicht.
Oder eine Frau Anfang 60. Sie hatte gerade ihre Diagnose erfahren und gehört, dass ihr wohl nur noch sechs Monate zum Leben bleiben werden.
So zeitig Abschied nehmen zu müssen für immer, das war schwer. Aber irgendwann begann sie sich zu freuen über jeden Tag, der halbwegs schmerzfrei war. In kleinen Schritten näherte sie sich ihrem großen Ziel: Noch einmal Weihnachten mit ihrer Familie erleben zu dürfen. Sie hat dieses Ziel wirklich erreicht. Gleichwohl es ihr letztes Weihnachtsfest war, hatte sie wohl keines zuvor mit dieser Tiefe und Intensität gefeiert.
Es können kürzere oder längere Momente der Freude und der Glückseligkeit sein, die uns im Leben vergönnt sind, liebe Gemeinde. Momente, denen dann wieder der Alltag und schließlich der Tod folgen.
Der Blick Jesu geht weiter. Weiter als eine befristete Freude, wenn er sagt: „Und eure Freude soll niemand von euch nehmen. Und an jenem Tage werdet ihr mich nichts fragen.“
Jesus verweist damit auf den Tag unserer Auferstehung, an dem Gott endgültig die Tränen abwischen wird. Diese Aussicht, diese Vorfreude ist ein Grund dafür, dass wir in unserem angefochtenen Leben einen Sonntag Jubilate nennen können: jubelt und freut euch über diese Perspektive.
Dagegen wurde - früher stärker als heute - der Vorwurf erhoben, dass der christliche Glaube nur eine Flucht vor der Wirklichkeit wäre, eine Vertröstung auf ein fern gelegenes Paradies. Doch ist die christliche Botschaft zutiefst realistisch: Menschliches Leben ist begrenzt. Was wir vermögen, bleibt unvollkommen. Kein Mensch vermag hier auf Erden ein Paradies ohne Leid und Geschrei zu errichten, weil die Erde und die Menschen nicht dafür geschaffen sind.
Doch werden wir dazu ermutigt, liebe Gemeinde, schon die diesseitigen Momente und Gründe zur Freude wahrzunehmen und zu jubeln, gerade weil sie so begrenzt sind.
Manche dieser Momente wiederholen sich auf gewisse Weise. Etwa das frische Grün an den Bäumen im Frühjahr.
Andere Momente sind einmalig. Z.B. die Geburt eines Menschen oder der Tag, an dem die Grenze zwischen Deutschland und Deutschland fiel und es selbstverständlich wurde, dass wir von Magdeburg nach Köln oder Paris, nach Sizilien oder Spitzbergen reisen können, ohne dass sich jemand sonderlich dafür interessiert.
Und der Friede Gottes, welcher höher ist als alle Vernunft, der bewahre unsere Herzen und Sinne und unsere Freude in Christus Jesus, unserem Herrn. Amen.
Gott, es gibt manches in unserem Leben, was uns jubeln lässt.
So leben wir in Freiheit und im Frieden.
Viele von uns haben Menschen um sich, die sie lieben und von denen sie geliebt werden.
Und doch gibt es heute Menschen, denen nicht zum Jubeln ist. Für diese wollen wir dich bitten.
Wir bitten dich für die Menschen, die nicht in Freiheit und Frieden leben können, weil ihre Länder von Diktatoren beherrscht oder von Kriegen zerstört werden.
Schütze sie. Stärke und ermutige alle, die sich für Freiheit, Frieden und Versöhnung einsetzen.
Für sie alle rufen wir zu dir: Herr, erhöre uns.
Wir bitten dich für die Trauernden, die Abschied nehmen mussten von Angehörigen und Freunden.
Verwandle ihre Traurigkeit in Dankbarkeit für das gewesene und in Zuversicht für das Gute, was kommen kann, im Leben hier und im ewigen Leben bei dir.
Für sie alle rufen wir zu dir: Herr, erhöre uns.
Wir bitten dich für die Menschen, die niemanden haben, der sich ihnen zuwendet, ihnen zuhört, mit ihnen lacht oder weint.
Lass sie deine Gegenwart spüren und stelle ihnen Menschen an die Seite, damit sie nicht allein sind.
Für sie alle rufen wir zu dir: Herr, erhöre uns.
In der Stille bringen wir vor dich, was uns heute ganz persönlich jubeln und lachen, klagen uns verzagen lässt.
Stille –
Für all das rufen wir zu dir: Herr, erhöre uns.
All das Ausgesprochene und all das, was uns unausgesprochen bewegt, legen wir in die Worte Jesu, wenn wir sprechen: Vater unser im Himmel…
Verfasser: Pfarrer Ronny Hillebrand, Schönebecker Straße 17, 39104 Magdeburg
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Pfarrer Dr. Matthias Rost
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