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Über das Halleluja

von Christa Reich

Predigtdatum : 09.05.2004
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : Jubilate
Textstelle : Kolosser 3,12-17
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Über das Halleluja

Predigt am Sonntag Kantate

Liebe Gemeinde!
Jesus hat einmal gesagt: „Wo zwei oder drei zusammenkommen, nur deswegen, weil sie mich kennen und nach mir fragen, da bin ich mit dabei.“ Er hat das vor beinahe 2000 Jahren in Kapernaum gesagt. Aber er sagt es auch an diesem Morgen hier in dieser Kirche. Wo nur zwei oder drei Menschen in seinem Namen versammelt sind, da ist er dazwischen. Da redet er. Du findest ihn nicht in der Vergangenheit. Du findest ihn immer nur in deiner Gegenwart. Deine Gegenwart ist immer auch Seine Gegenwart.
Ist das nicht die Erfahrung der Frauen gewesen, die am Ostermorgen zum Grab gegangen waren  voll Trauer darüber, dass sie Jesus an die Vergangenheit verloren hatten? Und dann war das Grab leer, und Jesus war nicht in der Vergangenheit zu finden, und sie hörten die Botschaft, dass er lebe  heute, jetzt, in ihrer Gegenwart.
Das Osterfest dieses Jahres liegt nun schon vier Wochen zurück. Wir wandern durch die so genannte österliche Freudenzeit auf Pfingsten zu. Sieben Wochen lang haben wir Zeit, dem Geheimnis von Ostern nachzuspüren, sorgsam, behutsam, wach. Sieben kostbare Sonntage und dazu das Himmelfahrtsfest wollen uns den Schatz aufschließen, die „Osterbeute“, von der ein Lied unseres Gesangbuches singt, die der Auferstandene für jeden von uns in überreichem Maße bereithält  wenn wir nur wollen, wenn wir nur danach fragen, wenn wir uns nur dafür Zeit nehmen.
Welchen Teil der „Osterbeute“ hält der Sonntag Kantate für uns bereit?
Der heutige Predigttext ist äußerst kurz. Er besteht aus einem einzigen Wort: „Halleluja!“
Halleluja? Sonntag für Sonntag singen wir das. Wir haben uns daran gewöhnt. Wir wissen, wann wir diesen Ruf zu singen haben, und er überrascht uns nicht weiter. ja, wir kennen das Halleluja gut.
Aber kann man etwas wirklich kennen, ohne es zu lieben? Und kann man etwas lieben, wenn man sich daran gewöhnt hat, wenn man nichts Staunenswertes, Wunderbares mehr daran findet?
(Es folgt eine Phase, in der die Gemeinde aufgefordert wird, das ihr vertraute Halleluja zu singen. Dies soll möglichst wiederholt geschehen  ohne Orgelbegleitung  mit lebendigem Sprachrhythmus.)
Halleluja!
Das ist kein Wort unserer Sprache. Wir haben wohl einmal gelernt, was es zu deutsch heißt: „Lobt Gott!“ Aber wir singen es nicht deutsch. Auf der ganzen Welt singen die Christen diesen Ruf nicht in ihrer eigenen Sprache. Alle singen dieses hebräische Wort. Und die Juden singen es natürlich auch. Als beim ersten Pfingstfest in Jerusalem Menschen aus verschiedenen Ländern die Predigt des Petrus in ihrer eigenen Sprache hörten, ging es ihnen mit dem Halleluja offenbar anders. Das blieb hebräisch  und ist es geblieben bis heute. Seit 2000 Jahren hat das Volk Israel dieses Wort allen anderen Völkern sozusagen als Dauerleihgabe gegeben. Wer Halleluja singt, stimmt ein in den Chor des Volkes Israel. Er lobt den Gott Israels, den Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs.
Wer diesen Gott nicht loben will, der singt auch nicht „Halleluja“. So war es nur folgerichtig, dass in der dunkelsten Stunde der deutschen Geschichte, die zugleich die dunkelste Stunde der Geschichte Israels war, deutsche Christen den hebräischen Ruf aus ihren Gesangbüchern tilgten und in ihren Gottesdiensten stattdessen die Übersetzung „Gelobt sei Gott“ sangen. Das war ein widergöttliches Gotteslob, mit dem diese Christen sich lossagten vom Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs. Der Himmel blieb über ihm verschlossen.
„Halleluja“  so sang Miriam, die Prophetin; so sang David; so sangen die Männer im feurigen Ofen und unzählige andere Menschen nach ihnen: die Märtyrer der Alten Kirche, der Bischof Ambrosius von Mailand, junge Männer und junge Frauen in den Klöstern, Martin Luther und Paul Gerhardt, Edith Stein und Dietrich Bonhoeffer; Menschen in Auschwitz  ja, in Auschwitz, Menschen in Jerusalem und in Palästina; in Nordirland, in Brasilien, in Südafrika. Halleluja  ein Ton klingt auf in unserer Welt  seit Jahrtausenden. Und er wandert rund um den Erdball. Er wandert bis hierher in unsere Kirche. Er erfasst uns, und wir stimmen ein.
(Es folgt eine Phase, in der das Halleluja aus EG 100 gesungen wird  evtl. wiederholt durch verschiedene Gruppen, mit einfacher Mehrstimmigkeit.)
Jeden Sonntag singen wir Halleluja. Achten wir auf das, was wir da selbst in den Mund nehmen?
„Halleluja! Lobt Gott!“ Wie freundlich werden wir daran erinnert! Lobt Gott, ihr Menschen, die ihr gesund und wohlbehütet in dieser eurer Kirche sitzt; lobt Ihn, die ihr genug zu essen habt; lobt Ihn, die ihr ein Dach über dem Kopf habt; lobt Ihn, die ihr Freunde und gute Nachbarn habt; lobt Ihn, die ihr Blüten und Blumen und Wolken und Schmetterlinge seht; lobt Ihn, die ihr Amselruf hört und Sternenschimmer wahrnehmt! Lobt Gott, ihr Menschen, die ihr atmet und lebendig seid! Lobt Gott, ihr Menschen, die ihr das Wort des Evangeliums hört.
Das Evangelium klingt nicht überall. Es klingt nicht immer. Es kann verstummen. Es kann verschüttet werden. Es kann euch genommen werden, wenn ihr es nicht achtet.
(Es folgt eine Phase, in der ein anderes Halleluja gesungen wird: z.B. aus EG 103 oder EG 181,5 oder 181,8... Auch hier empfiehlt sich wiederholtes Singen. Es kann auch eine Gruppe, z.B. eine Kindergruppe, für die Gemeinde oder im Wechsel mit der Gemeinde singen.)
Lobt Gott? „Du hast eben nur helle, schöne Beispiele gewählt,“ sagt jetzt jemand.
„Wie kann ich Halleluja singen in unserer Welt?“
In dieser Welt, in der es so viel Jammer gibt? Kann ich denn Halleluja singen, während Menschen gefoltert werden? Während Kinder in der Dritten Welt von reichen Touristen, von denen viele aus Deutschland kommen, missbraucht werden? Während Panzer und Granaten oder Geld und Beziehungen darüber entscheiden, wer am Ende recht behält?
Kann ich Halleluja singen, während die Natur durch die Hand des Menschen stirbt und verdirbt?
Kann ich Halleluja singen, wenn ich unheilbar krank bin?
Nein, das Halleluja passt nicht in diese Welt. Nicht nur das Wort gehört in eine andere Sprache und ist uns im Grunde fremd. Die ganze Sache ist uns fremd. Wir sitzen hier wohlbehütet in unserer schönen Kirche und singen ein Wort, an das wir uns gewöhnt haben und das doch ganz und gar nicht zu uns passt.
Halleluja singen lernt man nicht, wenn man auf unsere Welt schaut  selbst wenn sie manchmal schön und wunderbar ist. Aber wir alle wissen, dass sie bedroht ist, zerrissen, von Blut getränkt. Im Grunde ist es absurd, in dieser unserer Welt Halleluja zu singen.
Aber ist es nicht auch absurd, damit zu rechnen, dass einer, der vor 2000 Jahren gestorben ist und begraben wurde, heute und hier zu uns redet?
(Es folgt eine Phase, in der EG 99 gesungen wird.)
„Wär’ er nicht erstanden, so wär die Welt vergangen; seit dass er erstanden ist, so lob'n wir den Vater Jesu Christ’.“…
Zu Anfang habe ich davon gesprochen, dass das Halleluja vom Volk Israel zu uns gekommen ist. Aber das ist noch nicht das Ganze.
Das Volk Israel singt Halleluja, weil es den Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs lobt, der es befreit und erwählt hat. Nun haben die anderen Völker diesen Ruf nicht unversehens so nach und nach einfach sich angeeignet und nachgesungen. Nein, es bedurfte einer neuen Erfahrung mit dem Gott Israels, die das Halleluja auch zu den andern wandern ließ. Diese Erfahrung hängt mit Ostern und Pfingsten zusammen. Ein österlicher Gesang und ein pfingstlicher Gesang ist das Halleluja. Ein Gesang des Lebens und der Hoffnung ist es, ein Gesang, der aus einer Welt kommt, in der der Tod seine Macht und sein Recht verloren hat, weil der Gott Israels an einem Menschen, an dem jungen Mann aus Nazareth, sich ein für allemal zu erkennen gegeben hat als ein Gott, der das Leben will und Leben schafft für alle Menschen und der diese Welt aus dem Tod reißt und verwandelt und auf Zukunft hin öffnet.
Von Ostern her ist das Halleluja auf uns gekommen. Und immer, wenn lebendige Menschen ihren Atem und ihre Stimme und hoffentlich auch ihr Denken und ihr Herz für diesen Gesang hergeben, dann wird Hoffnung laut in unserer Welt. Augustinus hat einmal gesagt, das Halleluja sei uns als „Wegzehrung“ gegeben. Wir sind unterwegs in dieser Welt, die uns die Hoffnung austreiben und den Mund verschließen will für immer. Aber wir gehen in der Spur des Auferstandenen, und das Halleluja hilft uns, sie nicht zu verlieren. Es stört uns in unserem Unglauben, der uns zuflüstert: „Gib auf, pass dich an!“ ; es stört uns in unserer Routine, die uns einschläfert: „Nur nichts Neues mehr erwarten“; es stört uns in unserem stummen, trägen Hinnehmen der Verhältnisse, das für die Zukunft nur noch Schlimmeres erwartet.
Wer das Halleluja übt, in dem bleibt der Durst nach Leben für sich und für andere wach. Der geht seinen Weg; und er hat die Hände frei, und er hat Zeit.
Kantate  vierter Sonntag nach Ostern: Wer Halleluja singt, ist unterwegs von Ostern nach Pfingsten, dahin, wo der Geist neu wird und das Herz und die Kraft auch. Er wird nicht müde. Er hört, wie andere mit ihm singen, zwei oder drei oder mehr Menschen, die der Stimme des Auferstandenen vertrauen. Und er hört ehrfürchtig und staunend, wie sich ihre Stimmen im Halleluja mit der Stimme des alten Gottesvolkes verbinden, selbst heute noch, nach einer langen Geschichte von Blindheit und Schuld.
Man lernt das Halleluja nicht von heute auf morgen. Man kann es mitnehmen vom Sonntag in den Werktag. Man kann seinen Tag am Morgen damit beginnen und am Abend beschließen. Mit dem Halleluja kann man in die Nacht gehen und in den Tod.
Nimm das Halleluja mit. Dein Leben ist darin verborgen. Keiner kann es dir nehmen. Denn das Halleluja wird nie aufhören.
Amen.

Christa Reich

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