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Umkehr

von Heike Schuffenhauer (Eppstein)

Predigtdatum : 21.11.2007
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : Buß- und Bettag
Textstelle : Lukas 13,22-27.(28-30)
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Wochenspruch:

Gerechtigkeit erhöht ein Volk, aber die Sünde ist der Leute Verderben.
(Sprüche 14,34)
Psalm: 51,3-14 (EG 727)

Lesungen

Altes Testament:
Jesaja 1,10-17
Epistel:
Römer 2,1-11
Evangelium:
Lukas 13, (1-5) 6-9

Liedvorschläge

Eingangslied:
EG 241
Wach auf, du Geist der ersten Zeugen
Wochenlied:
EG 144
oder EG 146
Aus tiefer Not lasst uns zu Gott
Nimm von uns, Herr, du treuer Gott
Predigtlied:
EG 246
Ach bleib bei uns, Herr Jesu Christ
Schlusslied:
EG 240
Du hast uns, Herr, in dir verbunden

Kurze Hinführung zur Predigt:
In meinen Predigtvorschlag habe ich den gesamten vorgeschlagenen Abschnitt aus dem Lukasevangelium einschließlich der in Klammern gesetzten Verse einbezogen, da sie für die Deutung und Auslegung hilfreich sind. Der in dieser Form nur bei Lukas vorkommende Text hat wörtliche und auch sachliche Anklänge bei Matthäus. Das Bild von der engen Pforte (hier allerdings vorgestellt als Stadttor und nicht wie bei Lukas als Haustür) erwähnt Matthäus im Rahmen der Bergpredigt (Mt 7,13+14) und dass nicht alle ins Himmelreich kommen werden ebenfalls dort (Mt 7,21-23). Außerdem passen das nur bei Matthäus vorhandene Gleichnis von den klugen und törichten Jungfrauen (Mt 25,1-13) (letztere stehen auch vor der verschlossenen Tür) sowie Jesu Rede vom Weltgericht (Mt 25,31-46), dessen Urteil nach unserem zwischenmenschlichen Verhalten und unserer Hilfsbereitschaft ergehen wird, inhaltlich in den Kontext unseres Predigttextes.
In meinem Predigtvorschlag habe ich mich bemüht, die Härte und Eindeutigkeit der Worte Jesu im Evangelium aufzugreifen, sie angesichts unserer sonst so gewohnten Rede vom ausschließlich „lieben Gott“ ernst zu nehmen und verständlich zu machen. Den Aufforderungscharakter („Ringt“ bzw. „Kämpft darum ...“) habe ich umzusetzen und zugleich einer Werkgerechtigkeit, die sich den Himmel mit frommem Tun und guten Taten zu verdienen meint, entgegenzuwirken versucht.
Gewiss wird es wichtig sein, die Unverfügbarkeit der Gnade Gottes und seines himmlischen Reiches sowie Gottes unerschütterliche Bereitschaft, uns immer wieder zu vergeben, wenn wir seinen Ansprüchen nicht gerecht werden, auch in der Liturgie des Buß- und Bettagsgottesdienstes deutlich auszudrücken und dankbar zu feiern.

22 Und er ging durch Städte und Dörfer und lehrte und nahm seinen Weg nach Jerusalem. 23 Es sprach aber einer zu ihm: Herr, meinst du, daß nur wenige selig werden? Er aber sprach zu ihnen: 24 Ringt darum, daß ihr durch die enge Pforte hineingeht; denn viele, das sage ich euch, werden danach trachten, wie sie hineinkommen, und werden's nicht können. 25 Wenn der Hausherr aufgestanden ist und die Tür verschlossen hat, und ihr anfangt, draußen zu stehen und an die Tür zu klopfen und zu sagen: Herr, tu uns auf!, dann wird er antworten und zu euch sagen: Ich kenne euch nicht; wo seid ihr her? 26 Dann werdet ihr anfangen zu sagen: Wir haben vor dir gegessen und getrunken, und auf unsern Straßen hast du gelehrt. 27 Und er wird zu euch sagen: Ich kenne euch nicht; wo seid ihr her? Weicht alle von mir, ihr Übeltäter! 28 Da wird Heulen und Zähneklappern sein, wenn ihr sehen werdet Abraham, Isaak und Jakob und alle Propheten im Reich Gottes, euch aber hinausgestoßen. 29 Und es werden kommen von Osten und von Westen, von Norden und von Süden, die zu Tisch sitzen werden im Reich Gottes. 30 Und siehe, es sind Letzte, die werden die Ersten sein, und sind Erste, die werden die Letzten sein.

Meist ist es eine schmerzliche Erfahrung vor verschlossenen Türen zu stehen! Da möchte ich jemanden spontan besuchen, ihm eine Freude machen, und dann reagiert auf mein mehrfaches Klingeln niemand, bleibt die Tür verschlossen. Da möchte ich in einer fremden Stadt gerne eine sehenswerte Kirche besichtigen und in ihr einkehren, da drücke ich erwartungsvoll die große schwere Türklinke, doch ich kann sie keinen Millimeter bewegen, weil sie ungastlich verschlossen ist. Da möchte ich ein wichtiges Paket aufgeben und gerne heute noch losschicken, doch da hat die kleine Postagentur auf Grund ihrer begrenzten Öffnungszeiten, die ich immer wieder vergesse, schon wieder zu.
Wenn Türen verschlossen sind, die ich so gerne aufmachen wollte oder von denen ich hoffte, dass sie sich für mich öffnen würden, ist dies enttäuschend und oft traurig. Für viele Menschen, in wachsendem Maße auch Kinder und Jugendliche, gehört diese Erfahrung, dass manche Dinge nicht allen offen stehen und nur schwer erreichbar sind, inzwischen zum Alltag: einen Ausbildungsplatz im gewünschten Beruf zu finden, den Numerus clausus für den angestrebten Studienplatz zu schaffen, eine Arbeitsstelle zu bekommen und zu behalten, sich auch einmal etwas Schönes wie Essengehen oder Urlaub gönnen zu können, einen liebevollen und treuen Partner oder eine Partnerin für´s Leben kennen und lieben zu lernen und so vieles mehr. Mit verschlossenen Türen und unerreichbaren Möglichkeiten leben und umgehen zu können gehört zu den besonderen Herausforderungen unseres Alltags.
Auch der Evangelist Lukas spricht in unserem heutigen Bibelabschnitt von einer verschlossenen Tür, die der Hausherr ein für allemal verriegelt hat, so dass kein Hereinkommen mehr möglich ist. Der Zusammenhang macht deutlich, es geht nicht um irgendeine Haustür, sondern um die Tür ins Reich Gottes, die nicht besonders breit und außerdem nicht unbegrenzt geöffnet ist. Es gibt, so die Überzeugung des Evangelisten, sogar im Himmel eine verschlossene Tür, und darum Menschen, die draußen bleiben müssen!
Für unsere Ohren ein eher befremdender Gedanke. „Wir kommen alle, alle in den Himmel“, so besingt es ein bekannter Fastnachtsschlager und bringt damit die Mehrheitsmeinung auf den Punkt. Wir sind doch alle soweit ganz anständig, tun niemandem etwas wirklich Böses, sind nur, wie es in einem anderen Faschingslied heißt, „kleine Sünderlein“. Da wird der liebe Gott doch schon ein Einsehen mit uns haben, uns unsere kleinen Versäumnisse und Fehler nachsehen, ist er doch schließlich absolut gnädig und barmherzig. In der Tat überwiegt in unseren Predigten und unserer ganzen Verkündigung die Rede vom „lieben Gott“, der uns nimmt und akzeptiert wie wir sind, grenzenlose Geduld mit uns hat, uns niemals böse ist. Darum gehörte ja auch solch eine überholte Einrichtung wie der Buß- und Bettag – der sowieso nur noch wenige Menschen, die es vielleicht besonders nötig haben, in die Kirche lockt – abgeschafft...!
Die so unerwarteten Worte Jesu aus dem Lukasevangelium erinnern uns unmissverständlich daran, dass Gott in all seiner vorbehaltlosen Liebe zu uns auch andere Seiten hat, in all seiner Bejahung der Menschen auch einmal „Nein“ sagen, in all seiner Bereitschaft, uns seine Tür immer offen zu halten, seine Geduld mit uns zu Ende und die Tür einst zu sein, es für uns ein „zu spät“ geben kann. Da hilft auch alles Bitten und Betteln („Herr, mach uns auf!“) oder der Verweis darauf, Jesus von ferne gekannt zu haben („Wir haben vor dir gegessen und getrunken, und auf unseren Straßen hast du gelehrt.“) nichts. Getauft zu sein, vielleicht treu die Kirchensteuer bezahlt und gar noch andere Spenden gemacht zu haben, ist allein noch keine Eintrittskarte in den Himmel, nach eigenem Gutdünken soweit ganz anständig gelebt zu haben allein noch kein Freibrief für das ewige Leben. Da hat Jesus höhere Erwartungen an uns und beurteilt unser Leben nach anderen Maßstäben als wir sie uns selbst so gerne zurechtlegen. „Und er wird zu euch sagen: Ich weiß nicht, wo ihr her seid; weicht alle von mir, ihr Übeltäter!“ Deutliche Worte aus dem Munde des himmlischen Hausherrn und göttlichen Richters Jesus!
Im Zusammenhang des Evangeliums, in dem sie uns überliefert sind, ist er, Jesus selbst auf diesem Weg unterwegs, geht der Pforte ins Reich Gottes entgegen, da sein gewaltsamer Tod unausweichlich näher rückt. Der Evangelist Lukas deutet dies in der Einleitung unseres Abschnittes an: „Und Jesus ging durch Städte und Dörfer und lehrte und nahm so seinen Weg nach Jerusalem.“ Jesus ist auf dem Weg nach Jerusalem, dem Ort seiner Hinrichtung, er geht seinem Lebensende entgegen. Auf diesem Weg, angesichts der Begrenztheit und Zerbrechlichkeit menschlichen Lebens, stellt „jemand“, weder namentlich noch von seinem Beruf her näher bezeichnet, Jesus die Frage: „Herr, meinst du, dass nur wenige gerettet werden?“ Sie ist und bleibt eine der zentralen Menschheitsfragen bis heute, die wir in unserer Zeit lediglich anders formulieren: Wessen Leben ist sinnvoll und hat Bestand, auch über das Hier und Heute hinaus? Wie leben wir richtig, mit Aussicht auf Zukunft? Wie ist erfülltes und gelingendes Leben möglich?
Jesus beantwortet die allgemein gestellte Frage mit einer konkreten Aufforderung an den Fragesteller, an uns alle: „Kämpft darum, dass ihr durch die enge Pforte hineingeht; denn das sage ich euch, viele werden danach trachten, wie sie hineinkommen, und es wird ihnen nicht gelingen.“ Damit bestätigt er die Vermutung des Fragenden, dass nur wenige gerettet werden und Eingang in Gottes Himmel finden, dieser nicht billig zu haben ist, sondern unseren ganzen Einsatz und unser Mittun verlangt: „Kämpft darum“, also setzt euch dafür ein, macht euch stark dafür, dass euer Leben einem guten Ziel entgegengeht, dass ihr die Gaben und Talente, die euch mitgegeben sind, gebraucht und nutzt zu eurer eigenen Freude, zur Freude anderer, zur Freude Gottes, dass ihr die euch zugemessene Zeit nicht verplempert oder totschlagt, sondern sie mit anderen teilt, dass ihr euch nicht ausschließlich egoistisch um euch selber dreht, sondern auch für andere da seid, die eure Hilfe brauchen.
Wie ein solches Leben in der freundlichen Zuwendung zu sich selbst, zu den Mitmenschen und zu Gott konkret aussehen kann, hat Jesus uns anschaulich vorgelebt. Als Christen sind wir aufgefordert, seinem Beispiel zu folgen, wie Schüler von ihm zu lernen und uns in ein achtsames Leben in seinem Sinne, sensibel für Gott und Mensch, einzuüben, uns nicht mit ein bisschen Anständigkeit zu begnügen.
Der katholische Theologe und Schriftsteller Lothar Zenetti hat dies in einem Text unter der Überschrift „Aufdringliche Befragung“ einmal folgendermaßen auf den Punkt gebracht:
Also du hast niemandem etwas getan? Auch nichts Gutes? Nichts umsonst und ohne Grund, nur so aus Liebe?
Also du hast niemanden umgebracht? Auch nicht um seinen guten Ruf, um seinen Schlaf, um seinen Glauben gebracht?
Also du hast niemanden betrogen? Auch nicht um die Hoffnung, in dir vielleicht einem wirklichen Christen zu begegnen und Gottes Nähe zu erfahren?
(in: Lothar Zenetti, Sieben Farben hat das Licht, München 1975, S. 98)
Genau das sind wir unseren Mitmenschen schuldig, dass sie uns als wirkliche Christen erkennen und durch uns Gottes Nähe und Menschenfreundlichkeit spüren können. Wenn uns dies hie und da gelingt, haben wir unseren Auftrag erfüllt, ist unser Leben sinnvoll gewesen und kommen wir der engen Pforte ein Stück näher.
Eine Garantie zum freien Eintritt in den Himmel Gottes ist dies alles trotzdem nicht. Denn den können wir uns, so sehr wir uns darum bemühen und kämpfen, uns um der Menschen willen für ihr Wohl und Heil einsetzen sollen, nicht selbst verdienen, sondern letztlich doch nur von Gott schenken lassen. Und die Kriterien seiner Vergabe der freien Plätze am großen Tisch in seinem Reich werden überraschend anders sein als wir es uns vorstellen. Darum „gibt es Letzte, die werden die Ersten sein, und es gibt Erste, die werden die Letzten sein“. In Gottes himmlischer Welt werden all unsere menschlichen Maßstäbe auf den Kopf und in Frage gestellt werden, und wir werden staunen, wen wir vor der Tür oder in seinem Reich alles treffen und wer dort möglicherweise fehlen wird...!
Verfasserin: Pfarrerin Heike Schuffenhauer, Eppstein

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