Umkehr
von Hans-Martin Krusche-Ortmann (39116 Magdeburg)
Predigtdatum
:
17.11.2010
Lesereihe
:
ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr
:
Buß- und Bettag
Textstelle
:
Römer 2,1-11
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Wochenspruch:
„Gerechtigkeit erhöht ein Volk, aber die Sünde ist der Leute Verderben.“ (Sprüche 14, 34)
Psalm: 51, 3 – 14 (EG 727)
Lesungen
Altes Testament:
Jesaja 1, 10 – 17
Epistel:
Römer 2, 1 – 11
Evangelium:
Lukas 13, (1 – 5) 6 – 9
Liedvorschläge
Eingangslied:
EG 145
Wach auf, wach auf
Wochenlied:
EG 144 EG 299
Aus tiefer Not lasst uns zu Gott Aus tiefer Not schrei ich zu dir
Predigtlied:
EG 428
Komm in unsre stolze Welt
Schlusslied:
EG 171
Bewahre uns Gott
Der Predigttext wird während der Predigt verlesen
Liebe Gemeinde,
der Buß- und Bettag ist seit seiner Absetzung als staatlicher Feiertag zugunsten der Finanzierung der Pflegeversicherung in Deutschland immer mehr an den Rand der öffentlichen Wahrnehmung gedrängt worden. In vielen Kirchen und Gemeinden wird heute kein Gottesdienst gefeiert. Das ist ausgesprochen schade. Es besteht die Gefahr, dass uns ein wichtiger Tag des Nachdenkens über unseren Glauben verloren geht.
Aber alles Schimpfen auf „die da oben“, die solche Entscheidungen getroffen haben, hilft uns nicht. Wir müssen uns immer wieder neu die Frage stellen, welche Rolle der Buß- und Bettag für uns als Kirche heute hat. Welche Bedeutung hat dieser Tag in meinem Leben? Womit beschäftige ich mich und was bedenke ich an diesem Tag? Wie beleben wir diesen Tag und geben ihm einen Sinn?
Ich habe den Eindruck, dass die Zurückdrängung des Buß- und Bettag etwas Modernes ist, etwas, was gut in unsere Zeit und den vorherrschenden Zeitgeist passt. Wer beschäftigt sich denn heute für uns wahrnehmbar mit eigener Schuld und Fehlern und Versäumnissen? Die Frage nach der Schuld eines Menschen wird häufig wegerklärt („Die Umstände waren schuld“, „was sollte ich denn machen“) oder gar geleugnet („Ich war das nicht“, „andere haben ihre Verantwortung nicht wahrgenommen).
Wir erleben das oft in der politischen Diskussion. Welcher Politiker redet noch davon, dass er die Verantwortung für ein bestimmtes Projekt übernimmt, das nicht erfolgreich gewesen ist? Oder auch in der Wirtschaftskrise hören wir von Managern, die ungeniert da weiter machen, wo sie eine ganze Branche in die Krise geführt haben.
Ganz besonders peinlich ist es, wenn wir die Heroen des Sports vernehmen, die wortreich und einfallsreich erklären, dass sie ja nie Dopingmittel genommen hätten, und dass alle diesbezüglichen Vorwürfe Teil einer großen Verschwörung sind. Wer übernimmt heute wirklich Verantwortung, gesteht auch öffentlich seine Schuld und seine Fehler ein in Politik und Gesellschaft, in der Schule, in Ehe und Familie?
Liebe Gemeinde, die Frage nach Schuld in Bibel und christlicher Theologie ist immer die Frage nach meinem Verhältnis zu Gott und zum Mitmenschen zugleich. In Bezug auf Gott frage ich, ob ich seinen Willen getan und auf sein Wort wirklich gehört habe. In Bezug auf den Nächsten frage ich, ob ich wirklich einem Menschen der Nächste geworden bin (vgl. Lk 15, der barmherzige Samariter). Wo das nicht geschehen ist, da beginnt meine Schuld, die ich tragen muss. Daran erinnert uns der Buß- und Bettag und deshalb bleibt er ein ganz zentraler kirchlicher Feiertag, den wir gestalten müssen.
Liebe Gemeinde, harte Worte findet Paulus für die Situationen, in denen wir uns oft entschuldigen, indem wir statt über uns über andere reden und deren Fehler suchen und aufzeigen.
Ich lese den Predigttext aus dem Brief des Paulus an die Römer im
2. Kapitel:
Lesung des Predigttextes
Ja, über andere sind wir schnell und gern empört: Politiker, die sich fette Nebenverdienste gönnen, Nachbarn, die ihre Straße nicht fegen, Ausländer, die von Sozialhilfe leben, Alleinerziehende, die ihre Kinder nicht im Griff haben, und, und, und. Entrüstung macht uns stark. An unserer Empörung kann man messen, wie wichtig uns Sitte und Moral sind. Außerdem lässt sich gut von uns selbst ablenken und den Dingen, die wir (nicht) tun. Laut “Haltet den Dieb“ zu rufen ist für Diebe eine gute Strategie, um von sich selbst abzulenken.
Nein, liebe Gemeinde, ich will nicht davon reden, dass wir Christen andere Menschen nicht kritisieren dürften, bevor wir selbst kleine Heilige sind. Es ist oft dringliche Aufgabe der Kirche (auch am Buß- und Bettag) mahnend zu den Menschen zu sprechen, einem anderen ins Gewissen zu reden oder Anwalt der Schwachen zu sein.
Liebe Gemeinde, wenn wir Paulus recht verstehen, müssen wir zuerst an uns denken, an uns arbeiten, an unserem Leben und unseren Taten, an unseren Einstellungen und Worten.
Wie ehrlich sind denn alle meine Angaben bei einer Steuererklärung? Bei welchem Bedürftigen, dem ich begegne, mache ich die Augen zu? Welche Pflichten müsste ich eigentlich wahrnehmen und tue es nicht?
Wenn wir ehrlich sind, fallen jedem von uns sofort Situationen ein, wo wir wissentlich nicht so gehandelt haben, wie wir nach Glauben und Moral hätten handeln müssen. Manchmal haben wir nur eine Ahnung, die wir schnell verdrängen können: „Ach, das war doch alles nicht so schlimm“. Manchmal reden wir uns die Wirklichkeit schön: „Ich habe doch keinem geschadet“. Manchmal rechtfertigen wir uns: „Das machen doch alle so“.
„O, Mensch“ – Liebe Gemeinde, Paulus redet uns alle hier an, jede und jeden von uns.
„O, Mensch“ – Wir sind gemeint als Gemeinde hier in dieser Kirche, als Kirche in dieser Welt.
„O, Mensch“ – Wir sind gemeint: der GKR-Vorsitzende genauso wie der Lektor, die Menschen aus der Jungen Gemeinde genauso wie die aus dem Seniorenkreis!
Wie hältst du es mit der Schuld in deinem Leben? Wie ehrlich bist du dir selbst gegenüber? Und was denkst du über den anderen? Richtest du über sein Leben?
Der Gedanke des Richtens über Andere hat für Paulus eine ganz be-sondere Bedeutung. Paulus geht davon aus, dass wir dasselbe tun, wie der, über den wir richten. Auch wir sind, wenn auch vielleicht in anderen Zusammenhängen, egoistisch und untreu, gierig und geizig, taub und blind! Wir sind nicht besser als die anderen! Paulus argumentiert zu seiner Zeit so gegenüber den Juden, die sich (in der Sicht des Paulus) über die Heiden erheben, die glauben gottgefällig zu sein, nur weil sie Juden sind.
In dieser Gefahr stehen wir heute genauso. Nur weil wir Christen sind, sind wir keine besseren Menschen. Nur weil wir das Glaubensbekenntnis und das Vaterunser sprechen, sind wir nicht besser als die anderen. Vielleicht stehen religiöse Menschen, die von der Wahrheit ihres Glaubens überzeugt sind, in besonderer Weise in der Gefahr, sich über andere zu erheben und mit dem Finger anklagend auf diese zu zeigen. Aber Paulus sagt: „Es ist kein Ansehen der Person vor Gott“. Es ist Gott egal, wer ich bin und woher ich komme. Gott will, dass mein Leben „gute Früchte“ hervorbringt, und er beurteilt mich nach diesen Werken.
Das mag auf den ersten Blick erschreckend klingen, weil es mich fordert, weil es etwas, nein, weil es mich verlangt, mich als ganzen Menschen. Aber es ist eben doch auch befreiend, weil ich begreife: Gott beurteilt wirklich mich, nicht meine Rasse und Nationalität, nicht meinen Stand und Beruf. Gott beurteilt mich, so wie mein Glaube sichtbar wird in meinem Leben. Er beurteilt etwas, worauf ich direkten Einfluss habe: mein Leben!
„Verachtest du den Reichtum seiner Güte, Geduld und Langmut? Weißt du nicht, dass dich Gottes Güte zur Buße leitet?“
Liebe Gemeinde, Paulus erzählt uns davon, dass Gott jederzeit Umkehr ermöglicht – auch heute! Der Buß- und Bettag gewinnt aus diesem Wissen für mich in diesem Jahr eine besondere Kraft. Es geht um mich, um meinen Glauben und mein Leben. Ich habe eine Entscheidung zu treffen. Wie will ich leben? Welchen Platz nimmt Gott in meinem Leben ein? Woran orientiere ich mich Tag für Tag? Der Buß- und Bettag bietet uns die Anregung innezuhalten und uns neu ausrichten, denn Umkehr geht jederzeit. Gottes Güte garantiert mir das und lädt mich ein zur Buße, zur bewussten Wahrnehmung meines Lebens und zur Umkehr!
Liebe Gemeinde, die Wirkungsgeschichte des christlichen Redens von Strafe und Gericht hat viele negative Seiten: Menschen fühlten sich davon oft unter Druck gesetzt, ängstlich und immer unter der strengen Beobachtung Gottes. Paulus aber betont vor allem die Güte Gottes, die uns zur Umkehr leiten will. Gott hat ein Interesse an unserer Umkehr und nicht an unserer Strafe. Mir gefällt die Formulierung, die Paulus in seinem Brief wählt: Gott gibt “ewiges Leben denen, die in aller Geduld mit guten Werken trachten nach Herrlichkeit, Ehre und unvergänglichem Leben.“
Die Geduld ist für mich ein wichtiges und schönes Stichwort, das ich immer wieder für mich in Anspruch nehmen will. Geduld, weil ich mich immer wieder irre, bei dem, was ich tue. Geduld, weil ich nicht durchhalte, mit dem, was ich mir vorgenommen habe. Geduld, weil ich manchmal Zeit brauche, das umzusetzen, was in mir steckt. Geduld brauchen wir, weil nicht immer alles klappt.
Geduld hat Gott mit mir und Geduld soll ich mit mir haben und trachten „nach Herrlichkeit, Ehre und unvergänglichem Leben“.
Liebe Gemeinde,
wir müssen nicht „perfekt“ und „fertig“ sein, das geht nämlich nicht. Fehler und Versäumnisse gehören zum Leben dazu. Unsere Absicht und unser Wille sind entscheidend in den Augen Gottes, unser Trachten „nach Herrlichkeit, Ehre und unvergänglichem Leben“.
Liebe Gemeinde,
Paulus redet vom Richten über die anderen und führt uns dann in unser Inneres. Er erinnert uns daran, dass ich mir Rechenschaft über mein Leben geben muss. Paulus spricht uns ins Gewissen. Leb nicht vor dich hin und verschwende dein Leben nicht, indem du dich betrügst und dich deinem Leben nicht stellst. Sieh wer du bist und was du sein willst. Du brauchst die Abgrenzung vom anderen nicht, um dich selbst zu finden.
Liebe Gemeinde,
nach der Bedeutung des Buß- und Bettag habe ich eingangs gefragt, nach dem Sinn, den der Tag für mich selbst haben kann. Paulus hilft mir zu verstehen, dass der Buß- und Bettag uns zu uns selbst leiten will. Lassen Sie sich heute von Paulus an die Hand nehmen. Nehmen
Sie sich bewusst Zeit für sich selbst. Bedenken Sie, wofür Sie Buße tun wollen, wo Sie neu aufbrechen wollen, wo Sie umkehren wollen zu Gott, von dessen Güte und in dessen Licht wir leben.
Amen
Verfasser: Pfarrer Hans-Martin Krusche-Ortmann, Lüttgen-Ottersleben 41, 39116 Magdeburg
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