Umkehr
von Christian Kurzke (Kraftsdorf)
Predigtdatum
:
18.11.2015
Lesereihe
:
ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr
:
Buß- und Bettag
Textstelle
:
Lukas 13,(1-5).6-9
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Wochenspruch:
Gerechtigkeit erhöht ein Volk, aber die Sünde ist der Leute Verderben. (Sprüche 14, 34)
Psalm: 51,3 - 14 (EG 727)
Lesungen
Altes Testament: Jesaja 1, 10 - 17
Epistel: Römer 2, 1 - 11
Evangelium: Lukas 13, (1 - 5) 6 - 9
Liedvorschläge
Eingangslied: EG 389 Ein reines Herz, Herr schaff in mir
Wochenlied: EG 146, 1 - 3 Nimm von uns, Herr, du treuer Gott
Predigtlied: EG 355 Mir ist Erbarmung widerfahren
Schlusslied: EG 482, 1 - 5 Der Mond ist aufgegangen
Zur Liturgie am Buß- und Bettag
„Als unser Herr und Meister Jesus Christus sagte: "Tut Buße, denn das Himmelreich ist nahe herbeigekommen“, wollte er, dass das ganze Leben der Glaubenden Buße sei.“ So eröffnet Martin Luther seine 95 Thesen im Jahr 1517.
Seine Kritik am mittelalterlichen Buß- und Sakramentsverständnis führte dazu, dass gerade die Buße, die für Luther noch so immens wichtig, ins Abseits gottesdienstlichen protestantischen Lebens gerückt wurde. Wenn überhaupt, dann findet die Buße lediglich in einem Abendmahlgottesdienst statt. Es ist unbequem, sich Sonntag für Sonntag an eigene Schuld und auf das Angewiesen sein auf Gottes Vergebung erinnern lassen zu müssen.
Am Buß- und Bettag darf dieser Aspekt aber nicht fehlen. Schuldig werden wir in Gedanken, Worten und Werken oder eben in ihrer Unterlassung. Buße zu tun heißt darauf zu vertrauen, dass Umkehr, ein Neuanfang, ein Neudenken und Handeln möglich ist. Am Buß- und Bettag nimmt die Einsicht in das eigene Schuldiggewordensein, der Zuspruch der Vergebung und die Kraft zu Umkehr und Neuanfang einen breiten liturgischen Rahmen ein. Liturgisch bietet sich ein erweitertes Schuldbekenntnis und die so wichtige Lossprechung zu Beginn des Gottesdienstes an. Hierfür schlage ich folgende Texte vor:
Schuldbekenntnis
Gemeinde singt: Kyrie (EG 178. 9)
Herr unser Gott,
wenn wir Dich angebetet haben wie ein Überbleibsel aus vergangenen Zeiten, wie ein theologisches Gedankengebäude, eine religiöse Neuigkeit, aber nicht als den lebendigen Gott: Dann vergibt uns, Herr!
Wenn wir Deinen Willen verwechselt haben mit dem, was wir aus ihm gemacht haben, wenn wir lieber auseinanderlaufen als zur Einheit zu finden: Wenn wir Berichte von Auseinandersetzungen gehört haben, ohne bereit zu sein, Lasten oder Schmerz miteinander zu teilen:
Dann vergibt uns, Herr!
Wenn wir den Missbrauch von Macht erkannt haben, aber nicht dagegen aufgetreten sind und uns geweigert haben, die Schwachen zu stärken, wenn wir Loblieber über deine Schöpfung gesungen, aber die Fülle der Erde geschändet haben: Dann vergibt uns, Herr!
Unsere Schuld ganz persönlich und jeder für sich bekennen wir nun in der Stille vor dir … Vergib uns, Herr!
Wir bitten dich um dein Erbarmen, wenn wir jetzt gemeinsam singen: Kyrie eleison … (EG 178. 9)
Im Netz unserer Schuld drehen wir uns im Kreis, machen wir uns etwas vor, verschweigen, verheimlichen, beschönigen und vertuschen alle unsere Schulden, alles Unrecht, alles Versagen. Doch nichts wird dadurch besser: Wir sind nicht ohne Schuld, nicht gut und nicht frei.
Wie gerne möchten wir alles, was uns belastet, ablegen, alles, was uns anklagt, hinter uns lassen, unsere Unschuld wiedergewinnen und dir, Jesus, und den anderen unbefangen begegnen, rein und makellos.
Wie gerne möchten wir die Trümmer beseitigen und neu anfangen, die Trennungen überwinden und wieder zusammenkommen, die Teufelskreise unterbrechen und endlich in Güte zusammenleben, in Frieden und Gerechtigkeit.
Versöhne du uns, Jesus, mit Gott, mit der Natur, mit der Geschichte, mit unseren Mitmenschen. Dich alleine rufen wir an: befreie uns aus dem Netz unserer Schuld und verändere uns durch dein Wort.
Dein Erbarmen und die Vergebung unserer Schuld erbitten wir, wenn wir gemeinsam singen:
Kyrie eleison … (EG 178. 9)
Gnadenzuspruch und Absolution
In der Vollmacht, die der Herr seiner Kirche gegeben hat, spreche ich euch los.
Euch sind eure Sünden vergeben. Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. +
Der allmächtige Gott, der euch eure Sünden vergeben hat, gebe euch Kraft, nach seinem Willen zu leben.
Denn so spricht Gott, der Herr im Buch des Propheten Hesekiel: Ich will euch gnädig annehmen und werde mich an euch als der Heilige erweisen und ihr werdet erfahren, dass ich der Herr bin, wenn ich so an euch handle zur Ehre meines Namens und nicht nach euren bösen Wegen und verderblichen Taten, spricht Gott, der Herr.
Amen
Liebe Gemeinde,
niemand hatte bezweifelt, dass sie eine glückliche Ehe führen werden. Aber von außen unbemerkt sind sich die Partner im vergangenen Jahr fremd geworden, ist der Faden der Verständigung abgebrochen und gelang ihnen kein Anknüpfen mehr. Wer hätte das gedacht? Wer ist schuld? Einer sagt: „Die hätten etwas für sich tun sollen. So wie sie gelebt haben, wie jeder nur an seine eigene Karriere gedacht hat, musste das ja kommen.“ Wieder andere sagen: „Er hätte ja … oder sie hätte ja.“ Schuld suchen wir immer bei Anderen. Vielleicht hätte ich als Freund(-In) viel eher reagieren müssen, das Gespräch mit den Beiden suchen.
Wir erleben fast täglich menschliche Tragödien und sind froh, dass es uns nicht selbst getroffen hat. Wir erleben das Zusammenbrechen einer Ehe in nächster Nähe, aber es bewegt uns nicht. Wir erleben viel Schuld, aber fragen nur selten nach Wegen aus dieser Verstrickung.
Der Frage nach dem eigenen Schuldigsein und der Möglichkeit des eigenen Schuldigwerdens, weichen wir gerne aus. Da versteckt man sich lieber hinter seinen eigenen begrenzten Möglichkeiten, hat Ausreden parat, sieht vielleicht irgendwo ein Unglück, erstarrt für einen kleinen Augenblick und denkt im besten Fall: ich sollte mir mehr Zeit nehmen für … und dann …, dann mache ich so weiter wie bisher. Ich will mich nicht verändern. Ich bin ja bisher ganz gut gefahren.
So ähnlich haben Menschen schon zu Zeiten Jesu gedacht. Da ist das Volk und es ist erregt. Eine Schreckensmeldung jagt die andere. Pilatus hat unter den Pilgern ein Massaker anrichten lassen. Sie wollten im Tempel beten und ihr Opfer verrichten und wurden abgeschlachtet wie Vieh. Terror des römischen Machthabers. Wie kann Gott das zulassen? Der gute Gott, der alles Leben schuf? Und in der Nähe des Siloah Teiches ist ein Stück der Stadtmauer eingestürzt. Der zusammenbrechende Turm hat viele erschlagen. Selber schuld!, denken die Frommen; Gott ist gerecht. Er wird schon seine Gründe gehabt haben. Vielleicht haben sie etwas verbrochen; mein ist die Rache spricht der Herr.
Aber so einfach ist es nicht. Unsere Welt ist nicht in Ordnung - und Gott: er ist nicht immer zu begreifen. Jesus fragt die Aufgeregten: Denkt ihr vielleicht, dass diese Opfer der Willkür durch besondere Schuld zu Tode kamen? Oder meint ihr etwa, die Opfer des Unglücks hatten mehr auf dem Kerbholz als andere? Es hätte euch genauso treffen können.
Die Grenzen zwischen Gerechten und Ungerechten, Schuldigen und Unschuldigen sind doch so fließend wie die Grenzen zwischen Glücklichen und Unglücklichen und zwischen Heimgesuchten und Davongekommenen. Wie oft seid ihr beides, von einem Augenblick auf den anderen. Seid doch nicht so schrecklich selbstsicher und selbstgerecht. Schlagt doch nicht noch mit Gedanken und Worten auf die zu Tode geprügelten ein, habt Erbarmen mit ihnen und mit euch. Begreift lieber den Schmerz und das Entsetzen als Mahnung an euch, die ihr noch am Leben seid, als Anstoß, euer Leben anders zu gestalten. Noch habt ihr Zeit, aber einmal ist damit Schluss. Deshalb klärt euer Leben vor Gott und mit ihm und dann natürlich auch mit den anderen. Vertrocknet nicht vor der Zeit, bringt Frucht. Verbreitet nicht durch euer Schweigen oder eure Urteile den Tod, sondern kümmert euch ums das Leben, ein gelingendes und gutes für alle, nicht nur für euch.
An der berühmten Schuldfrage ist Jesus nicht interessiert. Er geht nicht den Ursachen nach, sondern spricht von ihrer Bedeutung für uns. Er fordert keinen Prozess, sondern will das Leben verändern. Er ernennt Gott nicht zum Richter, sondern gibt selbst einen Rat. Er bestellt keinen Gutachter, sondern fragt nach uns. Über Opfer eines Unglücks wie z.B. die sich auseinanderlebende Ehe sollten wir deshalb nicht spekulieren. Beide Partner sind in Gottes Hand. Den Schreck des Augenblicks aber sollten wir nutzen, zur Klärung von Fragen, die uns zu einer eigenen Umkehr und Hinwendung zu denen, die Leid tragen, führen können.
Als Jesus seine Fragen gestellt hat, erzählte er ihnen eine Geschichte, die aus ihrem Lebensalltag stammt: die Geschichte von einem unfruchtbaren Feigenbaum, den sein Eigentümer ausreißen lassen will, während der Gärtner noch um einen Aufschub bittet. In einem Jahr kann doch alles ganz anders aussehen. Das hoffen auch die beiden zerstrittenen Ehepartner: Haben wir noch eine Chance? Wo geht es hin mit uns? Aber noch hoffen sie nur. Die Realität ist eine ganz andere: sie fühlen sich abgeschlagen wie ein gefällter Feigenbaum; quälende Gedanken nagen täglich, was man denn wohl falsch gemacht hat; dann auch wieder Hass und Wut auf den anderen, der doch so viel kaputt gemacht hat. Als ein fruchtbares, lebensfrohes Leben ist das wohl nicht zu bezeichnen.
Möglicherweise hat der Feigenbaumbesitzer recht: die Ehe ist wegzuwerfen und man selbst verkümmert dann auch irgendwo. Viele Gründe unseres Lebens machen uns manch-mal ganz ähnlich wie zu einem unfruchtbaren Feigenbaum: Vielleicht sind wir versteinert aus Angst, vielleicht verbittert aufgrund erlebten Unrechts, vielleicht zehrt brennende Sorge uns auf, vielleicht verwickeln uns unglückliche Situationen, vielleicht bluten wir aus in alltäglicher Last. Ein Nichtsnutz der Zeit, der weder zum gesellschaftlichen Fortschritt beiträgt, noch irgendwie brauchbar ist, denn sein Herz ist zerbrochen.
Wie schnell ist man in seiner solchen Situation abgeschrieben: „Das wird doch sowieso nichts mehr mit den beiden!“, hört man hinter vorgehaltener Hand sagen. So betrachten wir mit unseren Augen Menschen von oben bis unten, und geben ihnen mit und ohne Worte zu verstehen, dass wir nichts, oder zumindest nicht viel von ihnen halten. Im Urteilen sind wir oft wie der Eigentümer des unfruchtbaren Feigenbaumes. Das lässt nicht grünen und blühen, sondern führt zurück zur Schuldfrage, lässt die Gedanken erneut kreisen und man verkümmert innerlich regelrecht.
Die beiden Eheleute sind getrennte Wege gegangen. Für beide war das ein Neuanfang, nicht immer leicht. Und auch für Freunde, die sie nur zusammen kannten, war die neue Lebenswirklichkeit eine echte Herausforderung.
Gott gibt trotz aller Schuld, die bis zur Trennung führen kann und allen Schuldiggewordenen, die meinen, diese Entscheidung von Zweien mit ihrem Urteil erklären zu können, eine Chance: Das Bild vom bittenden Gärtner ist ein Bild des Ringen Gottes mit uns Menschen. Wir sind schnell mit der Säge oder der Axt am Baume. Wir treffen unsere Meinungen und Urteile vor allem aufgrund eigener Enttäuschung und Verletzung. Wir lassen uns von selbst zurechtgelegten Meinungen leiten, und haben für uns selbst schon ein Urteil gefunden, so dass der Feigenbaum im Gleichnis unwiederbringlich ein Ende finden würde. Bei Gott gibt es immer noch eine Chance. Er gibt die Hoffnung nicht auf! Vielmehr will er Verdorrtes wieder zum Wachsen bringen. Dass dieses Wachsen möglicherweise ein ganz anderes Gesicht haben wird, als wir das erwartet haben, das ist auch möglich und vor allem auch zuzulassen.
Die beiden Ehepartner leben heute getrennt, doch haben sie wieder einen Umgang des Miteinanders gefunden. Das ist nicht immer einfach, aber der tägliche Streit, die Zeit der täglichen Vorwürfe und Verletzungen sind vorbei. Es ist jetzt der Raum da, Neues wachsen zu lassen. Heimliche Wünsche sind für die beiden nun in Erfüllung gegangen. Alte Freunde haben sie nicht abgeschrieben, sondern gehen mit ihnen zu-sammen im Neuland ihrer Zukunft.
Und Gott geht mit und wartet geduldig mit uns. Möge er auch uns helfen, in Krisenzeiten und in den großen und klei-nen Katastrophen unseres Zusammenlebens, dass Wege sich öffnen, auf denen nach wirklichen Dürrezeiten neue Äste zu grünen beginnen und der Feigenbaum nicht abgeholzt werden muss. Das wünsche ich uns allen.
Amen
Verfasser: Pfarrer Christian Kurzke
Rüdersdorf Nr. 30, 07586 Kraftsdorf
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