Predigttext Matthäus 12, 33 – 35
Die guten und die bösen Früchte
„Nehmt an, ein Baum ist gut, so wird auch seine Frucht gut sein; oder nehmt an, ein Baum ist faul, so wird auch seine Frucht faul sein. Denn an der Frucht erkennt man den Baum.
Ihr Otterngezücht, wie könnt ihr Gutes reden, die ihr böse seid? Wes das Herz voll ist, des geht der Mund über.
Ein guter Mensch bringt Gutes hervor aus seinem guten Schatz; und ein böser Mensch bringt Böses hervor aus seinem bösen Schatz.
Ich sage euch aber, dass die Menschen Rechenschaft geben müssen am Tage des Gerichts von jedem nichtsnutzigen Wort, das sie reden.
Aus deinen Worten wirst du gerechtfertigt werden, und aus deinen Worten wirst du verdammt werden.“
Liebe Gemeinde,
ein kurzes Aufblenden – mehr braucht der LKW-Fahrer nicht und schon weiß die junge Frau, die ihm im Auto entgegen kommt, Bescheid. Sie drosselt die Geschwindigkeit kurz unter die erlaubte Höchstgeschwindigkeit und fährt lächelnd an der am Straßenrand aufgebauten Blitzanlage vorbei – natürlich ohne geblitzt zu werden. (Ich erzähle diese kleine Begeben-heit aus der Ich-Perspektive.)
Das kurze Aufblenden war eine Mahnung, ein Zeichen, das alle, die viel mit dem Auto unterwegs sind, schnell verstehen. Und die meisten Menschen richten sich auch sofort danach und gehen direkt runter vom Gas. Freilich – ebenso schnell ist die Mahnung auch wieder vergessen. Nach der Blitzanlage wird wieder Gas gegeben! Meistens jedenfalls!
Was braucht es eigentlich, damit eine Mahnung länger hält, dass das Verhalten sich grundlegend ändert?
Nicht nur ein kurzes Aufblenden, sondern eine durchdachte Komposition ist die Mahnrede, die der Evangelist Matthäus Jesus in den Mund legt. Sie richtet sich im Kontext des Evan-geliums eigentlich an die Pharisäer. Diese versuchen jeden Kontakt mit Jesus zu nutzen, um ihm Fallen zu stellen, ihn in Misskredit und in Verruf zu bringen. Üble Nachrede, so würde man das heute vielleicht nennen.
„Ist dieser etwa Davids Sohn?“, so fragen sich die Umher-stehenden, nachdem Jesus einen Besessenen geheilt hat. Und gleich wird der Spieß durch die, die die Deutungshoheit für sich beanspruchen, umgedreht: „Dieser treibt die Dämo-nen nicht anders aus als durch Beelzebul!“
Und Jesu geht auf sie zu und seine Reaktion beginnt im Garten: Nehmt an, ein Baum ist gut.
Er nimmt ein Bild aus der Erfahrungswelt seiner Hörerinnen und Hörer. „Klar“, werden diese sagen, „guter Baum – gute Frucht; fauler Baum – faule Frucht.“ Bis dahin werden alle nicken: „Ja, das kennen wir. An der Frucht erkennt man den Baum, so ist das halt, das können wir immer wieder beobach-ten.“ Und schon kommt der erste Schlag: „Ihr Otternge-zücht!“ Denn das Bild des Baumes findet seine Anwendung bei seinen Zuhörern. Genauso ist es auch beim Menschen: „Wes das Herz voll ist, des geht der Mund über!" Und böse Worte lassen auf böse Menschen schließen.
Ob sie wohl immer noch zustimmend genickt haben?
Doch Jesus geht noch einen Schritt weiter. Nicht nur, dass gute Menschen aus ihrem guten und böse Menschen aus ihrem bösen Schatz schöpfen, nein, alle werden sich verant-worten müssen für die Worte, die sie gesprochen haben.
„Aus deinen Worten wirst du gerechtfertigt werden, und aus deinen Worten wirst du verdammt.“
Was als Mahnung an die Pharisäer im Garten begann, ist auf einmal ganz nah und weitet sich aus, auf alle Hörerinnen und Hörer, Leserinnen und Leser, auf dich und mich!
„Aus deinen Worten wirst du gerechtfertigt werden, und aus deinen Worten wirst du verdammt.“
Nicken wir zustimmend zu diesem Satz?
Führt diese Mahnung bei uns zu einer Veränderung des Verhaltens?
Haben wir die Macht der Worte schon von dieser Seite betrachtet?
Worte können verletzen.
Worte können heilen.
Worte können tiefe Gräben aufreißen.
Worte können Brücken bauen.
Worte können Welten erschaffen und einreißen.
Worte können Kriege entfachen.
Worte können Frieden stiften.
Die Macht der Worte ist längst erkannt worden. Das Wort ist nicht einfach nur so daher gesagt und Schall und Rauch. Nein! Sprechen bedeutet Handeln.
So beschreibt es schon der Anfang des Alten Testaments, wie Gott die Welt durch sein Wort schafft, geradezu ins Leben ruft. Und Gott sprach: „Es werde Licht!“ Und es ward Licht.
Und das Johannesevangelium beginnt mit den markanten Worten: „Am Anfang war das Wort und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort.“ Und später dann: „Das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns, und wir sahen seine Herr-lichkeit als des eingeborenen Sohns vom Vater voller Gnade und Wahrheit.“
Das Wort ward Fleisch – Gott selbst wird Mensch, um uns Menschen nah zu sein, um sich uns mitzuteilen, uns an seinem Wort teilhaben zu lassen – ganz unmittelbar. Gott wird Mensch, vielleicht damit Gott uns Menschen besser ver-steht, ganz sicherlich damit wir Gott besser verstehen, damit wir in uns und in unseren Mitmenschen den göttlichen Zu-spruch sehen.
Ist dieses Wunder, dieser Zuspruch vielleicht schon genug, damit wir unser Leben so führen, dass man an unseren Wor-ten unser Herz erkennen kann?
Der Evangelist Matthäus sieht das noch nicht, bei ihm gibt Jesus den Pharisäern und mit ihnen einem jeden und einer jeden noch eine Mahnung mit. Nur auf die Macht der Worte zu verweisen, reicht nicht. Am Tag des Gerichts werden die Worte darauf hin befragt werden, ob und vor allem welche Werke sie hervorgebracht haben: Hass und Zerstörung oder Liebe und Gerechtigkeit? Und aus diesem Gericht erfolgt ein Urteil: Rechtfertigung oder Verdammnis! Er ist sich sicher: „Wes das Herz voll ist, des geht der Mund über!“
Harte Worte, gefährliche Worte, die nicht unberührt lassen. Und die Frage drängt sich auf: Welche Worte sind in uns? In Ihnen, in mir, gestern – heute – morgen? Und welche Taten folgen aus Ihnen? Beabsichtigt oder unbeabsichtigt?
Dieser Bibelvers ist im Laufe der Jahre zu einem Sprichwort geworden, der einen Zustand beschreibt, den sie sicherlich auch kennen. Den Zustand etwas nicht mehr bei sich behal-ten zu können, weil man davon so angefüllt ist. Freude zum Beispiel oder auch Ärger.
(hier können Beispiel folgen)
Doch ist es mir bei jedem Wort bewusst, dass ich meine Worte und die damit verbundenen Taten verantworten muss? Vor mir und meinem Gewissen vor allem aber vor Gott?
Ist die Vorstellung eines Gerichtes, wie und wann immer es auch sein mag, schon genug, damit die Wirkung der Mahnung länger hält, damit ich mich ändere?
Ich glaube nicht! Dies zeigt sich nicht zuletzt daran, dass Menschen trotz Bußgeldandrohung und möglichen Gerichts-verfahren immer wieder mit dem Auto viel zu schnell unter-wegs sind. Trotz Geschwindigkeitsbegrenzung und anderen Mahnungen, wie die Kreuze am Wegesrand, die auf tödliche Verkehrsunfälle hinweisen.
Und so bleibt die Frage: Was braucht es, damit eine Mahnung länger hält, dass das Verhalten sich grundlegend ändert?
Tage wie diese! Buß- und Bettage.
Tage, die zum einen die Mahnung wach halten, sie kurz auf-blenden lassen, damit sie uns wieder vor Augen steht und uns mahnt, zum Beispiel mit Worten sensibel und verant-wortungsvoll umzugehen. Denn Worte sind nicht nur Schall und Rauch, sondern schöpferisch in jeder Hinsicht. Sie wirken auf uns und andere und ihnen folgen Taten.
Es braucht Tage, die uns fragen, mit was wir angefüllt sind und uns die Möglichkeit geben im Gebet das, was uns belastet, in Gottes Hand zu legen und für uns und die Welt zu beten. Damit die Welt eine bessere wird. Doch diese Veränderung, die beginnt bei mir und meinen eigenen Worten.
Vor allem aber braucht es diese Tage, die uns gewiss machen, dass mit Jesus Christus das Licht der Welt erschie-nen ist, kein kurzes Aufblenden, zur Mahnung, die man gleich wieder vergisst und dann weiter macht wie bisher, sondern ein Leuchtfeuer zur Gerechtigkeit, zum Leben und vor allem zur Liebe.
Möge euer Herz voll sein mit den Worten dieser Liebe,
dass euer Mund überläuft, heute, morgen und alle Tage.
Amen.
Verfasserin: Dr. Sigrun Welke-Holtmann
Predigerseminar Evangelische Kirche der Pfalz, Luitpoldstraße 8, 76829 Landau
Referat Ehrenamtliche Verkündigung
Markgrafenstraße 14, 60487 Frankfurt/Main,
Telefon: 069.71379-140
Telefax: 069.71379-131
E-Mail: predigtvorschlaege@zentrum-verkuendigung.de
in Kooperation mit dem
Pfarrer Dr. Matthias Rost
Zinzendorfplatz 3 (Alte Apotheke), 99192 Neudietendorf
Telefon: 036202.7717-97