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Verklärung

von Martin Filitz (06108 Halle/Saale)

Predigtdatum : 05.02.2006
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : 4. Sonntag vor der Passionszeit
Textstelle : Offenbarung 1,9-18
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Wochenspruch:

Über dir geht auf der HERR, und seine Herrlichkeit erscheint über dir. (Jesaja 60,2)
Psalm: 97

Lesungen

Altes Testament:
2. Mose 3,1-10 (11-14)
Epistel:
2. Korinther 4,6-10
Evangelium:
Matthäus 17,1-9

Liedvorschläge

Eingangslied:
EG 155
Herr Jesu Christ, dich zu uns wend
Wochenlied:
EG 67
Herr Christ, der einig Gotts Sohn
Predigtlied:
EG 147
„Wachet auf“, ruft uns die Stimme
Schlusslied:
EG 66,8
Jesus ist kommen, die Ursach zum Leben

9 Ich, Johannes, euer Bruder und Mitgenosse an der Bedrängnis und am Reich und an der Geduld in Jesus, war auf der Insel, die Patmos heißt, um des Wortes Gottes willen und des Zeugnisses von Jesus. 10 Ich wurde vom Geist ergriffen am Tag des Herrn und hörte hinter mir eine große Stimme wie von einer Posaune, 11 die sprach: Was du siehst, das schreibe in ein Buch und sende es an die sieben Gemeinden: nach Ephesus und nach Smyrna und nach Pergamon und nach Thyatira und nach Sardes und nach Philadelphia und nach Laodizea.
12 Und ich wandte mich um, zu sehen nach der Stimme, die mit mir redete. Und als ich mich umwandte, sah ich sieben goldene Leuchter 13 und mitten unter den Leuchtern einen, der war einem Menschensohn gleich, angetan mit einem langen Gewand und gegürtet um die Brust mit einem goldenen Gürtel. 14 Sein Haupt aber und sein Haar war weiß wie weiße Wolle, wie der Schnee, und seine Augen wie eine Feuerflamme 15 und seine Füße wie Golderz, das im Ofen glüht, und seine Stimme wie großes Wasserrauschen; 16 und er hatte sieben Sterne in seiner rechten Hand, und aus seinem Munde ging ein scharfes, zweischneidiges Schwert, und sein Angesicht leuchtete, wie die Sonne scheint in ihrer Macht. 17 Und als ich ihn sah, fiel ich zu seinen Füßen wie tot; und er legte seine rechte Hand auf mich und sprach zu mir: Fürchte dich nicht! Ich bin der Erste und der Letzte 18 und der Lebendige. Ich war tot, und siehe, ich bin lebendig von Ewigkeit zu Ewigkeit und habe die Schlüssel des Todes und der Hölle.

Hinführung
Die Offenbarung des Johannes ist ein ebenso faszinierendes wie umstrittenes Buch. Hoffnungen auf eine völlige Veränderung der Welt hat dieses Buch genährt. Ebenso berufen sich alle möglichen Spekulationen über das Ende der Zeiten auf die Offenbarung des Johannes. Martin Luther mochte das letzte Buch der Bibel nicht. Er nannte es „aller Rottenmeister Gaukelsack“ und wollte es „bei Magdeburg in die Elbe“ werfen. Dennoch hat die Kirche es niemals unternommen, die Offenbarung des Johannes aus der Heiligen Schrift zu streichen. Gerade in Zeiten von Angst und Bedrängnis hat die Gemeinde aus diesem Buch Kraft und Trost gewinnen können. Die Johannesoffenbarung kann ebenso tröstlich wie hilfreich sein. Und es lohnt, sich von Zeit zu Zeit ihren Zumutungen und ihrer Fremdheit auszusetzen.
Das Buch der Johannesoffenbarung besteht aus zwei Teilen. Im ersten Teil (Kap. 1,13-32) finden sich die Einleitung zum gesamten Buch (Kap. 1,1-1,20) und die Sendschreiben an die sieben jungen christlichen Gemeinden in Kleinasien (Kap. 2,1-3,32). Diese Gemeinden sind angefochten, auch verfolgt. Johannes will sie stärken und ihnen Hoffnung geben. Der zweite Teil des Buches von Kap. 4 an schildert die Visionen des Johannes, die er in seiner Verbannung auf der Insel Patmos hatte und die er vermutlich den sieben genannten Gemeinden mitteilt.
Dabei ist die Sprache der Visionen so etwas wie ein Geheimcode, den die feindlichen Behörden des römischen Staates nicht verstehen können, weil sie sich nicht in der Bildersprache der Hebräischen Bibel auskennen. Johannes und die Gemeinden wissen, wovon die Rede ist. Sie kennen diese Sprache und verwenden sie, um sich zu tarnen. Das Ziel des Johannes ist es, immer wieder zu sagen, dass nicht der römische Kaiser und die widergöttlichen Mächte am Ende den Sieg davontragen, sondern Christus, das Lamm Gottes, das um der verlorenen Welt willen erwürgt ist, und das für alle von den Toten auferstand. Die Botschaft des Johannes ist also nicht zuerst eine detaillierte Beschreibung der Zukunft, sie ist bestimmt für die Gegenwart der Gemeinden, die in Angst leben, und die drauf und dran sind, den Glauben wieder zu verlieren.
Die Hymnen der Offenbarung sind in der Geschichte immer wieder vertont worden: so z. B. bei Johann Sebastian Bach in den Kantaten „Ich hatte viel Bekümmernis“ (BWV 21) und „Nun ist das Heil und die Kraft“ (BWV 50), sowie in Georg Friedrich Händels „Messias“ (Würdig ist das Lamm, das da starb).
Der Predigttext für den letzten Sonntag nach Epiphanias berichtet vom Auftrag des Johannes. Es ist eine „Berufungsvision“, wie wir sie ähnlich von den Propheten des Alten Testaments kennen (Jesaja 6, Jeremia 1, Ezechiel 1). Die Bilder vom „Menschensohn“ und von dem „Alten der Tage“ entstammen der Vision aus dem biblischen Danielbuch (Kap. 7). Indem sich Johannes auf diese biblische Tradition beruft, macht er seinen Leserinnen und Lesern klar, dass er nicht aus eigener Vollmacht redet, sondern aus der Vollmacht Gottes.
Liebe Gemeinde,
„Spötenkieker“ – so nennt man in Norddeutschland Menschen, die behaupten, dass sie mehr sehen und mehr wissen als andere. „Spötenkiekerei“ ist vieles von dem, was man heute etwas vornehmer „Esoterik“ nennt. Es ist der Glaube an unsichtbare Mächte und Kräfte, die man mit bestimmten Ritualen beherrschen kann. Es ist auch der Glaube an außersinnlichen Wahrnehmungen, an Visionen, an geheime Enthüllungen und was es sonst geben mag zwischen Himmel und Erde, von dem sich unsere Schulweisheit nichts träumen lässt. Im Umgang mit solchen Menschen und ihren Praktiken ist Vorsicht angeraten. Wer seine Nase in Dinge steckt, die ihn nichts angehen, der kann sie sich leicht verbrennen. Wer sich auf faulen Zauber einlässt, der kann leicht wahnsinnig werden und dann irgendwo auf der geschlossenen Station in der Psychiatrie landen.
Christen zählt man eigentlich weniger zu diesen „Spötenkiekern“. Natürlich gibt es am Rand der christlichen Gemeinden allerlei merkwürdige Erscheinungen, aber im Großen und Ganzen sind wir doch eher nüchtern. Wir denken schon, dass Glaube auch vernünftig ist. Wir glauben, dass bei Gott alle Dinge möglich sind. Aber deshalb muss noch längst nicht alles Mögliche von Gott kommen.
Was allerdings der Seher Johannes beschreibt, das klingt schon verdächtig nach solchen „Randerscheinungen“. Johannes der Seher schildert seine Vision. Er beschreibt, wie es überhaupt dazu gekommen ist. Er erzählt davon, wie es kam, dass er die Mühe auf sich nimmt, an die sieben Gemeinden in Kleinasien zu schreiben und ihnen mitzuteilen, was für fremde Ohren nicht bestimmt ist. Johannes ist verbannt auf die Griechische Insel Patmos.
Patmos ist damals alles andere als ein Urlaubsparadies. Patmos liegt am Rande der Welt. Der Kontakt zu den Geschwistern in den Gemeinden ist nur mühsam aufrecht zu erhalten. Es ist zu ersten Verfolgungen gekommen. Es hat Tote gegeben. Noch nicht so schlimm wie später unter den Kaisern Decius und Diokletian, aber immerhin so, dass sich Angst breit macht. Und es war immer ein beliebtes Spiel der Mächtigen, dass sie die Wortführer einer missliebigen Gruppe von der Gemeinschaft mit den anderen isolierten. Wenn der Wortführer nicht mehr da ist, dann wird auch seine Anhängerschar sich schnell in alle Winde zerstreuen.
Einsamkeit ist schlimm. In der Einsamkeit Christ sein zu wollen, ist eine grausame Zumutung. Zu jedem Christenmenschen gehört eine Gemeinde, in der er lebt, in der er auf Gottes Wort hört und mit anderen betet. „Ohne Gemeinschaft kein Christentum“, sagt Nikolaus Graf von Zinzendorf, der Gründer von Herrnhut, und er hat Recht damit. Nein, Patmos ist keine Urlaubsinsel. Für Johannes ist Patmos Gefängnis, nicht anderes. Er muss dort unter miserablen Umständen leben.
Aber Gott sei Dank ist Patmos nicht gottverlassen. Der Herr des Himmels und der Erde meldet sich in Patmos zu Wort. Und keine Macht der Welt, kein römischer Kaiser und keine seiner Legionen können Gott daran hindern, zu Wort zu kommen.
Johannes hört, was andere nicht hören. Er weiß: es ist keine Einbildung. Er ist nicht nervenkrank geworden, dass er plötzlich Stimmen hört, die es gar nicht gibt. Gott redet, und er redet so, dass Johannes ihn versteht. Johannes sagt, er wurde vom Geist ergriffen. Anders hätte Johannes überhaupt nicht hören können. Wenn Gott redet, dann braucht es Ohren, die sich von ihm anreden lassen. Man kann auch an Gott vorbei hören. Man kann die tiefsten und die frömmsten Reden hören, und dennoch kann es sein, dass das Herz bei alledem leer bleibt.
Wir wissen vom Propheten Jesaja, dass er den Auftrag bekommt, so zu reden, dass nur noch die Verstockung des Volkes Israel dokumentiert wird. Es kann ein Interesse daran geben, Gottes Wort gerade nicht zu hören, weil man viel lieber auf die eigene Stimme hört, weil man viel lieber seine eigenen Interessen durchsetzen will, als dem zu folgen, was Gott von mir will. Ohne Gottes Geist kann niemand unterscheiden, was von Gott kommt und was nicht. Ohne seinen Geist bleiben wir anfällig für jeden Windstoß, für jede Mode, für lauter dummes Geschwätz. Wer Gottes Wort hören will, der bleibt auf den Heiligen Geist angewiesen. Der Glaube kommt aus dem Hören, sagt der Apostel Paulus (Römer 10,17) und um recht zu hören braucht es den Heiligen Geist.
Johannes will deutlich machen, dass er sich nicht getäuscht hat. Er hörte die Stimme Gottes, und er sah die Leuchter – das Zeichen des Bundes Gottes mit den Menschen. Es werden Leuchter gewesen sein wie der siebenarmige Leuchter, der Leuchter, der im Heiligsten des Tempels stand. Jetzt sind es sieben, und jeder steht für eine der sieben Gemeinden in Kleinasien, die auf den Rat und die Hilfe des Johannes hoffen und die in der Ferne für ihn beten. Der Bund Gottes ist nicht aufgekündigt. Johannes und die Gemeinden können sich darauf verlassen.
Und wer das Alte Testament kennt, dem wird auch die Erscheinung nicht fremd sein, die Johannes in seinem geistgewirkten Zustand sieht: einer wie ein Menschensohn. Den hatte schon der Prophet Daniel gesehen und beschrieben. Jesu Jünger wussten: Jesus sprach von sich selbst auch als von dem Menschensohn, der mit den Wolken des Himmels kommt und der das Bundesvolk Gottes vor ihm vertritt. Ein Menschensohn. Ein Mensch. Geboren wie jeder von uns geboren ist. Er hat gelebt wie jeder von uns lebt, bis sie ihn ans Kreuz geschlagen haben. So wollten sie ihn zum Schweigen bringen. So wollten sie seinen Namen für immer aus dem Gedächtnis der Menschen tilgen. Aber Gott hat ihn nicht bei den Toten gelassen. Er hat ihn auferweckt. Er hat diesen Menschensohn zu seinem Christus gemacht, zu seinem Messias für immer und ewig.
Johannes sieht und hört den gekreuzigten und den auferstandenen Herrn Jesus Christus. Er sieht und hört den, von dem seine Wächter nichts wissen wollen und auch die nicht, die die Gemeinden in Kleinasien verfolgen. Und Johannes sieht: Christus hält die Sterne in seiner Hand. Er gibt seine Gemeinden nicht preis. Er hält sie durch alle Angst und Verfolgung hindurch. Denn er ist der Anfang und das Ende, der Erste und der Letzte und der Lebendige.
Die Offenbarung des Johannes ist das Trostbuch der verfolgten Gemeinde. „Gott sitzt im Regiment“ – sagt dieses Buch. „Die Herren dieser Welt kommen und gehen – unser Herr kommt“ (Gustav Heinemann).
Es mag Zeiten geben, in denen die Botschaft dieses Buches nicht so deutlich gehört wird. Es mag auch Weltgegenden geben, die weit entfernt davon sind, dass sie verstehen können, wie es Christen geht, die verfolgt werden, weil sie Christen sind, und weil sie sich weigern, den Glauben zu verleugnen.
Es gibt aber ebenso Gemeinden in der Welt, die diese Sprache sehr gut verstehen, die sich danach sehnen, dass endlich der Jüngste Tag anbricht und die ganze Gottlosigkeit und Menschenverachtung zur Hölle fährt. Es gibt solche Gemeinden in Nordkorea, in China, in manchen arabischen Ländern. Aus der Ferne neigen wir gern dazu, uns ganz allgemein für die Einheit der Religionen auszusprechen. Das ist aber nur dann aufrichtig, wenn wir auch die Stimme der leidenden Geschwister hören, die nicht in europäischer oder nordamerikanischer Sicherheit als Christen leben können. Und es ist nur glaubwürdig, wenn wir im Gespräch mit den anderen die Partei dieser vergessenen Christen ergreifen.
Der Seher Johannes bleibt mit seinen Gemeinden verbunden, weil er und die Gemeinden demselben Herrn gehorchen wollen. Sie gehören zusammen, weil sie gemeinsam glauben, dass sie bei Christus geborgen sind, was immer auch geschieht. Die Glieder des Leibes Christi hängen zusammen. Es ist wichtig, dass uns dieses immer wieder in Erinnerung gebracht wird. Wir sind miteinander verbunden und tragen Verantwortung füreinander. Und gemeinsam warten und hoffen wir darauf, dass Jesus Christus, der Menschensohn, wiederkommt und die verwundete und geschlagene Welt erneuert. Ja komm, Herr Jesu! Amen.

Verfasser: Domprediger Martin Filitz, Kleine Klausstraße 6, 06108 Halle/Saale

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