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Verklärung

von Ellen Schneider-Oelkers (36320 Kirtorf)

Predigtdatum : 01.02.2004
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : 4. Sonntag vor der Passionszeit
Textstelle : 2. Korinther 4,6-10
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Wochenspruch:

Über dir geht auf der HERR, und seine Herrlichkeit erscheint über dir. (Jesaja 60,2)

Psalm: 97

Lesungen

Altes Testament:
2. Mose 3,1-10 (11-14)
Epistel:
2. Korinther 4,6-10
Evangelium:
Matthäus 17,1-9

Liedvorschläge

Eingangslied:
EG 9
Nun jauchzet, all ihr Frommen
Wochenlied:
EG 67
Herr Christ, der einig Gotts Sohn
Predigtlied:
EG 72
O Jesu Christe, wahres Licht
Schlusslied:
EG 459,3
Lasst wandeln uns in diesem Licht

Liebe Schwestern und Brüder,
Gottes Licht strahlt auf in unserem Leben?
Gott schenkt uns doch immer wieder Augenblicke des Glücks, die Erfahrung von Schönem und das Erleben von Lebendigkeit:
* Ein Freund, der vorbehaltlos zu uns hält - das ist Glück.
* Ein Jugendchor, dem beim Singen die Begeisterung anzuhören ist - das ist etwas sehr Schönes.
* Ein quicklebendiges kleines Kind, das fröhlich durch Pfützen springt - das ist Lebendigkeit.
Aber dann gibt es auch Tage oder Zeiten, in denen unser Leben trist ist:
* Die Gleichförmigkeit des Arbeitsalltags und der Druck, der auf uns ausgeübt wird, ersticken im Lauf der Zeit den Arbeitseifer und den Schwung, mit dem wir unsere Arbeit einmal begonnen haben.
* Die Verliebtheit, die unsere Partnerschaft am Anfang ganz erfüllt hat, weicht zuweilen heftigen Auseinandersetzungen oder - was fast noch schlimmer ist - stummem Nebeneinanderherleben.
* Traurigkeit, seelische Nöte, Krankheiten gehören zu unserem Leben.
Und - immer wieder haben wir es mitten im Leben mit dem Tod zu tun:
* Wir verlieren Angehörige oder Freunde.
* Wir erleben ein Stück Tod in den vielen kleinen Abschieden unseres Lebens:
* Wenn die Kinder „aus dem Haus gehen“,
* Wenn die Nachbarn, mit denen wir uns gut verstanden haben, fortziehen...
Wenn wir diese dunklen Erfahrungen in Augenschein nehmen, dann könnten wir der Auffassung eines berühmten Zeitgenossen zustimmen: „Das Leben, wie es uns auferlegt ist, ist zu schwer für uns, es bringt zu viele Schmerzen, Enttäuschungen, unlösbare Aufgaben... Man möchte sagen, die Absicht, daß der Mensch glücklich sei, ist im Plan der Schöpfung nicht enthalten... Von drei Seiten droht das Leiden: Vom eigenen Körper her, der - zu Verfall und Auflösung bestimmt - sogar Schmerz und Angst als Warnsignale nicht entbehren kann; von der Außenwelt, die mit unerbittlichen, zerstörerischen Kräften gegen uns wüten kann; und endlich aus den Beziehungen zu anderen Menschen.“
Diese pessimistische Aussage stammt von Sigmund Freud, dem Begründer der modernen Psychoanalyse.
Ihm ist es gelungen, durch eine bestimmte Art der Gesprächsführung in die Tiefe der menschlichen Seele hinabzublicken.
Und er hat sich bei den zahllosen Gesprächen, die er geführt und den Abgründen, in die er dabei geblickt hat, gefragt: „Was hat es auf sich mit Glück und mit Leid?“
Auch uns stellt sich diese Frage im Laufe des Lebens immer wieder. Und auch der Apostel Paulus hat mit dieser Frage gerungen: „Warum liegen Glück und Leid im Leben oft so nah beieinander? Was hat das für einen Sinn?“
Für den Apostel stand dabei sehr viel auf dem Spiel: In der Gemeinde in Korinth, die er gegründet hatte, waren Stimmen laut geworden, die sagten: „Paulus kann niemals ein von Gott beauftragter Apostel sein. Dazu ist er viel zu schwach. Er ist ein kranker Mann, halb blind und stotternd. Seine Verkündigung ist mehr stammelnd als vollmundig. Aus Paulus kann nicht der Geist Gottes sprechen.“
Vermutlich hatten umherziehende Wandermissionare, die sich für kurze Zeit in Korinth aufhielten, Stimmung gemacht gegen Paulus. Und Paulus setzte sich zur Wehr: Er war dabei genausowenig zimperlich wie seine Gegner. Dies ist der Hintergrund für den heutigen Predigttext aus 2 Kor. 4, 6-10:
6 Gott, der sprach: Licht soll aus der Finsternis hervorleuchten, der hat einen hellen Schein in unsre Herzen gegeben, dass durch uns entstünde die Erleuchtung zur Erkenntnis der Herrlichkeit Gottes in dem Angesicht Jesu Christi. 7 Wir haben aber diesen Schatz in irdenen Gefäßen, damit die überschwängliche Kraft von Gott sei und nicht von uns. 8 Wir sind von allen Seiten bedrängt, aber wir ängstigen uns nicht. Uns ist bange, aber wir verzagen nicht. 9 Wir leiden Verfolgung, aber wir werden nicht verlassen. Wir werden unterdrückt, aber wir kommen nicht um.
10 Wir tragen allezeit das Sterben Jesu an unserm Leibe, damit auch das Leben Jesu an unserm Leibe offenbar werde.
Allen Einwänden gegen seine Autorität als Apostel, liebe Schwestern und Brüder, stellt der Apostel Paulus entgegen: „Gott hat ein Licht in unseren Herzen aufleuchten lassen.“ Und er erinnert damit daran: Er selbst und seine Freunde und Freundinnen in Korinth haben doch eine entscheidende Wendung ihres Lebens erfahren:
Gott hat es vom Dunkeln befreit!
Gott hat es hell gemacht!
Gott hat uns zu neuen Menschen gemacht!
Unser Glaube hat uns neuen Mut gegeben, Mut zum Leben!
Für den Apostel Paulus ist diese Wendung etwas ganz Großartiges, ein zweiter Akt der Schöpfung: Beim ersten Schöpfüngsakt hat Gott den großen Kosmos hell gemacht. Beim zweiten Schöpfungsakt hat er den klitzekleinen Kosmos unseres persönlichen Lebens verändert: „Gott hat ein Licht aufleuchten lassen in unseren Herzen.“
Mit dem größten Wunder dieser Welt - daß es sie überhaupt gibt, daß Gott das Chaos geordnet hat und es dazu erst einmal hell gemacht hat - mit diesem Wunder vergleicht Paulus die Lebensveränderung bei denen, die zu Christen und Christinnen geworden sind. Wir können uns mit Paulus zurückerinnern an die lichten Augenblicke des Lebens, an Zeiten, in denen Gott in uns ein Licht aufstrahlen ließ:
An den Tag, als der Fünfer unter der Mathearbeit stand, als der Lehrer uns nicht vor der ganzen Klasse blamierte, sondern unter vier Augen fragte, was denn gewesen sei; und das Donnerwetter zu Hause blieb dann auch aus.
An den Tag, als Tochter oder Sohn den Hof verließen, um sich in der Stadt ihr Leben aufzubauen, und als dann im Dorf geredet wurde: „Ihr habt eure Kinder viel zu frei erzogen! Jetzt seht ihr ja, was ihr davon habt! Jetzt müßt ihr sehen, wie ihr auf eure alten Tage zurechtkommt!“ Aber dann trafen wir doch eine, die Verständnis hatte für den Freiheitswunsch der Kinder, und auch für die Ängste und die Trauer der zurückgebliebenen Eltern. Und gemeinsam überlegten wir und planten, wie unser Leben jetzt aussehen könnte, wer uns Haus und Hof versorgen helfen könnte.
* Neue Möglichkeiten erschließen sich.
* Traurigkeit vergeht.
* Das Dunkel weicht - es wird hell.
Die Beispiele, liebe Schwestern und Brüder, zeigen schon, wie nah Freude und Leid, das Helle und das Dunkle in unserem Leben beieinander liegen:
* Heute himmelhoch jauchzend, morgen zu Tode betrübt.
* Heute die Freude über die fertig renovierte Kirche in Kirtorf, morgen der Frust über die marode Kirchenheizung in Ober-Gleen.
Der Apostel Paulus erinnert die Schwestern und Brüder in Korinth an diese Lebensgewißheit mit einem sprechenden Bild:
„Wir haben aber diesen Schatz in tönernen Gefäßen!“
Die Schätze unseres Lebens, das, was unser Leben schön und reich macht, stecken in zerbrechlichen Tonkrügen.
Wir Menschen selbst sind wie Tonkrüge: Wir sind von Erde genommen und kehren wieder zu ihr zurück - das hören wir an jedem Grab. Jeder Krug geht irgendwann einmal zu Bruch - jedes Leben kommt einmal an sein Ende. Das Leben ist genauso zerbrechlich wie ein Krug.
Es bekommt Sprünge und Risse und wird manchmal nur notdürftig gekittet. Und genau wie ein oft benutzter Krug meist eine angeschlagene Stelle hat, tragen wir an manchen Stellen Wunden.
Auch der dufteste Typ, auch das tollste Mädchen hat irgendwo einen Haken. Der Dichter Joachim Ringelnatz beschreibt dies mit viel Humor:
„Wenn man das zierliche Näschen
von seiner liebsten Braut
durch ein Vergrößerungsgläschen
näher beschaut,
dann zeigen sich haarige Berge,
daß einem graut.“
Der Apostel Paulus, liebe Schwestern und Brüder, konnte dies Ineinander von Schönem und Haarigem nicht mit so feinem Humor betrachten wie Joachim Ringelnatz.
Das Haarige in seinem Leben waren gefährliche Reisen, Verfolgung durch die Polizei beunruhigter Stadtoberhäupter von Ortschaften, in denen er seine Mission betrieb und Gemeinden gründete. Und schließlich noch die überall gegenwärtigen Wandermissionare, die Mißtrauen säten gegen ihn.
Auf diesem Hintergrund steht, was Paulus schreibt: „Wir sind von allen Seiten bedrängt, aber wir ängstigen uns nicht. Uns ist bange, aber wir verzagen nicht. Wir leiden Verfolgung, aber wir werden nicht verlassen. Wir werden unterdrückt, aber wir kommen nicht um.“
Liebe Schwestern und Brüder, der Apostel Paulus ruft uns zur Wirklichkeit des Lebens zurück: Als Christin und als Christ zu leben bedeutet nicht, daß uns alles gelingt.
Wir kennen beides, das Schöne und das Schwere, das Dunkle und das Helle. Gott macht unser Leben oft hell. Aber das Dunkle ist auch noch da.
Doch das hat etwas Gutes: Denn so bleiben wir mit beiden Beinen auf dem Boden stehen. So stellen wir uns der manchmal sehr harten Wirklichkeit. So setzen wir uns mit ihr auseinander.
Wir nehmen sie nüchtern in Augenschein. Und in dieser Nüchternheit müssen wir anerkennen: Auch Christen und Christinnen geht manches daneben in ihrem Leben. Und das Gerede der Leute darüber läßt uns nicht kalt.
Für den Apostel Paulus, liebe Schwestern und Brüder, ist dies alles nicht zufällig so. Für ihn hat dieses Ineinander von Licht und Dunkel, von Glück und Leid, von Freude und Traurigkeit, von Leben und Tod einen verborgenen Sinn.
Er sagt: Die Christen und Christinnen bilden damit ab, wie es Jesus selbst ergangen ist: Er war glücklich, hatte Freunde, erlebte Erfolge.
Aber er hatte auch viel durchzustehen: Seine Geschichten und seine Art zu leben haben einige hohe Herren in Jerusalem ziemlich beunruhigt - so sehr, daß sie ihn schließlich ans Kreuz brachten, vom Leben zum Tode beförderten. Der Evangelist Markus erzählt, wie Jesus vor seiner Gefangennahme im Garten Gethsemane vor Angst zitterte.
Auch uns, liebe Schwestern und Brüder, ist manchmal zum Weinen zumute. Und ein anderes Mal könnten wir vor Freude einen Luftsprung machen.
Und manchmal machen wir die Erfahrung, daß wir durch Leiden persönlich reifen. Dann bekommt unser Sprichwort „Scherben bringen Glück“ einen überraschenden Hintersinn: Wenn auch manches in unserem Leben wie ein stürzender Tonkrug zu Bruch geht, so kann daraus trotzdem Gutes entstehen:
* Wir versagen manchmal in der Schule, aber wir haben eine Lehrerin und Eltern, die uns ihre Zuneigung nicht entziehen und mit uns auf die Suche nach den Ursachen gehen.
* Wir sind unkonzentriert bei der Arbeit, aber unsere Kollegen greifen uns hilfreich unter die Arme.
* Wir trauern über den Tod eines Menschen, aber wir finden Trost im Gespräch und in der Begegnung mit anderen, die Gleiches erlebt und durchgestanden haben.
* Und: “Wir tragen allezeit das Sterben Jesu an unserem Leibe, damit auch das Leben Jesu an unserem Leibe offenbar werde.“
Amen.

Verfasser: Ellen Schneider-Oelkers und Hans-Günther Oelkers (1998)

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