Verklärung
von Paul-Ulrich Lenz (63679 Schotten-Einartshausen)
Predigtdatum
:
13.02.2000
Lesereihe
:
ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr
:
4. Sonntag vor der Passionszeit
Textstelle
:
Offenbarung 1,9-18
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Wochenspruch:
Über dir geht auf der HERR, und seine Herrlichkeit erscheint über dir. (Jesaja 60,2)
Psalm: 97
Lesungen
Altes Testament:
2. Mose 3,1-10 (11-14)
Epistel:
2. Korinther 4,6-10
Evangelium:
Matthäus 17,1-9
Liedvorschläge
Eingangslied:
EG 9
Nun jauchzet all ihr Frommen
Wochenlied:
EG 67
Herr Christ, der einig Gotts Sohn
Predigtlied:
EG 165
oder EG 379
Gott ist gegenwärtig
Gott wohnt in einem Lichte
Schlußlied:
EG 295
Wohl denen, die da wandeln
9 Ich, Johannes, euer Bruder und Mitgenosse an der Bedrängnis und am Reich und an der Geduld in Jesus, war auf der Insel, die Patmos heißt, um des Wortes Gottes willen und des Zeugnisses von Jesus.
10 Ich wurde vom Geist ergriffen am Tag des Herrn und hörte hinter mir eine große Stimme wie von einer Posaune, 11 die sprach: Was du siehst, das schreibe in ein Buch und sende es an die sieben Gemeinden: nach Ephesus und nach Smyrna und nach Pergamon und nach Thyatira und nach Sardes und nach Philadelphia und nach Laodizea.
12 Und ich wandte mich um, zu sehen nach der Stimme, die mit mir redete. Und als ich mich umwandte, sah ich sieben goldene Leuchter
13 und mitten unter den Leuchtern einen, der war einem Menschensohn gleich, angetan mit einem langen Gewand und gegürtet um die Brust mit einem goldenen Gürtel. 14 Sein Haupt aber und sein Haar war weiß wie weiße Wolle, wie der Schnee, und seine Augen wie eine Feuerflamme 15 und seine Füße wie Golderz, das im Ofen glüht, und seine Stimme wie großes Wasserrauschen; 16 und er hatte sieben Sterne in seiner rechten Hand, und aus seinem Munde ging ein scharfes, zweischneidiges Schwert, und sein Angesicht leuchtete, wie die Sonne scheint in ihrer Macht. 17 Und als ich ihn sah, fiel ich zu seinen Füßen wie tot; und er legte seine rechte Hand auf mich und sprach zu mir: Fürchte dich nicht! Ich bin der Erste und der Letzte 18 und der Lebendige. Ich war tot, und siehe, ich bin lebendig von Ewigkeit zu Ewigkeit und habe die Schlüssel des Todes und der Hölle.
Liebe Gemeinde!
Es gibt Bücher in der Bibel, die lesen wir gerne und sie sind uns vertraut. Es gibt aber auch Teile in der Bibel, die sind uns fern und befremden uns. Zu diesen fernen, fremden Bibelteilen, mit denen viele Schwierigkeiten haben, gehört sicherlich die Offenbarung des Johannes. Sie ist nicht nur ein schwieriges Buch, sie ist auch weithin ein fremdes Buch. Ihre Sprache ist uns rätselhaft, ihre Zahlensymbolik ist uns unverständlich, und manche ihrer Bilder lassen uns sehr erschrecken.
Und auch das macht sie uns fremd: Es gibt Gruppen und Sondergruppen im christlichen Umfeld, die sich mit der Offenbarung beschäftigen, die sind dem normalen Lebensgefühl unserer Zeit irgendwie doch weit entrückt. Und das sie die Offenbarung zu “ihrem Buch” machen, macht sie uns nur noch geheimnisvoller und unheimlicher.
Und doch steht dieses Buch nicht in der Bibel, weil es irgendwann einmal “zufällig” dazu gekommen wäre, sondern weil es von dem redet und verkündigt, von dem die ganze Schrift redet, von Jesus, dem Christus Gottes. Und wenn wir es richtig lesen, so gibt gerade dieses geheimnisvolle Buch in unserer Zeit des neuen Jahrtausends eine Klarheit, die alle Geheimniskrämerei zur Seite fegt und uns als Gemeinde neu zu unserem Herren ruft und im Glauben gewiß macht.
Drei Fragen wollen wir bedenken:
1. Was erfahren wir über den Schreiber dieses Buches?
2. Was erfahren wir durch die Vision, die geschildert wird?
3. Was erfahren wir über den erhöhten Christus?
1. Was erfahren wir über den Schreiber dieses Buches?
Er ist ein Mann mit Namen Johannes auf der Insel Patmos.
Patmos war eine Gefangenen-Insel, eine Art Internierungslager. Dorthin wurden Leute gesteckt, die bei den Römern in Mißkredit standen. Johannes sagt: ich bin dort um des Zeugnisses für Jesus Christus willen. Damals, zwischen 80 und 90 nach Christus - war es nicht gerade normal, aber doch häufiger an der Tagesordnung: Christen wurden wegen ihres Glaubens bedrängt, abgedrängt, ausgesondert. So ist Johannes kein Sonderschicksal - das verrät auch seine Selbstvorstellung “euer Bruder in der Trübsal”.
Das ist uns fremd und darin eine Herausforderung: Christsein, Einstehen für Jesus mit der ganzen Existenz, auch wenn es Nachteile mit sich bringt. Leben wir nicht nach einem anderen Modell: Wir wollen uns so wenig wie möglich von unserer Umwelt unterscheiden! Wir möchten von unseren Zeitgenossen, auch denen, die mit dem Glauben nicht viel am Hut haben, anerkannt sein.
Daß Christsein in einen Gegensatz zur Gesellschaft und zum Staat bringen kann - das wissen wir aus der Geschichte des 3. Reiches, der DDR, der Kirchen in China, in Südafrika - aber wir scheuen vor dem Gedanken zurück: so könnte es auch bei uns sein. Dabei erfahren wir mehr und mehr - gesellschaftlich gelten andere Maßstäbe, als wir sie als Christen für uns haben - denken sie nur an die Debatte um den verkaufsoffenen Sonntag.
Die gleiche Notlage und Bedrängnis und Zeugensituation in einer unchristlichen Umwelt läßt die Gemeinde zusammenrücken. Die Christen wissen, daß sie ihr gemeinsamer Glaube verbindet und daß sie ihren Glauben auch nur gemeinsam bewähren können.
Wie leichtfertig setzen wir, im Gegensatz dazu, oft genug wegen Nichtigkeiten und aus Bequemlichkeit Zusammengehörigkeit aufs Spiel. “Der Pfarrer paßt uns nicht, der Chorleiter ist schwierig, die Frauenhilfsfrau ist zu konservativ” - und schon bleiben Menschen der Gemeinde und dem Gottesdienst fern. Johannes hat Sehnsucht nach der Gemeinde. Braucht es bei uns Druck, Gegenwind, bis wir spüren, daß wir nicht alleine durchkommen, auch wenn wir in guten Zeiten Gemeinschaft für etwas überflüssig halten mögen?
Wir wissen nicht genau, wer Johannes war, ob der Lieblingsjünger Jesu oder ein anderer mit gleichem Namen. Wichtig ist: Johannes empfängt das Wort des Herrn. Unser Text hebt es betont hervor: Was Johannes aufschreibt, sind nicht seine Gedanken, poetisch in Bilder gefaßt und seinen Wunschträumen entsprungen - diese Vision wird ihm von Christus geschenkt. Johannes ist Empfangender, Werkzeug, nur Mund Gottes - er verkündigt im Auftrag Gottes - und ohne seinen Auftrag hätte er nichts zu sagen und würde er nichts sagen. Jesus Christus erwählt sich ein Glied seiner Gemeinde, und alles, was Johannes “mitbringen” muß, ist Gehorsam, die Bereitschaft, sich Jesus zur Verfügung zu stellen. Überspitzt gesagt: Unser Gehorsam ist die Voraussetzung, daß Jesus mit uns etwas anfangen kann und nicht, ob wir hochbegabte Leute sind?
2. Was erfahren wir durch die Vision, die geschildert wird?
In Ephesus sind bei Ausgrabungen große Leuchter gefunden worden, die genau denen entsprechen, die hier beschrieben sind. Man stellte diese Leuchter im Halbkreis und in ihren Scheitelpunkt ein Bild, eine Statue des römischen Kaisers, und verehrte ihn dort.
Wenn Johannes in seiner Vision genau diese Szene auf Jesus Christus hin umgestaltet sieht, so bedeutet das damals eine Kampfansage gegen den totalen Anspruch der römischen Weltmacht: Der wahre Herr der Welt ist nicht in Rom, sondern er wird in der armseligen, verfolgten christlichen Gemeinde verehrt. Der wahre Herr der Welt ist der gekreuzigte, auferstandene und wiederkommende Christus. Dieser Satz stellt alle Machtverhältnisse bis heute in Frage. Es ist ein subversiver Satz gegen alle Mächtigen dieser Welt, die sich für die alleinigen Herren der Welt halten: “Der Herr im Himmel lacht ihrer” heißt es einmal in den Psalmen.
Wie sehen wir das heute? Glauben wir das, daß Jesus recht behält gegen alle Machtansprüche der Welt? Es singt sich leicht: “Jesus Christus herrscht als König, alles ist ihm untertänig” - sagen und singen wir das nur als fromme Bekenntnissätze, oder glauben wir das auch? Ist unser Leben von diesem Glauben geprägt?
In dem Bild dieser Vision wird deutlich: christlicher Glaube wird zu klein gesehen, wenn er auf Seelentrost und Stabilisierung der Persönlichkeit reduziert wird. Christlicher Glaube hat es auch mit den Machtverhältnissen der Welt zu tun und ein Ausdruck dieses “politischen” Glaubens ist das Gebet, das wir so oft nur als Innerlichkeit ansehen. Trauen wir unserem Beten zu, daß es die Wirklichkeit der Welt verändert, weil es den Herrn der Welt mobilisiert? Die Friedensgebete in der DDR waren doch nicht primär organisatorische und konspirative Treffpunkte wackerer Männer und Frauen. Sie waren zuerst Gebet - und die Mauer ist gefallen. Wieviele Reiche und Machtansprüche sind im vorigen Jahrhundert vergangen, zusammengestürzt wie ein Kartenhaus. Wir lernen, Politik anders zu sehen, zu denken und wohl auch für uns selbst zu entscheiden, wenn wir sagen: Jesus Christus ist der Herr der Welt!
3. Was erfahren wir über den erhöhten Christus?
Als Johannes sich vor dem erhöhten Christus sieht, wirft es ihn zu Boden. Nicht er wirft sich zu Boden - es wirft ihn zu Boden. Johannes kann die Majestät des erhöhten Christus nicht aushalten. Das ist biblisches Denken oder, besser gesagt, Erfahrung, die in der Bibel bezeugt wird: Wenn wir es mit Gott zu tun bekommen, dann werden wir erschüttert bis in die Tiefen unseres Seins. Wir erfahren: wir halten Gott nicht aus. Wir können vor Gott nicht bestehen und spüren unsere Vergänglichkeit. Das bezeugen viele Menschen bis in unsere Tage - Gotteserfahrungen haben etwas von diesem Schrecken.
Wir können vor Christus nicht bestehen, wenn er nicht sagt: “Fürchte dich nicht!” Dies aber ist die tröstliche Botschaft dieses Abschnittes. Der, dem alle Herrschaft im Himmel und auf Erden gegeben ist, der den Tod überwunden hat, der in überwältigender Herrlichkeit auftritt, der sagt: “Fürchte dich nicht!” Schlicht gesagt: Der Herr der Welt wendet sich uns freundlich zu.
Im Hintergrund dieser Bilder geht es um Gericht, um letzte Bewertung unseres Lebens, um Urteil über Lebensschuld. Der vor dem Johannes sich sieht, hat die Schlüssel der Hölle und des Todes. Das sind uns fremde Bilder - aber es sind biblische Bilder. Siegfried Lenz hat vor einiger zeit in einem Interview gesagt: wir alle sind ständig dabei, uns selbst zu rechtfertigen, freizusprechen von Schuld - und spüren doch: es geht nicht. Der die Schlüsselgewalt und damit die Macht hat, das Urteil zu sprechen - der sagt: Fürchte dich nicht! Die Macht und der Glanz des kommenden Christus sind damit für uns Christen nicht weg - sie sind da und wir erschrecken wie alle Welt, wenn uns diese Wirklichkeit an Christus aufleuchtet.
Aber wir gehen dieser Begegnung, die einmal jede und jeder von uns haben wird, entgegen in der Hoffnung, daß er, der heute zu uns sagt: ”Fürchte dich nicht!” es auch dann sagen wird, wenn er vor aller Welt in seiner Herrlichkeit erscheint.
Ich empfinde es als ein tröstliches Bild am Anfang dieser neuen Zeitepoche, die wir mit der Zahl 2000 zusammenbringen: Die Zukunft der Welt und die Zukunft unseres Lebens gehen nicht ins Nichts. Aus der Zukunft kommt uns Jesus entgegen und in unserer Zukunft gehen wir ihm entgegen, der zu uns sagt, was er damals zu Johannes auf Patmos sagt: Fürchte dich nicht! Amen.
Verfasser: Pfr. Paul-Ulrich Lenz, Leonhardstr. 20, 61169 Friedberg
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