Versucht es mit mir …
von Eberhard Grötzinger
Predigtdatum
:
30.06.2013
Lesereihe
:
ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr
:
4. Sonntag nach Trinitatis
Textstelle
:
Lukas 14,25-33
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Jahrgang 12/13
Reihe V – Nr. 47
5. Sonntag nach Trinitatis (30.06.2013)
Predigtvorschlag
Lukas 14, 25 - 33
Leitbild:
Versucht es mit mir …
Wochenspruch:
"Aus Gnade seid ihr selig geworden durch Glauben und das nicht aus euch: Gottes Gabe ist es." (Epheser 2, 8)
Psalm: 73, 14.23 – 26.28 (EG 733)
Lesungen
Altes Testament: 1. Mose 12, 1 - 4 a
Epistel: 1. Korinther 1, 18 - 25
Evangelium: Lukas 5, 1 - 11
Liedvorschläge
Eingangslied: EG 243, 1 - 4 Lob Gott getrost mit Singen
Wochenlied: EG 241, 1 -4. 7. 8 Wach auf du Geist der ersten Zeugen
Predigtlied: EG 378 oder EG 390, 1 - 3 Es mag sein, dass alles fällt oder Erneuere mich o ewigs Licht
Schlusslied: EG 258 Zieht in Frieden eure Pfade
Hinführung:
Auf dem Weg zur Predigt
Wer den Text in der Übersetzung von Martin Luther unbefangen liest oder hört, erschrickt. Dass es zu den Voraussetzungen wahren Jünger-Seins gehören soll, seine Familie und sich selbst zu „hassen“, passt nicht zu unserem Bild von Jesus. Und wenn Jesus zur Bedingung macht, ein Jünger müsse sich von allem, was er hat, „los sagen“, dann wird vom einfachen Kirchenmitglied angefangen bis hinauf zum höchsten Bischofsamt schwerlich jemand zu finden sein, der diese Bedingung erfüllt. Andere Übersetzungen ermäßigen deshalb die radikale Forderung: An Stelle von „wer nicht … hasst“ bietet die Einheitsübersetzung „wer nicht … gering achtet“. Aber damit wird die Sache ja nicht besser. Warum sollen wir denn unsere Familie und uns selbst gering achten? Wir sollen unsere Lieben doch, so gut wir es können, „lieben und ehren“! Die „Gute-Nachricht-Übersetzung“ ist zu Recht der Meinung, die radikale Trennung von Familie und Besitz sei nicht prinzipiell gefordert, sondern nur unter bestimmten Umständen, denn sie bietet: „Wer sich mir anschließen will, muss bereit sein, mit Vater und Mutter zu brechen etc.“ Ebenso übersetzt die „Bibel in gerechter Sprache“: „Wer von euch zu mir kommt und nicht Vater und Mutter, Frau und Kinder, Brüder und Schwestern hintansetzt…“
Vorausgesetzt ist damit ein Konfliktfall, bei dem zu entscheiden ist, was Priorität hat: die Loyalität zur eigenen Familie oder die Loyalität zu Jesus. Die Predigt sollte meines Erachtens dazu anleiten, solche Konfliktfälle aufzuspüren und an ihnen die Notwendigkeit der Entscheidung aufzeigen, die ja im Normalfall des Alltags – Gott sei Dank! – nicht gegeben ist.
Die Luther-Übersetzung „hassen“ ist sehr unverständlich. Deshalb würde ich den Predigttext erst verlesen, nachdem ich an Beispielen Situationen aufgezeigt habe, in denen er, was gewöhnlich als Zumutung erscheint, verständlich werden kann, und dann die Übersetzung korrigieren in: „Wenn jemand zu mir kommt und nicht bereit ist, seinen Vater … hintan zu setzen“ (V. 26) und „Niemand von euch kann mein Jünger sein, der nicht bereit ist, alles aufzugeben, was er hat“ (V.33).
Es können sicherlich genug andere Beispiele als die von mir gewählten gefunden werden. Aber wir müssen aufpassen, dass wir in der Predigt der Radikalität des Verzichts nicht mehr Gewicht geben als der Größe des Gewinns. Immerhin lautet ja das Motiv des 5. Sonntag nach Trinitatis: „Der rettende Ruf“.
Hinweis:
Ein Teil des Fürbittgebetes könnte sein:
„Wir bewundern den Mut von Männern und Frauen, die viel riskiert und große Opfer gebracht haben, um dem Ruf Jesu zu folgen. So bitten wir dich um diesen Mut auch für uns selbst. Schenke uns die nötige Sensibilität und Geistesgegenwart, damit wir erkennen, wo du uns brauchst, um heute Not zu lindern und dem Unrecht zu wehren.“
(Textlesung später)
Liebe Gemeinde,
Albert Schweitzer war ein Multitalent. Er hatte als wissenschaftlicher Theologe eine glänzende Karriere an der Universität vor sich, hatte ein bedeutendes Werk über Johann Sebastian Bach geschrieben und wurde, wo immer er Konzerte gab, als ein genialer Organist gefeiert. All dies gab er auf, um als Arzt in den afrikanischen Urwald zu gehen. Warum? Er folgte einer inneren Stimme: dem Ruf Jesu in die Nachfolge.
Claus Schenk Graf von Stauffenberg hatte eine Frau, die er liebte, und vier kleine Kinder, die ihren Vater wohl noch länger gebraucht hätten. Seine Frau soll ihn inständig gebeten haben, von dem Plan eines Attentats auf Adolf Hitler Abstand zu nehmen. Doch er entschied sich gegen seine Frau und gegen seine Kinder und setzte das Glück seiner Familie und sein eigenes Glück aufs Spiel. Warum nur, warum? Um das Unrechtsregime der Nationalsozialisten zu stürzen und den schrecklichen Krieg zu beenden. Wäre es ihm gelungen, hätte er Millionen von Menschen, die in den letzten Monaten des Krieges starben, das Leben gerettet.
Der Vater von Franziskus war ein reicher Tuchhändler in Assisi. Der Sohn hätte das elterliche Geschäft übernehmen sollen. In den wilden Jahren seiner Jugend lebte er in Saus und Braus vom Vermögen des Vaters. Doch als er begann, das elterliche Vermögen zu verschenken, kam es zum Streit mit dem Vater. Franziskus verzichtete daraufhin feierlich auf sein gesamtes Erbe und wählte das Leben eines armen Bettlers. Warum? Weil er den Ruf Christi in die Nachfolge gehört hatte. Die Kirche hat ein Leben in Armut von ihm nicht verlangt. Sie war ja selbst der Faszination von Macht und Geld erlegen. Doch mit diesem radikalen Verzicht auf privaten Reichtum wurde er zu einem großen Erneuerer der Kirche.
Drei Beispiele, die zeigen: Ein Jünger Jesu zu sein kann gefährlich sein, lebensgefährlich sogar. Denn ein Jünger Jesu zu sein bedeutet viel mehr, als einer christlichen Kirche anzugehören, Kirchensteuer zu zahlen und sich in einer Gemeinde zu engagieren. Es bedeutet, dem Ruf Jesu selbst dann noch zu folgen, wenn die Konsequenzen auf den ersten Blick völlig unzumutbar zu sein scheinen. Aber die Beispiele zeigen auch: Es ist immer ein Extremfall, der ein solches extremes Verhalten fordert: die Karriere aufzugeben, sich gegen die eigene Familie zu entscheiden und allen Besitz aufzugeben. Der Normalfall ist das nicht. Jesus redet vom Extremfall, wenn er sagt:
Lesung des Predigttexts, Lukas 14,25-33.
(dazu bitte die Hinweise in der „Hinführung zum Text“ beachten!)
Wenn Sie den Text in der Lutherbibel nachlesen, werden Sie die Formulierung finden: „Wenn jemand zu mir kommt und hasst nicht seinen Vater, Mutter, Frau, Kinder, Brüder, Schwestern und dazu sich selbst, der kann nicht mein Jünger sein.“ Das zugrunde liegende griechische Wort kann zwar auch mit „hassen“ übersetzt werden. Aber Jesus war kein Hassprediger und stachelte sicherlich niemandem dazu auf, seine Familie und sich selbst zu hassen. Albert Schweitzer hasste nicht eine Karriere als Universitätslehrer. Aber er gab sie auf. Graf von Stauffenberg hasste nicht seine Frau und seine Kinder, aber er entschied sich schweren Herzens gegen sie. Franz von Assisi hasste weder seinen Vater noch dessen Besitz, aber er wandte sich von ihm ab. In jedem Fall geht es um die Bereitschaft, dem Gehorsam gegenüber Gott in einem extremen Notfall höher zu erachten als die Verpflichtungen, die im gewöhnlichen Alltag für uns alle gelten. Was ist der Extremfall? Wenn der Ruf Jesu an mich ergeht und ich nicht ausweichen kann, ohne gegenüber dem Anspruch Gottes auf mein Leben schuldig zu werden.
Es waren viele, die damals zu Jesus kamen. Wir wären heute froh, hätte unsere Kirche eine solche Anziehungskraft auf eine große Menschenmenge wie sie einst Jesus hatte. Aber auch er wusste: Der Glaube ist nicht jedermanns Ding. Und die Anforderungen, wenn es gilt, ihm nachzufolgen, schon gar nicht. Um dies zu verdeutlichen, wählt Jesus Beispiele von großen, außerordentlichen Unternehmungen, die den Rahmen des gewöhnlichen Alltags sprengen.
Einen Turm baut man nicht alle Tage. Wer sich daran wagt, muss schon genau prüfen, ob er es hat, hinauszuführen. Doch wenn das große Werk gelingt, dann ist es der ganze Stolz der Erbauer. Die Ulmer sind stolz auf ihren Kirchturm, von dem es heißt, er sei der größte auf der ganzen Welt.
Die Regierung eines kleinen Landes muss sich schon gut überlegen, ob sie sich gegen die Übermacht eines großen Landes, von dem es bedroht wird, militärisch wehren soll oder nicht. Das Unternehmen ist riskant. Die Lage kann nachher schlimmer sein als zuvor. Wenn es aber gelingt, dann ist es ein großer Sieg. Dann atmen die Menschen auf und genießen die neu gewonnene Freiheit.
Auf den ersten Blick könnte man meinen, Jesus wollte damals die Menschen abschrecken, indem er die Latte so hoch legte. Aber der Ruf in die Nachfolge ist keine Sache für religiös besonders begabte Menschen. Er kann jeden von uns treffen. Ich denke, Jesus wollte den Menschen damals klarmachen, dass es dabei immer um eine große Sache handelt, die den ganzen Einsatz erfordert. Man kann, was die Stimme des Gewissens gebietet, nicht einfach mit links erledigen.
Da ist eine schwangere Frau. Der Arzt sagt ihr nach einer entsprechenden Untersuchung, das Kind werde aller Wahrscheinlichkeit nach behindert sein. Was soll sie tun? Viele raten ihr zu einem Abbruch der Schwangerschaft. Niemand, der nicht davon betroffen ist, hätte das Recht, sie zu verurteilen, wenn sie dem Rat folgte. Aber es kann sein, eine innere Stimme sagt ihr, sie solle das Kind annehmen. Sie folgt dem Ruf, entscheidet sich gegen den Rat der anderen und nimmt das Risiko einer großen Belastung, vieler Mühen und vieler Einschränkungen auf sich – und sagt am Ende: „Ich bin froh, dass ich mich so entschieden habe. Wir hatten an unserem Kind trotz seiner Behinderung so viel Freude. Das hat unser Leben noch mehr bereichert als belastet und eingeengt.“
Da arbeitet der Mann für eine deutsche Firma im Ausland. Man gibt ihm zu verstehen, dass man nur an größere Aufträge kommen kann, wenn man bestimmten Personen in wichtigen Positionen der dortigen Behörden kleinere oder größere Geschenke zukommen lässt. Ihm widerstrebt das. Es ist nicht erlaubt. Aber es ist gang und gäbe. Er steht unter Druck. Sein Unternehmen hat gewisse Erwartungen an die Verkaufszahlen. Was soll er tun? Mag sein, er riskiert seinen Job, wenn er seiner inneren Stimme folgt und keine Geschenke verteilt. Aber er geht das Risiko bewusst ein, weil er weiß, dass Korruption ein Grundübel in diesen Ländern ist. Daran will er sich unter keinen Umständen beteiligen, selbst wenn er sich eine andere Arbeit suchen muss.
Viele Aussagen der Bibel gelten in gleichem Maße für alle Menschen. Wenn jemand jedoch den Ruf Jesu an ihn vernimmt, ob er bereit ist zum Opfer und zum Verzicht, dann gilt das ganz individuell nur ihm in einer ganz bestimmten Situation. Deshalb sagt Jesus hier: „Wer nicht sein Kreuz trägt und mir nachfolgt, der kann nicht mein Jünger sein.“ Da ist jeder von uns in anderer Weise gefordert. Und niemand kann für den anderen die Antwort geben. Wir sind sicherlich auch nicht an jedem Tag vor solch radikale Entscheidungen gestellt. Aber so überraschend das Leben sein kann, so unvermutet kann es uns in eine Entscheidungssituation stellen, in der sich unser Glaube bewähren muss. Dann ist eben nicht egal, was wir glauben und wem wir vertrauen.
Jesus hat selbst getan, was er seinen Jüngern zumutet. Jesus erkannte, dass er den Willen Gottes nur so erfüllen könne, dass er bereit wäre, den Weg zu gehen, der ihn ins Leiden und zum Tod Kreuz führen würde. Aber am Ende des Weges stand nicht der Tod, sondern die Auferstehung, nicht der Triumpf des Bösen, sondern seine Überwindung, die Vergebung der Sünden.
Wenn wir bereit sind, ihm auf diesem Wege nachzufolgen, dann dürfen wir auch wissen, dass er vorangeht und am Ende auch in unserem Leben der Sache Gottes zum Sieg verhelfen wird. Diese Erfahrung machten jedenfalls die ersten Christen, von denen viele als Märtyrer starben. Deshalb konnte der Seher Johannes der Gemeinde zu Smyrna das Wort weitergeben, das zu ihm der auferstandene Christus geredet hatte: „Sei getreu bis an den Tod, so will ich dir die Krone des Lebens geben.“ (1)
Was Jesus verlangt, wenn er uns in seine Nachfolge ruft, klingt zunächst unsinnig. Es kommt uns vor wie eine völlig unrealistische Zumutung. Aber es kann sein, dass in extremer Lage an einem sehr mutigen Schritt, den alle für unsinnig halten, plötzlich für viele sichtbar wird, wie durch die unbedingte Ausrichtung auf den Willen Gottes unser Leben an Tiefe gewinnt und einen neuen Sinn und Glanz bekommt. Jesus ruft zum Leben.
Gebet zum Eingang:
Gott, zu dir kommen wir,
mitten aus der Welt, verstrickt in Notwendigkeiten,
eingebunden in Abläufe, die uns keinen Spielraum lassen.
Bei dir suchen wir Freiheit, Sinn und das wahre Leben.
Lass uns jetzt zur Ruhe kommen.
Löse uns aus unserer Zerrissenheit
und zeig uns den Weg ins Licht,
wo wir Kraft finden zum Tun und zum Lassen.
Amen
Fürbittengebet:
L: Lasst uns beten und Gott bitten
um das Notwendige und das Schöne,
um das Selbstverständliche und das Besondre,
um das, was wir brauchen
und das, was wir von Herzen wünschen.
A: Um das Brot auf dem Tisch jeden Tag,
einen Becher Wein und eine liebende Hand,
um einen sicheren Weg, ein schützendes Dach,
einen fruchtbaren Tag und eine friedliche Nacht
bitten wir dich:
Kyrie (EG 178.12)
B: Um das Licht unserer Augen
und die Luft, die wir atmen,
um die Zukunft unserer Kinder
und friedliche Tage für unsere Alten
bitten wir dich: …
Kyrie
C: Um die Treue unserer Freunde
und die Großmut unserer Feinde,
um die Liebe derer, die wir lieben
und um Achtsamkeit für die, die uns brauchen
bitten wir dich: …
Kyrie
D: Um Freude an unserem Tun
und Gelassenheit bei vergeblicher Mühe,
um Zeiten zum Reden und Zeiten der Stille,
um Tage des Wartens und Augenblick des Glücks
bitten wir dich: …
Kyrie
E: Um einen neuen Anfang, wenn wir gescheitet sind
und Vertrauen, wenn wir enttäuscht sind,
um Genesung für unsere Kranken
und Frieden für die Sterbenden
bitten wir dich: …
Kyrie
F: Um Zuflucht für die Verfolgten
und um Würde für die Misshandelten,
um Gerechtigkeit für die Betrogenen
und um Freiheit für alle Gebundenen
bitten wir dich: …
Kyrie
G: Wir bewundern den Mut von Männern und Frauen,
die viel riskiert und große Opfer gebracht haben,
um dem Ruf Jesu zu folgen.
So bitten wir dich um diesen Mut auch für uns selbst.
Schenke uns die nötige Sensibilität und Geistesgegenwart, damit wir erkennen, wo du uns brauchst, um heute Not zu lindern und dem Unrecht zu wehren.
Wir bitten dich:
Kyrie
L: Noch ehe wir bitten, weißt du, Gott,
was wir brauchen, was wir hoffen.
Mach uns bereit für alles, was von Dir kommt
Durch Jesus Christus, unseren Herrn. Amen.
(nach Huub Oosterhuis)
Verfasser: Pfarrer Dr. Eberhard Grötzinger
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