Versucht es mit mir ...
von Eberhard Grötzinger
Predigtdatum
:
16.07.2017
Lesereihe
:
ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr
:
4. Sonntag nach Trinitatis
Textstelle
:
Johannes 1,35-42
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Predigttext Johannes 1, 35 – 42
Die ersten Jünger
35 Am nächsten Tag stand Johannes abermals da und zwei seiner Jünger;
36 und als er Jesus vorübergehen sah, sprach er: Siehe, das ist Gottes Lamm!
37 Und die zwei Jünger hörten ihn reden und folgten Jesus nach.
38 Jesus aber wandte sich um und sah sie nachfolgen und sprach zu ihnen: Was sucht ihr? Sie aber sprachen zu ihm: Rabbi – das heißt übersetzt: Meister –, wo wirst du bleiben?
39 Er sprach zu ihnen: Kommt und seht! Sie kamen und sahen's und blieben diesen Tag bei ihm. Es war aber um die zehnte Stunde.
40 Einer von den zweien, die Johannes gehört hatten und Jesus nachgefolgt waren, war Andreas, der Bruder des Si-mon Petrus.
41 Der findet zuerst seinen Bruder Simon und spricht zu ihm: Wir haben den Messias gefunden, das heißt übersetzt: der Gesalbte.
42 Und er führte ihn zu Jesus. Als Jesus ihn sah, sprach er: Du bist Simon, der Sohn des Johannes; du sollst Kephas heißen, das heißt übersetzt: Fels.
Hinführung
Um Nachfolge soll es am 5. Sonntag nach Trinitatis gehen. Der Begriff meint nicht nur den Glauben als eine innere Ein-stellung, sondern umfasst auch die Konsequenzen, die sich daraus für die Lebensführung ergeben. Sie können für ande-re schwer verständlich, für einen selbst jedoch zwingend geboten sein. Für den, der sich zur Nachfolge Jesu ent-schließt, wird in jedem Fall entscheidend sein, ob für ihn dadurch eine größere Klarheit über den eigenen Weg und eine Weitung des Horizonts möglich erscheint.
Die Berufung der Jünger folgt im Johannesevangelium un-mittelbar auf den Prolog und das Zeugnis des Täufers. Das Interesse des Evangelisten gilt weniger den Jüngern als der Ausstrahlung Jesu auf sie. Eine besondere Schwierigkeit besteht für den Prediger und wohl auch für die Zuhörer, dass das Geschehen so vordergründig und so knapp erzählt wird. Dabei geht es im Johannesevangelium doch immer um geistige Zusammenhänge, für die sichtbare Dinge nur Zei-chen sind. Daher bietet es sich an, im Mittelteil der Predigt den einzelnen Versen entlangzugehen und ihre Tiefendimen-sion zu erhellen.
Was die besondere Anziehungskraft Jesu damals ausmachte und auch heute noch ausmacht, lässt sich bei diesem Text am ehesten aus dem Zeugnis Johannes des Täufers erhe-ben: „Siehe, das ist Gottes Lamm“. Jesus verzichtet darauf, für Gottes Sache Opfer zu machen, und geht stattdessen im Konfliktfall den Weg, der ihn selbst zum Opfer werden lässt. So legt er Zeugnis ab für Gott, der sich durch Liebe und nicht durch Gewalt Geltung verschafft.
Gliederung
I. Einleitung: Auf der Suche nach dem Sinn des Lebens
II. Eine Bemerkung Johannes des Täufers gibt den äuße-ren Anstoß
III. Die Begegnung mit Jesus
IV. Schluss: Die Ausstrahlung Jesu als der, der Gottes Wesen offenbart
Ziel
Die Predigt möchte Mut machen, bei der Suche nach dem für einen selbst richtigen Weg im Leben auf Jesus zu schau-en.
Predigt
I. Einleitung: Auf der Suche nach dem Sinn des Lebens
Schwer, wenn nicht sogar unmöglich ist es, in das Innere eines Menschen zu schauen. Da bricht ein junger Mann sein Studium ab. Es ist ihm klar geworden, dass dieses Fach nichts für ihn ist. Aber es ist ihm nicht klar, was er stattdes-sen machen soll. Seine Eltern akzeptieren notgedrungen sei-ne Entscheidung, aber sie verstehen sein Problem nicht. Es lief doch alles so gut. Warum gibt er denn nach einem er-folgreichen Start auf?
Eine Frau arbeitet eine Zeitlang in einem arabischen Land. Sie lernt dort einen einheimischen Mann kennen. Er ist ein gläubiger Moslem. Sie interessiert sich für seine Religion und ist zu ihrer eigenen Überraschung von ihm ganz fasziniert, obwohl – oder weil – vieles daran für sie so fremd ist. Als sie heiraten, beschließt sie, zum Islam überzutreten. Er hatte das gar nicht von ihr verlangt. Sie tut es, weil sie das Gefühl hat, das sei in ihrer Situation jetzt richtig und gut. Ihre Fami-lie steht Kopf. Wie kann sie nur! Wie kann sie denn alles über Bord werfen, was ihr bisher lieb und teuer war!
Ein junger Mann fasst den Entschluss, in die Mission zu ge-hen. Lange schon hatte er sich mit der Frage beschäftigt, was für ihn der richtige Platz im Leben sein soll. Der Bericht eines Freundes aus dem früheren Jugendkreis gibt den Aus-schlag. Er ist sich ganz sicher: Aufbauarbeit in einer kleinen Gemeinde, zusammen mit Christen, die zwar arm sind, aber einen starken Glauben haben, das ist es, wonach er schon lange gesucht hatte. Beim Klassentreffen mit alten Schulka-meraden erntet er nur Unverständnis. Wie kann man nur! In der heutigen Zeit! Ja, wenn er sich bei Greenpeace engagie-ren würde, das wäre etwas anderes. Aber in einer christli-chen Mission!
Schwer, wenn nicht sogar unmöglich ist es, in das Innere eines Menschen zu schauen. Was für andere nicht nachvoll-ziehbar ist, kann für einen selber ein verheißungsvoller Weg, eine neue Chance oder auch: eine absolute Verpflichtung sein. Der Evangelist Johannes geht sehr sensibel mit der Tat-sache um, dass Jesus eine so große Ausstrahlung auf seine Zeitgenos-sen hatte, dass manche von ihnen alles stehen und liegen ließen, um ständig in seiner Nähe sein zu können. Was in ihrem Inneren dabei vorging, bleibt ihr Geheimnis. Aber es muss für sie dadurch eine Antwort möglich gewesen sein auf Fragen, die sie zuvor intensiv beschäftigt haben. Daher beschreibt er wie in einem Zeitraffer als einen äuße-ren Vorgang, was vermutlich ein längerer innerer Prozess war, und gibt nur knappe Hinweise auf wesentliche Auslöser dieser Entwicklung.
II. Eine Bemerkung Johannes des Täufers gibt den äußeren Anstoß
Da steht Johannes der Täufer mit zweien seiner Jünger und sieht Jesus vorübergehen. Die anderen Evangelien berichten, Johannes sei sich lange Zeit im Unklaren gewesen, was er von Jesus halten solle: „Bist du, der da kommen soll, oder sollen wir auf einen anderen warten?“ So lässt er noch vom Gefängnis aus Jesus fragen. Johannes hat Jesus lange beo-bachtet. Er hat sich seine Gedanken über ihn gemacht. Und nach dem Bericht des vierten Evangelisten war er schließlich zu der Überzeugung gekommen, die er seinen eigenen Jün-gern weitergab: „Siehe, das ist Gottes Lamm!“
Haben die beiden verstanden, was damit gemeint war? Zu-mindest war ihnen – im Unterschied zu uns Heutigen – die Symbolik bewusst: Das Lamm ist das Opferlamm. Und die Darbringung eines Opfers steht stellvertretend für die eigene innere Hinwendung zu Gott. Der Wanderprediger Jesus von Nazareth als das Gott wohlgefällige Opferlamm, was könnte das heißen?
An dieser frühen Stelle des Evangeliums bezieht sich die Be-merkung Johannes des Täufers wohl allgemein auf Jesu Per-son und nicht nur auf das Ende seines Lebens am Kreuz. Sein ganzes Leben, wie er es in radikaler Weise gelebt hat, war ja ein Leben im Dienst an anderen Menschen und war getragen von einem unbedingten Vertrauen auf Gott. Die beiden, die bereits bei Johannes dem Täufer in die Schule gingen, waren offenbar von dieser Vorstellung fasziniert. Und so wechselten sie ihren religiösen Lehrer. Als sie ihren Meister davon reden hörten, verließen sie ihn und folgten Jesus nach.
Junge Menschen neigen zu radikalen Entscheidungen. Sie sind bereit, für eine große Sache große Opfer zu bringen. Dabei ist die große Sache, für die sie sich einsetzen, nicht immer eine Sache, die Gott gefällt. Junge Menschen, die auf der Suche nach einem Sinn im Leben sind, radikalisieren sich und werden in unseren Tagen zu Kämpfern in einem soge-nannten „Heiligen Krieg“. Sie begehen die schlimmsten Grau-samkeiten in dem fatalen Irrglauben, damit das Gute auf der Welt zu fördern und das Böse zu bekämpfen.
Jesus lehrte einen anderen Weg. Für ihn kam nicht in Frage, mit Gewalt der Herrschaft Gottes zum Sieg verhelfen zu wol-len. Er war überzeugt: Das Böse in der Welt kann nicht durch böse Mittel bekämpft werden. Es lässt sich nur über-winden durch das Gute. Daher schloss er in die von Gott ge-botene Nächstenliebe die Liebe zum Feind mit ein. Er machte keine Opfer. Er wählte im Falle des Konflikts den Weg, selbst zum Opfer zu werden. Waren sich die beiden Jünger be-wusst, was es bedeutete, Jesus nachzufolgen?
III. Die Begegnung mit Jesus
Sie taten es jedenfalls nicht, weil sie die Tragweite ihres Ent-schlusses schon begriffen hätten. Sie taten es, weil sie be-greifen wollten. Mit dem Entschluss, in die Nachfolge Jesu zu treten, beginnt auch heute für alle, die dazu bereit sind, eine Lerngeschichte.
Der Evangelist Johannes beschreibt die ersten Schritte der beiden Jünger auf dem Weg zur Nachfolge Jesu als eine äu-ßere Bewegung: Die beiden gehen hinter Jesus her. Aber in seinem Evangelium steht Äußeres meist zeichenhaft für ei-nen inneren Vorgang. Gemeint ist, dass sie ihm in übertra-genem Sinn nachfolgen. Sie wollen sich Jesus zum Vorbild nehmen. Sie sind bereit, von ihm zu lernen, um seine Le-bensweise selbst zu übernehmen.
Als erstes werden die beiden konfrontiert mit einer Frage. Jesus wandte sich um und sah sie nachfolgen und sprach zu ihnen: „Was sucht ihr?“ Und sie antworten: „Meister, wo wirst du bleiben? Wo ist deine Herberge?“
Vordergründig ist dies eine alltägliche Frage: „Warum geht ihr denn hinter mir her?“ Aber in einem tieferen Sinn ist es die prüfende Frage das Meisters an seine Schüler: „Was sucht ihr?“ Sucht ihr nach Sinn? Sucht ihr nach einem Ziel? Sucht ihr nach einer Aufgabe? Sucht ihr nach Glück? Diese Frage ist im Johannesevangelium die erste Äußerung aus dem Munde Jesu. Es ist seine Anleitung zur Selbstreflexion für alle, die ihm nachfolgen wollen: ‚Was wollt ihr bei mir? Was sucht ihr bei mir?‘
Antwort: „Wir wollen sehen, wo du wohnst!“ Auch die Ant-wort der beiden klingt zunächst banal. Warum fragen sie nach seiner Adresse? In Wahrheit geht die Frage tiefer: ‚Wo bist du zu Hause? Was ist deine innere Heimat? Was gibt dir Kraft und Geborgenheit?‘ Jesus wird an späterer Stelle im Evangelium zu seinen Jüngern sagen: „In meines Vaters Hause sind viele Wohnungen“. Er ist bei seinem Vater zu Hause. Er ist dort verankert. Das muss man selbst spüren. Das muss man selbst erleben. Es genügt nicht, nur darüber zu reden. Deshalb fordert Jesus sie auf: „Kommt und seht!“. Und sie kamen und sahen’s.
Was sahen sie? Was haben sie an diesem einen Tag in der Gegenwart Jesu konkret erlebt? Der Evangelist berichtet uns darüber nichts. Vielleicht wusste er es selbst nicht. Er wusste nur, was die Begegnung ausgelöst hat. Sie waren überzeugt, in Jesus den Messias gefunden zu haben, den seit Jahrhun-derten verheißenen, von Gott gesandten Retter ihres Volkes. Die Freude über diese Entdeckung muss für sie so groß ge-wesen sein, dass sie anderen davon erzählen muss-ten. So berichtet Andreas seinem Bruder Simon davon und führt ihn zu Jesus.
Es kommt zu einer verblüffenden Begegnung. Jesus sagt ihm auf den Kopf zu: „Du bist Simon. Doch du wirst einmal Kephas heißen. Man wird dich ‚den Felsen‘ nennen.“ Wir fra-gen uns unwillkürlich: Wie kam Jesus dazu? Kannte er denn Simon im Voraus? Jedenfalls benennt der neue Name, was aus Simon einmal werden soll. Er wird im Jüngerkreis und nach Jesu Tod in der ersten Christenheit eine besondere Aufgabe zugewiesen bekommen. Dabei hatte er nach allem, was die Evangelien sonst von ihm berichten, eher einen ängstlichen und recht wankelmütigen Charakter. Aus der Perspektive des Simon gesehen, spiegelt sich in Jesu prophe-tischem Wort die Erfahrung, dass in der Nachfolge Jesu der Auftrag in aller Regel viel größer erscheint, als der Beauf-tragte sich selbst zutraut. Was zu tun Not tut, ist nicht ohne Weiteres identisch mit dem ursprünglich angestrebten Ziel. Es kommt oft völlig überraschend, ohne dass es zuvor ge-sucht wurde.
IV. Schluss: Die Ausstrahlung Jesu als der, der Gottes Wesen offenbart
Die Entscheidung, sich an Jesu Lehre und Leben zu orientie-ren, ist auch heute eine Frage des Herzens. Wer vermag schon, in das Innere eines Menschen zu schauen? Andere sehen nur die Auswirkungen, können sie aber oft nicht ver-stehen. Die faszinierende Ausstrahlung von Jesu Person gab damals für viele den Ausschlag. Sie wird auch heute noch entscheidend sein, wenn der Sinn und die Richtung des Le-bens fraglich geworden sind. Wenn Jesus uns in seine Schule nimmt, eröffnet sich ein weiter Horizont. Dann sehen wir uns selbst und die Welt, in der wir leben, im Lichte Gottes, der sich nicht durch Gewalt, sondern durch Liebe Geltung ver-schafft. Das führt in aller Regel zu radikalen Konsequenzen. Doch damit führt uns Jesus zugleich hin zu Gott.
Amen.
Eingangsgebet
Herr Jesus Christus,
du kennst den Weg zu Gott.
Darum kommen wir zu dir.
Unsere Seele dürstet danach, Gott nahe zu sein.
Wir suchen Halt und Orientierung in allen Wirren dieser Zeit.
Wohin sollen wir gehen?
Wir wollen uns bergen unter deiner Hand.
Herr, zeige uns den Weg zu Gott.
Amen.
GSK
Fürbittengebet
Herr Jesus Christus,
wir bitten dich für all die Menschen, die auf der Suche nach dem rechten Weg im Leben sind.
Wir bitten dich für Menschen, die aus der Bahn geworfen wurden.
Wir bitten dich für Menschen, die glaubten, ihren Weg gefun-den zu haben, und dann doch enttäuscht wurden.
Wir bitten dich für alle, die in deine Nachfolge geführt wur-den und deine Liebe weitergeben.
Wir bitten dich für diejenigen, die auf ihrem Weg in deinen Fußstapfen Schweres mitmachen müssen.
Und wir bitten dich für die Menschen, die auf ihrem letzten Weg sind. Stärke ihr Vertrauen darauf, dass Gottes barm-herzige Hand sie empfangen wird.
Für uns alle bitten wir dich: Stärke uns auf dem Weg des Glaubens.
Amen.
GSK
Verfasser: Pfarrer Dr. Eberhard Grötzinger
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