Versucht es mit mir …
von Bernhard Zeller (Braunsbreda)
Predigtdatum
:
20.07.2014
Lesereihe
:
ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr
:
4. Sonntag nach Trinitatis
Textstelle
:
2. Thessalonicher 3,1-5
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Wochenspruch:
Aus Gnade seid ihr selig geworden durch Glauben und das nicht aus euch: Gottes Gabe ist es. Epheser 2, 8
Psalm: 73, 14.23 – 26.28 (EG 733)
Lesungen
Altes Testament: 1. Mose 12, 1 - 4 a
Epistel: 1. Korinther 1, 18 - 25
Evangelium: Lukas 5, 1 - 11
Liedvorschläge
Eingangslied: EG 443, 1 - 4 Aus meines Herzens Grunde
Wochenlied: EG 241, 1 - 4. 7. 8 Wach auf du Geist der ersten Zeugen
Predigtlied: EG 171, 1 - 4 Bewahre uns Gott, behüte uns Gott
Schlusslied: EG 157 Lass mich dein sein und bleiben
Kurze Hinführung:
Der 2. Thessalonicherbrief wird dem Apostel Paulus zuge-schrieben. Wahrscheinlicher aber ist, dass der Text von einem Paulusschüler verfasst wurde. Da die Verfasserschaft für die Aussage der Predigt nicht von Bedeutung erscheint, rede ich allgemein vom Apostel als dem Briefschreiber.
Die Predigt versucht, den Predigttext ausgehend von der Entstehungssituation des 2. Thess. in unsere veränderte Situation hinein neu zu sprechen.
Liebe Gemeinde,
ich fange mal mit einem kleinen Märchen an. Eine Geschich-te, die sich so oder ähnlich schon unzählige Male zugetragen hat und die es auch in Zukunft immer wieder geben wird. Und dieses Märchen geht so: Es war einmal eine kleine, lichte Idee. Die wurde geboren, als die Zeiten besonders dunkel und trostlos waren. Weil aber nun in diesen dunklen Zeiten viele Menschen die Sehnsucht nach Licht und Klarheit in sich trugen, fand die kleine lichte Idee bald begeisterte Anhänger und glühende Verehrer. Die Idee wurde weiterer-zählt von einem zum anderen und breitete sich aus wie ein Lauffeuer. Nun war es aber so, dass die kleine, lichte Idee die Eigenschaft hatte, Oberes zuunterst zu kehren, Kleines groß zu machen und scheinbar Wichtiges zur Nebensache zu erklären. Und das wiederum missfiel den anderen. Denen, die es sich bequem eingerichtet hatten in der Dunkelheit, die von Unordnung gar nichts hielten und jede Veränderung misstrauisch beäugten. Und so kam es, dass die anderen sich gegen die kleine lichte Idee verbündeten. Sie ergriffen jede Gelegenheit, um die kleine, lichte Idee schlecht zu ma-chen. Sie nannten sie lächerlich und gefährlich. Und sie be-gannen, den Anhängern und Verehrern nachzustellen, um sie zum Schweigen zu bringen und die gute alte Ordnung wieder herzustellen. Und so entspann sich ein großes Ringen und Kämpfen um die kleine, lichte Idee, und niemand wusste, welchen Ausgang es wohl nehmen würde...
Soweit erst einmal das Märchen von der kleinen, lichten Idee. Und Sie merken schon: In diesem Märchen zeigt sich ein Muster, dass sich wie ein roter Faden durch die Mensch-heitsgeschichte schlängelt. Unzählige lichte Ideen wurden geboren, meist in dunklen Zeiten. Sie gewannen an Kraft, fanden Anhänger und Verehrer, wuchsen zur mächtigen Bewegung. Aber sie riefen auch Widersacher auf den Plan, wurden bekämpft und verfolgt. Denn Ideen, die das Oberste zuunterst kehren und scheinbar Wichtiges zur Nebensache erklären, sind nun mal ausgesprochen unbequem und beun-ruhigend. Und das kann die Menschen genauso mobilisieren, wie der Gedanke, einer kleinen lichten Idee zu folgen. Und von daher war der Ausgang dieses Ringens tatsächlich in vielen Fällen ganz und gar ungewiss.
Mitten hineingeraten in das Ringen der Erneuerer gegen die Verhinderer - so mögen sich vielleicht auch die Christen gefühlt haben, für die der 2. Thessalonicherbrief bestimmt war. Für sie war mit dem Namen Jesus Christus eine Licht-botschaft allererster Güte verbunden. Von Jerusalem war diese Botschaft ausgegangen, hatte sich an der Mittelmeer-küste entlang gearbeitet, war nach Griechenland hinüberge-sprungen und hatte auch die Welthauptstadt Rom schon erreicht. Überall hatte Jesus Christus Anhänger und glühende Verehrer gefunden, waren die Gemeinden wie Pilze aus dem Boden geschossen. Aber die Lichtbotschaft hatte auch die Gegner auf den Plan gerufen: Leute, die die Ordnung in Gefahr sahen, die um ihre Macht fürchteten, die sich auf den Schlips getreten fühlten. Und die machten gerade kräftig mobil! Der 2. Thessalonicherbrief redet von Bedrängnis und Verfolgung und sieht das personifizierte Böse am Werk. Aus dieser Situation heraus ist die Bitte des Apostels nur zu gut verständlich: Weiter, liebe Brüder, betet für uns, dass das Wort des Herrn laufe und gepriesen werde wie bei Euch und dass wir erlöst werden von den falschen und bösen Menschen. Hier schreibt einer, der aus tiefstem Seelengrund davon überzeugt ist, auf der richtigen Seite zu stehen und einen gerechten Kampf zu kämpfen. Denn die Botschaft von Jesus Christus ist nicht einfach nur so eine kleine lichte Idee. Die Botschaft von Jesu Christus ist das abschließende Heilsfeuerwerk Gottes! Hier geht es nicht um ein bisschen Licht und ein bisschen Freude! Hier geht's um das Licht und die Freude, um endzeitliche Rettung und abschließendes Heil. Deshalb wäre es eine Katastrophe, wenn das Wort des Herrn ins Stolpern käme, wenn die Boten und Apostel aufgehalten würden und die Bewegung ins Stocken geriete. Und wenn es Menschen gibt, die sich vom Heilsfeuerwerk Gottes so gar nicht mitreißen lassen wollen, ja, die sogar gereizt und aggressiv darauf reagieren, dann ist das nicht hinnehmbar. "Erlöse uns von den bösen und falschen Menschen" - so soll die Gemeinde beten. Und wenn der Apostel hinzufügt: "der Glaube ist nicht jedermanns Ding", dann ist das bestimmt keine schulterzuckende Feststellung. Hier werden wir durchaus Vorwurf und Unverständnis heraushören dürfen.
Jawohl, der Glaube ist nicht jedermanns Ding! Von diesem Satz aus fällt der Brückenschlag in unsere Zeit ausgespro-chen leicht. Fast möchte man meinen, Mitmenschen und Zeitgenossen im Originalton zu hören: "Glaube? Nee, das ist echt nicht mein Ding! Kirche? Gottesdienst? Nee, wirklich nicht!" Nicht mein Ding - so klingt das heute noch ganz ge-nauso wie damals. Manchmal aggressiv und kämpferisch. Meistens aber doch eher unbeteiligt, ratlos und mitunter ein wenig spöttisch. Sind wir also noch in der gleichen Lage wie der Apostel und seine Gemeinde in Thessaloniki? Können wir uns das Gebet des Apostels also ungebrochen zu eigen machen?
Ich denke, es ist gut, wenn wir zunächst einmal durchaus selbstkritisch zur Kenntnis nehmen, wie viel sich seither verändert hat. Stecken wir wirklich noch drin im Märchen von der kleinen lichten Idee, die begeisterte Anhänger um sich schart und den Kampf gegen das Dunkle, Altherge-brachte aufnimmt? Spürt man bei uns die Energie, die das Oberste zuunterst kehrt, Kleines groß macht und Wichtiges zur Nebensache erklärt? Ist das noch der Kampf der Erneu-erer gegen die Verhinderer?
Zumindest in der allgemeinen Wahrnehmung hat sich die Sache geradezu umgekehrt. Die christlichen Gemeinden geraten in den Verdacht, irgendwie "von gestern" zu sein. Ihre Lieder, die Sprache, die Rituale wirken altmodisch. Und so einen richtig guten Lauf hat die Kirche im Moment auch nicht - wenigstens hierzulande. Hingegen geben sich die Kirchenkritiker modern und aufgeklärt. Ihr Kampf gilt der Kirche als einer dunklen, konservativen Institution. Kirche steht der Freiheit des Menschen im Wege, so sagen sie. Und sie beansprucht Rechte, die ihr nicht mehr zukommen dürf-ten.
Was ist da passiert? Hat der Lauf der Geschichte die christli-che Bewegung einfach überrollt? Sind aus den begeisterten Erneuerern von einst inzwischen unzeitgemäße Konservative geworden? Hat die Botschaft von Jesus Christus ihre be-zaubernde Strahlkraft verloren?
Liebe Gemeinde,
solche unbequemen Fragen darf man stellen! Es ist gut, wenn wir sie zulassen und nicht empört zurückweisen. Denn sie helfen uns zu begreifen, dass wir als Christen nicht in irgendeinem Märchen mitspielen, sondern in Gottes lebendi-ger Geschichte mit seinen Menschen. Die Botschaft von Je-sus Christus hat sich nicht aufgebraucht. Sie ist und bleibt die Lichtquelle, aus der Heil und Befreiung strömen. Denn dass -im Sinne Jesu- Oberes zuunterst gekehrt wird, Kleines groß gemacht und Wichtiges zur Nebensache erklärt wird, das macht auch heute noch Welt und Leben heil. Liebe ist, wonach sich die Menschen sehnen. Hoffnung ist, was die Menschen brauchen. Und Glaube ist der Weg, der dahin führt. Das sollen und dürfen wir genauso begeistert und überzeugt weitererzählen wie der Apostel und die Christen in Thessaloniki. Allerdings müssen wir dabei auch wahrnehmen, wie sehr sich die Zeiten verändert haben. Unser Reden und Beten wird in manchem einen anderen Zungenschlag bekommen als beim Apostel.
Natürlich werden wir darum bitten, dass das Wort des Herrn laufe und gepriesen werde - auch in den heutigen Zeiten. Aber gleichzeitig werden wir bedenken müssen, an welchen Stellen wir selbst es sind, die dem Lauf des Wortes in die Speichen greifen und sein Licht und seine Klarheit verschlei-ern. Wir werden uns fragen, ob wir zu bequem und zu etab-liert geworden sind, ob unsere Sprache noch frisch und zeit-gemäß ist und unsere Gemeinschaft wirklich etwas von der Liebe ausstrahlt, die wir verkündigen.
Und auch im Blick auf die, deren "Ding" der Glaube nicht ist, wird uns ein vorsichtiges Urteil gut zu Gesicht stehen. Wir werden ihnen nicht vorsätzliche Falschheit und Bosheit un-terstellen. Wir werden das Gespräch mit ihnen suchen, ihre Einwände und Kritikpunkte ernst nehmen und uns freuen, wenn wir gemeinsame Ziele und Vorstellungen entdecken.
Liebe Gemeinde,
wie gut, dass wir nicht in irgendeinem Märchen mitspielen, sondern in Gottes lebendiger Geschichte mit seinen Men-schen! Und wie gut, dass Gott das Heil der Welt nicht ab-hängig macht von der Begeisterung und dem Eifer seiner Anhänger! So dürfen wir mit dem Apostel darauf vertrauen, dass Gott, der Herr, treu ist und uns stärken und bewahren wird - manchmal vielleicht sogar vor uns selbst. Und wir werden Gott bitten, dass er unsere Herzen immer wieder neu ausrichtet auf die Liebe Gottes und die Geduld Christi.
Amen.
Verfasser: Pfarrer Bernhard Zeller
Hans-Sailerstr. 55, 99089 Erfurt
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