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Versuchungen auf der Suche nach Gott

von Christian Peisker (04860 Süptitz)

Predigtdatum : 10.02.2008
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : Aschermittwoch
Textstelle : Jakobus 1,12-18
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Wochenspruch:

Dazu ist erschienen der Sohn Gottes, dass er die Werke des Teufels zerstöre.
(1. Johannes 3, 8b)

Psalm: 91 (EG 736)

Lesungen

Altes Testament:
1. Mose 3, 1 – 19 ( 20 – 24 )
Epistel:
Hebräer 4, 14 – 16
Evangelium:
Matthäus 4, 1 – 11

Liedvorschläge

Eingangslied:
EG 443
Aus meines Herzens Grunde
Wochenlied:
EG 362
Ein feste Burg ist unser Gott
Predigtlied:
EG 302
Du meine Seele, singe
Schlusslied:
EG 157
Lass mich dein sein und bleiben

Liebe Gemeinde,
„Alles, was Spaß macht, ist entweder verboten, ist ungesund, oder es macht dick.“ Diesen etwas derben volkstümlichen Spruch kann man manchmal auf einer Feier hören. Nicht selten hat der, der ihn sagt, schon ein paar Bier hinter die Binde gekippt und auch nicht selten ein etwas anzügliches Grinsen auf seinem Gesicht. Ungesagt hören Christen die Worte mit: „Ihr als Kirche seid ja auch ziemliche Spaßverderber, ihr mit euren Moralpredigten.“
Unbestritten ist: Viele Dinge, die Genuss und Spaß versprechen, üben eine große Anziehungskraft auf uns Menschen aus. Sie locken uns, sie ziehen uns magisch an. Und dennoch gibt es klare und vernünftige Gründe dagegen, sich ihnen einfach so hinzugeben. Auch im alltäglichen Sprachgebrauch reden wir dann davon, dass diese Dinge eine Versuchung für uns darstellen. Oft geht es dabei um den Bereich des Kulinarischen oder um Sexualität oder einfach um Bequemlichkeit.
Da möchte jemand unbedingt Diät halten, um seine schlanke Linie zu bewahren. Die Versuchung naht in Form von Schokolade oder leckerer Sahnetorte. Oder da ist ein verheirateter Mann, der seine Frau liebt, und der die traditionellen Treue- und Moralverstellungen durchaus bejaht. Doch seit er merkt, dass er auch bei seiner attraktiven Arbeitskollegin gewisse Chancen hat, ist er hin- und hergerissen. Die Versuchung ist groß. Ein anderer möchte seinen Körper fit halten und hat sich daher eisern vorgenommen, jeden Morgen ein paar Kilometer zu joggen. Doch oft, gerade bei schlechtem Wetter, ist die Versuchung groß, bequem liegen zu bleiben und sich noch einmal im Bett umzudrehen.
Wenn wir in unserem Alltag von Versuchungen reden, meinen wir also die Verlockung, sich etwas Angenehmem, etwas Genussvollem oder Bequemem hinzugeben, obwohl eigentlich ein größerer Wert darin bestehen würde, genau dies nicht zu tun. Und immer steht dann eine Entscheidung an. Es muss eine Art Güterabwägung stattfinden. Was ist mir wichtiger: standhaft zu bleiben und dadurch einen moralischen Grundsatz durchzuhalten – oder aber in den Genuss der nicht bestandenen Versuchung zu kommen?
Das Wort „Versuchung“ wird in unserem Alltag mittlerweile schon für ganz harmlose und kleine Dinge gebraucht. Manchmal hat es dabei sogar schon eine richtig positive Wendung bekommen, etwa in der Werbung. „Die zarteste Versuchung, seit es Schokolade gibt“ – diesen Spruch haben sicher viele noch im Ohr. Oder auch „Lassen Sie sich verführen!“ Und hinter diesem positiven Sprachgebrauch steht sicher eine ganz handfeste genussorientierte Denkweise: Wer einer Versuchung erliegt, hat mehr vom Leben. Mehr Genuss, einen höheren Spaßfaktor, mehr Lebensqualität. Wer standhaft bleibt und verzichtet, der verpasst etwas, dem droht einfach nur dröge Langeweile.
Ist das wirklich so? Das Wort „Versuchung“ hat seine Wurzeln im biblischen und christlichen Sprachgebrauch. Was dort damit gemeint ist, darauf möchte ich jetzt mit Ihnen gemeinsam schauen. Wir hören den Predigttext für den heutigen Sonntag. Er steht im Jakobusbrief im 1. Kapitel:

12 Selig ist der Mann, der die Anfechtung erduldet; denn nachdem er bewährt ist, wird er die Krone des Lebens empfangen, die Gott verheißen hat denen, die ihn lieb haben.
13 Niemand sage, wenn er versucht wird, dass er von Gott versucht werde. Denn Gott kann nicht versucht werden zum Bösen, und er selbst versucht niemand. 14 Sondern ein jeder, der versucht wird, wird von seinen eigenen Begierden gereizt und gelockt. 15 Danach, wenn die Begierde empfangen hat, gebiert sie die Sünde; die Sünde aber, wenn sie vollendet ist, gebiert den Tod. 16 Irrt euch nicht, meine lieben Brüder. 17 Alle gute Gabe und alle vollkommene Gabe kommt von oben herab, von dem Vater des Lichts, bei dem keine Veränderung ist noch Wechsel des Lichts und der Finsternis. 18 Er hat uns geboren nach seinem Willen durch das Wort der Wahrheit, damit wir Erstlinge seiner Geschöpfe seien.

Liebe Gemeinde,
klang das für Sie eben wie eine trockene Moralpredigt? Immerhin hat niemand Geringerer als unser großer Reformator Martin Luther den Jakobusbrief einmal als eine „stroherne Epistel“ bezeichnet. Für Luthers Geschmack war der Jakobusbrief eindeutig zu moralisch; für ihn stand dort zuviel drin von den erforderlichen guten Werken der Menschen. Und es leuchtet hier nach Luthers Empfinden zu wenig auf von der frohen Botschaft des Evangeliums, von Gottes Gnadenhandeln, von der Gerechtigkeit des Menschen, die allein aus dem Glauben kommt.
Also noch einmal: Ist dieser Predigttext, wenn er von der Standhaftigkeit in Versuchungen redet, nichts weiter als eine moralinsaure Ermahnung? Ich behaupte: Nein, dieser Text will viel mehr sein als eine bloße Moralpredigt. Er will nicht einfach nur Spaßverderber sein, indem er all die angenehmen und verlockenden Dinge des Lebens unter ein striktes Verbot stellt. Vielmehr rückt er glasklar die Maßstäbe zurecht, stellt die Dinge in einer überraschenden Wendung wieder vom Kopf auf die Füße:
Das kostbarste und schönste Gut in unserem Leben, das, was uns wirklich reich macht und erfüllt, das ist gerade nicht in den oberflächlichen Dingen zu finden, die uns so magisch anziehen, die uns Genuss versprechen und so in die Versuchung führen. Das wertvollste Ziel, das wir in unserem Leben finden können, die vollkommene Gabe, „kommt von oben herab von dem Vater des Lichts“.
Bei einer solchen Sicht der Dinge müssen wir die Begierden, die uns „reizen und locken“, nicht moralisch mit erhobenem Zeigefinger verurteilen. Wir können die Versuchungen vielmehr als ein Ausdruck dafür verstehen, dass wir – auch als Glaubende – noch nicht endgültig am Ziel angekommen sind. Wer versucht wird, der ist noch auf der Suche, der hat noch nicht die volle Erfüllung gefunden. Unruhig und schmerzhaft verspüren wir als Menschen, dass wir Mangel haben, dass wir vom Wesentlichen getrennt sind. Der große Kirchenvater Augustinus (354-420) hat diese Erfahrung in eindrückliche Gebetsworte gefasst: „Du hast uns zu dir hin geschaffen, und unruhig ist unser Herz, bis es wieder Ruhe findet in dir.“ Oft gibt es da auch das nagende Gefühl einer inneren Leere, die wir zu füllen versuchen. Eine rastlose Suche kann die Folge sein; die Versuchung ist groß, alles auszuprobieren. Aus dem Suchverhalten wird schnell ein Suchtverhalten. Doch wenn wir auf dieser Suche unseren Versuchungen erliegen, so bringt dies in der Regel nur eine kurzfristige und oberflächliche Befriedigung.
Und hier setzt unser Predigttext an:
Die Ausrichtung auf Gott, den Geber der vollkommenen Gaben, kann die Maßstäbe wieder zurechtrücken. Das unruhige Suchen nach Ersatzbefriedigungen kann ein Ende haben. All die oberflächlichen Genussversprechen müssen nicht mehr zwangsläufig eine Versuchung darstellen. An Gott und seinen Gaben volles Genüge zu haben, das muss kein Weg in die Askese sein. Aber die rastlose Suche hat ein Ende. Es klingt eher ein mystisches Erfülltsein an, wie es der Dichter Novalis (Friedrich v. Hardenberg, 1772-1801) in einem Gedicht beschrieben hat:“ Wenn ich ihn nur habe, hab’ ich auch die Welt ...“. Oder mit den Worten von Paul Gerhardt: (EG 302,2): „Wohl dem, der einzig schauet, nach Jakobs Gott und Heil, wer dem sich anvertrauet, der hat das beste Teil, das höchste Gut erlesen, den schönsten Schatz geliebt; sein Herz und ganzes Wesen, bleibt ewig unbetrübt.“
Versuchung im christlichen Sinne ist dann all das, was uns von Gott als dem höchsten Gut wegführt, was uns von ihm ablenkt, was uns den Blick auf ihn versperrt. Es ist das Suchen nach Erfüllung und Befriedigung an falscher Stelle. Das ist gemeint, wenn in der Bibel über das Abirren vom rechten Wege gesprochen wird. Und hierher gehört auch der eindringliche Ernst in unserem Predigttext: „Irrt euch nicht, meine lieben Brüder“, d.h. lasst euch nicht von Gott wegführen. Die Entfernung von Gott ist es, die hier als „Sünde, die den Tod gebiert“ bezeichnet wird.
Liebe Gemeinde, nachher werden wir im Vaterunser wieder gemeinsam den Satz beten. „Und führe uns nicht in Versuchung“. Nach dem Jakobusbrief ist das eigentlich eine nahezu undenkbare Formulierung. Denn, so unser Text, Gott kann uns gar nicht in Versuchung führen. Dieser Gedanke wird hier in fast philosophischer Manier entwickelt. Weil Gott unveränderlich und vollkommen ist, ist er selbst nicht anfällig für Versuchungen, und es entspricht ihm auch nicht, andere in Versuchung zu führen. Die Versuchung besteht ja gerade darin, sich von Gott wegführen zu lassen. Und das ist das Gegenteil dessen, was Gott mit uns vorhat. Er will, dass wir ihn lieb haben, so heißt es im Predigttext (1,12).
Ich kenne Menschen, für die ist diese Vaterunserbitte „Und führe uns nicht in Versuchung“ eine echte Anfechtung, weil sie einen dunklen Schatten auf ihr Gottesbild wirft. Sie fragen sich, was das für ein Gott sein soll, der in der Lage ist, Menschen absichtlich in die Irre zu führen. Unser Predigttext macht uns Mut dazu, die Vaterunserbitte etwas weniger missverständlich zu übersetzen. Etwa: „Lass uns nicht in Versuchung geraten“, oder: „Lass nicht zu, dass wir von dir getrennt werden.“
Wir haben vorhin in der Evangeliumslesung die Geschichte der Versuchung Jesu aus dem Matthäusevangelium gehört. An Jesus können wir lernen, was tatsächliche Versuchungen sind, und wie wir mit ihnen umgehen können. Jesus werden vom Versucher verlockende Dinge angeboten, die er ausprobieren soll. Dinge, die ihm Befriedigung und Macht verschaffen, die ihn aber von Gott wegführen. Auffällig ist nun: In jeder seiner Antworten weist Jesus den Versucher auf Gott hin, er lenkt den Blick zurück auf Gott, den Ursprung und das Ziel des menschlichen Lebens. Er lässt sich nicht ablenken, er lässt sich nicht den Blick versperren. „Du sollst anbeten den Herrn, deinen Gott, und ihm allein dienen.“ Das ist entscheidend, auch für uns.

Verfasser: Pfarrer Christian Peisker, Schulstraße 3, 04860 Süptitz

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