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Versuchungen auf der Suche nach Gott

von Heiko Wulfert (65326 Aarbergen)

Predigtdatum : 01.03.2009
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : Aschermittwoch
Textstelle : Matthäus 4,1-11
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Wochenspruch:

Dazu ist erschienen der Sohn Gottes, dass er die Werke des Teufels zerstöre.
(1. Johannes 3, 8b)

Psalm: 91 (EG 736)

Lesungen

Altes Testament:
1. Mose 3, 1 – 19 ( 20 – 24 )
Epistel:
Hebräer 4, 14 – 16
Evangelium:
Matthäus 4, 1 – 11

Liedvorschläge

Eingangslied:
EG 443
Aus meines Herzens Grunde
Wochenlied:
EG 362
Ein feste Burg ist unser Gott
Predigtlied:
EG 302
Du meine Seele, singe
Schlusslied:
EG 157
Lass mich dein sein und bleiben

Hinführung:
Der Sonntag Invokavit ist der erste Sonntag in der Fastenzeit. Das Sonntagsevangelium, das zugleich Predigttext ist, zeigt den fastenden Jesus, der nach vierzig Tagen in der Wüste – dem biblischen Zeitraum der Vorbereitung auf Großes – vom Teufel versucht wird. Der Gemeinde, die aus einer fröhlichen Karnevalszeit kommt, soll der Begriff Versuchung auf dem Hintergrund der Sehnsucht nach Leben verdeutlicht werden: Im „Durst“ nach Leben (E. Cardenal) verbirgt sich die Sehnsucht nach Gott. Wer sich durch diese Sehnsucht nicht zu Gott führen lässt, sondern sie mit Anderem betäubt, der erliegt der Versuchung. Die Fastenzeit soll dann als Chance genutzt werden, sich unter Verzicht auf Marginales auf das Wesentliche zu besinnen.

1 Da wurde Jesus vom Geist in die Wüste geführt, damit Er von dem Teufel versucht würde. 2 Und da Er vierzig Tage und vierzig Nächte gefastet hatte, hungerte Ihn. 3 Und der Versucher trat zu ihm und sprach: Bist Du Gottes Sohn, so sprich, daß diese Steine Brot werden. 4 Er aber antwortete und sprach: Es steht geschrieben: »Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, sondern von einem jeden Wort, das aus dem Mund Gottes geht.«
5 Da führte Ihn der Teufel mit sich in die heilige Stadt und stellte ihn auf die Zinne des Tempels 6 und sprach zu ihm: Bist Du Gottes Sohn, so wirf Dich hinab; denn es steht geschrieben: »Er wird seinen Engeln deinetwegen Befehl geben; und sie werden dich auf den Händen tragen, damit du deinen Fuß nicht an einen Stein stößt.« 7 Da sprach Jesus zu ihm: Wiederum steht auch geschrieben: »Du sollst den Herrn, deinen Gott, nicht versuchen.«
8 Darauf führte Ihn der Teufel mit sich auf einen sehr hohen Berg und zeigte Ihm alle Reiche der Welt und ihre Herrlichkeit 9 und sprach zu Ihm: Das alles will ich Dir geben, wenn Du niederfällst und mich anbetest. 10 Da sprach Jesus zu ihm: Weg mit dir, Satan! Denn es steht geschrieben: »Du sollst anbeten den Herrn, deinen Gott, und Ihm allein dienen.« 11 Da verließ Ihn der Teufel. Und siehe, da traten Engel zu Ihm und dienten Ihm.

I
Liebe Schwestern und Brüder,
Sie wissen, was Durst ist. In der vergangenen Karnevalszeit wurde er oft genug und mehr als genug gestillt. Nun plagt er uns vielleicht wieder nach dem Heringsessen am Aschermittwoch. Wir kennen den Durst als vorübergehende Lust auf ein kühles Getränk, wir kennen aber auch den brennenden Durst, bei dem wir uns wie ausgetrocknet fühlen. Durst kann so groß sein, dass es kaum noch möglich ist an etwas anderes als Trinken zu denken. Wehe dem, der seinen Durst dann mit einem Getränk stillt, das nur wieder größeren Durst erzeugt.
Für den lateinamerikanischen Theologen Ernesto Cardenal ist der Durst ein Symbol für die im Menschen verborgene Sehnsucht nach der Liebe Gottes. Er schreibt davon:
„In den Augen aller Menschen wohnt eine unstillbare Sehnsucht. In den Pupillen der Menschen aller Rassen, in den Blicken der Kinder und Greise, der Mütter und der liebenden Frauen, in den Augen des Polizisten und des Angestellten, des Abenteurers und des Mörders, des Revolutionärs und des Diktators und in denen des Heiligen: in allen wohnt der gleiche Funke unstillbaren Verlangens, das gleiche himmlische Feuer, der gleiche tiefe Abgrund, der gleiche unendliche Durst nach Glück und Freude und Besitz ohne Ende. Dieser Durst, den alle Wesen spüren und von dem auch im Gleichnis von der Samariterin am Brunnen gesprochen wird, ist die Liebe zu Gott.
Um dieser Liebe willen werden alle Verbrechen begangen und alle Kriege gekämpft, ihretwegen lieben und hassen sich die Menschen. Um dieser Liebe willen werden Berge bestiegen und die Tiefen der Meere erforscht, für sie wird geherrscht und intrigiert, gebaut und geschrieben, gesungen, geweint und geliebt. Alles menschliche Tun, sogar die Sünde, ist eine Suche nach Gott, nur sucht man Ihn meistens dort, wo Er am wenigsten zu finden ist.
[...] Gott ist die Heimat aller Menschen. Er ist unsere einzige Sehnsucht. Gott ist im Innersten aller Kreatur verborgen und ruft uns. Das ist die geheimnisvolle Ausstrahlung, die von allen Wesen ausgeht. Wir hören seinen Ruf in der Tiefe unseres Wesens wie die Lerche, die in der Frühe von ihrer Gefährtin geweckt wird, oder wie Julia, die Romeo unter ihrem Balkon pfeifen hört.“
Die Sehnsucht des Menschen nach der Liebe Gottes ist nach Cardenal die Triebfeder zu allem Handeln, zu allem Streben und Bemühen. Menschen verspüren einen Durst, eine Sehnsucht in sich und versuchen, sie zu stillen. Doch ihr Ziel erreicht diese Sehnsucht nur, wenn sie als Sehnsucht nach Gott erkannt wird, die nur in Gott ihre Erfüllung findet. Ihr Ziel erreicht sie nur, wenn Menschen sich durch diese Sehnsucht zu Gott, dem Ursprung dieser Sehnsucht, führen lassen und in Ihm Ruhe finden.

II
Doch dieser Durst im Menschen, die Sehnsucht nach Gott, kann auch fehlgeleitet werden. Menschen spüren eine Sehnsucht in sich und versuchen, sie mit allem zu stillen, was ihnen die Welt, die Mode, die Zeit gerade anbieten. Das nennt die Bibel „Versuchungen“: die Sehnsucht nach Gott mit Ersatzbefriedigungen ersticken, die Menschen von Gott wegführen.
Die Geschichte von der Versuchung Jesu nennt uns beispielhaft solche Versuchungen. Sie bleiben im Vordergründigen stecken und haben doch immer etwas mit Gott zu tun. Der religiöse Schein macht sie so gefährlich:
Vierzig Tage und Nächte hat Jesus gefastet. Die erste Versuchung trifft nun Seinen Hunger. „... befiehl, daß aus diesen Steinen Brot wird.“ Gott will doch das Leben der Menschen. Er möchte, dass es ihnen gut geht. Er kann doch nicht wollen, dass sich gerade Sein Auserwählter mit Hunger plagt. Also, bedien Dich!
Ja, viel mehr noch. Könnte ein göttliches Machtwort nicht mehr als nur den eigenen Hunger stillen? Jesus könnte all den Hungernden im Israel Seiner Zeit zu essen geben. Hat Er das bei der Speisung der fünftausend nicht so ähnlich getan? Hast Du Hunger? Dann iss doch! Erbarmst Du Dich der Hungernden? Dann gib ihnen doch zu essen!
Jesus sagt Nein. Er erkennt die Versuchung, die Gott nur für den Lustgewinn des Menschen missbraucht oder sich mit sozialen Argumenten tarnt. „Der Mensch lebt nicht nur vom Brot.“ Es könnte nur den Hunger des Augenblickes stillen, aber nicht für immer satt machen. Sättigung hätte es nur dem Leib geboten, doch den Durst der Seele hätte es nicht gestillt. Die Sehnsucht nach Gott lässt sich durch den Lustgewinn, zu dem der Versucher auffordert, nicht befriedigen, nur betäuben. Jesus lässt die Sehnsucht nach Gott nicht so schnell betäuben. Ihretwegen hat er gefastet. „Der Mensch lebt nicht nur vom Brot.“ Er lebt vom Wort Gottes, der das Leben ist. Er lebt von der Liebe, die sich wagt. Er lebt vom Wort Gottes, das aus Liebe Mensch wurde. –
Wenn Du so fromm sein willst, sagt der Versucher, beweise doch Dir selbst und der ganzen Welt Deinen Glauben. Und nun lädt er Jesus zu einem religiösen Höhenflug ein. Verlass Dich doch auf Gottes Wort und stürz Dich von der Spitze des Tempels. Es wird Dir schon nichts passieren. Wäre das nicht auch ein überzeugender Beweis Deiner göttlichen Vollmacht, wenn Dir Engel im Sturzflug zu Hilfe eilen und Dich sanft auf dem Boden absetzen?
Jesus sagt Nein. Er erkennt die Versuchung, die sich hinter der Frömmigkeit verbirgt. So leicht soll man es sich mit Gott nicht machen. So leicht lässt Er sich nicht einplanen in unsere Erwartungen und Wünsche, in unsere Träume und Sehnsüchte nach dem Happy End, für das wir Ihn so gerne zuständig machen möchten. Oft ist Er gerade da nicht, wo wir Ihn am meisten suchen, um uns dort zu begegnen, wo wir Ihn nicht erwartet hätten. Wir haben kein Recht, Ihn zu versuchen, Ihn auf die Probe zu stellen. Der Glaube ist kein Werkzeug, das Wunderdinge wirkt, er ist die Hand, die die Gaben des wunderbaren Gottes ergreift. Jesus stellt Gott und sich um. Nur so schafft Gott neues Leben. – selbst nicht auf die Probe. Er gibt sich ganz in Gottes Hand – und kommt dabei
Der Versucher will Jesus einen Weg vorspiegeln, der Ihn aus der Abhängigkeit von Gott zu lösen scheint. Unbegrenzte Macht soll Ihm alles möglich machen, alle Wünsche erfüllen. Den Weg des Leidens will er umgehen. Auf die Dauer hilft nur Power, sagte die Studentenbewegung. Für einen kleinen Kniefall vor dem Teufel soll Jesus die ganze Welt gehören. Soll Er sie dann doch von einem goldenen Thron aus erlösen statt vom Kreuz herab.
Jesus sagt Nein. Er erkennt die Versuchung, die sich hinter der Macht verbirgt. Er ist nicht zum Kniefall vor dem Teufel bereit, der an jede Macht der Welt gebunden ist. Er weiß, dass durch den Pakt mit dem Teufel kein Heil zu gewinnen ist, dass alle Macht, die der Satan und die Machtverliebtheit unserer Welt zu bieten haben, ohnmächtig ist vor Gott. Jesus geht den machtlosen Weg – und durch Ihn gelangt Gott zur Macht in dieser Welt.
III
Jesus geht den anderen Weg, anders als wir. In Seinem Buch „Die letzte Versuchung“ erzählt der griechische Autor Nikos Kazantzakis von einem Traum des gekreuzigten Christus. Jesu letzte Versuchung stellt sich der Dichter als den Wunsch des Gekreuzigten vor, vom Kreuz herabzusteigen und ein ganz normales menschliches Leben zu leben: zu heiraten und eine Familie zu gründen, die Tage zu genießen, in Würde zu sterben und als Mensch gelebt zu haben.
Das wäre unser Weg. Wir leben das ganz normale menschliche Leben. Wir erliegen den Versuchungen und wir werden ihnen weiter erliegen. Der brennende Durst der Seele, die Sehnsucht nach Gott, wird nur durch Gott selbst gestillt werden, wenn Er seine Schöpfung vollendet.
Bis dahin richten wir unser Tun und Lassen an dem aus, der den Versuchungen widerstand und Seinem Gott treu blieb. An Jesu Leben ist zu ermessen, wann unsere Sehnsucht nach Gott uns froh und mutig zum Leben in Gottes Namen treibt oder wann wir hilflos von Gott und dem Leben wegtreiben und diese Sehnsucht in Vordergründigem ersticken.
Jesu Antwort auf die letzte der drei Versuchungen weist uns den Lebensweg in Gottes Namen: „Vor dem Herrn, deinem Gott, sollst du dich niederwerfen und Ihm allein dienen.“ Alles andere schiebt Christus beiseite: Gott allein und Gott über alle Dinge. Wertet, was Versuchung heißt, an diesem Maßstab! Erkennt, was Gottes Wille ist, an diesem Grundsatz! Wenn es euch gefällt, Gott zu gefallen, dann tut, was euch gefällt.
Jesus setzt Gott über alle Dinge. Da verlässt Ihn der Satan und die Engel dienen ihm. Er hat die Versuchungen bestanden, denen wir bis heute noch erliegen. Er hat die Sehnsucht nach Gott nicht mit Ersatzbefriedigungen gestillt. Nun schenkt Ihm Gott im Dienst der Engel den Vorgeschmack des Himmels.
Vierzig Tage Fasten und Büßen – das könnte die Passionszeit uns bedeuten. Vierzig Tage in der Übung, keiner Versuchung zu erliegen. Wir werden es kaum bewältigen, wenn wir ehrlich zu uns selber sind. Doch die Geschichte von der Versuchung Jesu kann uns helfen, zu erkennen, was uns antreibt: die Sehnsucht nach Gott. Sie kann uns helfen, diese Sehnsucht nicht fern von Gott zu ersticken. Und sie kann uns helfen, der Versuchung zu widerstehen, die Sehnsucht nach Gott anderswo als an der Quelle des Lebens zu stillen. So werden wir das wunderbare Wirken der Engel entdecken – Gottes Gegenwart mitten unter uns.
„Gott ist die Heimat aller Menschen. Er ist unsere einzige Sehnsucht. Gott ist im Innersten aller Kreatur verborgen und ruft uns. Das ist die geheimnisvolle Ausstrahlung, die von allen Wesen ausgeht. Wir hören seinen Ruf in der Tiefe unseres Wesens wie die Lerche, die in der Frühe von ihrer Gefährtin geweckt wird, oder wie Julia, die Romeo unter ihrem Balkon pfeifen hört.“
Amen.

Verfasser: Pfarrer Heiko Wulfert, Kirchgasse 12, 65326 Aarbergen

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