Viererlei Ackerfeld
von Paul-Ulrich Lenz (63679 Schotten-Einartshausen)
Predigtdatum
:
07.02.1999
Lesereihe
:
ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr
:
Sexagesimae
Textstelle
:
Markus 4,26-29
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Wochenspruch:
Heute, wenn ihr seine Stimme hören werdet, so verstockt eure Herzen nicht. (Hebräer 3,15)
Psalm: 119,89-91.105.116 (EG 748)
Lesungen
Altes Testament:
Jesaja 55, (6-9) 10-12a
Epistel:
Hebräer 4,12-13
Evangelium:
Lukas 8,4-8 (9-15)
Liedvorschläge
Eingangslied:
EG 497
Ich weiß, mein Gott, daß all mein Tun
Wochenlied:
EG 196
oder EG 280
Herr, für dein Wort sei hoch gepreist
Es wolle Gott uns gnädig sein
Predigtlied:
EG 197
oder EG 637
Herr, öffne mir die Herzenstür
Alle Knospen springen auf
Schlußlied:
EG 166,4-6
Mache mich zum guten Lande
26 Jesus sprach: Mit dem Reich Gottes ist es so, wie wenn ein Mensch Samen aufs Land wirft 27 und schläft und aufsteht, Nacht und Tag; und der Same geht auf und wächst - er weiß nicht, wie. 28 Denn von selbst bringt die Erde Frucht, zuerst den Halm, danach die Ähre, danach den vollen Weizen in der Ähre. 29 Wenn sie aber die Frucht gebracht hat, so schickt er alsbald die Sichel hin; denn die Ernte ist da.
Liebe Gemeinde!
So klein und unscheinbar ist Gottes Anfang. So klein, daß man ihn übersehen kann. So klein, daß an fragen kann: Ist das alles? „Jemand wirft Samen auf das Land.“ - so fängt Gott an. Ein Mensch wandert durch Galiläa und ruft andere zu sich auf seinen Weg. Er redet von Gott, redet vom kommenden Reich, redet von einer neuen Zeit. Er teilt mit seinen Mitwanderern den Hunger und die Kälte, den Durst und die Hitze, die Suche nach Wassser und die Suche nach einer Bleibe für die Nacht. Er heilt hier und dort und predigt hier und dort.
Und das soll Gottes Anfang sein? Da muß es doch schon etwas spektakulärer zugehen, da muß es doch schon etwas sensationeller sein, bevor die Leute in Jerusalem darüber neugierig werden und sich aufregen. Da muß es doch schon etwas mehr zu sehen geben, bevor man das glauben kann, daß mit dem Auftreten dieses Rabbi Jesus aus Nazareth, der ja nicht einmal ein richtiger Rabbi ist, die neue Zeit Gottes nahe gekommen ist!
Seit 2000 Jahren sagt die christliche Gemeinde: Das war der Anfang. Das ist der Beginn der neuen Zeit Gottes. Mit ihm, Jesus, ist diese neue Zeit da, unter uns da. Und seit 2000 Jahren wird der immer gleiche Einwand erhoben: Wir sehen nichts von eurem Anfang! Wir sehen einen Gekreuzigten, wir sehen einen Gescheiterten, wir sehen bestenfalls einen guten Menschen mit schönen Worten - aber euren großen Anfang sehen wir nicht. Eure große Zeitenwende - wo ist sie denn?
Die Welt hätte doch besser werden müssen, wenn Gottes neue Zeit angefangen hat - ist sie denn besser geworden? Nein, so sagen die Kritiker und die Skeptiker, was ihr uns da als Anfang des Reiches Gottes einreden wollt, das ist nichts, das reicht uns nicht und reizt uns nicht.
So klein und unscheinbar ist der Anfang Gottes, daß man ihn übersehen kann, daß man ihn für eines der vielen tausende Menschenschicksale halten kann, die gescheitert sind unter dem Druck der Verhältnisse. Das macht uns Jesus sympathisch und läßt uns Nähe zu ihm empfinden, denn mit dem Druck der Verhältnisse kennen wir uns aus und vom Scheitern verstehen wir auch etwas - nur: Der Anfang der neuen Zeit Gottes - da sind doch auch wir eher vorsichtig geworden.
Ich möchte dazu stehen: Das ist Gottes Anfang - auch wenn ich selbst manchmal irre werde, weil ich nicht sehe, wie es weitergeht. Drei aufforderungen, Ermutigungen verbinde ich mit unserem Predigtwort:
1. Ärgert euch nicht über den geringen Anfang
2. erwartet eine große ernte Ernte
3. Haltet aus in gelassener Aktivität
1. Ärgert euch nicht über den geringen Anfang
Viele sind die Anfangswege in Galiläa mitgegangen. Sie waren fasziniert. Sie haben gestaunt über die Wunder und haben auf neue Wunder gehofft. Sie haben schöne, gute Worte gehört, die ihrer Seele wohl taten. Aber als dann das Kreuz seine ersten Schatten wirft, als deutlich wird: Der Weg Jesu ist ein Weg, der in den Tod geht, da sind sie gegangen. So ist Jesus am Kreuz schließlich allein.
Am Tod zerbricht, was „nur“ guter Wille ist. Gottes Anfang: einer, der am Kreuz stirbt, einsam und allein - das ist zu schwer für uns Menschen. So aber wirft Gott seinen Samen auf das Land - seinen Sohn in die Erde. So klein ist Gottes Anfang: einer allein am Kreuz - und doch ist dies der Anfang für dein und mein Heil. Und doch ist dies der Anfang von Gottes neuer Welt.
Das ist eine Zumutung für uns, dieser Anfang Gottes. Denn am Kreuz ist alle menschliche Aktivität am Ende. Da gibt es nichts mehr zu tun für uns. Hilflos, ohnmächtig, schockiert - so schauen wir auf das Kreuz - nur: ändern können wir nichts. Genau da aber fängt Gott mit seiner Neuschöpfung an. wo wir am Ende sind, da wird der Weg frei für Gott und seinen neuen Anfang.
So klein fängt Gott auch in deinem Leben an. Auch da geht es nicht um den großen Anfang, den alle bestaunen. Auch da kann es scheinen, als geschähe nichts, als nähme die Welt einfach ihren Lauf.
Ich kenne die Geschichte eines so unscheinbaren Augenblickes und doch steckt für mich etwas vom Zauber eines Anfanges drin: Im Konfirmanden-Unterricht ist über Glauben gesprochen worden. Es wurde erklärt, daß Glauben bedeutet, daß das Leben des Menschen mit Jesus verbunden wird, daß Jesus einen an die Hand nimmt und führt. Mit Strichmännchen hat der Pfarrer das dargestellt - eines für Jesus und eines für den Menschen. Der Glaube ist dann als eine dicke Verbindungslinie gezeichnet worden.
Und dann hat der Pfarrer erklärt: es kann aber auch sein, daß einer diese Verbindung nicht will, daß er nicht glaubt. Er hat dann die Verbindungslinie durchgestrichen. Nach der Stunde gehen alle Konfis raus, nur ein Mädchen bleibt an der Tafel stehen. Sie wischt den Strich, der den Strichmännchen-Jesus von dem Strichmännnchen-Menschen trennt, weg. „Warum?“ fragt der Pfarrer. „Weil er mich stört“, sagt sie und geht.
Vielleicht hat Gott in Ihrem Leben auch einmal so klein angefangen. Vielleicht haben Sie auch einmal kleine erste Schritte im Glauben getan, angefangen zu beten, die Bibel zu lesen, das Leben an den Geboten zu orientieren und zu fragen: Herr, was willst du? Vielleicht sind sie bei diesen ersten Schritten hängen geblieben und warten heute noch, daß da doch noch etwas Tolles kommen müßte - eine Stimme vom Himmel, eine totale Änderung ihres Lebens, ein ganz neues Gefühl der Freude, eine umwerfende Gewißheit: Ich hab’s gefunden.
Und vielleicht ist heute einer oder eine unter uns und sagt: Es ist nicht weiter gegangen mit meinem Anfang und nun bin ich am Ende. Ich glaube nicht mehr, daß dieser Anfang richtig war. Ich glaube nicht mehr, daß das mit Jesus alles stimmt. Ich kann’s nicht mehr glauben, daß er die neue Welt bringt, die Welt, die Gottes Reich ist. Sehen sie - gerade dem, der so dasteht, sagt Gott: Ich fange klein an - in eurem Leben, in eurer Gemeinde. Und ich werde es nicht leid, jeden Morgen neu mit euch anzufangen, auch wenn Du jetzt nichts mehr von diesem Anfang sehen und glauben kannst.
2. Erwartet eine große Ernte
Das ist ein Wesenszug Gottes: Was er anfängt, das bringt er auch ans Ziel. Was er anfängt, das läßt er nicht halbfertig liegen. Gottes Saat verkommt nicht in der Erde. Woran liegt das? An der Qualität der Saat, des Bodens, am Können des Bauern? Es liegt an Gott.
In unserem Gleichnis werden ganz bewußt einige Dinge ausgelassen. Jeder Bauer weiß: Mit dem Säen der Saat ist es noch nicht getan. Da kommt das Eggen, das Jäten, die Pflege der Saat. Da kommt schon noch Arbeit auf dem Acker nach der Saatzeit. Aber das alles erzählt Jesus nicht. Er erzählt es nicht, um uns vor einem Mißvrständnis zu bewahren: Vor dem Mißverständnis, als ginge es hier um Entwicklung - von der Saat bis zur Ernte.
Jesus sagt uns: Daß es zur Ernte kommt, das liegt nicht an der Beschaffenheit des Boden, auch nicht an der Beschaffenheit der Saat, auch nicht am günstigen Wachstumsklima. Daß es zur Ernte kommt, liegt daran und daran allein, daß Gott treu ist. Der seinen Anfang gemacht hat mit der Welt, der läßt die Welt nicht, sondern bringt sie zur Vollendung. Der seinen Anfang gemacht mit dir, der läßt dich nicht fallen, sondern bringt dich zur Vollendung. Der seinen Anfang macht mit seiner Gemeinde, der überläßt seine Gemeinde nicht sich selbst, sondern bringt sie zur Vollendung.
Und zwar nicht gerade noch so eben noch - nach dem Motto: Er erreicht den Hof mit Mühe und Not... Gottes Vollendung ist Fülle: ein volles Feld mit Ähren, ein wogendes Getreidefeld. Aus dem kleinen Anfang deines Lebens macht Gott reiche Frucht. Aus dem kleinen Anfang seiner Gemeinde schafft Gott reiche Frucht. Aus dem kleinen Anfang in der Zeit schafft Gott Frucht für die Ewigkeit.
Freilich - auch das müssen wir sagen; es gibt die unheimliche Möglichkeit, daß Gott mit uns anfängt und wir sagen: Nein. Es gibt die Möglichkeit, daß wir uns abwenden, daß wir ihm davonlaufen, daß wir nicht Ja sagen zu seiner Liebe. Es gibt die unheimliche Möglichkeit, daß wir das Kreuz sehen und hören, wie Jesu nach uns ruft, hören, wie unsere Namen genannt sind - und doch gehen. Es gibt diese Möglichkeit, daß einer irgendwann im Leben seinen Anfang, nein, Gottes Anfang verachtet und sagt: ‘Das war halt Kinderglauben, das war halt nur Formsache, das war halt eine Phase meines Lebens, aber heute zählt das für mich nicht mehr.’
Es gibt diese Möglichkeit, daß wir Gottes Anfang mit uns zu nichts machen. Gottes Wille ist das nicht - und solange wir ihn bitten, hält er an uns fest. Gott will in seiner Ernte sein Haus füllen. Gott will nicht Ernte, die sein Haus leer läßt, er will Ernte, die viel Frucht bringt.
3. Haltet aus in gelassener Aktivität
Weil Gott den Anfang macht und ans Ziel kommt, deshalb können wir in gelassener Aktivität handeln und leben. Denn was wir jetzt tun, das steht unter seinem Schutz. Was wir jetzt tun, das wird er in Segen verwandeln. Was wir jetzt tun, das wird er zur Frucht seines Reiches machen. Daß der Anfang klein sein darf, daß die Ernte von ihm gesichert wird, das macht uns frei: Frei zu kleinen Schritten, an denen nun nicht mehr alles Wohl und Wehe der Welt hängt. Das macht auch frei vom Zwang, immerzu aktiv sein zu müssen und schenkt uns die Gelassenheit, uns und anderen auch Zeit zu gönnen, in der wir nichts tun müssen, in der wir im Vertrauen auf Gott die Hände in den Schoß legen können - nicht immer und auch nicht immer öfter, aber doch immer wieder.
Aus diesem Zutrauen zu Gott können wir dann auch aushalten, daß unser Gebet manchmal über den Anfang nicht hinauskommt. Da können wir auch aushalten, daß unser Bibellesen manchmal so ohne Einsicht und ohne durchschlagende Erkenntnis ist, daß wir uns vorkommen, als würden wir wie Israel durch die Wüste geführt.
Da können wir auch aushalten, daß wir auch nach jahrelangen Kämpfen noch Fehler an uns entdecken, die wir eigentlich schon längst überwunden glaubten. Da können wir aushalten, daß unsere Arbeit in der Gemeinde ins Leere zu laufen scheint. Da können wir aushalten, daß jeder Besuch uns neue Not zeigt und jede gelinderte Not nur neue Not ans Tageslicht ruft umd wir täglich erfahren: unsere Kraft ist zu klein. Da können wir aushalten, daß unser Kämpfen für Gerechtigkeit bei uns und bei anderen scheinbar wie ein Tropfen auf den heißen Stein wirkungslos verdampft.
Nicht weil wir resignieren oder abgestumpft wären oder gleichgültig, sondern weil wir in dem großen Zutrauen leben, daß Gott unser kleines Tun in Segen verwnadelt, daß Gott auch unsere Fehler zum Guten wendet und daß Gott mit uns und dieser Welt schließlich ans Ziel kommt - gegen allen Widerstand und allen Unglauben. Das ist Befreiung zur Arbeit, Befreiung zur Hingabe des eigenen Lebens -denn wir wissen und glauben: Die Frucht ist gewiß, denn Gott selbst schafft sich die Frucht unseres Lebens.
Mit einem Wort des großen bayrischen Bischofs Hermann Bezzel möchte ich alles zusammenfassen: „Was an uns gefunden wird, die Gnade hat es getan. Was an uns vermißt wird, die Gnade wird es erstatten.“ In diesem Vertrauen können wir jeden Tag neu anfangen und Gottes Anfang mit uns annehmen, unterwegs sein und auf ein seliges Ende hoffen. Amen.
Verfasser: Pfr. Paul-Ulrich Lenz, Leonhardstr. 20, 61169 Friedberg
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