Viererlei Ackerfeld
von Dagmar Munck (63128 Dietzenbach)
Predigtdatum
:
18.02.2001
Lesereihe
:
ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr
:
Sexagesimae
Textstelle
:
Jesaja 55,(6-9).10-12a
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Wochenspruch:
Heute, wenn ihr seine Stimme hören werdet, so verstockt eure Herzen nicht. (Hebräer 3,15)
Psalm: 119,89-91.105.116 (EG 748)
Lesungen
Altes Testament:
Jesaja 55, (6-9) 10-12a
Epistel:
Hebräer 4,12-13
Evangelium:
Lukas 8,4-8 (9-15)
Liedvorschläge
Eingangslied:
EG 497
Ich weiß, mein Gott, dass all mein Tun
Wochenlied:
EG 196
oder EG 280
Herr, für dein Wort sei hoch gepreist
Es wolle Gott uns gnädig sein
Predigtlied:
EG 406
Bei dir, Jesu, will ich bleiben
Schlusslied:
EG 384
Lasset uns mit Jesus ziehen
Hinführung:
Thema: Wie heute beten?
1. Einführung mit Geschichte von Friedrich von Bodelschwingh
2. Suchet den Herrn!
3. Rufet ihn an!
4. Störungen bei unserem Gebet:
Vergesslichkeit
Verzagtheit
Enttäuschung
5. Gottes Gedanken und Wege - unser Vertrauen zu ihm
Textwahl: Verse 6, 8 und 9!
Liebe Gemeinde!
Wie heute beten?
In seiner Autobiographie „Aus einer hellen Kinderzeit“ berichtet Pastor Friedrich von Bodelschwingh der Jüngere von einem Erlebnis aus seiner frühesten Kinderzeit:
Eines Nachts wacht er auf und wird von einer unheimlichen Angst befallen. Seiner nur wenig älteren Schwester geht es ebenso. Es ist den beiden, als fiele alles Schwere und Traurige der Welt wie eine Welle über sie her. Schließlich wissen sie in ihrer Not keinen anderen Rat mehr, als sich zu den Eltern zu flüchten. Gepeinigt vom Spiel ihrer erregten Phantasie und zitternd vor Furcht tasten sie sich durch zwei dunkle Zimmer hindurch, um in die Wohnstube zu gelangen, wo noch Licht brennt. Endlich sind sie am Ziel. Nun berichtet er wörtlich weiter:
„Als ich dann meinen Vater am Tisch sitzen sah..., als er seinen Arm nach mir ausstreckte und mich auf seinen Schoß nahm, da war auf einmal alles wieder gut. „Was willst Du denn, mein Junge?“ fragte er mich. Da hatte ich alle Not vergessen, da hatte ich gar keine einzelnen Wünsche mehr. „Vater“, sagte ich, und dicke Tränen liefen mir über das Gesicht: „Vater, ich wollte nur zu Dir.“
Vielleicht denken manche gerührt: eine Kindergeschichte - und lächeln dazu. Mir scheint, dass diese Geschichte für uns alle eine tiefe Bedeutung hat.
Beten heißt zutiefst zugeben, dass wir diesen Kindern recht ähnlich sind. Wer kennt nicht die Erfahrung der Angst, der Niedergeschlagenheit? Wir wissen doch alle, dass das Leben höchst gefährlich ist.
Beten heißt zum anderen, dass wir tun können, was diese Kinder taten: zum Vater gehen. Ich wünsche mir und Ihnen, dass wir neu Mut gewinnen, den Weg der Kinder zum Vater zu gehen, den Weg aus der Nacht der Angst hin in die Arme des Vaters.
Wir hören dazu ein Schriftwort aus Jesaja 55, die Verse 6, 8 und 9:
6 Suchet den HERRN, solange er zu finden ist; rufet ihn an, solange er nahe ist. 8 Denn meine Gedanken sind nicht eure Gedanken, und eure Wege sind nicht meine Wege, spricht der HERR, 9 sondern soviel der Himmel höher ist als die Erde, so sind auch meine Wege höher als eure Wege und meine Gedanken als eure Gedanken.
Suchet den Herrn!
Dieser Ruf ist eine Aufforderung und eine Einladung und er gilt auch uns heute und hier: Suchet den Herrn! Was heißt das: „Suchet den Herrn!“?
Es geht hier nicht um ein gedankliches Tasten und Grübeln, nicht um ein zielloses Umherirren. So finden wir Gott nicht. Es geht um die Zuwendung des Herzens und des Willens zu Gott. Suchet den Herrn - das ist zu verstehen als:
Aufsuchen, aufstehen, sich auf den Weg machen.
Wo suchen wir Christen Gott? Wo ist Gott zu finden? Darauf hören wir viele und verschiedene Antworten:
- gewiss auch in der Natur,
- gewiss auch in den Spuren der Geschichte,
- gewiss auch auf dunklen und hellen Strecken unseres Lebens,
- gewiss auch in der Tiefe der Seele und im Innersten, in dem, was einen jeden von uns bewegt.
Aber ganz und wirklich finden wir Gott nur in Jesus Christus. Gott machte sich auf, um mit uns Verbindung aufzunehmen. Als er in unsere Zeit und unseren Raum kam, da war Gott nicht nur der ganz Andere, jetzt kam er sogar in ungöttlicher Gestalt. Er, der Erhabene, erniedrigte sich. Gott wurde Mensch wie wir. Gott lebte unser Leben. Er stellte sich auf die Seite derer, die sonst nicht im Mittelpunkt stehen. Er kümmerte sich um die Schwachen, die Kranken, die Ausgestoßenen und ließ sie etwas von der Liebe Gottes spüren.
Ja, er war ihnen Mitmensch. Wie diese wurde er gedemütigt, verhöhnt, verabscheut und schließlich vernichtet. Er durchschritt die Höhen und Tiefen unseres Lebens. Er erlebte Leiden und Schmerzen, Verachtung und Verzweiflung, Hoffnungslosigkeit und Todesangst. Gott kommt zu uns als der Gekreuzigte. So zeigt er uns seine verborgenen Gedanken und Wege. Denn gerade so ist er uns nah und begegnet uns. Da ist Gott mit uns. Wenn wir uns an diesen Gott halten und ihm unser Vertrauen schenken, dann wird er uns durch Leid und Tod hindurch zu einem neuen Leben geleiten.
Ja, es ist doch so: ganz und wirklich finden wir Gott nur in Jesus Christus:
- da sehen wir, wie er ist,
- da kommt er uns ganz nahe,
- da ist er uns nahe in Wort und Sakrament-
- da ist er mit uns als Gemeinde.
Rufet ihn an!
Das dürfen wir ganz wörtlich nehmen. Wir dürfen wirklich rufen und schreien. Das Alte Testament kennt kaum das Wort „Gebet“! Das finde ich ganz wichtig! Die Psalmen wählen andere Ausdrücke dafür, wie: ich schreie, ich schütte mein Herz aus, ich klage, ich weine, ich seufze, ich hadere, ich lobe, ich tanze, ich singe...
Hier geht es also nicht um ein wohltemperiertes Sprechen. Beten ist die Äußerung meines Herzens, so wie es mir gerade zumute ist. Gott ist dabei der nächste und beste Freund, mein Vater, dem ich alles, ja alles sagen, hinschreien, klagen und erzählen kann.
Ich möchte Sie heute ermutigen: beginnen Sie neu zu Gott zu rufen und ihm Ihr ganzes Leben hinzuhalten. „Suchet den Herrn“! „Rufet ihn an!“ Ich könnte jetzt auch sagen; Betet!
Haben Sie gemerkt, dass es ich hier um eine Aufforderung, ja, um einen Befehl handelt? Das heißt also: tut es, wartet nicht noch lange, fangt an, lasst nicht nach, hört nicht auf!
Aber die Frage bleibt: „Wie heute beten?“
Ich meine so:
- wie mir zutiefst ums Herz ist;
- wie zu einem Freund, zu meinem besten Freund;
- laut und leise;
- allein und mit anderen; mit den alten Worten der Kirche, die mich tragen können in der Gebetskraft vieler Jahrhunderte;
- oder mit den allerpersönlichsten Worten, die nur ich in meiner Situation finden kann.
Heute beten! Verschieben Sie es nicht auf gelegenere Zeiten. Wenn ich nicht zur gelegenen Zeit bete, bete ich auch zur ungelegenen Zeit nicht.
Und wenn einer sagt: es geht mir gut, ich komme allein zurecht - das Gebet ist etwas für die Tage der Not! Das Sprichwort „Not lehrt beten“ stimmt oft nicht. Wer nicht in guten Zeiten beten lernt, kann nicht damit rechnen, es in bösen Zeiten zu können. Wer nicht regelmäßig betet, wird auch bald nicht mehr unregelmäßig beten.
Was hindert uns oft zu beten, zu Gott zu reden wie zu unserem liebsten, zu unserem besten Freund?
Drei Störungen fallen mir dazu ein:
- unsere Vergesslichkeit
- unsere Verzagtheit
- unsere Enttäuschung
Unsere Vergesslichkeit:
Die meisten Menschen haben so viel zu tun und so wenig Zeit. Viele sind geplagt, gehetzt und verplant. Manche sagen: Beten ist etwas für Kinder und für die Alten. Der Apostel weiß es im l. Timotheus-Brief besser: er spricht die Männer an, dass sie die Hände aufheben sollen zum Herrn. Nicht nur die Schwachen, auch die Starken sind aufgerufen zum Gebet. Nicht nur die Jungen und die Alten, sondern auch die Männer und Frauen auf der Höhe ihrer Jahre. Es gibt nichts Wichtigeres für uns als das Gespräch mit unserem himmlischen Vater.
Und da ist unsere Verzagtheit:
Da sagt einer: Gott ist so groß und ich bin so klein. Wie soll ich ihm wichtig sein mit meinen kleinen, alltäglichen Sorgen? Ich will weder Menschen noch Gott mit meinen kleinlichen Problemen belästigen. Was ist dazu zu sagen?
Gott will, dass wir mit allem, ja wirklich mit allem, was wir sind und haben, zu ihm kommen. Er wartet darauf, er bittet uns sogar darum! Wir dürfen alles, wirklich alles vor Gott bringen, auch alles Äußerliche und alles scheinbar Belanglose. Wir dürfen auch das Unrechte und das Verdorbene vor ihm ausbreiten. Er weiß auch um unsere Schuld und darum, dass es oft innen ganz anders aussieht, als wir uns äußerlich geben.
Und da ist noch unsere Enttäuschung:
Das ist vielleicht die größte Schwierigkeit für uns. Wir haben gebetet, und unser Gebet wurde nicht erhört:
- da ist ein liebster Mensch gestorben;
- da haben wir eine Lehrstelle, einen Studienplatz, eine Arbeit nicht bekommen, obwohl wir Gott alles anvertraut hatten;
- da sind wir lange Zeit in innerer Dürre geblieben, obwohl wir zu Gott um Hilfe schrieen.
Wurden wir nicht erhört?
Ich möchte bezeugen: Gott hört alle Gebete, ja er erhört alle unsere Gebete und beantwortet sie auch. Damit ist nicht gesagt, dass er die Gebete so beantworten muss, wie wir es für richtig halten. Wie heißt es in unserem Predigttext:
„Meine Gedanken sind nicht eure Gedanken und eure Wege sind nicht meine Wege, spricht der Herr. Sondern so hoch der Himmel über der Erde ist, soviel sind meine Wege höher als eure Wege und meine Gedanken höher als eure Gedanken.“
Ja Gottes Gedanken und Wege haben nichts mit unserer menschlichen Weisheit zu tun. Gottes Gedanken und Wege bleiben für uns ein Geheimnis, das wir von uns aus auch nicht lüften können. Nur wo Gott sich offenbart, nur wo er sich zu erkennen gibt, da können wir von der Größe, der Allmacht, der Unvergleichbarkeit Gottes etwas erahnen. Wer hat schon Einblick in seine Gedanken vor aller Zeit und Welt? Eine Antwort finden wir in der Liedstrophe (EG 165,1):
Gott ist gegenwärtig.
Lasset uns anbeten
Und in Ehrfurcht vor ihn treten.
Gott ist in der Mitte.
Alles ist uns schweige
Und sich innigst vor ihm beuge.
Wenn wir so zu Gott kommen, lernen wir, dass wir ihm vertrauen können. Ihm vertrauen auch auf den Wegen, die er uns führt, auch wenn wir sie nicht verstehen. Dann erfahren wir, dass er uns in seiner Liebe und Fürsorge das gibt, was wir für unsere Leben brauchen und was das Richtige für uns ist. Dann können wir nicht nur die Dinge, die uns erfreuen und glücklich machen, als seine Führung für uns annehmen, sondern auch Schicksalsschläge. Denn unser Leben steht ja in seiner Hand.
Gottes Handeln anerkennen und annehmen, das ist unsere angemessene Antwort auf diese Größe Gottes - auf Gottes Geheimnis.
Gott ist ja der wirklich ganz Andere, der Unvergleichliche. Er ist der Eine und der Einzige, dem wir uns unterstellen. Ihm können wir die Leitung und Fürsorge für uns vertrauen, weil er in seiner Weisheit das Beste für uns weiß.
Ich habe das Zutrauen, dass Gott größer ist, viel größer ist als ich und dass er deshalb viel weiter sieht als ich und dass ich mich seinen Entscheidungen anvertrauen kann und will, auch wenn ich sie mir anders gewünscht habe und sie oft nicht gleich verstehen kann.
Zum Beten gehört ein tiefes Vertrauen, ein Vertrauen, dass mich auch dann durchträgt, wenn ich Gottes Wege mit mir nicht verstehe und wenn ich in Leid und Dunkelheit hinein muss.
Wie heute beten? Lassen Sie es mich so zusammenfassen:
Fangen Sie noch heute ganz neu damit an: ganz einfach, ganz direkt. Reden Sie mit ihm, wie es Ihnen ums Herz ist. Reden Sie zu ihm wie zu einem Freund. Sagen Sie „Du“ zu ihm. Fragen Sie nicht, wie Sie beten sollen: Alle Formen sind recht, wenn sie zu Ihnen und Ihrer Situation stimmen. Und noch zwei Hilfen:
Beten Sie auch für andere Menschen, und beten Sie manchmal nur zur Ehre Gottes. Anders gesagt: die Fürbitte und die Anbetung helfen uns aus unserer Enge, aus dem Drehen um uns selbst.
Und nun noch einmal zurück zur Geschichte des Anfangs:
Friedrich von Bodelschwingh schreibt:
„Als ich dann meinen Vater am Tisch sitzen sah...., als er seinen Arm nach mir ausstreckte und mich auf seinen Schoß nahm, da war auf einmal alles wieder gut. „Was willst Du denn, mein Junge“, fragte er mich. Da hatte ich alle Not vergessen, da hatte ich gar keine einzelnen Wünsche mehr. „Vater“, sagte ich, und dicke Tränen liefen mir dabei über das Gesicht. „Vater, ich wollte nur zu Dir“.
Darauf kommt es an:
- dass wir uns aus der Angst aufmachen und zum Vater geben;
- dass wir laufen, rufen, klopfen, bis die Tür sich öffnet;
- dass wir uns dann in die Arme des Vaters flüchten und seine Stimme hören: „Kind, was willst Du?“
Was bleibt uns dann anders zu antworten als: „Vater ich wollte nur zu Dir, ich will nur bei Dir sein!“ Amen.
Verfasserin: Prädikantin Dagmar Munck, Odenwaldstr. 18, 63128 Dietzenbach
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