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Vom wirklich Wichtigen im Leben

von Florian Bortfeldt (Idafehn)

Predigtdatum : 19.10.2008
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : 21. Sonntag nach Trinitatis
Textstelle : 1. Johannesbrief 2,(7-11).12-17
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Predigt in Königshain am 19.Oktober 2008 (22.S.n.Trin.)
Predigttext: 1.Johannes 2, 7-17
Thema: Vom wirklich Wichtigen im Leben


Liebe Gemeinde,

bestimmt kennen Sie diese Frage: "Was würdest du tun, wenn du wüßtest, daß du nur noch einen Tag zu leben hast". Sie wird immer mal wieder gestellt, in Zeitschriften, Büchern, Gesprächen oder gar in Talkshows. Von den meisten Menschen wird sie eher als eine Scherzfrage verstanden. Denn in der Regel weiß niemand, wann er stirbt, nicht einmal ein Hinrichtungskandidat in einer Todeszelle, z.B. in den USA. Denn sogar eine für morgen beschlossene Hinrichtung kann jederzeit noch durch eine einstweilige Verfügung verschoben werden. Also lautet die Antwort oft so: "Wenn ich noch einen Tag zu leben hätte, dann würde ich noch mal so ´ne richtige Sause machen. Kaviar und Champagner im Überfluß, alles Geld verprassen, genau getreu dem biblischen Motto "Lasset uns essen und trinken, denn morgen sind wir tot." Es gibt sogar lustige Kinofilme, die sich dieses Themas annehmen. Vor Jahren spielten die bekannten Schauspieler Til Schweiger und Jan Josef Liefers zwei Männer, die mit schweren Krebserkrankungen nur noch kurze Zeit zu leben haben ("Knocking on heavens door"). Weil der Film meines Erachtens die schweren und schlimmen Krankheiten verharmlost, können hier zwei Todkranke ihre letzten Lebenstage frei von allen Gesetzen völlig außer Rand und Band genießen.
Die Wirklichkeit aber des Sterbens ist eine andere, das wissen besonders die, die einen sterbenden Menschen begleitet haben. Und in Wirklichkeit ist auch die Frage "Was würdest du tun, wenn du nur noch einen Tag zu Leben hättest" eine viel tiefere Frage: Nämlich die: "Was würdest du tun, wenn du nur noch kurze Zeit zu leben hättest". Und das ist keine Scherzfrage, sondern eine echte Frage, die jeden von uns jederzeit betreffen kann, wenn uns z.B. eine niederschmetternde Diagnose bei einem Arztbesuch erreicht. Wer überraschend erfährt, daß er nur noch kurze Zeit zu leben hat, geht meist durch eine tiefe Phase der Auflehung und Verzweiflung. Es kann aber auch sein - und auch daß habe ich als Seelsorger schon oft erlebt - , daß er die letzten Monate als geschenkte Zeit erlebt. Daß er endlich viel Zeit mit seinen Kindern und Enkeln verbringen kann. Daß sie anfängt, ihren Nachlass zu regeln und - wie man so schön sagt - ihr Haus zu bestellen. Daß er sich vielleicht zum ersten mal in seinem Leben ernsthaft Gedanken über die Frage macht, welche Rolle Gott eigentlich in seinem Leben bisher gespielt hat und jetzt spielt. In einem Gebet der Glaubensväter heißt es: "Herr, bewahre uns vor bösem, schnellen Tod." D.h. vor einem Tod, der es unmöglich macht, sich zu verabschieden und noch dies und das zu regeln. Und womöglich vor einem Tod, der es verhindert, mit Gott ins Reine zu kommen.
Warum aber erzähle ich Ihnen das alles, liebe Gemeinde? Warum beginne ich diese Predigt mit einer Abhandlung über das Sterben? Schließlich ist der Toten- bzw. Ewigkeitssonntag, der sich intensiv mit Sterben, Tod und Ewigkeit beschäftigt, doch erst in 5 (3) Wochen. Wir nähern und zwar mit Riesenschritten dem Ende des Kirchenjahres, aber das eigentliche Thema dieser Predigt ist noch nicht Sterben und Tod. Sondern das Thema heißt - ich habe es am Anfang schon benannt - "Vom Wirklich wichtigen im Leben". Es geht darum, wie wir unser Leben gestalten, wenn die Zeit knapp und kostbar ist. Wenn wir ahnen, daß wir nicht viel Zeit oder nicht mehr viel Zeit haben. Und wenn wir uns fragen: Was bleibt eigentlich von dem bestehen, was wir sind, schaffen und erleben? Um all das geht es auch in unserem heutigen Predigttext aus dem 1.Brief des Johannes im 2.Kapitel. Ich lese die vorgeschlagenen Verse 7-17:

7 Meine Lieben, ich schreibe euch nicht ein neues Gebot, sondern das alte Gebot, das ihr von Anfang an gehabt habt. Das alte Gebot ist das Wort, das ihr gehört habt.
8 Und doch schreibe ich euch ein neues Gebot, das wahr ist in ihm und in euch; denn die Finsternis vergeht und das wahre Licht scheint jetzt.
9 Wer sagt, er sei im Licht, und hasst seinen Bruder, der ist noch in der Finsternis.
10 Wer seinen Bruder liebt, der bleibt im Licht, und durch ihn kommt niemand zu Fall.
11 Wer aber seinen Bruder hasst, der ist in der Finsternis und wandelt in der Finsternis und weiß nicht, wo er hingeht; denn die Finsternis hat seine Augen verblendet.
12 Liebe Kinder, ich schreibe euch, dass euch die Sünden vergeben sind um seines Namens willen.
13 Ich schreibe euch Vätern; denn ihr kennt den, der von Anfang an ist. Ich schreibe euch jungen Männern; denn ihr habt den Bösen überwunden.
14 Ich habe euch Kindern geschrieben; denn ihr kennt den Vater. Ich habe euch Vätern geschrieben; denn ihr kennt den, der von Anfang an ist. Ich habe euch jungen Männern geschrieben; denn ihr seid stark und das Wort Gottes bleibt in euch, und ihr habt den Bösen überwunden.
15 Habt nicht lieb die Welt noch was in der Welt ist. Wenn jemand die Welt lieb hat, in dem ist nicht die Liebe des Vaters.
16 Denn alles, was in der Welt ist, des Fleisches Lust und der Augen Lust und hoffärtiges Leben, ist nicht vom Vater, sondern von der Welt.
17 Und die Welt vergeht mit ihrer Lust; wer aber den Willen Gottes tut, der bleibt in Ewigkeit.

Liebe Gemeinde, zwischen uns und den Christen, denen Johannes vor etwas über 1900 Jahren schrieb, besteht neben den vielen Jahrhunderten, die uns trennen, ein besonders fundamentaler Unterschied. Sie rechneten täglich mit der Wiederkunft des auferstandenen Christ, dem gleichzeitig einhergehenden Ende der Welt und mit dem Gericht Gottes über alle Menschen. Wir rechnen damit in der Regel nicht mehr. Jedenfalls leben wir nicht so, als stünde die Wiederkunft Christi unmittelbar bevor. Und mit dem "Ende der Welt" verbinden wir auch in der Regel nicht die sogenannte Parusie - das ist das griechische Wort für die Ankunft Jesu Christi am Ende aller Tage - sondern einen Atomkrieg oder einen zu Ende gedachten Klimawandel. Aber das ist nur theoretisch, auch wenn wir die Auswirkungen des Klimawandels schon heute deutlich spüren können.
Viel näher aber als das Ende der Welt erscheint uns das Ende unseres persönlichen Lebens, denn uns schrecken die täglichen Nachrichten von Katastrophen, Unglücken und dem Tode von uns nahen Menschen auf. In unsrer Gemeinde kam neulich eine junge Frau von 39 Jahren vom Brötchenholen und brach tot vor ihrer Haustür zusammen. Einfach so. Vorerkrankungen waren nicht bekannt. So etwas macht nachdenklich. Und auch Angst. Die Zeit, die wir haben, scheint knapp.
Andererseits können uns auch nicht nur mit dem Tod beschäftigen. Denn schließlich müssen wir unserer Verantwortung für das Leben und die Zukunft gerecht werden. Es gilt, Gottes Auftrag für diese Welt zu erfüllen, daß - wie Paulus es im 1.Timotheusbrief formuliert - allen Menschen geholfen werde und sie zur Erkenntnis der Wahrheit kommen (1.Tim 2,3).
Und die Wiederkunft Christi? Es ist einem Christen sicherlich nicht angemessen, dieses Thema zu den Akten zu legen und zu sagen: Das passiert alles sowieso nicht. Tatsächlich kann der Herr morgen wiederkommen. Hat er nicht auch selber gesagt: Das sollt ihr aber wissen: Wenn ein Hausherr wüßte, zu welcher Stunde der Dieb kommt, so ließe er nicht in sein Haus einbrechen. Seid auch ihr bereit! Denn der Menschensohn kommt zu einer Stunde, da ihr´s nicht meint (Lk 12,39-40).
Andererseits können wir nicht verleugnen, daß seit Jesu Wirken nun bald 2000 Jahre vergangen sind - und die Geschichte dieser Erde kann auch noch weitere 2000 Jahre und mehr weitergehen. Und uns ist aufgetragen, diese Welt verantwortlich zu gestalten. Da können wir uns nicht ängstlich zurückziehen und sagen: Ich mache jetzt nichts mehr und warte nur noch auf den Herrn. Genauso, wie wir nicht sagen können: Es gibt soviele Unglücke und Katastrophen, ich gehe nicht mehr aus dem Haus. Denn auch zu Hause kann einem bekanntlich ein Unglück treffen.
Liebe Gemeinde, egal, wann Jesus wiederkommt, morgen oder in zweitausend Jahren, egal auch, wann wir sterben, morgen oder in 30 Jahren, eines steht fest, unsere Zeit ist begrenzt. Einmal wird allem ein Ende gesetzt:
Selbst was Menschen für die Ewigkeit bauen, hat keinen Bestand. Als ich im Sommer 1989 vor der Berliner Mauer stand, da war für mich klar, daß sie auch noch da stehen wird, wenn ich längst zu Staub zerfallen bin. Und dann stand sie noch genau 5 Monate.
Als viele tausend Menschen, viele Firmen, Organisationen und sogar unsere Oldenburgische Kirche viel Geld den Lehman-Brothers in New York anvertrauten, der drittgrößten Bank des mächtigsten Landes der Erde, da hätten Fachleute ihre Hand dafür ins Feuer gelegt, daß das eine wirklich sichere Anlage ist. Und jetzt ist alles futsch.
Liebe Gemeinde, das ist eine der vielen bleibenden Wahrheiten unseres heutigen Predigttextes: die Welt vergeht mit ihrer Lust. In der Guten Nachricht heißt es noch konkreter: Die Welt vergeht, und mit ihr die ganze Lust und Gier.
Und es ist die entscheidende Frage, wie wir mit dieser Tatsache umgehen. Auf wen setzen wir unser Vertrauen in stürmischen Zeiten, wenn alles in Frage steht? Wer kann garantieren, daß etwas bleibt? Das haben wir wohl alle aus den letzten Tagen und Wochen gelernt. Banken und Versicherungen können es nicht. Auch der Staat kann es nicht, der kann höchstens Bürgschaften vergeben. Menschen an sich können es nicht.
Daß es letztlich nicht finster in unserem Leben wird, daß kann allein Gott schenken. Johannes wird noch konkreter und sagt: Die Finsternis vergeht und das wahre Licht scheint jetzt. Schon jetzt kann es hell werden in unserem Leben. Schon jetzt scheint das Licht der Ewigkeit hinein in diese Zeit, hinein in unser Leben. Und dieses Licht, es scheint u.a. dadurch, daß es uns die Kraft gibt zu lieben. Das Wesen des Glaubens ist die Liebe, die Liebe zum Bruder und zur Schwester, aber auch die Nächstenliebe überhaupt.
Fundament all dessen aber ist, daß wir nicht nur irgendeinen Gott haben. Sondern daß wir einen Vater haben. Einen himmlischen Vater, der seine Kinder liebt. Er ist das Fundament unseres Vertrauens. Ihr kennt den Vater (V.14), schreibt Johannes. Und wer den Vater kennt, der darf Vertrauen haben. Das Vertrauen, daß Gott uns gewollt hat. Daß unser Leben einen Sinn hat. Das Vertrauen, daß etwas bleibt von uns und unserem Leben. Das Vertrauen, daß unser Leben ein Ziel hat. Beten wir, daß wir dieses Ziel erreichen. Sei es nun morgen oder in 30 Jahren. Oder wenn der Herr wiederkommt. Das allein ist es, worauf es letztlich ankommt. Das allein ist das wirklich Wichige im Leben. Amen.