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Wachsam sein

von Mechthild Böhm (55122 Mainz)

Predigtdatum : 20.11.2016
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : Letzter Sonntag des Kirchenjahres: Ewigkeitssonntag
Textstelle : Offenbarung 21,1-7
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Wochenspruch:
"Lasst eure Lenden umgürtet sein und eure Lichter brennen." (Lukas 12, 35)

Psalm: 126, 1 - 2. 5 - 6

Lesungen
Altes Testament: Jesaja 65, 17 - 19 (20 - 22) 23 - 25

Epistel: Offenbarung 21, 1 - 7

Evangelium: Matthäus 25, 1 - 13

Liedvorschläge
Eingangslied: EG 450, 1 - 3 Morgenglanz der Ewigkeit
Wochenlied: EG 147, 1 + 2 Wachet auf, ruft uns die Stimme
Predigtlied: EG 154, 1 - 3 Herr, mach uns stark im Mut
Schlusslied: EG 450, 4 + 5 Morgenglanz der Ewigkeit

Hinführung
Der Gottesdienst am Ewigkeitssonntag ist beides:
Kasualgottesdienst und Gemeindegottesdienst. Menschen kommen, die im vergangenen Kirchenjahr eine/n Angehörige/n verloren haben, die mit dem Tod eine sehr konkrete, manchmal noch sehr nahe Erfahrung vor Augen haben, die sich an die Beerdigung (Kasus) erinnern. Menschen kommen, die - noch und wieder - trauern. Für diese Menschen bestimmt die Vergangenheit stark die Gegenwart. Andere Gemeindeglieder haben eine ganz andere Perspektive. Für sie kündigt sich schon der Advent an. Die Botschaft vom neuen Himmel und der neuen Erde lässt eine Zukunft ahnen, die jetzt schon die Gegenwart erhellt, - und auch den grauen November mit seinem Totengedenken.

Beides möchte die Predigt bedenken.
In beide Richtungen soll der Trost zum Tragen kommen, den der Seher Johannes seiner Gemeinde zur Zeit der Christenverfolgung unter Domitian (93 - 95 n. Christus) zusprechen wollte. Trotz allem: Gott wird sich am Ende durchsetzen. Wenn das kein Trost ist!

Die Predigt will den Text der Offenbarung aus der engen Bindung an den Kasus Beerdigung herausführen in eine weite und frohe Verkündigung von Ewigkeit. Denn hier ist nicht der einzelne und individuelle Tod vor Augen, sondern der neue Himmel und die neue Erde, die Zukunft für alle Menschen. Der Tod wir nicht mehr sein.

Predigttext Offenbarung 21, 1 - 7
„Und ich sah einen neuen Himmel und eine neue Erde; denn der erste Himmel und die erste Erde sind vergangen, und das Meer ist nicht mehr. Und ich sah die heilige Stadt, das neue Jerusalem, von Gott aus dem Himmel herabkommen, bereitet wie eine geschmückte Braut für ihren Mann.

Und ich hörte eine große Stimme von dem Thron her, die sprach: Siehe da, die Hütte Gottes bei den Menschen! Und er wird bei ihnen wohnen und sie werden sein Volk sein und er selbst, Gott mit ihnen, wird ihr Gott sein; und Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein; denn das Erste ist vergangen. Und der auf dem Thron saß, sprach: Siehe, ich mache alles neu! Und er spricht: Schreibe, denn diese Worte sind wahrhaftig und gewiss! Und er sprach zu mir: Es ist geschehen. Und ich bin das A und das O, der Anfang und das Ende. Ich will den Durstigen geben von der Quelle des lebendigen Wassers umsonst. Wer überwindet, der wird alles ererben, und ich werde sein Gott sein und er wird mein Sohn sein.“


Predigt

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen. Amen

Liebe Gemeinde,

Trost für gestern
Vielen von Ihnen ist der Tod im vergangenen Jahr sehr nah gekommen. Ein Mensch, der Ihnen nah war, den Sie lieb hatten, ist gestorben. Manchmal jäh und überraschend. Da war keine Zeit für einen Abschied. Und erst langsam müssen Sie begreifen, was da geschehen ist, und damit leben lernen. Manchmal aber stand der Tod auch am Ende von langem Leiden, war am Ende erwartet, vielleicht sogar ersehnt, und erschien als Erlösung.
Sie denken an einen ganz besonderen Menschen und daran, was dessen Tod für Sie bedeutet.

Verlust. Da fehlt jemand und hat eine schmerzliche Lücke hinterlassen. Was bleibt mir?
Ratlosigkeit. Warum nur musste das geschehen? Was kann ich hoffen?
Erleichterung. Es ist gut, dass Last und Leiden nun zu Ende sind.
Erinnerung. Was will ich mir bewahren? Mit Dankbarkeit? Oder voll Wut und Enttäuschung?

Der Tod ist sehr nah gekommen. Und heute tut er das noch einmal. Ich glaube, nicht nur den Angehörigen der Verstorbenen aus unserer Gemeinde, sondern uns allen kommt er nah. Mit dem Tod sind wir so vielfältig konfrontiert.

Ich glaube, jeder und jedem hier begegnet er. In ganz persönlichen Erfahrungen: Dass ein Mensch so sehr fehlen kann. Dass die eigenen Kräfte so sehr abnehmen. Dass eine Beziehung auseinander gegangen ist. Dass wir uns plötzlich nichts mehr zu sagen haben. Aber auch diese allgemeinen und weltumspannenden Erfahrungen: dass Menschen zu bestialischen Morden in der Lage sind. Dass Frieden kaum möglich scheint. Dass Arme und Reiche sich immer weiter voneinander entfernen. Dass Gewalt sich durchsetzt.
So begegnet der Tod.

Da werden viele Tränen vergossen. Oft im Stillen. Entsetzen und Fassungslosigkeit machen sich öffentlich breit. Immer wieder haben mir Menschen im vergangenen Jahr gesagt „Ich mag schon gar keine Nachrichten mehr ansehen.“ Das Leid und das Geschrei in der Welt sind zu groß.

Gott verspricht: er wird alle Tränen abwischen. Wie eine Mutter ihr Kind tröstet. Sie nimmt es in die Arme und dann dürfen die Tränen auch erst mal laufen. Tränen über das aufgeschlagene Knie. Aber auch Tränen über den Verlust eines lieben Menschen. Tränen über das eigene Versagen. Tränen über den Zustand der Welt. Aber dann will Gott die Tränen abwischen. Alle Tränen. Das heißt doch auch: Gott nimmt jede Träne ernst. Denn jede Träne bedauert das Leiden und ersehnt, dass es anders wird. Jede Träne enthält eine Ahnung, wie es werden könnte. Heil. Und friedlich. Durch Gott. Und durch seine Menschen.
Und so manche Träne enthält die Bitte: „Mein Gott, erbarme dich.“
Und Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein, denn das Erste ist vergangen.

Trost für heute
Im Beerdigungsgespräch erzählt mir ein Mann vom Tod seiner Mutter im Pflegeheim. Wie schwer es war, mit anzusehen, wie sie immer schwächer wird, nicht mehr essen möchte, Schmerzen erleidet. „Sie hat so auf ihren Tod gewartet“, sagt er. „Da frag ich mich schon, wie ich mal sterben werde. So will ich es jedenfalls nicht!“

Die Frage ist sehr präsent: Wie werde ich und wie will ich einmal sterben? Gerade in der Diskussion um die gesetzliche Regelung der Strebehilfe hat diese Frage viele Menschen sehr beschäftigt. Die meisten wünschen sich ein schmerzfreies und selbstbestimmtes Ende.
„Mein Ende gehört mir!“, mit diesem Slogan hat das eine Kampagne auf den Punkt gebracht, die für das Recht auf Sterbehilfe eintritt.

Wie werde ich einmal sterben? Wie will ich einmal sterben?
Den wenigsten wird das gütige Schicksal des Schlagersän-gers Udo Jürgens vergönnt sein, der mit 80 Jahren beim Sonntagsspaziergang mit Seeblick einfach tot zusammen-brach.
Am liebsten Zuhause, im Kreis lieber Menschen, vorbereitet und ohne Schmerzen. So würden sich die meisten Menschen ihr Sterben wünschen
Die Realität sieht anders aus. Die meisten Menschen sterben im Krankenhaus, auf der Intensivstation oder im Pflegeheim.

Wie möchte ich einmal sterben? Leider sprechen die wenigsten Menschen darüber. Das ist verständlich. Denn das Thema ist unangenehm. Mit Angst besetzt. Und für viele Christenmenschen spielt natürlich auch der Glaube eine Rolle, dass Gott es ist, der Leben und Tod in der Hand hat. Nicht wir selbst.
Aber es gibt durchaus Fragen, die wir bedenken und auch beantworten können.

- Was war mir im Leben wichtig und was wird mir am Lebensende noch wichtig sein?
- Wen will ich noch einmal sehen?
- Mit wem will ich mich noch einmal aussprechen?
- Was will ich zurücklassen als persönliche Erinnerungen?
- Was ist mein Vermächtnis für meine Familie und meine Freunde?

Wenn Sie anfangen, über diese Fragen nachzudenken, werden Sie merken, dass sie natürlich zuerst gedanklich an das Lebensende führen. Aber zugleich führen diese Fragen mitten hinein ins Leben.
Der Sozialphilosoph Franco Rest nennt die Beschäftigung mit diesen Fragen eine „spirituelle Patientenverfügung.“

Fragen – und Antworten wagen – mitten im Leben:
Warum nicht hier und heute sagen, wen ich liebe und was ich liebe. Was ich bereue. Und was ich weitergeben will? Wenn ich das meine Familie wissen lasse, wenn ich mit meinen Freundinnen darüber spreche, kann das eine große Bereicherung sein. Was mir am Lebensende wichtig sein wird, ist dann auch mitten im Leben präsent. Wie gut ist es, auszusprechen, was wunderbar ist und was schmerzlich bleibt. Wie gut ist es, zu teilen: das Leben ist schön – und unvollkommen, mein Leben ist ein Segen – und eine Herausforderung.

Und: dieses Leben ist noch nicht alles! Wunderbar in aller Zerbrechlichkeit und Vorläufigkeit. Eingebettet in eine große Hoffnung:
Gott spricht: Siehe, ich mache alles neu!

Trost für morgen
Was ist und was bleibt mir wichtig? Was ist mir geglückt und was habe ich vermasselt, was versäumt? Das sind nicht nur Fragen am Lebensende. Wo wir diese Fragen mitten im Leben stellen, da öffnen sie schon den Blick auf das, was wir ersehnen und erhoffen. Keine Tränen mehr. Kein Leid. Kein Geschrei. Kein Schmerz. Nicht nur in meinem Leben. Sondern für die ganze Welt.

Die Bilder, die der Seher Johannes uns vor Augen führt, können ihre Kraft schon hier und jetzt entfalten.
Und wir dürfen daran mittun. Wir können uns auf den Weg machen. Selbst Tränen trocknen. Versuchen Schmerz zu lindern – oder mitzutragen. Leid wahrnehmen – und, wo wir können, lindern. Ruhe in das allgemeine Geschrei bringen. Ja, und auch das: von der Hoffnung sprechen, die uns erfüllt und die wir erwarten. Hoffnung weitergeben.
Wir sind unterwegs zu einem Ziel, das die Gegenwart jetzt schon erhellt. Gottes Ewigkeit kann in unserer Zeit schon aufschienen.

Und das gilt nicht nur für Einzelne. Der Seher Johannes sieht: die Hütte Gottes bei den Menschen.
Wie ein Freund, wie eine Nachbarin, Tür an Tür, so will Gott bei den Menschen sein. Nicht nur bei den Christenmenschen, sondern bei allen. Das wird der Himmel auf Erden sein. Wenn sein Trost alle erreicht. Wenn seine Nähe alles heilt. Wenn sein Wille alle bewegt. Wenn alles neu wird.

Ich stelle mir vor: in der Nähe dieser Hütte Gottes werden auch wir wohnen. Dahin sind wir unterwegs. Amen.

Und der Friede Gottes, welcher höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen



Verfasserin: Pfarrerin Mechthild Böhm
Im Münchfeld 2, 55122 Mainz

Herausgegeben vom

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