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Wachsam sein

von Michael Erlenwein (Schifferstadt)

Predigtdatum : 25.11.2018
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : Letzter Sonntag des Kirchenjahres: Ewigkeitssonntag
Textstelle : Jesaja 65,17-19(20-22)23-25
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Wochenspruch: "Lasst eure Lenden umgürtet sein und eure Lichter brennen." (Lukas 12, 35)

Psalm: 126, 1 - 2. 5 - 6

Lesungen

Reihe I: Matthäus 25, 1 - 13
Reihe II: Offenbarung 21, 1 - 7
Reihe III: Lukas 12, 42 - 48
Reihe IV: Jesaja 65, 17 - 19 (20 - 22) 23 - 25
Reihe V: Markus 13, 31 - 37
Reihe VI: 2. Petrus 3, (3 - 7) 8 - 13

Liedvorschläge

Eingangslied: EG 152 Wir warten dein o Gottes Sohn
Wochenlied: EG 147 Wachet auf, ruft uns die Stimme
Predigtlied: EG 150, 1 – 2 (+ 6 - 7) Jerusalem, du hochgebaute Stadt
Schlusslied EG 426 Es wird sein in den letzten Tagen oder EG 171 Bewahre uns Gott

Predigttext Jesaja 65, 17 - 19 (20 - 22) 23 – 25

Neuer Himmel und neue Erde

17 Denn siehe, ich will einen neuen Himmel und eine neue Erde schaffen, dass man der vorigen nicht mehr gedenken und sie nicht mehr zu Herzen nehmen wird.

18 Freuet euch und seid fröhlich immerdar über das, was ich schaffe. Denn siehe, ich erschaffe Jerusalem zur Wonne und sein Volk zur Freude, 

19 und ich will fröhlich sein über Jerusalem und mich freuen über mein Volk. Man soll in ihm nicht mehr hören die Stimme des Weinens noch die Stimme des Klagens. 

20 Es sollen keine Kinder mehr da sein, die nur einige Tage leben, oder Alte, die ihre Jahre nicht erfüllen, sondern als Knabe gilt, wer hundert Jahre alt stirbt, und wer die hundert Jahre nicht erreicht, gilt als verflucht.

21 Sie werden Häuser bauen und bewohnen, sie werden Weinberge pflanzen und ihre Früchte essen.

22 Sie sollen nicht bauen, was ein anderer bewohne, und nicht pflanzen, was ein anderer esse. Denn die Tage meines Volks werden sein wie die Tage eines Baumes, und ihrer Hände Werk werden meine Auserwählten genießen.

23 Sie sollen nicht umsonst arbeiten und keine Kinder für einen frühen Tod zeugen; denn sie sind das Geschlecht der Gesegneten des HERRN, und ihre Nachkommen sind bei ihnen.

24 Und es soll geschehen: Ehe sie rufen, will ich antworten; wenn sie noch reden, will ich hören.

25 Wolf und Lamm sollen beieinander weiden; der Löwe wird Stroh fressen wie das Rind, aber die Schlange muss Erde fressen. Man wird weder Bosheit noch Schaden tun auf meinem ganzen heiligen Berge, spricht der HERR.

Zum Träumen schön ist das, liebe Gemeinde.

Man kann die Augen schließen und sich vorstellen: Was wäre wenn? Was wäre, wenn das die Wirklichkeit wäre? Was wäre, wenn alles in Ordnung wäre? Weder Weinen noch Klagen sind zu hören. Kein Leid, keine Trauer und keine Schmerzen gibt es mehr. Die Menschen leben friedlich miteinander. Sie bauen Häuser für sich und ihre Familien und niemand macht sie ihnen streitig oder brennt sie nieder. Die Früchte ihrer Hände Arbeit werden sie ernten und genießen. Selbst die Tierwelt wird mit eingeschlossen sein: Wolf und Lamm werden neben-einander wohnen und der Löwe Stroh fressen wie das Rind. Die Tage des Menschen werden sein wie die Tage eines Bau-mes: Langsam aber stetig wachsend. Jedes Jahr gewinnt er mehr an Stärke, Kraft und Weisheit. Die Wurzeln reichen tief in die Erde, kein Sturm kann ihn aushebeln. Das Leben wird lang sein und es wird erfüllt sein: Lebenserfahrung verwan-delt sich in Weisheit und am Ende kann man lebenssatt ster-ben.

Man kann die Augen schließen und träumen: Was wäre wenn?

Vielleicht sollte man den heutigen Sonntag umbenennen: Statt „Ewigkeitssonntag“ oder „Totensonntag“, wie er offiziell heißt, sollte man ihn „Traumsonntag“ oder „Hoffnungssonn-tag“ nennen. Die Texte und Lieder, die man heute hört und singt, weisen in eine ähnliche Richtung: Der Psalm 126 sehnt sich danach, wenn wir sein werden wie die Träumenden und  unser Mund voll Lachens und unsere Zunge voll Rühmens sein wird. Das Buch der Offenbarung sieht die Hütte Gottes bei den Menschen stehen und ihn abwischen alle Tränen. In Jerusalem der hochgebauten Stadt singt man sich voller Sehnsucht hinein, voller Freude stimmt man mit den En-gelschören das Halleluja für und für an.

All das ist zum Träumen schön – man öffnet die Augen und sieht sich um in dieser Welt: Da können einem dann schon die Tränen kommen. Allerdings sind es keine Freudentränen.

Der Text aus dem Buch des Propheten Jesaja führt uns in einen Abschnitt der Geschichte des Volkes Israel vor ca. 2.500 Jahren, der rund 200 Jahre dauerte. Es ist eine wech-selvolle Geschichte von Untergang und Exil, von Heimkehr und Neuanfang, von Krieg und Frieden, von Zerstörung und Wiederaufbau, von Verzweiflung und Hoffnung.

In dieser Zeit wird das kleine Israel Opfer der es umgebenden Großmächte. Die Großmacht Babylon erobert und besetzt das Land. Wie damals üblich wird die Oberschicht deportiert. Das Heilige Land besetzt, der Tempel, die Wohnung Gottes, ent-ehrt. Der Untergang Jerusalems und die Zerstörung des Tempels werden als Gottes Strafe für die Abkehr von Gottes Geboten und die Hinwendung zu anderen Göttern gedeutet. Die Deportierten bauen sich in Mesopotamien eine neue Existenz auf und stellen ihren Glauben auf eine neue Grund-lage. Man richtet sich ein.

Da taucht eine neue Macht am Horizont auf, Persien. Dessen König Kyros verfolgt eine andere Religionspolitik. Er erlaubt den Verbannten die Heimkehr.

Voller Begeisterung brechen sie auf; jetzt können sie sich wieder auf Gott verlassen. Aber sie kehren in ein immer noch zerstörtes Land zurück. Mittlerweile wohnen andere dort, wo ihre Heimat war, und sie betrachten die Heimkehrer als Eindringlinge. Der Aufbruch war begeisternd und der Alltag mühevoll. Die Begeisterung droht zu ersticken unter der Frage: Wie kann ich den nächsten Tag überleben?

In dieser Situation tritt ein Prophet auf, der den schon wieder Entmutigten eine Vision, eine Utopie schenkt: Die Hoffnung auf blühende Landschaften, einen umfassenden Frieden, ein langes, erfülltes Leben, bewahrte und sichere Heimat, immerwährende Freude. Und nicht erst in einem herbeige-glaubten Jenseits soll das passieren, sondern jetzt in dieser Welt soll alles gut werden. Das soll ihnen Kraft geben und Zuversicht, Lebensmut und den Willen, die Welt und ihr Leben so anzupacken, dass aus dem Traum Wirklichkeit wer-den würde.

Nun, es ist nicht alles gut geworden: Der Aufbruch ver-sandete, blühende Landschaften und ein umfassender Friede kamen nicht. Alles war so gut und so schlecht wie eh und je.

(Der folgende Absatz bezieht sich auf einen Gottesdienst, in dem am Ewigkeitssonntag die Verstorbenen namentlich verlesen werden)

Ich denke, das kennen wir. Viele sind heute hier im Gottes-dienst, für die das vergangene Kirchenjahr ein besonders schweres Jahr gewesen war. Sie haben einen Menschen ver-loren, mit dem sie verbunden sind, mit dem sie ihr Leben geteilt haben: Ehepartner oder Elternteil, Tante oder Onkel, Sohn oder Tochter. Es waren ganz unterschiedliche Leben: Nach einem erfüllten und langen Leben oder weit vor der Zeit. Nach langer Krankheit oder plötzlich und unerwartet. Friedlich eingeschlafen oder erst nach einem schweren Kampf gegangen.

(Hier kann man wieder einsetzen, wenn die Verstorbenen nicht verlesen werden)

Kein blühendes Leben, sondern dürres Land.

Sie alle stehen in besonderer Weise vor der grundlegenden Frage, die wir uns alle früher oder später stellen: Was ist meine Hoffnung? Was ist der Grund und das Ziel meines Le-bens? Vertraue ich auf Gott und seine Liebe und Treue oder habe ich dieses Vertrauen verloren? Was trägt mich? Was ist meine Hoffnung? Was füllt mein Leben aus?

Und es wird sicherlich nicht wenige geben, die zu einer nega-tiven Antwort kommen, für sich selbst weder Vertrauen noch Hoffnung haben, weder Grund noch Ziel finden können.

Über all dem individuellen Schmerz darf auch das Leiden der Welt nicht vergessen werden. Am Ewigkeitssonntag geden-ken wir der Verstorbenen, deren Namen wir kennen und nen-nen. Aber dieser Tag schließt auch die mit ein, die von uns Menschen vergessen werden.

Gott aber erinnert sich an sie:

An die Millionen von Namenlosen, die verhungern, auf ihrer Flucht ertrinken, die im Namen von Religion oder irgendeines anderen höheren Prinzips geopfert, gefoltert oder zerbombt werden.

An die Menschen, die jahrelang in ihrer Wohnung liegen und nicht vermisst werden.

Gegen eine hoffnungslose Welt richten sich diese Bilder aus dem Jesaja-Buch. Sie malen eine Welt und einen Himmel vor Augen, wo Menschen im Einklang mit Gott, mit sich selbst, ihren Mitmenschen und der Schöpfung leben. Eine Welt, in der Freiheit, Reichtum, Sicherheit und Zufriedenheit nicht auf Kosten anderer erkauft werden.

Wer mit offenen Augen durch die Welt geht, weiß, dass es so wie erträumt nicht ist.

Ich kann und will die Trauer und das Leid nicht weg reden, die wir in der Welt sehen und viele in ihrem eigenen Leben erfahren. Kein billiger Trost nach dem Motto: „Jetzt ist es schlimm und traurig und trostlos, aber es wird schon wieder gut werden.“ Sagt man solche oder ähnliche Sätze, dann nimmt man erlittene Schmerzen nicht ernst. Es gibt keine Garantie des guten Ausgangs.

Und doch brauchen wir die Hoffnung, dass es so sein könnte. Und doch brauchen wir etwas, was über das eigene Leben hinaus weist. Der Glaube an den neuen Himmel und die neue Erde, wo Gott abwischen wird alle Tränen, kann Kraftquelle und Wurzelgrund des Lebens sein. Auf diese Hoffnung zu bauen, bedeutet, sein Leben so zu planen und zu träumen, als ob ein guter Ausgang gewiss sei. Und gleichzeitig darum zu wissen, dass alles ganz anders kommen könnte: Dass Leben in die Brüche gehen kann, Sehnsüchte nicht erfüllt werden, Lebenswege in Sackgassen enden. Und viel zu oft Menschen vor der Zeit gehen müssen.

Hoffnung ist risikoreich. Hoffnung verlangt Einsatz. Hoffnung muss erarbeitet werden, damit sie da bleibt.

Hoffnung ist Handwerk.

Hier - in dieser Welt und in diesem Leben – leben wir. Hier wird gesät und geerntet, getröstet und aufgebaut, geliebt und gelebt. Und Gott ist mittendrin dabei.

Die große Verwandlung, das muss nicht unsere Sache sein. Bis zum guten Ende kann es noch ganz schön lang sein.

Wir aber können anfangen, weil wir die Hoffnung haben, dass Gott alles gut macht.

Verfasser: Pfarrer Michael Erlenwein, Langgasse 61, 67105 Schifferstadt


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