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Warten auf den Herrn und seinen Tag

von Holger Kaffka (Erfurt)

Predigtdatum : 08.11.2015
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : Drittletzter Sonntag des Kirchenjahres
Textstelle : Lukas 17,20-24.(25-30)
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Wochenspruch:
"Siehe, jetzt ist die Zeit der Gnade, siehe, jetzt ist der Tag des Heils." (2. Korinther 6, 2)

Psalm: 90, 1 - 14.(15 - 17) (EG 735)

Lesungen
Altes Testament: Hiob 14, 1 - 6

Epistel: Römer 14, 7 - 9

Evangelium: Lukas 17, 20 - 24.(25 - 30)

Liedvorschläge
Eingangslied: EG 450 Morgenglanz der Ewigkeit
Wochenlied: EG 152 Wir warten dein, o Gottes Sohn
Predigtlied: EG 153 Der Himmel, der ist
Schlusslied: EG 241, 8 Du wirst dein herrlich Werk vollenden


(Vorbemerkung: die Predigt kann von zwei Lektoren als Dialogpredigt gehalten werden. Einer spricht die kursiv gesetzten Abschnitte, der andere die normal gedruckten Passagen.)


Liebe Gemeinde,
„Wann sind wir denn endlich da?!“ Kaum ist die Familie losgefahren, tönt es schon von den hinteren Sitzen im Auto, wo die Kinder sitzen. „Wie lange dauert das denn noch?“ – „Ihr müsst euch schon noch ein bisschen gedulden!“, ruft die Mutter beruhigend nach hinten. Aber nach einer Viertelstunde stehen sie im Stau, und das ist es mit der Geduld der Kinder schon wieder vorbei. „Wann sind wir denn jetzt endlich da?“ – „Weiß ich doch auch nicht! Ihr müsst noch ein bisschen warten!“ heißt es von vorn, jetzt schon etwas gereizter. „Och, ich kann nicht mehr warten“, sagt eines der Kinder. „Halb eins vielleicht!“ ruft die Mutter. –„Halb eins, halb eins sind wir da“, singt jetzt das andere Kind, obwohl es die Uhr noch gar nicht lesen kann. Es wird wohl nicht lange dauern, bis die Stimmung bei den Kindern wieder in die andere Richtung kippt. Warten fällt schwer!

Die Pharisäer in unserer Geschichte fragen: „Wann kommt das Reich Gottes?“ Sie fragen den, der ihnen am besten die richtige Antwort geben kann: Jesus. Und ich stelle mir vor, dass sie es sehr ungeduldig fragen: „Wann ist es denn endlich soweit? Wann sind wir denn endlich da? In unseren Schriften steht doch so viel über diese Zeit, wenn das Reich Gottes kommt. Wann ist es denn aber endlich soweit?“

Tatsächlich, in den Heiligen Schriften werden unterschiedlichste Bilder gemalt vom Reich Gottes, von Gottes neuer Welt: Wölfe und Lämmer werden friedlich nebeneinander liegen. Schlangen sollen nicht mehr gefährlich sein. Am Berg Zion werden die Völker im Frieden zusammenkommen. Und Gott wird die Waffen zerbrechen, die den Frieden bedrohen. Er wird denen die Soldatenstiefel ausziehen, die über Menschenleiber hinwegtrampeln und über Leichen gehen. Und da ist auch das berühmte Bild von den Schwertern, die in Pflugscharen um geschmiedet werden. Ein Bild, das der DDR-Friedensbewegung viel Kraft gegeben hat. Und es hat ebenso viel staatliche Repressalien bewirkt. Aber es hat auch mitgewirkt der friedlichen Revolution, am Mauerfall, der sich morgen zum 26. Mal jährt.

Etwas Großartiges haben wir damals in Deutschland und Europa erlebt. Wer dabei war, erinnert sich an die erwartungsvolle Stimmung, vor allem in der DDR: Jetzt wird alles anders. Es ist ja auch wirklich vieles anders geworden. Aber das „Reich Gottes“ ist es nicht geworden. Das hatte auch niemand erwartet. Doch wenigstens, dass die Kirchen in Ostdeutschland wieder wachsen, hatte mancher gehofft.

„Wann – endlich – kommt das Reich Gottes?“ fragen die Pharisäer. Das sind diejenigen unter den Juden, die sich besonders gut auskennen in der Heiligen Schrift. Sie lesen genau nach und bemühen sich, danach zu leben. Denn es gab die Hoffnung: wenn alle Menschen auf der Welt gemeinsam zweimal den Sabbat halten, also zweimal einen ganzen Tag lang treu das Gesetz erfüllten, dann kommt das Reich Gottes.

Wenn sie Recht haben, die Pharisäer, dann hängt es von uns Menschen ab, ob und wann das Reich Gottes kommt, von unserem Tun und Lassen.
Aber Jesus, der so viel von diesem Reich gesprochen hat, der muss es doch nun genau wissen. Wann kommt es, das Reich Gottes?

Die hatten es gut, damals, die Pharisäer. Sie konnten Jesus ganz direkt fragen. Er lebte ja noch mitten unter ihnen. Sie konnten hingehen und ihn fragen und darauf hoffen, dass er ihnen eine Antwort gibt. Damit war doch alles viel einfacher.
Aber wir heute? Wen können wir direkt fragen?

Wenn ich mir die Welt ansehe, dann frag ich mich doch: was ist denn seit Jesus besser geworden? Es gibt Kriege und Hunger und Not und Tod, genauso wie vor Jesus. Ja, viel leicht noch viel schlimmer als in den frühen Zeiten. Ist das Reich Gottes noch weiter weg? Haben 2000 Jahre uns ihm nicht ein Stück näher gebracht? Wie lange dauert es denn noch, bis all die schönen Bilder, von denen die Bibel erzählt, Wirklichkeit werden?

Und Jesus antwortete ihnen und sprach: „Das Reich Gottes kommt nicht so, dass mans beobachten kann; man wird auch nicht sagen: Siehe, hier ist es! oder: Da ist es! Denn siehe, das Reich Gottes ist mitten unter euch.“

Wie das die Pharisäer wohl gehört haben? Das Reich Gottes ist schon da, es ist mitten unter euch. Ihr dürft loslassen, lockerlassen. Ihr dürft euer Herz weit machen. Denn ihr selbst braucht es gar nicht zu erkämpfen. Es liegt nicht an euch, ob es kommt oder nicht. Natürlich ist es gut, den Willen Gottes zu tun. Aber dazu gehört auch, loszulassen, zu empfangen, was Gott mit vollen Händen austeilt.

Das Reich Gottes mitten unter uns, vielleicht sogar in mir drin, wie Martin Luther es übersetzt hat?
Ja, manchmal kenne ich das, da fühle ich mich mittendrin – in Gottes Liebe, in seiner Welt. Wenn ich denke: besser könnt ich es kaum haben: ich habe Arbeit und eine Aufgabe und Zeit, sie anzugehen. Ich sehe einen Sinn in dem, was ich tue, habe Brot genug zum Leben, Menschen genug zum Lieben – was sollte ich mir wünschen für das Reich Gottes? Aber, hat Jesus das so gemeint? Genießt das Leben, seid glücklich und froh, dass es euch so gut geht? Macht euch keine Gedanken darum was noch alles fehlt zu einer perfekten Gotteswelt. Nehmt, was Gott euch jetzt schon schenkt. Sucht die Fülle des Lebens nicht erst in der Ewigkeit. Das Reich Gottes ist mitten unter euch. Hat er das so gemeint?

Zur Beantwortung dieser Frage helfen uns vielleicht noch andere Bilder der Bibel. Jesus spricht auch an anderen Stellen über das Reich Gottes. Er vergleicht es einmal mit einem Senfkorn, das ja so winzig klein ist. Aus diesem Korn wird aber eines Tages einmal ein großer stattlicher Strauch, in dessen Ästen sich die Vögel ihre Nester bauen und in dessen Schatten sich müde Wanderer ausruhen können.

Ein weiteres Bild ist das vom Sauerteig. Das Reich Gottes ist wie Sauerteig, den eine Frau mit ihrer Hände Kraft in einem großen Trog unter den Teig mischt. Über Nacht aber durchsäuert der Sauerteig alles und dann kann die Frau daraus das Brot backen. Es beginnt also ganz klein und unscheinbar – in der Welt, in uns selbst – und es entfaltet ungeahnte Kraft und Ausstrahlung.

Aber es hängt nicht an uns allein. so verstehe ich die Worte Jesu. Ja, das Wesentliche hängt gar nicht von uns ab, sondern von Gott und Gottes Wirken. Und wir können an dieser Stelle nur zusehen, Gott wirken lassen, uns dieser Kraft öffnen und sie in uns, ja vielleicht auch durch uns wirken lassen.

Und was heißt das für mein Leben jetzt und hier? Wie geht das, wie geschieht das, Gottes Wirken, Gottes Reich in dieser Welt zu erleben? Die Welt sieht doch oft so heil-los, so un-heil aus. Und doch ist das Reich Gottes da. Wie geht das zusammen?

Ja, das wär schön, darauf eine fertige, passende Antwort zu haben. Jesus wusste das offenbar, denn er warnt davor, Leuten hinterherzulaufen, die solch schnelle Antworten versprechen. „Und sie werden zu euch sagen: Siehe, da! Oder: Siehe, hier! Geht nicht hin und lauft ihnen nicht nach!“

Die Sehnsucht nach einer perfekten Welt ist groß. Filmhelden retten täglich hundertfach die Welt und die guten Menschen. Die Fernsehwerbung zeigt uns, welche Versicherung, welches Auto, welche Süßigkeit und welches Shampoo uns zu den glücklichsten Menschen der Welt werden lässt. Glücksspieler hoffen auf das große Los und Politiker versprechen den Wohlstand ohne Ende oder befehlen, einem Land den Frieden herbei zu bombardieren.

Ich bleibe lieber bei dem Bild des Senfkorns und des Sauerteiges. Das Reich Gottes ist da. Wenn auch klein und unscheinbar. Aber mitten unter uns. Lasst uns den Boden graben, damit aus dem kleinen Senfkorn Gottesreich ein großer Stauch werden kann und lasst uns den Teig kneten, damit der Sauerteig Gottesreich unser ganzes Leben durchdringen und bereiten kann.

Jesus hat uns gezeigt, wie das geht. In der Bibel können wir es nachlesen. In unserem Alltag können wir es mit anderen gemeinsam ausprobieren. Im Gottesdienst und Gebet können wir uns dazu die Kraft holen.
Amen

Fürbittengebet
Wir sind für mehr da als für den Stumpfsinn des Alltags. Dein Name, Gott, soll geheiligt werden. Wir aber lassen uns oft gedankenlos treiben. Wir nehmen diese Welt für selbstverständlich hin. Wir wehren uns gegen deinen Anspruch auf unser Leben.
Überwältige uns, Gott. Du kannst uns ändern. Öffne uns für deine verborgene Gegenwart. Lass uns das Staunen von neuem lernen. Mach uns bescheiden. Mit Ehrfurcht vor deinem Namen rufen wir dich an: Kyrie eleison.

Wir sind für mehr da als für den raschen Augenblick. Dein Reich, Gott, soll kommen. Wie tun wir uns so schwer mit Liebe und Gerechtigkeit. Wie stoßen wir so schnell an Grenzen unserer Kraft. Wie bringen wir uns häufig zur Verzweiflung.
Führe uns heraus, Gott. Du kannst uns helfen. Öffne uns für deine beginnende Zukunft. Lass uns dich einsatzbereit erwarten. Mach uns doch mutig. Aus Hoffnung auf dein Reich rufen wir dich an: Kyrie eleison.

Wir sind für mehr da als für ein zufälliges Geschick. Dein Wille, Gott, soll geschehen. Zwar kreisen wir häufig um uns selbst und unsere Wünsche. Zwar werden in uns Zweifel wach angesichts von so viel Elend in der Welt, ob Dein Reich wirklich im Kommen ist. Zwar drohen wir zu verbittern, wenn Fragen ohne Antwort bleiben.
Komm du uns nahe, Gott. Du kannst uns trösten. Öffne uns für deine Wege mit der Welt. Lass uns Tag um Tag dich besser begreifen. Mach uns geduldig. Im Zutrauen zu deinem Willen rufen wir dich an: Kyrie eleison.
(nach www.evangelische-liturgie.de zum Sonntag)

Verfasser: Pfarrer Holger Kaffka
Predigerstraße 4, 99084 Erfurt

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