Weltgericht
von Mechthild Gäntzle (64354 Reinheim)
Predigtdatum
:
19.11.2006
Lesereihe
:
ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr
:
Vorletzter Sonntag des Kirchenjahres
Textstelle
:
Offenbarung 2,8-11
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Wochenspruch:
Wir müssen alle offenbar werden vor dem Richterstuhl Christi.
(2. Kor. 5,10)
Psalm: 50,1.4-6.14-15.23
Lesungen
Altes Testament:
Jeremia 8,4-7
Epistel:
Römer 8,18-23 (24-25)
Evangelium:
Matthäus 25,31-46
Liedvorschläge
Eingangslied:
EG 361
Befiehl du deine Wege
Wochenlied:
EG 149
Es ist gewisslich an der Zeit
Predigtlied:
EG 366
Wenn wir in höchsten Nöten sein
Schlusslied:
EG 590
Herr, wir bitten, komm und segne uns
Hinführung
(siehe Bibelkunde 2, NT, Preuß / Berger - Arbeitsbuch: H. Conzelmann, A. Lindemann)
Die Offenbarung des Johannes ist im NT das einzige Werk der Gattung Apokalypse. In Kap. 1,1.4.9 nennt der Verfasser seinen Namen Johannes (von Ephesus). Er hat seiner Apokalypse einen brieflichen Rahmen gegeben. Das Gesamtwerk erscheint als Rundschreiben an die sieben kleinasiatischen Gemeinden, an die je einzelne Briefe gerichtet sind.
In Apk 1 wird der visionäre Rahmen des ganzen Buches festgestellt. Es ist eine persönliche Offenbarung Christi an Johannes 1,1 und zeigt, „was in Kürze geschehen soll“ (1,9). Der erste Teil beschreibt die Gegenwart, - das „was ist“ und umfasst die Kap. 2 und 3 mit den sieben Sendschreiben. Eines dieser sieben Sendschreiben ist der Brief an die Gemeinde in Smyrna.
Smyrna war damals eine reiche Handelsstadt, aber die Gemeinde dort war arm, und sie wurde verfolgt. Die reichen jüdischen und griechischen Kaufleute gehörten nicht zur christlichen Gemeinde. Es sind die Armen, die aber trotz ihrer Armut in Wahrheit reich sind, im Sinne des wahren Reichtums. Die Gegner der Gemeinde bekämpften sie, in dem sie Schmach auf sie häuften, die Urheber aller Schmähungen waren die dortigen Juden, deren Macht und Einfluss in der Handelsstadt groß war. Verleumdungen mussten ertragen werden, ja, es sollte nicht nur dabei bleiben, sondern es werden größere Verfolgungen kommen und Schauprozesse entstehen. Den Trost, den die Gemeinde erhält, besteht darin, dass Christus um alle Not, Pein und Bedrängnis weiß.
Ziel
Die Herausforderung dieses Textes ist es, die Worte für unsere Zeit und unseren recht üppigen Lebensstandard so lebendig zu machen, dass er uns heutige Menschen anspricht und nicht nur eine historische Betrachtung der damaligen Gesellschaft und Gemeindesituation ist, die weit weg von unserem Denken sich abspielte.
Liebe Gemeinde,
„Gottes Wort ist wie Licht in der Nacht, es hat Hoffnung und Zukunft gebracht, es gibt Trost, es gibt Halt in Bedrängnis, Not und Ängsten, ist wie ein Stern in der Dunkelheit.“
Dieses neuere Lied aus unserem Gesangbuch (EG 572) wird nicht nur wegen seiner flotten Melodie gern gesungen, sondern deshalb, weil viele Christen in ihrem Leben genau das erlebt haben, dass ein Wort aus der Bibel in Bedrängnis, Not und Ängsten ihnen Hilfe war, um Schweres durchzustehen oder die Antwort auf Lebensfragen zu bekommen.
Vor einiger Zeit erzählte mir jemand von einem Geburtstagsbrief mit einem Spruch, der ihm viel bedeutete. Es war genau das richtige Wort für seine schwierige Situation und seine Fragen. Der Brief war gewissermaßen ein Trost- und Mutmachbrief, der ihm half, neue Kraft und Hoffnung zu finden.
Unser Predigttext heute ist auch ein Mutmachbrief, ein Sendschreiben, an die kleine Gemeinde in Smyrna, heute Izmir. Es liegt an der Westküste der Türkei. Diese kleine Gemeinde in Smyrna bekam, wie sechs andere Gemeinden, ein Sendschreiben von Johannes, dem Seher, der verfolgt auf der Insel Patmos weilte.
Die Gemeinde in Smyrna, in der damaligen römischen Provinz Asia, war eine kleine, verfolgte und verleumdete Gemeinde, die in Bedrängnis war, und es sollten noch weitere schlimme Zeiten kommen.
Smyrna selbst war um das Jahr 90 n. Chr. eine bedeutende, reiche Handelsstadt mit einer „Multikulti-“ Bevölkerung, in der viele angesehene und reiche griechische und jüdische Kaufleute wohnten, eine pulsierende Stadt mit verschiedenen Kulturen und Religionen. Ein Bild, das uns nicht fremd ist, wenn wir heute durch unsere Großstädte gehen.
Die kleine christliche Gemeinde aber hatte es dort sehr schwer. Sie war wirtschaftlich gesehen arm und lebte am Rande der Gesellschaft. Die Gemeindeglieder lebten in Angst und waren in größter Bedrängnis. Sie sollten dem Kaiserbild opfern und ihm Treue und Gehorsam schwören, ihn als einzigen Herrn anerkennen. Sie sollten nur einmal im Jahr in den Kaisertempel gehen, etwas Weihrauch verbrennen und sagen: „Der Kaiser ist mein Herr und mein Gott.“ - Aber sie gehörten einem anderen Herrn, den sie liebten, dem sie vertrauten. Darum war es abzusehen, dass, wenn sie ihrem Glauben treu blieben, Verfolgung oder sogar der Tod folgen könnte.
Diese kleine christliche Gemeinde in Smyrna, inmitten einer anders glaubenden Gesellschaft, bekam den Trost- und Mutmachbrief, der auch uns heute Morgen, ob wir fröhlich, sorglos oder bedrückt in die Kirche kamen, helfen kann. Er will uns ansprechen und uns Mut machen:
8 Dem Engel der Gemeinde in Smyrna schreibe: Das sagt der Erste und der Letzte, der tot war und ist lebendig geworden: 9 Ich kenne deine Bedrängnis und deine Armut - du bist aber reich - und die Lästerung von denen, die sagen, sie seien Juden und sind's nicht, sondern sind die Synagoge des Satans. 10 Fürchte dich nicht vor dem, was du leiden wirst! Siehe, der Teufel wird einige von euch ins Gefängnis werfen, damit ihr versucht werdet, und ihr werdet in Bedrängnis sein zehn Tage. Sei getreu bis an den Tod, so will ich dir die Krone des Lebens geben.
11 Wer Ohren hat, der höre, was der Geist den Gemeinden sagt! Wer überwindet, dem soll kein Leid geschehen von dem zweiten Tode.
Für uns heute ist mit dieser Stadt Smyrna der Name des Bischofs Polykarp verbunden. Damals muss er ein junger Mann von 20 Jahren gewesen sein, und vielleicht war dieser Brief für sein ganzes Leben so bedeutend, dass er seinem Herrn trotz aller Verfolgungen treu blieb. Wie überliefert ist, sollte er im hohen Alter von 86 Jahren seinem Glauben an Christus öffentlich abschwören. Er könne doch heimlich glauben, um sein Leben zu retten. Da konnte er nur frei bekennen: „86 Jahre ist mir mein Herr treu geblieben, wie sollte ich ihm am Ende meines Lebens noch untreu werden und ihn verleugnen?“
In dieser reichen Stadt war diese Gemeinde äußerlich arm, sie konnte wenig aufweisen, wurde verfolgt, dennoch war sie reich, denn der, der sich selbst vorstellte als der Erste und der Letzte, als der, der tot war, aber wieder lebendig wurde, nahm Teil an ihrem Geschehen, an ihrer Bedrängnis. Er sagt: Ich kenne und verstehe dich.
Wie wohltuend ist es, wenn es Menschen gibt, die sagen: Du, das versteh ich, ich verstehe, wie schwer es dir fällt, dieses oder jenes zu tun oder anzunehmen. Und er, der auferstandene Herr will es uns auch heute noch zusprechen: Ich bin da, - ich lasse dich nicht fallen und verlasse dich nicht, wie es uns die Jahreslosung am Ende dieses Jahres noch einmal zurufen will. Darum: Fürchte dich nicht! Und dieses „Fürchte dich nicht!“, es gab und gibt Kraft durchzuhalten. Auch wenn Leiden oder schwere Zeiten kommen, er, der selbst so viel Leiden ertragen musste, er versteht auch dich mit deiner ganz persönlichen Lebensgeschichte.
Denn trotz unserer sogenannten Spaß- oder „Fungesellschaft“ haben heute viele Menschen Angst und fragen sich, wie die Zukunft nicht nur der Kirchen, sondern auch der Christen aussehen wird? Wenn Kirchen brennen, wenn Christen verspottet und verlacht werden, kann es da in einer liberalen und dialogbereiten Gesellschaft nicht doch all zu schnell zu einer Christenverfolgung kommen? So, wie wir es von anderen Ländern hören (aktuelle Beispiele können hier eingefügt werden).
Haben wir den Mut, uns heute zu unserem Glauben an Jesus Christus als dem Herrn, der ist, der war und der kommen wird, zu bekennen? Fragen wir nicht wie jener Gottesdienstbesucher zum 100. Geburtstag von Dietrich Bonhoeffer: „War es nicht dumm, so stur und starr seinen Glauben, seine Überzeugung öffentlich zu zeigen, und seinen Mund für die Stummen zu öffnen, was brachte es ihm? Wäre er nicht besser im Ausland geblieben, um dann später besser in Deutschland wirken können?“
Er und viele in der Zeit des Dritten Reiches gingen lieber in den Tod als von Christus zu lassen. Sie konnten bei aller Schmach und Verletzung ihrer persönlichen Rechte bis zum Tod gelassen bleiben, weil sie verankert waren in Jesus Christus und wussten, dieser Tod ist der Anfang des neuen Lebens. So waren Bonhoeffers letzte überlieferten Worte, als er nackt zum Galgen gehen musste: „Das ist das Ende, für mich der Beginn des Lebens.“
Sei getreu bis in den Tod – das ist nicht nur ein oft gewählter Konfirmationsspruch, sondern er steht auch auf manchen Kriegerdenkmälern. Heute am Volkstrauertag mag sich manch einer noch daran erinnern, wie dieser Vers aus der Offenbarung missbraucht wurde, um jungen Menschen Kampfesgeist und Mut für einen selbst ernannten Führer zu geben.
Sei getreu bis in den Tod, so will ich dir die Krone des Lebens geben, dies wurde dieser kleinen Gemeinde verheißen. Es geht nicht um Treue zu Volk, Vaterland, Staat oder Kirche. Getreu zu Jesus Christus, auch wenn es der Märtyrerkranz sein wird, halte an Jesus Christus fest!
Der Schreiber des Sendschreibens lässt die Gemeinde wissen, dass die kommende Zeit eine schwere Zeit sein wird, aber sie ist begrenzt, zehn Tage, ein Zeitraum nur, absehbar. Es wird für einige eine schlimme Zeit kommen, dennoch gilt ganz besonders denen der Zuspruch: Fürchte dich nicht! Auch und gerade im Leiden, in den tiefsten Tiefen des Lebens, spricht er, bin ich bei dir als Gemeinde und auch persönlich. Nicht, dass wir uns Leiden, Verfolgungen und Schmähungen wünschen sollen, aber diese Gewissheit und Zuversicht will uns immer wieder Hoffnung und Vertrauen geben. Die Gemeinde damals und auch wir heute dürfen es wissen, es gibt ein Ziel, für das es sich lohn, sein Leben einzusetzen. „Für einen ewgen Kranz, dies arme Leben ganz.“
Und das soll kein billiger Trost oder eine manipulierte Vertröstung sein, wie heute doch verächtlich von einem St. Nimmerleinstag gesprochen wird.
Die Sportler wissen es, was ein Siegeskranz bedeutet. Ein Ziel vor Augen zu haben, lässt das irdische Leben hier in einem ganz anderen Lichte erscheinen, „dass mir werde klein das Kleine und das Große groß erscheine“, so sagt es ein Liederdichter.
Was war der bedrohten Gemeinde damals hilfreich, was kann uns heute als Trost und Zuspruch erreichen?
Da spricht einer, der selbst des Lebens Leid und Härte erfahren hat, einer, der uns versteht uns.
Einer, der der kleinen bedrängten Gemeinde, die in Armut lebte, die Augen öffnete für den Reichtum, der ihr Leben trotz aller Armut reich machte. Auch wir dürfen in seiner Nachfolge erkennen, wie Fritz Woike es in einem Lied ausdrückt und bekennen konnte: „Du hast mein Leben so reich gemacht.“
Reich in dem Wissen: wir sind von Gott Geliebte und dürfen von dieser Liebe weitergeben. Wir dürfen von der Vergebung leben. Weil uns vergeben wurde, dürfen und können wir unseren Mitmenschen vergeben und das wird unser Leben bereichern.
Christen wissen, dass Gott uns in Jesus Christus seine Treue zugesprochen hat, dass er uns nicht verlassen wird, so können auch wir mit seiner Hilfe ihm treu bleiben und auch Treue im Alltag üben, auch wenn dies nicht immer leicht sein wird.
Wir dürfen es immer wieder erfahren und erleben auch an einem solch traurigen Tage, an dem wir der vielen Toten gedenken: Du bist nicht allein, der Gott allen Trostes spricht es uns zu: „Fürchte dich nicht!“ Amen.
Verfasserin: Prädikantin Mechthild Gäntzle, Egerländer Str. 33, 64354 Reinheim
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