Wie geschieht Befreiung?
von Elke Burkholz (Messel)
Predigtdatum
:
03.02.2008
Lesereihe
:
ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr
:
Estomihi
Textstelle
:
Jesaja 58,1-9a
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Predigt von Albrecht Burkholz
Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen. Amen.
Liebe Gemeinde am heutigen Fastnachtssonntag,
unser Thema heute ist: Wie geschieht Befreiung? Viele Menschen feiern heute ausgelassen, weil sie mal alle Zwänge beiseite schieben wollen. Das Problem ist: die Zwänge sind ja noch da und mit Kater am Aschermittwoch schlechter auszuhalten.
Wie geschieht Befreiung? Sehr viele Menschen träumen von einer Reise mit genug Geld und Zeit. Wäre es nicht schön, den ganzen Ärger zu Hause zu lassen und die ganze Zeit am Strand zu liegen?
Diejenigen, die z.B. nach Mallorca ausgewandert sind, scheinen nicht einfach das Paradies gefunden zu haben. Auch dort holt einen der Alltag ein. Auch dort sind die seelischen Probleme dabei. Auch dort ärgere ich mich über Ungerechtigkeiten und Verletzungen. Auch dort sehne ich mich nach innerer Heilung, tiefem Frieden und danach, die Liebe Gottes tief in meinen Herzen spüren zu können.
Wie geschieht Befreiung? Viele sind aus einer Ehe ausgebrochen oder rausgeworfen worden. Vielleicht ist die neue Beziehung sogar glücklicher. Aber die Verletzung geht mit und es ist sehr schwer, sich mit dieser Vergangenheit halbwegs zu versöhnen. Aber es ist nötig, damit ich frei bin und mich das schlechte Alte nicht mehr so innerlich bindet.
Liebe Gemeinde, wieso brauchen wir überhaupt Befreiung? Ich denke, es sind in unserer Wohlstandsgesellschaft mit Sozialstaat im Wesentlichen innere Zwänge, die uns unfrei machen.
Da ist zum Beispiel der innere Zwang, besonders gut arbeiten zu müssen. Dann reicht es mir nicht, gut zu sein, dann muss ich sehr gut sein und auf jeden Fall besser als jeder andere. Sie merken schon an der Formulierung, dass da was Getriebenes und Unfreies ist. Gut Arbeiten ist ja was Gutes – aber die Frage ist, ob ich in mir eine Freiheit habe, die mich unabhängig macht. Fühle ich mich auch dann noch wertvoll, wenn bei der Arbeit was schief läuft?
Ein anderes Beispiel für innere Unfreiheit: da ist in einer Beziehung ein Teil nicht emanzipiert genug. Das heißt, da ist zuviel Abhängigkeit von einem Menschen. Da wird ein Mensch zu wichtig. Da fehlt die innere Freiheit und Unabhängigkeit. Auch hier geht es um die Frage – fühle ich mich auch dann noch wertvoll, wenn in dieser Beziehung etwas schief läuft?
Ein weiteres Beispiel für innere Unfreiheit: Essen und Trinken. Wenn ich am nächsten Morgen denke: wieso habe ich noch ein weiteres Glas Wein getrunken oder wieso habe ich diese Chips noch gegessen – dann ist da etwas schief gelaufen. Dann bin ich selbst nicht mehr genug Herr des Verfahrens. Dann ist etwas in mir mit mir durchgegangen. Und die Frage ist: wer ist bei mir der Herr im Haus. Auch hier geht es um die Frage: fühle ich mich noch wertvoll, wenn ich bei Essen oder Trinken etwas falsch gemacht habe?
Ein weiteres Beispiel für innere Unfreiheit: etwas haben müssen. Muss ich wirklich ein Navi haben, nur weil die gerade billig sind und viele eins haben und unsere Freunde von ihrem Navi schwärmen. Dabei sehe ich doch, dass unsere Freunde sich wegen ihrem Navi beim Autofahren mehr streiten. Also ich muss zugeben, wir haben inzwischen eins. Aber die Frage bei solchen Anschaffungen ist – brauche ich das für mein Selbstwertgefühl? Bin ich sicher, tief in meinem Herzen sicher, dass ich von Gott geliebt bin, dass ich wertvoll bin und dass ich nicht irgendeinen Besitz brauche, um mich wertvoll zu fühlen?
Liebe Gemeinde, ich könnte noch einige Beispiele aufzählen, wo es um innere Zwänge geht und unsere Unfreiheit. Und leider, leider, sind wir nicht so frei, wie wir uns manchmal selbst einschätzen. Das habe ich gemerkt, als ich auf ein Sonderangebot reingefallen bin und dann zu Hause einen Zimmerbrunnen hatte. Das Ding hat mich nur geärgert, es hat Geräusche gemacht, die mich störten und es hat unnötig Strom verbraucht. Aber die Werbung hat irgendetwas in mir angesprochen, einen Traum von Glück, und dann hat da irgendwas Klick gemacht und schon habe ich gekauft. Sie kennen sicher alle so etwas. Da geschieht etwas mit uns und wir sind nicht Herr des Verfahrens, nicht Herr im eigenen Haus. Wir werden gelebt, aber wir leben nicht selbst. Wir sind in vielerlei Hinsicht unfrei. Wir brauchen Befreiung.
Wie geschieht sie nun, die Befreiung?
Ich lese uns als Predigttext Jesaja 58,6-9. Gott spricht:
Ein Fasten, wie ich es will, sieht folgendermaßen aus.
Löst die Fesseln der zu Unrecht Gefangenen.
Nehmt das drückende Joch von ihrem Hals.
(Wenn jemand unterjocht ist, dann helft)
Gebt den Misshandelten die Freiheit
Und macht jeder Unterdrückung ein Ende.
Ladet die Hungernden an euren Tisch.
Nehmt die Obdachlosen in euer Haus auf.
Gebt denen, die in Lumpen herumlaufen, etwas zu Anziehen
Und helft allen Menschen, die Hilfe brauchen.
Dann strahlt euer Glück auf wie die Sonne am Morgen
Und eure Wunden heilen schnell.
Eure guten Taten gehen euch voran
Ich werde euch freundlich anschauen und beschützen.
Dann werdet ihr mich rufen – und ich werde antworten.
Wenn ihr um Hilfe schreit, werde ich sagen: Hier bin ich.
Wie geschieht Befreiung für uns? Der Predigttext gibt uns drei Hinweise. Erstens sagt uns der Predigttext: sorgt dafür, dass andere Menschen befreit werden. Die, die es nötig haben, die sollen die Hilfe bekommen, die sie gerade brauchen.
Ich finde, das ist ein ganz wichtiger Schritt. Ich fange an, zu sehen, wie es anderen Menschen geht. Dabei muss ich von mir selbst wegsehen und andere richtig anschauen. Ich muss den Menschen, die mir nahe kommen, richtig zuhören und ihnen in die Augen schauen. Dann findet eine wirkliche Begegnung statt. Und plötzlich sind meine eigenen Probleme nicht mehr so wichtig.
Neulich hat mir ein Mann nicht aus Messel folgendes erzählt. Er war auf dem Friedhof am Grab seiner Frau. Am Grab nebenan war auch ein Witwer. Die Sonne schien und irgendwie ergab sich ein Gespräch. Der andere Mann war sehr traurig und in der Trauer noch nicht so weit vorangekommen. Sie waren ja beide in der gleichen Situation. Witwer seit einem guten Jahr. Uns so konnte das Zuhören und das Mitfühlen besonders gut gelingen. Über eine halbe Stunde standen sie da in der Sonne. Und am Ende sagte der eine Mann: Das hat mir sehr, sehr gut getan. Vielen Dank. Und die Antwort war: Ich bin selbst weitergekommen in meiner Trauer. Wie wäre es, wenn wir uns nächste Woche mal zum Kaffee treffen.
Als ich diese Geschichte hörte, dachte ich. Wie gut, wenn solche Begegnungen passieren. Da geschieht etwas von dem Gott, der die Liebe ist. Und beide Gesprächspartner helfen einander. Es ist nicht so, dass der eine nur gibt und der andere nur nimmt. Beide werden von ihrer Last befreit.
Ich glaube, liebe Gemeinde, wir alle kennen so etwas. Ein gutes Gespräch, in dem Menschen sich wirklich füreinander öffnen, führt dazu, dass ich nicht mehr so verkrampft auf meine eigenen Unfreiheiten schaue. Und das ist schon mal der erste Schritt. Wenn ich mich nicht so über mich ärgere, mich nicht so wertlos fühle, mich selbst mit meinen Fehlern besser annehme – dann hat meine Unfreiheit schon ihre Macht verloren.
Dann muss ich nur noch den Sieg nach Hause bringen. Es ist wie beim Fußballspiel. Das Tor ist geschossen, wir führen, aber wir müssen das Spiel noch nach Hause schaukeln. Und dazu muss man kämpfen und noch mal alle Kräfte freisetzen.
Wie geschieht Befreiung für uns noch. Ich habe eine weitere Beobachtung an unserem Predigttext gemacht. Wir können fasten, auf etwas verzichten, um gerade so Freiheit und innere Unabhängigkeit zu gewinnen.
Gott redet ja von einem Fasten, wie er es möchte. Ich habe den vorgeschlagenen Predigttext genommen und meine Frau meinte, das mit dem Fasten wäre am Fastnachtssonntag eine Woche zu früh, aber es schadet ja nichts, wenn wir uns schon mal auf Aschermittwoch vorbereiten.
Seit einigen Jahren wird in beiden großen Kirchen das Fasten wiederentdeckt. Es heißt heute 7 Wochen ohne. Die Kirchen laden ein, in der Passionszeit zwischen Aschermittwoch und Ostern 7 Wochen (genau sind es nur 6einhalb Wochen) lang eine neue innere Freiheit auszuprobieren. Eigentlich machen das ziemlich viele. Viele Frauen probieren 7 Wochen ohne Süßigkeiten. Viele Männer 7 Wochen ohne Alkohol. Und besonders Eifrige probieren beides. Ich selbst habe schon Kaffee und Alkohol weggelassen und es ist mir schwer gefallen. Ich werde dieses Jahr wohl nicht fasten, auch wenn wir dieses Jahr das schöne Thema haben 7 Wochen ohne Gier. Auch von 7 Wochen ohne Fernsehen berichten viele Menschen, dass es ihnen sehr gut getan hat.
Wichtig ist nicht so sehr, dass wir das mit dem Fasten zu bestimmten Zeiten und mit bestimmten Handlungen machen. Wichtig ist, dass wir innere Freiheit gewinnen, denn Gott meint es sehr gut mit uns und möchte, dass wir freie Menschen sind. Wichtig ist, dass wir dort, wo wir unfrei sind, Befreiung erleben. Und dazu müssen wir unser Problem angehen. Wenn abends zuviel essen mein Problem ist, dann muss ich mir überlegen, wie geschieht das? Esse ich beim Fernsehen in der Werbepause? Würde es mir dann helfen, etwas aufzunehmen und die Werbepause zu überspielen? Oder hilft mir etwas zu trinken oder Bewegung, wenn ich Hunger bzw. den Drang zum Essen habe? Oder mache ich mir Karottenstreifen, die sind gesund und haben praktisch keine Kalorieren. Vielleicht kaufe ich am besten gar keine Chips mehr ein.
Sie sehen, fasten heißt: an den alltäglichen Gewohnheiten zu arbeiten. Es geht nicht darum, uns selbst zu quälen oder uns etwas nicht zu gönnen. Gott ist kein missgünstiger Machthaber, der uns kein gutes Leben gönnt. Gott möchte vielmehr, dass wir reich beschenkt aus seiner Fülle leben. Und es stimmt ja, wenn wir unsere innere Unfreiheit überwinden lernen, dann wird das Leben viel schöner. Dann können wir unser Leben viel mehr genießen.
Wie geschieht Befreiung? Indem ich mich für andere Menschen öffne und von mir selbst weg schaue. Wie geschieht Befreiung? Indem ich die Unfreiheit täglich bekämpfe und dabei an meinen alltäglichen Gewohnheiten arbeite. Befreiung geschieht auch, indem ich mich für das befreiende Handeln Gottes öffne. Nach der Bibel sind wir alle geliebte Kinder Gottes. So wie Eltern ihren Kindern immer mehr Freiheit und Selbständigkeit ermöglichen, so will Gott uns immer mehr Freiheit und Selbständigkeit ermöglichen. Er will uns innerlich frei machen. Und er will uns helfen, das in äußere Freiheit jeden Tag umzusetzen.
Liebe Gemeinde,
ich denke, wir Christinnen und Christen dürfen die befreiende Kraft Gottes immer mehr entdecken. Die Kraft, die da ist und von der es genug gibt, um uns heilsam zu verändern. Wir dürfen uns einfach für diese Kraft öffnen. Wir dürfen uns von dieser Kraft von allen falschen Bindungen und von allen unseren Unfreiheiten befreien lassen. Gott ist zu uns wie ein liebender Vater und wie eine tröstende und freundlich begleitende Mutter. Gott will, dass wir zu wirklich freien Menschen werden. Zu Menschen, die so sehr voller Gottvertrauen sind, dass sie in Freiheit, Liebe und Würde Gottes Weg gehen.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle menschliche Vernunft, der bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus zum ewigen, seligen Leben. Amen.