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Wie gut, daß der Mensch Knochen hat

von Andreas Weik (36369 Lautertal-Meiches)

Predigtdatum : 03.05.1998
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : Miserikordias Domini
Textstelle : 1. Johannesbrief 5,1-4
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Schriftlesung: Johannes 15,1-8

Wochenspruch:

Ist jemand in Christus, so ist er eine neue Kreatur; das Alte ist vergangen, siehe, Neues ist geworden. (2. Kor. 5,17)

Wochenlied:

EG 108

Weitere Liedvorschläge:

EG 115; 351; 357; 374

1 Wer glaubt, daß Jesus der Christus ist, der ist von Gott geboren; und wer den liebt, der ihn geboren hat, der liebt auch den, der von ihm geboren ist. 2 Daran erkennen wir, daß wir Gottes Kinder lieben, wenn wir Gott lieben und seine Gebote halten. 3 Denn das ist die Liebe zu Gott, daß wir seine Gebote halten; und seine Gebote sind nicht schwer. 4 Denn alles, was von Gott geboren ist, überwindet die Welt; und unser Glaube ist der Sieg, der die Welt überwunden hat.

Liebe Gemeinde,

„Wie gut, daß der Mensch Knochen hat“. Strahlend kommt der kleine Junge auf mich zu und erzählt mir von seinen neuesten Erkenntnissen. „Die Knochen sind ganz wichtig. Ohne Knochen müßte der Mensch auf dem Boden kriechen,“ meint er und lacht bei dieser Vorstellung belustigt in sich hinein. - „Wie die Schnecken und Würmer. Und wenn wir irgendwohin wollten, dann müßten wir uns lang machen und wieder zusammenziehen, so wie das der Regenwurm auch macht.“

Bald wird mir klar, er hat die ‘Sendung mit der Maus’ gesehen, in der es diesmal um den Knochenbau ging.

Wie gut, daß der Mensch Knochen hat. Stimmt. Was wären wir ohne Knochen. Noch so viele Muskeln, Bänder und Sehnen können die Knochen nicht ersetzen. Wir würden schlaff am Boden liegen. Ohne Knochen gäbe es das nicht, worauf wir Menschen so stolz sind - unseren aufrechten Gang. Erst der Knochenbau gibt uns von innen heraus Halt. Erst die Schädelknochen geben uns ein unverwechselbares Gesicht. Die Knochen geben unserem Dasein Kontur.

Wie gut daß es auch im Glauben „Knochen“ gibt, ein Skelett, ein Gerüst, das ihm Kontur verleiht, das uns Menschen aufrecht gehen läßt und uns ein unvervechselbares Gesicht gibt. Der Schreiber des Johannesbriefes gibt ihm einen Namen: Jesus Christus.

Nun begnügen sich viele Zeitgenossen - aus welchen Gründen auch immer - mit einem recht konturlosen Glauben. Ist doch egal, was man glaubt. Jeder Mensch hat seinen eigenen Glauben.

Und wir als Kirche sind oftmals schon froh darüber, wenn heute in unserer aufgeklärten Welt überhaupt noch irgendjemand irgendetwas glaubt, selbst wenn es nur der Glaube an ein „höheres Wesen“ ist.

Manch einer gibt zu verstehen, „an Gott glauben, - ja, das laß ich mir noch gefallen, an irgendein höheres Wesen muß der Mensch schließlich glauben. Von mir aus nennen wir dieses höhere Wesen Gott. Aber an Jesus kann ich nicht glauben. Für mich war er ein ganz normaler Mensch. Gut, man kann ihn sich zum Vorbild nehmen, er hat interessante Dinge gesagt, er war bestimmt ein guter Mann, der vielen geholfen hat. Aber war er mehr, mehr als ein normaler Mensch?“

Warum bestehen die Verfasser der biblischen Schriften darauf, daß Jesus mehr war als ein guter Mensch? Weil es ihnen um einen Glauben mit Konturen geht, einen Glauben, der uns Halt geben kann, einen Glauben, der uns aufrecht gehen läßt. Es geht ihnen sozusagen um die „Knochen“.

Denn ein Glaube, der sich damit begnügen würde, an irgendein höheres unbestimmtes Wesen zu glauben, wäre letztendlich belanglos. Es wäre schlichtweg egal, ob wir an dieses Wesen glauben würden oder nicht.

Nun beharren die biblischen Schreiber aber darauf, daß Gott nicht irgendein höheres Wesen ist. Dieser Gott ist kein Unbekannter geblieben, sondern hat sich den Menschen in Jesus Christus bekannt gemacht. Jesus ist ganz eng mit Gott zusammenzusehen: „Wer glaubt, daß Jesus der Christus ist, der ist von Gott geboren.“

Das ist der Kern, der Grundbestand, das Skelett unseres Glaubens. Gott ist kein Unbekannter geblieben. Dieser Mensch Jesus von Nazareth wurde von ihm in die Welt gesandt, um den Menschen zu zeigen, wie Gott zu uns ist, um ihnen die Menschenliebe Gottes zu zeigen. Und darin sind sich die biblischen Schreiber einig, dieser Mensch Jesus von Nazareth war nicht nur ein einfacher Mensch. Er war zugleich von Gottes Art.

Aus der Zeitgeschichte von damals können wir erkennen, wie schwer es den Leuten fiel, diesen Menschen Jesus von Nazareth gedanklich rnit Gottes Sohn zusammenzubringen. Ihnen war der Gedanke unerträglich, daß Gott wie ein Mensch unter uns leben wollte. Das hing mit ihrer Vorstellung von Gott zusammen.

Für sie war Gott das höchste geistige Wesen, das man sich denken kann. Sie stellten ihn sich vor wie einen Geist, der die ganze Welt umfaßt und durchwaltet. Für sie war es ein unbegreiflicher Gedanke, sich Gott in einem Menschen, sich Gott in diesem Menschen Jesus von Nazareth vorzustellen. Dahinter läßt sich die gutgemeinte Absicht vermuten, Gottes hohe Würde zu retten.

Nun geht es aber nach der biblischen Botschaft nicht darum, Gottes Würde zu retten. Es geht um Glauben und Liebe. Aus Liebe, und nicht um seine Würde zu retten, aus Liebe zu den Menschen hat Gott seinen Sohn in diese Welt gesandt. Und diese Liebe läßt sich verstandesmäßig nicht begreifen. Diese Liebe läßt sich nur im Glauben erfassen. Von diesem Glauben redet der Apostel mit großen Worten: „Unser Glaube ist der Sieg, der die Welt überwunden hat.“

Redet er nicht zu groß von der Kraft des Glaubens? Weiß er nicht um die Anfechtungen der Welt? Weiß er nicht, wie schwer es dem Menschen fallen kann, angesichts von Erfahrungen des Leids Zutrauen zu Gott zu fassen? Weiß er nicht um Angst, um Zweifel, um innerliche Leere, die den Glauben überwältigen können?

Ich vermute, er weiß es. Und trotzdem spricht er vom Sieg des Glaubens, der die Welt überwunden hat. Warum? Weil Glauben nie aus eigener Kraft geschieht. Glaube ist nie etwas, das wir machen können, Glauben ist nicht unser Werk. Glaube ist ein Geschenk.

Der Apostel vergleicht den Glauben mit dem heranwachsenden Leben vor der Geburt. Wer glaubt, daß Jesus der Christus ist, der ist von Gott geboren.

Wenn eine Frau schwanger wird, so ist es der natürliche Gang des Lebens, daß irgendwann das neue Leben geboren wird. Es liegt zunächst einmal nicht an der Kraft oder an dem Willen der Frau, daß dieses Leben geboren werden kann. Auch kann die Mutter in der Regel nicht entscheiden, wann das Leben geboren wird. Das Entscheidende ist bereits getan. Sie kann nur noch warten und mit dazu beitragen, daß das ungeborene Leben sich gut entwickelt. Sie kann mit dem Ungeborenen sprechen oder schöne Musik hören. Das wird dem Kind guttun. Sie kann sich durch Gymnastik und Atemübungen auf die Geburt vorbereiten und so sich und dem Kind den Weg ein wenig erleichtern. Aber daß und wann das Kind geboren wird, liegt nicht an ihr, ist nicht ihr Werk.

Mit der Geburt vergleicht der Schreiber den Glauben. Ob wir glauben können oder nicht, ist nicht unser Werk. Wir können miteinander Glauben einüben, sollen uns im Glauben bestärken, letztendlich bleibt er aber immer ein Geschenk.

Unser Glaube hat freilich immer auch einen Bruder, es ist der Unglaube, der Zweifel. Niemand ist vor ihm geschützt. Niemand kann sagen, mein Glaube ist so stark, daß er die Welt überwinden kann. In einer großartigen Geschichte wird dies deutlich (Mk 9,14ff).

Ein Vater kommt zu Jesus und bittet ihn inständig um Heilung für sein krankes Kind.

Jesus sagt zu ihm: „Alle Dinge sind möglich dem, der da glaubt.“ Man könnte meinen, Jesus fordert von dem Vater Glaubensstärke als Bedingung für die Heilung. Aber das Gegenteil ist der Fall. Der Vater antwortet: „Ich glaube, hilf meinem Unglauben.“ Er gesteht ein, daß sein Glaube schwach ist und er der Hilfe und Zuwendung Jesu bedarf.

„Unser Glaube ist der Sieg, der die Welt überwunden hat.“ Der Apostel redet nicht von seinem Glauben, sondern er sagt unser Glaube. Zudem redet er in der Vergangenheit. ,,Unser Glaube ist der Sieg, der die Welt überwunden hat!

Dies zeigt, daß es nicht auf unserer Glaubensstärke ankommt, sondern auf das, was bereits geschehen ist: Den Sieg Jesu Christi über die Macht der Welt. Am Ostermorgen wurde der entscheidende Sieg errungen. Alles andere, so sagte einmal ein Theologe, sind nur noch Nachhutgefechte. Jesus selbst spricht seinen Jüngern zu: „In der Welt habt ihr Angst, aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden.“

Weil der entscheidende Sieg errungen ist, gelingt es uns Christenmenschen manches Mal auch, die Nachhutgefechte zu gewinnen und die Welt zu überwinden:

Etwa dann, wenn Menschen ihre Todesangst überwinden können und getrost sterben können.

Etwa dann, wenn Menschen ihre Schuld nicht mehr beiseite schieben, abschwächen oder auf andere abwälzen, sondern sie eingestehen und auf Vergebung hoffen.

Etwa dann, wenn uns im harten Wind der Lieblosigkeit ein Wort der Achtung und der Versöhnung gelingt. Dann haben wir Anteil an dem Sieg Jesu, der Tod, Sünde und Haß überwunden hat.

Wie gut, daß der christliche Glauben Knochen hat. Muskeln kann man trainieren, Bänder lassen sich lockern. Sehnen lassen sich dehnen. Den Glauben können wir einüben und stärken.

Aber das Gerüst, die Grundlage, der Knochenbau unseres Glaubens, der uns als Christen aufrecht gehen läßt und uns Kontur verleiht, den können wir weder machen noch trainieren. Er ist uns geschenkt. Amen.

Pfr. Andreas Weik, Dirlammer Str 9, 36369 Lautertal-Meiches


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