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Wiedergeboren zur Hoffnung

von Melanie Lohwasser (Frankfurt)

Predigtdatum : 19.04.2020
Lesereihe : II
Predigttag im Kirchenjahr : Quasimodogeniti
Textstelle : Jesaja 40,26-31
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Wochenspruch: Gelobt sei Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christus, der uns nach seiner großen Barmherzigkeit wiedergeboren hat zu einer lebendigen Hoffnung durch die Auferstehung Jesu Christi von den Toten. (1. Petrus 1,3)

Psalm: 116,1-9.13 (EG 746)

Predigtreihen

Reihe I: 1. Petrus 1,3-9
Reihe II: Jesaja 40,26-31
Reihe III: Johannes 21,1-14
Reihe IV: Kolosser 2,12-15
Reihe V: 1. Mose 32,23-32
Reihe VI: Johannes 20,19-20(21-23)24-29

Liedvorschläge

Eingangslied: EG 100 Wir wollen alle fröhlich sein
Wochenlied: EG 117 Der schöne Ostertag
Predigtlied: EG 557 Ein Licht geht uns auf
Schlusslied: EG 552 Einer ist unser Leben

Predigttext Jesaja 40,26–31

Israels unvergleichlicher Gott

26 Hebt eure Augen in die Höhe und seht! Wer hat all dies geschaffen? Er führt ihr Heer vollzählig heraus und ruft sie alle mit Namen; seine Macht und starke Kraft ist so groß, dass nicht eins von ihnen fehlt.
27 Warum sprichst du denn, Jakob, und du, Israel, sagst: »Mein Weg ist dem HERRN verborgen, und mein Recht geht an meinem Gott vorüber«?

28 Weißt du nicht? Hast du nicht gehört? Der HERR, der ewige Gott, der die Enden der Erde geschaffen hat, wird nicht müde noch matt, sein Verstand ist unausforschlich.
29 Er gibt dem Müden Kraft und Stärke genug dem Unvermögenden.
30 Jünglinge werden müde und matt, und Männer straucheln und fallen;
31 aber die auf den HERRN harren, kriegen neue Kraft, dass sie auffahren mit Flügeln wie Adler, dass sie laufen und nicht matt werden, dass sie wandeln und nicht müde werden.

Liebe Gemeinde,

"Gelobt sei Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christus, der uns nach seiner großen Barmherzigkeit wiedergeboren hat zu einer lebendigen Hoffnung durch die Auferstehung Jesu Christi von den Toten“.

So heißt es im Wochenspruch aus dem ersten Petrusbrief. Für mich bleibt von diesem Satz vor allem hängen: Wir sind wiedergeboren zu einer lebendigen Hoffnung. Das bedeutet doch: wir sind nicht nur erfüllt von Hoffnung- das wäre ja auch schon viel! Sondern jeder und jede von uns, wir alle gemeinsam, wir sind lebendige Hoffnung – von Ostern her.

Lebendige Hoffnung sein …  Ich denke daran, dass vor einer Woche an Ostern, in vielen Kirchengemeinden von der Osterkerze aus kleine Kerzen entzündet und in der Gottesdienstgemeinde verteilt wurden, bis jeder und jede eine Kerze in der Hand hielt. Diese Kerzen sind für mich ein Bild dafür, als Gemeinde lebendige Hoffnung zu sein.
Lebendige Hoffnung. Ich. Wie die Kerze in meiner Hand. Manchmal hell leuchtend. Voller Gottvertrauen und Zuversicht.

Lebendig Hoffnung. Ich. Wie die Kerze in meiner Hand. Manchmal flackernd. Voller Ängste und Zweifel.

Lebendige Hoffnung. Wir alle hier gemeinsam als Gemeinde. Aber weit darüber hinaus, verbunden mit Christen und Christinnen aus aller Welt, verbunden von Ostern, von der Auferstehung Jesu Christi her. Verbunden zu einer lebendigen Hoffnung – stärker als der Tod.

Verbunden zu einer lebendigen Hoffnung, wie Kerzen, die an vielen Orten leuchten, sind wir auch mit Juden und Jüdinnen auf der ganzen Welt. Denn Juden und Jüdinnen teilen die Hoffnung, die stärker ist als der Tod. In den vergangenen Wochen, vom 08. bis zum 16. April haben jüdische Menschen überall auf der Welt Pessach gefeiert. Pessach, das Fest, das an den Auszug aus Ägypten erinnert. Stets beginnt das Pessachfest mit dem Sederabend. An diesem Abend wird ein Gottesdienst gefeiert – und ein Festmahl gehalten, das wiederum ein Gottesdienst ist. Denn bei dem Festmahl wird ganz sinnlich, durch symbolische Speisen, daran gedacht, dass Gott aus der Gefangenschaft in Ägypten befreit hat. Die Erinnerung wird vergegenwärtigt. Und das birgt auch die Dimension: Gott hat befreit aus Gefangenschaft und Drangsal, aus Not und Verzweiflung, aus Todesstrukturen und Toden. Und Gott befreit auch jetzt. Die Erinnerung an das, was Gott heilsam getan hat, verändert auch die Gegenwart und die Zukunft. Genauso wie für Christinnen und Christen die Erinnerung an die Auferstehung Jesu Christi die Hoffnung birgt, dass auch wir auferstehen werden. So werden jüdische und christliche Menschen verbunden zu einer lebendigen Hoffnung, stärker als der Tod. Wie Lichter, die überall auf der Welt leuchten, wo es christliche und jüdische Gemeinden gibt.

Wir sind lebendige Hoffnung. Hoffnungslichter. Mal hell leuchtend, mal flackernd. Doch nicht aus uns selbst kommt das Licht. Sondern von Gott her. Gottes Licht, das uns leuchtet, gerade auch in der Finsternis und sei es der Tod. Davon erzählt auf eigene Weise auch die Verheißung des Propheten Jesaja. Eine Verheißung, die zuerst und bleibend den Juden und Jüdinnen gilt. Eine Verheißung, in die Christen und Christinnen hineingenommen werden durch Jesus Christus. So heißt es bei Jesaja im 40. Kapitel:

26 Hebt eure Augen in die Höhe und seht! Wer hat all dies geschaffen? Gott führt ihr Heer vollzählig heraus und ruft sie alle mit Namen; seine Macht und starke Kraft ist so groß, dass nicht eins von ihnen fehlt.
27 Warum sprichst du denn, Jakob, und du, Israel, sagst: »Mein Weg ist dem Herrn verborgen, und mein Recht geht an meinem Gott vorüber«?
28 Weißt du nicht? Hast du nicht gehört? Der Herr, der ewige Gott, der die Enden der Erde geschaffen hat, wird nicht müde noch matt, sein Verstand ist unausforschlich.
29 Gott gibt den Müden Kraft und Stärke genug den Ohnmächtigen
30
 Junge Leute werden müde und matt, Jugendliche straucheln,
31 aber die auf den Herrn harren, kriegen neue Kraft, dass sie auffahren mit Flügeln wie Adler, dass sie laufen und nicht matt werden, dass sie wandeln und nicht müde werden.[1]

Liebe Gemeinde,

Hoffnungslicht in finsterer Zeit. Das hatten die Menschen, denen diese Verheißung des Propheten Jesaja zuerst zugesprochen wurde, bitter nötig. Denn wie finster waren die Zeiten! Die Babylonier waren in Jerusalem eingefallen und hatten den Tempel niedergebrannt. In Schutt und Asche lag der Ort, an dem sich Juden und Jüdinnen damals Gott ganz besonders nahe gefühlt hatten. Der Ort des Glaubens, der Zuversicht und des Trostes – verbrannt. Und in den Trümmern des Tempels und der anderen niedergebrannten Häuser: Menschen, die traumatisiert und orientierungslos in Jerusalem zurückbleiben und zwischen den Kriegstrümmern herumirren. Genauso wie Menschen heute in Syrien, im Jemen, an so vielen Kriegsorten unserer Welt (eventuell sind aktuelle Beispiele einzufügen). Wieder andere Frauen, Männer und Kinder wurden von den Babyloniern ins Exil verschleppt.

Und in diese finstere Zeit hinein also spricht der Prophet Jesaja die Verheißung Gottes: Hebt eure Augen in die Höhe und seht! Wer hat all dies geschaffen?

Zu etwas, das  bis heute schwer fällt, schon in persönlichen Krisen, dazu ermutigt Gott durch den Propheten: nämlich den Blick nicht allein auf die Finsternis zu richten. Sicher, vielleicht gibt es Momente im persönlichen Leben und in Gewalt und Kriegen auf der Welt, in denen nichts da ist außer Finsternis. Aber in so vielen anderen Momenten kann es gut tun, den Blick zu heben. Hebt eure Augen in die Höhe und seht! Auf einer Wanderung durch die Berge… Oder schon bei einem Spaziergang durch den Wald, an einem noch so grauen und trüben Tag… Da durchfährt mich zuweilen das Gefühl: Alles um mich herum ist Schöpfung, ich bin ein kleiner Teil davon, und all diese Schöpfung hat von Gott her Sinn, auch wenn ich ihn nicht immer durchschaue. Das erfährt auch Hiob. Hiob, der wie Jesus aus allem Schmerz zu Gott schreit. Hiob erkennt schließlich gerade mit Blick auf die Weite und Tiefe der Schöpfung, dass „Gottes Verstand unerforschlich“ ist, wie es auch der Prophet Jesaja  beschreibt. Und doch in all dieser Weite, in allem auch, was unverständlich ist, bleibt Gott nahe. Gott bleibt nahe trotz und gerade in der Finsternis. Hebt eure Augen in die Höhe und seht! Wer hat all dies geschaffen? Für mich klingt hier ein Lied an, das wir oft als Kinderlied singen, das aber auch uns Erwachsenen Trost geben kann: Weißt du, wie viel Sternlein stehen?

EG 511 könnte an dieser Stelle hier mit Orgel oder Klavier kurz erklingen

Gott, geheimnisvoll und unerforschlich, bleibt doch nahe. Trotz und gerade in der Finsternis. Und hier wird die Verheißung des Propheten Jesaja ganz persönlich und seelsorgerlich: Gott gibt den Müden Kraft und Stärke genug den Ohnmächtigen. Den Müden gibt Gott Kraft. Hier ist nicht von einer wohligen Müdigkeit die Rede wie die eines Kindes, wenn es das Glück hatte, den ganzen Tag zu spielen und herumzutollen und abends ins Bett fällt. Keine wohlige Müdigkeit wie die nach einer langen, schönen Wanderung. Selten ist das Bett am Abend weicher.

Sondern eine Müdigkeit, wie manche von uns sie auch kennen werden: Müdigkeit nach einer durchwachten Nacht, in der manche Sorgen wie schwarze Vögel um uns kreisen. Müdigkeit, die die Augenlider schwer und die Knie zittrig macht. Müdigkeit, die erschöpft und auslaugt. Die letztlich dazu führt, dass man sich fühlt, wie von Watte umhüllt – und das Leben mit all seinen Sinnen kommt gar nicht mehr richtig an mich heran.

Diesen Müden und Ohnmächtigen gibt Gott Kraft und wir dürfen das auch ganz persönlich hören. Aber die auf den Herrn harren, kriegen neue Kraft, dass sie auffahren mit Flügeln wie Adler, dass sie laufen und nicht matt werden, dass sie wandeln und nicht müde werden. Wie schön ist das denn?! Eine Verheißung, die wir persönlich verstehen dürfen, und die zugleich den Müden und Ohnmächtigen, den Niedergedrückten und Gestrauchelten in aller Welt gilt: Gott wird neue Kraft schenken, dass auch wir auffahren mit Flügeln. Wir haben hier in unseren Breiten vielleicht nicht so sehr Adler vor Augen. Sondern jetzt in den Frühlingstagen eher Amseln oder Meisen. Doch auffahren mit Flügeln wie eine Amsel, das wäre ja schon mal was!

Den Blick nicht allein auf die Finsternis richten. Sondern den Blick heben und weiten, auch auf die Schöpfung um uns herum. Und zu erfahren – Gott ist nahe trotz und gerade in der Finsternis. In diesem Leben und über den Tod hinaus. Das dürfen wir auch als Hoffnung von Ostern her begreifen.

Erfüllt von dieser Hoffnung, können wir selbst zur lebendigen Hoffnung werden. Wir alle, wie ein Licht, das an der Osterkerze entzündet wurde. Wir alle. Mal hell leuchtend. Mal flackernd. Aber ein Licht, verbunden zu einem Lichtermeer auf der ganzen Welt, überall dort, wo christliche und jüdische Gemeinden zusammen sind.

Verfasserin: Pfarrerin Melanie Lohwasser

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[1] Übersetzung aus der Lutherbibel 2017; an zwei Stellen: Vers 26 und Vers 29 habe ich „Er“ durch „Gott“ ersetzt. Die Übersetzung  Vers 29 „den Müden“ und „den Ohnmächtigen“ (statt der singulären Form „dem Müden“…) folgt der Übersetzung in gerechter Sprache. Auch Vers 30 folgt  der Übersetzung der  Bibel in gerechter Sprache,  da hier die mögliche inklusive Übersetzung gewählt wurde und nicht wie in der Übersetzung nach Martin Luther allein von Jünglingen und Männern die Rede ist.


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