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Wiedergeboren zur Hoffnung.

von Peter Gergel (64401 Groß-Bieberau)

Predigtdatum : 15.04.2007
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : Ostermontag
Textstelle : Markus 16,9-14.(15-20)
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Wochenspruch:

Gelobt sei Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christus, der uns nach seiner großen Barmherzigkeit wiedergeboren hat zu einer lebendigen Hoffnung durch die Auferstehung Jesu Christi von den Toten.
(1. Petrus 1, 3)
Psalm:
116 (EG 746)

Lesungen

Altes Testament:
Jesaja 40, 26 – 31
Epistel:
1. Petrus 1, 3 – 9
Evangelium:
Johannes 20, 19 – 29

Liedvorschläge

Eingangslied:
EG 111
Frühmorgens, da die Sonn aufgeht
Wochenlied:
EG 102
Jesus Christus, unser Heiland
Predigtlied:
EG 114
Wach auf mein Herz, die Nacht ist hin
Schlusslied:
EG 100
Wir wollen alle fröhlich sein

Markus 16, 9 – 14 (15 – 20 )
Als aber Jesus auferstanden war früh am ersten Tag der Woche, erschien er zuerst Maria von Magdala, von der er sieben böse Geister ausgetrieben hatte. 10 Und sie ging hin und verkündete es denen, die mit ihm gewesen waren und Leid trugen und weinten.
11 Und als diese hörten, dass er lebe und sei ihr erschienen, glaubten sie es nicht. 12 Danach offenbarte er sich in anderer Gestalt zweien von ihnen unterwegs, als sie über Land gingen. 13 Und die gingen auch hin und verkündeten es den andern. Aber auch denen glaubten sie nicht. 14 Zuletzt, als die Elf zu Tisch saßen, offenbarte er sich ihnen und schalt ihren Unglauben und ihres Herzens Härte, dass sie nicht geglaubt hatten denen, die ihn gesehen hatten als Auferstandenen.
[ 15 Und er sprach zu ihnen: Gehet hin in alle Welt und predigt das Evangelium aller Kreatur. 16 Wer da glaubt und getauft wird, der wird selig werden; wer aber nicht glaubt, der wird verdammt werden.
17 Die Zeichen aber, die folgen werden denen, die da glauben, sind diese: in meinem Namen werden sie böse Geister austreiben, in neuen Zungen reden, 18 Schlangen mit den Händen hochheben, und wenn sie etwas Tödliches trinken, wird's ihnen nicht schaden; auf Kranke werden sie die Hände legen, so wird's besser mit ihnen werden. 19 Nachdem der Herr Jesus mit ihnen geredet hatte, wurde er aufgehoben gen Himmel und setzte sich zur Rechten Gottes. 20 Sie aber zogen aus und predigten an allen Orten. Und der Herr wirkte mit ihnen und bekräftigte das Wort durch die mitfolgenden Zeichen.]

Hinführung zum Text:
Begegnungen mit dem auferstanden Christus begegnen wir Menschen meistens mit Zweifel. Matthäus spricht dreimal sogar von Unglauben: „.. und sie glaubten nicht!“ Am ersten Sonntag nach Ostern werden uns wie den neugeborenen Kindern die Augen geöffnet für eine mögliche Begegnung mit dem Auferstandenen. Und wir sollten die Augen offen halten, denn eine zweite Chance wird uns nicht geschenkt. So habe ich es während eines Diensteinsatzes in Haiti erlebt.

Liebe Gemeinde,
"Sternstunden der Menschheit " nennt Stefan Zweig zeitüberdauernde Momente, die auf ein einziges Datum, eine einzige Stunde zusammengedrängt sind. Unvergesslich bleibt die Lektüre der Ereignisse, denen er den Wert einer Sternstunde beimisst: die Niederlage Napoleons 1815, die Überquerung der Landenge Panama 1513, oder die Begnadigung Dostojewskis auf der Hinrichtungsstätte 1849 sind Beispiele.
Der Dichter behauptet, es müssten allerdings Millionen müßiger Weltstunden verrinnen, ehe eine wahrhaft historische, eine Sternstunde der Menschheit in Erscheinung trete.

Einem Blitzableiter gleich, der die Elektrizität der ganzen Atmosphäre in einem Augenblick sammelt, drängt sich eine unermessliche Fülle an Entscheidungen in die engste Spanne von Zeit, oft in einem einzigen Augenblick, der alles entscheidet.
Ein einziges Ja, ein einziges Nein, ein zu früh oder ein zu spät macht diese Sternstunde unwiderruflich und bestimmt das Leben des Einzelnen, eines ganzen Volkes oder sogar der Welt.
Solche geballten schicksalsträchtigen Momente geschehen nach Meinung von Stefan Zweig selten im Leben eines Einzelnen und selten im Laufe der Geschichte.

Diesen Aussagen zum Trotz wage ich zu behaupten, dass Sternstunden eigentlich öfters auftreten, aber von uns geblendeten Menschen im Zeitalter der Neonleuchten und des Flutlichts nicht als solche wahrgenommen werden.

Doch schon zu Jesu Zeiten war es nicht anders. Viele seiner Freunde und Jünger haben die Sternstunde des Ostermorgens nicht erkannt oder nicht wahr haben wollen. Das war damals wie heute nicht anders.

Matthäus spricht dreimal vom Unglaubend der Jünger Jesus.
Von den bei Lukas „Emmausjüngern“ Genannten berichtet Matthäus: „Danach offenbarte er sich in einer anderen Gestalt zweien von ihnen unterwegs, da sie über Land gingen. Und die gingen auch hin und verkündigten das den anderen.
Und denen glaubten sie auch nicht!“

Nach dem Tod Jesu beschließen die zwei Freunde Jesu in ihr Dorf zurückzukehren. Jesus ist tot; es gibt keinen Grund mehr in Jerusalem zu bleiben. Das Reich Gottes kommt nicht.
Zurück in den Alltag! Das Leben mit seinem monotonen Trott, begleitet von Leid, Krankheit und Tod geht weiter. Nichts hat sich geändert, nichts wird sich ändern. Sie sind auf dem Heimweg nach Emmaus. Im Gespräch vertieft, geplagt von Alltagssorgen, erkennen sie den auferstandenen Herrn nicht, der sich als Fremder zu ihnen gesellt.

"Und ihre Augen wurden gehalten, dass sie ihn nicht erkannten."
Jene in der Tat schicksal- und weltverändernde Sternstunde am Ostermorgen wurde auch erst später als solche erkannt, weitergesagt, und noch viel später dann von Paulus und Lukas aufgeschrieben.

An der Einstellung des Menschen zu dieser Sternstunde scheiden sich auch heute noch die Geister, an dem Ja oder Nein zu dieser Sternstunde, die Geburt der Hoffnung für die Welt.
Die berechtigte Frage in diesem Zusammenhang lautet: Wie kann ein Ereignis, das sich vor beinahe 2000 Jahren ereignet hat, mein Schicksal auch heute noch beeinflussen?
Die Antwort vieler Zeugen gilt auch heute noch!
Die Sternstunde der Menschheit erhält erst mit dem leeren Grab seine Wirkung und leuchtet uns in der Begegnung mit dem auferstandenen Christus entgegen.
In der Begegnung mit ihm erlebt jeder seine Sternstunde, in der über das eigene Schicksal entschieden wird und das Leben unserer Mitmenschen verändert werden kann.

Das größte Problem dabei besteht in der Tatsache, dass die Sternstunde der Begegnung mit ihm nicht in der Tageslosung oder im Evangelischen Rundfunk angekündigt wird. Martin Luther spricht von den verschiedenen Larven (Masken), unter denen der auferstandene Christus uns im Alltag begegnet.
Es ist nicht leicht, das verborgene Antlitz Gottes hinter der menschlichen Hülle zu erkennen.

Ein persönlich erlebtes Beispiel möchte ich Ihnen heute erzählen.

Vor einigen Jahren war ich in den Osterferien mit zwei Begleiterinnen aus Deutschland dienstlich unterwegs im Nordwesten von Haiti, dem ärmsten Land in Lateinamerika. Auf den engen und staubigen Stegen zwischen den kahlen Bergen hatte ich manchmal den Eindruck, die Fußspuren des auferstandenen Herren zu erkennen. Ihm in dieser "gottverlassenen" Gegend zu begegnen, erwartete ich allerdings nicht.

Nach dem zweitägigen Besuch mit Übernachtung in einer Hängematte, ohne elektrischen Strom und fließendes Wasser, machten wir uns auf den Rückweg in die Hauptstadt. Diesmal aber nicht auf der kürzeren Strecke, sondern entlang der Nordküste, über Mole St.Nicolas, die Bucht, in der Kolumbus vor 500 Jahren auf seiner Entdeckungsreise gelandet war und den Indios die Botschaft vom auferstandenen Christus gebracht hatte.
Es ging vorbei an Bombardopolis, mitten durchs Niemandsland. Am Rande des Ortes - der Friedhof; auf roter Bauxiterde, lauter kleine Häuser, die auf den Gräbern ruhen. Auf dieser Strecke fahren äußerst selten Fahrzeuge in Richtung Gonaives.
Man sieht kaum noch Hütten oder Menschen, die einer Beschäftigung nachgehen. Eine trostlose Gegend, Wüste in einer einst blühenden tropischen Landschaft. Wir konnten es nicht verstehen, wie Menschen in dieser Gegend leben können.
Völlig hoffnungslos, abgeschieden von der Welt und der Zivilisation. Wir waren froh auf dem Heimweg zu sein und hoff-ten, ohne Zwischenfälle die Hauptstadt nach zehn Stunden Fahrt zu erreichen.

Um so größer war unsere Überraschung, als mitten in der Wüste ein erbärmlich aussehender Mann undefinierbaren Alters, ohne Reisegepäck, uns bat, ihn nach Gonaives mitzunehmen.

Unsere erste Reaktion: NEIN, lass dich ja nicht mit diesem Unbekannten ein! Doch die Überlegung, es sei wohl nicht verkehrt, in jener Zeit politischer Unruhen einen Einheimischen im Fahrzeug zu haben, bewog uns, ihn mitfahren zu lassen.
Ein längeres Gespräch mit dem Fremden war nicht möglich, weil ich "pa kapap" ( nicht in der Lage) war sein Kreolisch zu verstehen und er "pa kapap" war, sich aus meinen französischen Sätzen etwas zusammen zu reinem.
Eine Frage machte mich allerdings stutzig und ließ mich trotz Müdigkeit hellwach werden.
"Kennst du Jesus?" fragte er mich.
Ich bejahte seine Frage und sah mir den Fahrgast genauer an.
Nein, Sandalen trug er nicht, der Fremde, stattdessen billige Strandschuhe. Unterwegs teilten wir die warme Cola und die gesalzenen Kekse. Nach etwa fünf Stunden erkannten wir in der Abenddämmerung die ersten Hütten von Gonaives. Unser Gast bat mich überraschenderweise, ihn nun doch lieber bis Port-au-Prince mitzunehmen, weil es inzwischen Abend wäre, und er ohnehin vorhatte, morgen in die Hauptstadt zu fahren.

Unsere erneute Reaktion: NEIN, von Port-au-Prince war nicht die Rede. Weil es aber zu kompliziert war, ihm unsere ableh-nende Haltung zu erklären, sagten wir einfach zu, vielleicht, weil wir uns mittlerweile bereits an ihn gewöhnt hatten. Und stören tat er uns eigentlich nicht.

Es folgte eine ermüdende vierstündige Fahrt auf der einzigen Straße, die aus dem Norden in die Hauptstadt führt. Kurz vor Mitternacht fuhren wir in der Vorstadt ein; unser Gast fragte nun, ob er wohl bei uns ihm Vorhof übernachten könnte.
Wir konnten uns schon vorstellen, wie und wo das Ganze enden würde. Wir erklärten ihm, dass wir in einem Hotel wohnten und dass er bald aussteigen müsste.

Und nun wird’s spannend:
Der Fremde holte ein Papier hervor und zeigte uns die Anschrift eines Bekannten in der Rue Delmas. Ich dachte schon, es wäre vielleicht der Name meines Vorgängers, der vor einigen Jahren in derselben Straße gewohnt hatte.
Doch ich lag falsch: Er suchte Herrn Legreg! (Von hinten gelesen: Gergel)

Wir fuhren in die gewünschte Straße, suchten das Haus, klopften an, baten um Einlass für den Fremden, doch eine drohende Stimme gebot uns, zu verschwinden. Und solche Drohungen nimmt man Ernst, in einem Land, wo Unbekannte auf privatem Grundstück erschossen werden dürfen.

Wir sahen uns erneut den kleinen Zettel an, und stellten fest, dass es sich bei der Hausnummer nicht um die Zahl 80, sondern 80A handelte.

Inzwischen war es schon Mitternacht.
Allein der Gedanke, nach sechs Stunden erneut im Fahrzeug sitzen zu müssen, machte mich wütend und ließ mich den hilflosen Fremden stehen lassen Wortlos fuhren wir davon.
Kaum waren wir um die Ecke gebogen, sahen wir das Straßenschild Delmas 81A, und plötzlich riefen meine Begleiterinnen:
"Fahr zurück, wir wollen ihm doch helfen, das Haus zu finden!" Ich wendete das Geländefahrzeug, raste zurück, und wir sahen uns gemeinsam nach dem Fremden um. Von unserem Fahrgast gab es keine Spur mehr. Wir riefen laut: "Monsieur, Monsieur, mein Herr, mein Herr!". Doch es kam keine Antwort. Es war zu spät!

Es war, als hätte ihn der Erboden verschlungen. Wir durchsuchten die ganze Straße, doch er war verschwunden.
Dabei war nur knapp eine Minute vergangen, seit wir ihn im Dunkeln hatten stehen lassen.

Nach einer Weile fuhren wir ganz verwirrt in Richtung Hotel, und auf einmal fielen mir die wenigen Sätze ein, die ich in dem Gespräch mit dem fremden Gast verstanden hatte: Kurz nachdem er eingestiegen war, die provokative Frage: "Kennst du Jesus?" In der Dämmerung vor Gonaives, die Bitte: "Mein Freund, lass mich bei dir bleiben, denn es ist Abend geworden!" Bei der Einfahrt in die Hauptstadt die Aufforderung: "Ich will heute dein Gast sein, denn ich habe nicht, wohin ich meinen Kopf legen soll."

Und dann erinnerte ich mich an die Emmausgeschichte, in der es heißt: "Und ihre Augen waren gehalten, dass sie ihn nicht erkannten“ Lukas 24,16 „Und er verschwand vor ihnen!" Lukas 24,31

Innerlich aufgewühlt fragte ich meine Begleiterinnen scherzend, ob sie den fremden Gast erkannt hätten. Da sie meine Frage nicht verstanden, sagte ich nüchtern , als wollte ich sie davon überzeugen: "Wir hatten heute Jesus als Anhalter zu Gast.“ Ganz überzeugend klang es nicht, denn beide deuteten diesen Kommentar als Zeichen meiner Übermüdung, und waren nur noch bedacht, so schnell wie möglich ins Bett zu kommen.

Dennoch kann ich dieses Erlebnis nicht vergessen. Ich nenne es
„Meine verfehlte Sternstunde“!

Ich war so nah, ich hatte bereits einige Hürden genommen und scheiterte am Ende an meiner Ungeduld. Manchmal frage ich mich, wie die Begegnung verlaufen wäre, hätte ich dem Anhalter erlaubt, in jener Nacht im Fahrzeug auf dem Parkplatz zu übernachten. Ich werde es wohl nie erfahren.

Drei Monate später war ich erneut in Jean Rabel. Wieder mit zwei Begleitern aus Deutschland – doch diesmal stand kein Fremder am Straßenrand, der nach Gonaives mitfahren wollte.

Ich glaube, jeder von uns könnte von einer ähnlichen Erfahrung berichten, denn der auferstandene Christus begegnet uns tatsächlich in einem unserer unscheinbaren Nächsten mitten im Alltag.
Wichtig ist, offen für eine Begegnung mit ihm zu sein, und vor allem, willig zu sein, Ihn in der Gestalt des Nachbarn, des Kranken, des Fremden unter uns zu erkennen.

Der auferstandene Herr geht mit uns, er begegnet uns dort, wo wir ihn nicht erwarten.
Deshalb: Haltet die Augen offen wie die neugeborenen Kinder, die nach wenigen Tagen das freundliche Gesicht der Mutter und des Vaters erkennen können.
Ich wünsche Ihnen, dass Sie Ihre Sternstunde nicht verpassen, sondern das freundliche Gesicht Gottes in Jesus Christus erkennen.
Amen.

Pfarrer Peter Gergel, Sudetenstraße 4, 64401 Groß-Bieberau; langjähriger Mitarbeiter der Christoffel-Blindenmission in Lateinamerika.

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