Wo Gott wohnt
von Florian Bortfeldt (Idafehn)
Predigtdatum
:
01.02.2009
Lesereihe
:
ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr
:
4. Sonntag vor der Passionszeit
Textstelle
:
Matthäus 17,1-9
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Liebe Gemeinde,
ist Ihnen von einem Kind schon einmal die Frage gestellt worden, wo der liebe Gott wohnt? Wenn ja, dann werden sicherlich die meisten von Ihnen geantwortet haben: "Du, der liebe Gott, der wohnt im Himmel." Und viele Kinder werden sich mit dieser Antwort zufrieden geben. So weit, so gut. Was aber, wenn das Kind nachhakt und fragt: "Hat er auch eine Wohnung hier auf der Erde?" Das ist eine wirklich schwierige Frage, die jeder anders beantworten wird. Denn für die einen hat er eine Wohnung in Rom, für die anderen in Jerusalem, und viele sagen, daß jede Kirche ein Haus Gottes ist. Die Bibel geht sogar noch einen Schritt weiter. Sie sagt, daß jeder Mensch, der an Gott glaubt und getauft ist, eine Wohnung Gottes ist, oder wie Luther die entsprechende Stelle aus dem Paulusbrief übersetzt, ein Tempel des Heiligen Geistes, mit dem man pfleglich umgehen soll.
Warum aber ist es für uns Menschen so interessant und wichtig zu wissen, wo Gott wohnt? Steckt nicht auch hinter dieser Frage die Sehnsucht nach der Nähe Gottes? Wenn man sich Gott an einem Ort ganz besonders nahe fühlt, dann wird man immer wieder zu diesem Ort zurückkehren. Ein solcher Ort ist wie ein Schutzraum, der einen mit Ruhe und Geborgenheit umfängt, und der einem Kraft gibt, sich wieder neu seinen Sorgen, Problemen und Ängsten zu stellen. Für evangelische Christen ist dieser Ort wohl vor allem der Gottesdienst in der eigenen Kirche. Für katholische Christen sind es vielleicht die Wallfahrtsstätten in nah und fern, an denen sie die Gegenwart Gottes erleben und die deshalb für sie eine so große Anziehungskraft ausüben.
Die Jünger Jesu durften über 3 Jahre die Nähe und Liebe Gottes auf einmalige und unvergleichliche Weise erfahren, nämlich als sie mit ihrem Herrn durch das Heilige Land zogen. An einem Tag aber, da war ihnen Gott so nahe, daß sie sich schon fast im Himmel wähnten. Und von diesem Tag bzw. dem Ereignis, das an diesem Tag passierte, davon berichtet unser heutiger Predigttext.
Mt 17,1-9 (Übersetzung "Hoffnung für alle")
01 Sechs Tage später ging Jesus mit Petrus, Jakobus und dessen Bruder Johannes auf den Gipfel eines hohen Berges. Sie waren dort ganz allein.
02 Auf einmal wurde Jesus vor ihren Augen verwandelt: Sein Gesicht leuchtete wie die Sonne, und seine Kleider strahlten hell.
03 Plötzlich erschienen Mose und der Prophet Elia. Sie redeten mit Jesus.
04 Da rief Petrus: "Herr, hier gefällt es uns! Wenn du willst, werden wir drei Hütten bauen, eine für dich, eine für Mose und eine für Elia."
05 Noch während er so redete, hüllte sie eine leuchtende Wolke ein, und aus der Wolke hörten sie eine Stimme: "Das ist mein geliebter Sohn, an dem ich meine Freude habe. Ihm sollt ihr gehorchen."
06 Bei diesen Worten fielen die Jünger erschrocken zu Boden.
07 Aber Jesus kam zu ihnen, berührte sie und sagte: "Steht auf! Fürchtet euch nicht!"
08 Und als sie aufsahen, war nur noch Jesus bei ihnen.
09 Als sie vom Berg herabstiegen, befahl ihnen Jesus: "Erzählt niemandem, was ihr gesehen habt, bis der Menschensohn von den Toten auferstanden ist."
Liebe Gemeinde, vielleicht gingen Petrus, Jakobus und Johannes bis zu jenem Tage, als sie mit Jesus auf den Berg Tabor in Israel stiegen, davon aus, daß Gott seinen irdischen Wohnsitz vor allem im Jerusalemer Tempel hatte. Doch das Erlebnis, was sie mit ihrem Herrn auf dem Berge hatten, wird ihre Einstellung geändert haben. Zunächst erlebten sie etwas, was wohl seit den Tagen der Propheten in Israel nicht mehr geschehen war und wovon alle gläubigen Juden träumten. Sie hatten eine Vision. Und in dieser Vision erschienen ihnen Mose und Elia, zwei Männer, die wie kaum andere die Geschichte des Volkes Israel geprägt haben und deren Wiederkunft den Juden für das Ende der Tage verheißen worden war. Deshalb waren Petrus, Jakobus und Johannes ja auch so ergriffen und dachten, Gottes Herrschaft würde nun mit Macht sofort anbrechen. Noch nie hatten sie die Macht, die Nähe und die Wärme der Gegenwart Gottes auf so wunderbare Weise erlebt wie in jenem Moment. Und sie begriffen, daß Gott zunächst einmal vor allem dort ist, wo auch sein Sohn ist, unabhängig von festen Gebäuden wie Synagogen oder dem Allerheiligsten des Tempels.
Einer von ihnen, Petrus, er sagte in dieser Situation, was sicherlich auch die beiden anderen Jünger dachten: Wie gut, daß wir hier sind Herr! Wenn du willst, schlage ich hier drei Hütten auf, eine für dich, eine für Mose und eine für Elia. Spricht hier nicht etwas zutiefst menschliches aus Petrus, liebe Gemeinde? Er will, daß dieser wunderbare Moment nicht vergeht, er will die Situation konservieren und durch den Bau von drei kleinen Kirchen Jesus, Mose und Elia zum Bleiben an diesem herrlichen Ort bewegen. Wie oft geht es uns ähnlich. Wenn ein Fest wunderbar verläuft und seinen Höhepunkt erreicht, dann wünschten wir uns, es möge noch lange so weiter gehen. Und wir sind ganz traurig, wenn sich dann die ersten Gäste verabschieden: "Was, ihr wollt schon gehen?" Oder wenn Fußballfreunde nach einem gewonnenen wichtigen Spiel so richtig glücklich sind, dann singen sie: "So ein Tag, so wunderschön wie heute, so ein Tag, der dürfte nie vergehen". Was für den weltlichen Bereich gilt, gilt erst recht für den geistlichen: Besonders schöne Gottesdienste, ein Glaubensseminar ... Doch wir wissen es alle, die Feste vergehen, der Alltag kommt wieder. Auch Petrus wird von Gott auf den Boden der Tatsache zurückgeholt. So heißt es in unserem Predigttext:
Während er noch redete, erschien eine leuchtende Wolke über ihnen, und eine Stimme aus der Wolke sagte: Dies ist mein lieber Sohn, ihn habe ich erwählt. Auf ihn sollt ihr hören.
Es war dieselbe Stimme, die auch schon bei der Taufe Jesu im Jordan zu hören gewesen ist. Und diese Stimme des unsichtbaren Gottes, sie sagt den Jüngern und auch uns ganz klar und deutlich, was wichtiger ist als der Bau von Kirchen oder das Festhalten an für uns ergreifenden Momenten, wie schön sie auch sein mögen: "Hört auf Jesus!" Und das bedeutet: Allein Jesus ist der Maßstab aller Dinge. War dies nicht auch die bahnbrechende Erkenntnis Martin Luthers: "Solus Christus", allein Christus ist es, mit dem die Kirche steht und fällt. Wir brauchen keinen Mittler zwischen Himmel und Erde. Jesus genügt. Wenn wir auf ihn hören, dann sind wir Gott gehorsam. Dann steht auch uns der Himmel Gottes offen, so wie er den Jüngern auf dem Berge offengestanden hat.
Und noch etwas bedeutet die Stimme Gottes auf dem Berge, die Petrus zutiefst menschliche und zutiefst verständliche Pläne unterbrach: Christsein heißt, auf dem Weg zu sein. Wie verständlich und angenehm es ist, daß wir uns auch als Christen in dieser Welt einrichten, wir dürfen nie vergessen, daß unser Ziel nicht in und auf dieser Welt liegt, sondern daß dieses Ziel die himmlische Herrlichkeit Gottes ist. Die Jünger, sie durften auf dem Berg Tabor einen kurzen Einblick in diese himmlische Herrlichkeit nehmen, sozusagen einen Vorgeschmack von dem, was sie nach ihrem Tode erwarten würde. Doch dann mußten sie mit Jesus wieder hinab ins Tal, hinab in den Alltag und zurück auf den Weg, auf den Gott sie gestellt hatte. Für Jesus führte dieser Weg ans Kreuz und für die meisten Jünger ebenfalls ins Martyrium. Wohin uns der Weg des Glaubens einst führen wird, wissen wir jetzt noch nicht und das ist gut so. Viel wichtiger in diesem Moment ist aber, ob wir überhaupt bereit sind, auf dem Weg des Glaubens zu gehen. Denn wir alle sind gefährdet durch Trägheit und Gleichgültigkeit. Anstatt neue Wege zu beschreiten, richten wir uns lieber ein und geben uns mit dem Ist-Zustand unseres Lebens zufrieden. Sind wir nicht oft so wie der eine Knecht aus dem Gleichnis Jesu, der das ihm anvertraute Pfund lieber vergräbt anstatt es so einzusetzen, daß damit Gutes und Segensreiches geschehen kann? Wer sich aber auf den Weg des Glaubens begibt, der kann gar nicht anders als seine Gaben einzusetzen, sonst bleibt er stehen und kommt nicht weiter.
Unser Predigttext will uns heute also zweierlei sagen: Hört auf Jesus, auf das, was er euch in der Bibel sagt. Denn Jesus lebt und er hat das Wort des Lebens. Sein Kreuz und seine Auferstehung sind die Bürgen dafür, daß das Leben gewonnen hat. Und wenn ihr das getan habt und tut, wenn ihr dem Sohn Gottes gehorsam seid, dann macht euch auf den Weg! Schweigt nicht von der Hoffnung, die in euch ist und die eurem Leben Halt gibt. Sagt dieser Welt, daß es noch ein Ziel gibt, für das es sich zu leben lohnt. Seht nicht tatenlos mitan, wie andere Menschen an ihren Problemen zerbrechen. Stärkt die Müden und die Traurigen. Helft mit, daß es in dieser Welt gerechter zugeht, sowohl dort, wo ihr seid, als auch dort, wo ihr nicht sein könnt. Denn über dem Hören auf Jesus und dem Tun seines Willens liegt die große Verheißung der Gegenwart Gottes. Wo wir seinen Namen anrufen und in seinem Namen handeln, da ist auch er, ja, da ist Gott zu Hause.
Und damit komme ich auf meine zu Beginn gestellte Frage zurück: Wo wohnt Gott? Er wohnt eben nicht in Mauern und Palästen. Sicherlich ist er auch dort, aber er läßt sich nicht dort festhalten, wie er sich auch schon von Petrus nicht auf dem Berg Tabor festhalten ließ. Nein, Gott ist wohl immer dort zu finden, wo auf ihn gehört wird. Wo Menschen Gott ernst nehmen und ihn beim Wort nehmen. Und dort, wo Menschen sich in seiner Nachfolge befinden, wo sie sich auf den Weg gemacht haben, um Gottes Reich in dieser Welt aufzubauen. Und schließlich wohnt er dort und ist er denen nahe, die in unseren Augen vielleicht keine Würde haben, bei den Armen, den Entrechteten und den Unterdrückten. Was es auch sei, auf die Gegenwart Gottes kommt es an. Wenn er nicht mitmacht, dann, so sagt es schon der Psalmbeter, dann bauen die Bauleute umsonst, dann gehen auch unsere Bemühungen als Kirche ins Leere. Wenn er aber da ist, dann kommt der Segen unwiderruflich, auch wenn wir uns das manchmal vielleicht gar nicht vorstellen können. Ich möchte beten:
"Barmherziger Gott, himmlischer Vater, du weißt, das wir nicht gut sind im Hören auf dich und im Tun deines Willens. Wir machen es uns lieber bequem, anstatt uns in deine Nachfolge zu begeben. Bitte vergib uns das, vergib uns vor allem alle Trägheit und Gleichgültigkeit. Sei du uns spürbar nahe, daß wir wieder neuen Mut und neue Kraft bekommen, auf dich zu hören und uns auf den Weg zu machen, um das zu tun, was dieser Welt gut tut. Hab dank, daß du so viel Geduld mit uns hast. Schenke auch uns diese Geduld anderen Menschen gegenüber, die du uns in den Weg stellst und die wir oft übersehen oder unbarmherzig behandeln. Herr, wir geben die Hoffnung nicht auf, daß es eine bessere Welt gibt als die, die uns täglich so bedrückt. Denn mit dir ist ein Licht in diese Welt gekommen. Du hast uns gezeigt, daß der Himmel offensteht und manchmal sogar die Erde berührt. Stärke uns in dieser Hoffnung und in diesem Glauben, besonders durch dein Heiliges Mahl, daß wir gleich empfangen dürfen. Geh du mit uns in die neue Woche. Behüte uns auf allen Wegen vor Schaden und Gefahren, vor Sünden und allem Übel. Wenn du da bist Herr, dann fürchten wir uns nicht".
Amen.
Pfarrer Florian Bortfeldt, 26842 Idafehn (Landeskirche Oldenburg); Email: floal.bortfeldt@t-online.de
Web: www.kirche-idafehn.de