Wochenspruch: "Siehe, dein König kommt zu dir, ein Gerechter und ein Helfer." (Sach 9,9)
Psalm: 24 (EG 712)
Lesungen
Altes Testament: Jeremia 23, 5 - 8
Epistel: Römer 13, 8 - 12
Evangelium: Matthäus 21, 1 - 9
Liedvorschläge
Eingangslied: EG 1 Macht hoch die Tür, die Tor macht weit
Wochenlied: EG 4 oder
EG 6 Nun komm, der Heiden Heiland
Die Nacht ist vorgedrungen
Predigtlied: EG 13 Tochter Zion, freue dich
Schlusslied: EG 9 Nun jauchzet, all ihr Frommen
Offenbarung 5, 1 - 5 (6 – 14): Das Buch mit den sieben Siegeln
1 Und ich sah in der rechten Hand dessen, der auf dem Thron saß, ein Buch, beschrieben innen und außen, versiegelt mit sieben Siegeln.
2 Und ich sah einen starken Engel, der rief mit großer Stimme: Wer ist würdig, das Buch aufzutun und seine Siegel zu brechen?
3 Und niemand, weder im Himmel noch auf Erden noch unter der Erde, konnte das Buch auftun und hineinsehen.
4 Und ich weinte sehr, weil niemand für würdig befunden wurde, das Buch aufzutun und hineinzusehen.
5 Und einer von den Ältesten spricht zu mir: Weine nicht! Siehe, es hat überwunden der Löwe aus dem Stamm Juda, die Wurzel Davids, aufzutun das Buch und seine sieben Siegel.
6 Und ich sah mitten zwischen dem Thron und den vier Gestalten und mitten unter den Ältesten ein Lamm stehen, wie geschlachtet; es hatte sieben Hörner und sieben Augen, das sind die sieben Geister Gottes, gesandt in alle Lande.
7 Und es kam und nahm das Buch aus der rechten Hand dessen, der auf dem Thron saß.
8 Und als es das Buch nahm, da fielen die vier Gestalten und die vierundzwanzig Ältesten nieder vor dem Lamm, und ein jeder hatte eine Harfe und goldene Schalen voll Räucherwerk, das sind die Gebete der Heiligen,
9 und sie sangen ein neues Lied: Du bist würdig, zu nehmen das Buch und aufzutun seine Siegel; denn du bist geschlachtet und hast mit deinem Blut Menschen für Gott erkauft aus allen Stämmen und Sprachen und Völkern und Nationen
10 und hast sie unserm Gott]zu Königen und Priestern gemacht, und sie werden herrschen auf Erden.
11 Und ich sah, und ich hörte eine Stimme vieler Engel um den Thron und um die Gestalten und um die Ältesten her, und ihre Zahl war vieltausendmal tausend;
12 die sprachen mit großer Stimme: Das Lamm, das geschlachtet ist, ist würdig, zu nehmen Kraft und Reichtum und Weisheit und Stärke und Ehre und Preis und Lob.
13 Und jedes Geschöpf, das im Himmel ist und auf Erden und unter der Erde und auf dem Meer und alles, was darin ist, hörte ich sagen: Dem, der auf dem Thron sitzt, und dem Lamm sei Lob und Ehre und Preis und Gewalt von Ewigkeit zu Ewigkeit!
14 Und die vier Gestalten sprachen: Amen! Und die Ältesten fielen nieder und beteten an.
Liebe Gemeinde,
es ist Advent geworden. Die erste Kerze brennt. Draußen in den Straßen und Geschäften geht es seit Wochen schon unübersehbar auf Weihnachten zu. Die einen mögen den Glanz und die Lichter und die Geschäftigkeit. Sie freuen sich daran, lassen sich mitnehmen und mittreiben. Anderen ist das tief zuwider. Sie beklagen den Trubel und vermissen adventliche Stille und Besinnung oder suchen danach.
Irgendwo bei oder zwischen diesem beiden Polen finden auch wir uns, heute als Gemeinde versammelt zum Gottesdienst am 1. Advent.
Das neue Kirchenjahr beginnt. Neu wird wieder der Anfang des Buches mit den Lesungen zum Gottesdienst aufgeschlagen. Aufgeschlagen ist das Buch. Jeder, wer lesen kann, kann es einsehen. Und wer Schwierigkeiten hat, zu lesen, findet sicher jemanden, der vorliest. Die Bibel gehört aufgeschlagen und geöffnet in die Hand des Volkes. Das ist ein hoch demokratischer Kernsatz der Reformation.
Das aufgeschlagene Buch präsentiert uns heute ein Buch mit sieben Siegeln. Das Buch ist verschlossen. Sprichwörtlich, mit den berühmten sieben Siegeln. Niemand vermag es zu öffnen. Nicht einmal die im Thronsaal Gottes versammelten Engel und andere Himmelswesen. Und es scheint ein wichtiges Buch zu sein. Warum sonst würde der Seher Johannes bitterlich weinen, weil niemand es öffnen kann?
Nur, was außen auf der Schriftrolle steht, ist zu entziffern. Der Klappentext sozusagen, das was man heute bei einem neuen Buch lesen kann, auch wenn es noch in Folie verpackt ist. Er gibt lediglich eine Ahnung, was drinnen stehen könnte. Der Seher Johannes weint bitterlich, bei dieser Vision, weil niemand das Buch öffnen und hineinsehen kann.
Der Inhalt ist brisant. Vielleicht deshalb die sieben Siegel, damit es nicht in falsche Hände gerät. Das Buch mit den sieben Siegeln ist ein gefährliches und ein gefährdetes Buch.
Es geht um die letzten Dinge. Es geht um die letzte Macht über die Welt und die Menschen. In falschen Händen zöge dieses Wissen Katastrophen nach sich. Gut, dass das Buch verschlossen und versiegelt ist und auf den Richtigen wartet, der es öffnen wird, ja genauer, der es bereits geöffnet hat. Gut, dass es eine Grenze aufrichtet.
Katastrophen, die das Leben und Lebensmöglichkeiten vernichten, gibt es ohne dieses Buch schon genug. Egal, ob blinde Naturgewalt oder von Menschen mit verursacht.
Wer nach unserem Predigttext weiter liest, wird in der Johannesoffenbarung Katastrophen in Fülle sehen. Die Johannesoffenbarung beschreibt darin keine zukünftigen Ereignisse. So wird sie oft interpretiert. Und dann wird gerechnet, was zu welcher Zeit eintreten wird oder bereits geschehen ist.
Wer weiter liest, sollte wissen: der Seher beschreibt und kritisiert die Gegenwart seiner Welt, die unter Katastrophen und unter der brutalen Gewalt der römischen Besatzer leidet. In seinen Visionen tut er dieses verschlüsselt in der Form von Zukunftsansagen.
Anders geht es nicht: wer offen das Unrecht und die Brutalität der römischen Machthaber benennt, lebt gefährlich und bringt seine Leserinnen und Leser und die, denen vorgelesen wir in Gefahr. Deshalb – der Zensor liest mit – die verschlüsselte Form.
Unterdrückungssysteme wie das römische Reich, hat die Welt auch nach dem Seher Johannes mehr als genug gesehen. Diktaturen und wirtschaftliche, politische oder religiöse Systeme oder Netzwerke, die Menschen ganz unter ihre Herrschaft nehmen, kennt die Geschichte und die Gegenwart mehr als genug.
Immer wieder gibt es Versuche, die Herrschaft über alle Lebensbereiche der Menschen an sich zu ziehen und den Alltag, das öffentliche, das wirtschaftliche und das private Leben lückenlos zu kontrollieren und zu beherrschen.
In solche Hände soll das Buch mit den sieben Siegeln nicht fallen. Menschliche Autoritäten sollen sich nicht göttliche Weisheit oder Autorität anmaßen. Die letzte Macht über die Welt und über die Menschen bleibt in einer anderen Hand, bleibt bei Gott, bei seiner Liebe.
Das letzte Wort über die Rätsel menschlichen Schicksals, über die Verstrickung in Schuld und Böses, über das „warum“ von Glück und Leid, von Wohlergehen und Katastrophen, behält sich Gott vor.
Noch ist auch uns Menschen des 21. Jahrhunderts manches Mal zum Weinen, wie dem Seher Johannes, wenn wir leiden und mitleiden, wenn wir nicht verstehen und um Antworten, Trost oder Zuversicht ringen.
Und dann wird es doch adventlich, wie das Buch mit den Lesungen, das geöffnet vor uns liegt. „Weine nicht!“, sagt einer von den versammelten Ältesten, „siehe, es hat überwunden der Löwe aus dem Stamm Juda, die Wurzel Davids, aufzutun das Buch mit den sieben Siegeln.“
Der Seher sieht ein Lamm, wie geschlachtet: ganz klar Symbol für den Gekreuzigten in seiner Niedrigkeit. Aber zugleich ist dieses Lamm angetan mit allen Insignien der Macht und der Vollkommenheit: „sieben Hörner, sieben Augen“.
Die Zahl sieben steht für Vollkommenheit, die sieben Hörner sind Zeichen der Stärke, die sieben Augen bedeuten Allwissenheit. Das Lamm, unübersehbar der Gekreuzigte und Auferstandene, trägt diese Zeichen. Er allein hat legitime Macht über die Welt, über das Leben und den Tod. Tröstlich, dass seine Macht die Macht seiner Liebe ist.
Er, der auf dem Esel, dem Lasttier der armen Leute nach Jerusalem geritten war, ist der wahre König. Recht haben sie, die damals „Hosianna“ gerufen haben, sagt die Vision unseres Predigttextes. Und Recht werden sie behalten. Der, der dort einzieht, ist der neue König. Genau so, wie er in die Stadt kommt. Einfach, niedrig, nahe bei seinen Menschen.
So liegt auf diesem Ende adventliches Licht. Es ist die Liebe Gottes, die am Ende das letzte Wort behält. Kein rechthaberisches, sondern ein heilendes und versöhnendes Wort. Es ist die Liebe Gottes, die am Ende das letzte Wort hat. Die Liebe Gottes, die in dem Kind in der Krippe zur Welt, zu uns Menschen kam und kommt.
Es ist der gleiche, mit dem Gott in der Krippe in Bethlehem den Anfang macht, der am Ende das letzte Wort haben wird. Darin bleibt er sich selber treu. Warum auch sollte das Ende anders sein als der Anfang. Es bleibt Gottes Liebe, die alles leiten wird. Der Christus, der hier so bildreich mit allen Insignien der Macht versehen, der die letzten Rätsel des Lebens in der Hand hält, ist der gleiche, der als das Kind in der Krippe in die Welt gekommen ist.
Sein Weg bleibt an der Seite seiner Menschen. Deshalb ist er in die Welt gekommen, teilt als Mensch das Schicksal der Menschen, ist uns Menschen nahe in den Höhen und Tiefen des Lebens. Hinab gestiegen ist mit ihm seine Liebe und der Glanz Gottes, auch in die tiefsten Niederungen menschlichen Schicksals.
Wir – Menschen – mögen von dem, was uns vor Augen stehen kann, dieses aus den Augen verlieren. Manches Mal werden nicht nur Tränen unseren Blick auf Gottes Liebe und den Glanz, den er in die Welt bringt, verschleiern.
Manches Mal wird uns unser Leben und die Welt um uns herum schmerzhaft wie ein Buch mit sieben Siegeln erscheinen. Verschlossen, nicht einsehbar, unverständlich.
Aber eines dürfen wir erinnern: Gottes Liebe lässt sich nicht mehr aus dieser Welt vertreiben. Das, was aufgeleuchtet ist über dem Kind in dem Stall in Bethlehem ist dauerhaft. Nichts kann es zerstören oder beiseite schieben. Ja, mehr noch: am Ende und bereits jetzt schon hat Gottes Liebe das letzte Wort über allem. Das ist der adventliche Blick, der von der Vision des Sehers her aufleuchtet.
Die Siegel sind aufgebrochen. Gott selber wird Licht in die letzten Rätsel des menschlichen Leiden und des menschlichen Lebens bringen.
Grund genug, Advent zu feiern.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre
unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus.
Amen
Referat Ehrenamtliche Verkündigung
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