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Zeit der Erwartung des kommenden Gottes

von Susanne Richter (89584 Ehingen)

Predigtdatum : 01.12.2019
Lesereihe : II
Predigttag im Kirchenjahr : 1. Advent
Textstelle : Römer 13,8-12
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Wochenspruch: Siehe, dein König kommt zu dir, ein Gerechter und ein Helfer. (Sach 9,9)

Psalm: 24 (EG 712)

Predigtreihen

Reihe I: Matthäus 21,1-11
Reihe II: Römer 13,8-12
Reihe III: Sacharja 9,9-10
Reihe IV: Jeremia 23,5-8
Reihe V: Offenbarung 3,14-22
Reihe VI: Psalm 24,1-10

Liedvorschläge

Eingangslied: EG 1, 1–5 Macht hoch die Tür
Wochenlied: EG+ 102 Da wohnt ein Sehnen
Predigtlied: EG 16, 1.3-4 Die Nacht ist vorgedrungen   
Schlusslied: EG 20, 1–4+8 Das Volk, das im Finstern wandelt

Predigttext Römer 13,8–12

Die Liebe, des Gesetzes Erfüllung

8 Seid niemandem etwas schuldig, außer dass ihr euch untereinander liebt; denn wer den andern liebt, der hat das Gesetz erfüllt.
9 Denn was da gesagt ist (2. Mose 20, 13 - 17): »Du sollst nicht ehebrechen; du sollst nicht töten; du sollst nicht stehlen; du sollst nicht begehren«, und was da sonst an Geboten ist, das wird in diesem Wort zusammengefasst (3. Mose 19, 18): »Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.«

10 Die Liebe tut dem Nächsten nichts Böses. So ist nun die Liebe des Gesetzes Erfüllung.

Leben im Licht des anbrechenden Tages

11 Und das tut, weil ihr die Zeit erkannt habt, dass die Stunde da ist, aufzustehen vom Schlaf, denn unser Heil ist jetzt näher als zu der Zeit, da wir gläubig wurden.
12 Die Nacht ist vorgerückt, der Tag ist nahe herbeigekommen. So lasst uns ablegen die Werke der Finsternis und anlegen die Waffen des Lichts.

Hinführung

Ich bin Pfarrerin in einer Kleinstadt (25.000 Einwohner) mit einigen Industriebetrieben (Liebherr, früher Schlecker) und vielen kleinen Handwerkerbetrieben am Fuße der Schwäbischen Alb. Ehingen liegt am Donauradwanderweg, ist Bierkulturstadt (einige Brauereien am Ort). Die evangelische Kirchengemeinde ist mit 3500 Gemeindegliedern und zwei Pfarrstellen die größte Kirchengemeinde im evangelischen Kirchenbezirk Blaubeuren. Sie liegt in der Diaspora, drei katholische Kirchen am Ort. Der normale Sonntagsgottesdienst ist schlecht besucht, vor allem Menschen ab 70 aufwärts, wenige ab 60. Am ersten Advent werden sicher mehr Menschen in die Kirche kommen. Das Bewusstsein für den Beginn des neuen Kirchenjahres ist bei manchen noch da, auch die Freude, die erste Kerze am Adventskranz anzuzünden. Vielleicht kommen einige Konfirmandenfamilien und einige Eltern mit ihren kleinen Kindern. Die Kinder sind an diesem Sonntag zu Beginn im Hauptgottesdienst und feiern dann ihren eigenen Gottesdienst. Zudem ist dieses Jahr in Württemberg am ersten Advent Kirchenwahl.

Der Text spricht mich sehr an. In den Versen 8 - 10 die Liebe als Erfüllung der Tora. In den Versen 11 - 12 die Ansage, „dass die Stunde da ist, vom Schlaf aufzustehen“, die Machenschaften der Finsternis abzulegen und die Waffen des Lichts anzulegen. Ich möchte allerdings nicht die martialische Sprache zu sehr aufnehmen. Ich entscheide mich in der Predigt, für „die Rüstung des Lichts“ (Bibel in gerechter Sprache 1. Auflage) statt der „Waffen des Lichts“. Denn die Rüstung dient der Abwehr, die Waffen dem Angriff, auch wenn es aus geistlicher Sicht durchaus Sinn macht, z. B. das Lichtschwert des Erzengels Michaels im Kampf gegen die Drachenwelt.

Für die Predigt bevorzuge ich, den Predigttext nach der Übersetzung der „Bibel in gerechter Sprache“ zu lesen.

Gliederung

I. Wir suchen Stille und Einkehr - und hören: Wach auf! Jetzt!
II. Das passt: Wach Sein gegenüber den Machenschaften der Finsternis
III. Die Rüstung des Lichts schützt vor den Machenschaften der Finsternis
IV. Meine Schatten im Licht der Liebe ansehen
V. Gottes Liebe ist ewig. Sie kennt weder Zeit noch Raum

Ziel

Advent als Zeit der Stille und Einkehr gibt die Chance, wachsam zu werden gegen die Machenschaften der Finsternis und ihre Schatten wahrzunehmen – auch im eigenen Leben.

Der Predigttext aus der Bibel in gerechter Sprache:

„Dann seid ihr niemandem etwas schuldig – außer einander zu lieben.
Denn wer andere liebt, hat die Tora erfüllt. Die Gebote: Du darfst die Ehe nicht brechen, niemanden zu Tode bringen, nicht stehlen, nicht gieren und so weiter sind in diesem einen Satz zusammengefasst: Liebe deine Nächste und deinen Nächsten wie dich selbst. Die Liebe tut den Mitmenschen nichts Böses. Die Fülle der Tora ist die Liebe.

Und das alles in der Gewissheit um die besondere Zeit. Denn die Stunde ist schon da, aus dem Schlaf aufzuwachen. Denn jetzt! ist die Überwindung der Gewalten näher als zu der Zeit, als wir zu glauben begannen.
Die Nacht kommt an ihr Ende, der Tag naht.
Lasst uns nun die Machenschaften der Finsternis ablegen und die Waffen des Lichts anlegen.“

I. Wir suchen Stille und Einkehr - und hören: Wach auf! Jetzt!

Liebe Gemeinde,

„Die Nacht ist bald vorüber, der Tag naht. Lasst uns nun die Machenschaften der Finsternis ablegen. Lasst uns die Rüstung des Lichts anlegen.“ Die Stunde ist da, vom Schlaf aufzustehen. Jetzt!

Heute am 1. Advent hören wir diese klaren Worte des Apostels Paulus in einen Moment hinein, wo jede und jeder von Ihnen vielleicht eher besinnliche Worte erwartet. Einkehr und Stille gehören doch eher in unsere Stimmung zu Beginn des Advents. Vielleicht haben Sie heute Morgen schon mit ihren Kindern, Enkel- oder Urenkelkindern die erste Kerze am Adventskranz entzündet und in strahlende Kinderaugen geblickt. Das Entzünden des ersten Kerzenlichtes am Adventskranz ist bis heute häufig ein besonderes Ritual. Auch wir haben heute im Gottesdienst diese erste Kerze entzündet. Dieses Ritual berührt uns auch heute noch in unserem Innersten.

Es erinnert uns vielleicht an unsere eigene Kindheit. Und wie dankbar sind viele von uns heute Morgen, den voradventlichen Stress, das Backen der Plätzchen, das Schmücken der Wohnstube, das Basteln oder Kaufen des Adventskranzes hinter sich zu haben. Endlich für einen kurzen Moment zur Ruhe zu kommen, zu sich selbst vor den hektischen nächsten Vorbereitungen und Terminen. Ja, ich kann mich da gut miteinfinden.
Und dann diese Worte: Wach auf! Jetzt.

II. Das passt: Wach Sein gegenüber den Machenschaften der Finsternis

Doch es gibt auch eine Stimme in mir, die sagt: „Ja, das ist wirklich wahr. Endlich sagt es mir und uns mal wieder Jemand. Gerade vielleicht heute Morgen, wo ich auf etwas ganz anderes eingestellt bin.“

Und dann passt es für mich genau in die beginnende Adventszeit. Denn diese Zeit im Kirchenjahr ist eine Zeit der Einkehr und der Umkehr, der Besinnung und der Neubesinnung, der Orientierung und der Neuorientierung. In der Kirchenfarbe wird das ebenfalls sichtbar, im violett. Ich prüfe die Wirklichkeit, die ich wahrnehme. Sind es Machenschaften der Finsternis? Ich schärfe meine Sinne. Was ist der Maßstab dafür? Es ist die Liebe, Gottes Geschenk an uns. Wir selbst sind als Geschöpfe Gottes Ausdruck seiner Liebe, Liebesstrahlen Gottes in dieser Welt. Paulus sagt: Die Liebe erfüllt die Tora, die Gebote für ein Miteinander in Gottes Welt. Sie orientiert sich an dem, was der Mensch braucht, mein Mitmensch wie ich selbst. Wo ist die Menschlichkeit gefährdet oder gar schon ins Böse pervertiert. Wo haben Menschen ihre Würde verloren? Wo ist der Profit im Vordergrund, auch wenn das Leben von Menschen auf dem Spiel steht? Wo bin ich gefragt, diesen Machenschaften des Finsteren zu wiederstehen oder gar sie aufzudecken, ans Licht zu bringen. Was kann mir dabei helfen? Paulus spricht von der Rüstung des Lichts. Was ist damit gemeint? Eine Rüstung schützt einen Menschen vor feindlichen Angriffen. Nicht nur im wirklichen Krieg, der leider allzu oft geführt wird, scheinbar um den Frieden herbeizuführen.

Ich halte ihn für eine der Machenschaften der Finsternis. Ich bin überzeugt, ein Krieg führt nie zu einem Frieden. Es gibt immer Gewinner und Verlierer. Das ist für mich wider das Gebot: „Du sollst niemanden zu Tode bringen.“ Und damit verstößt es gegen das sogenannte Doppelgebot der Liebe: „Liebe deine Nächste und deinen Nächsten wie dich selbst.“

III. Die Rüstung des Lichts schützt vor den Machenschaften der Finsternis

Die Rüstung des Lichts schützt den Menschen vor den feindlichen Angriffen, die mich tief in meiner Seele verletzen, weil ich das Verhalten als respektlos erlebe. Das kann der Nachbar sein, der mal wieder seine Musik so laut hört, dass ich keine Ruhe finde. Das kann die Kollegin oder der Chef sein, die oder der mich grundlos anschreit oder mir einen Fehler in der Öffentlichkeit aufs Brot schmiert. Es kann der Mann sein, der gerade in der Schlange an der Kasse vor mir steht und mich anmacht, oder die Frau, die an mir vorbeihetzt, dass mir beinahe die Tasche aus der Hand fällt.

Als kleines Kind konnte ich mich nicht genügend schützen. Heute kann ich lernen, mich zu schützen. Solange es noch die Machenschaften der Finsternis auf dieser Welt gibt, die manchmal gar nicht offensichtlich wahrzunehmen sind, brauchen Menschen eine Rüstung des Lichts, sozusagen eine geistliche Rüstung. Dieses Licht hilft vielleicht auch, in diese Machenschaften der Finsternis Licht zu bringen, sie aufzudecken.

Licht und Finsternis – zwei Pole, die zu unserem Menschsein auf dieser Erde gehören. Erst wo Licht ist, können wir auch die Finsternis sehen. Licht macht auch die Schatten sichtbar. Beides gehört zum Leben. Ziel ist, dass wir uns immer mehr zum Licht hin entwickeln. Und immer wieder ist die Liebe der Maßstab, das Kriterium für all das, was wir tun. Die wahrhaftige Liebe kann niemand für sich behalten. Sie wird immer überfließen in ein Handeln für das menschliche Leben, mein eigenes und das meiner Nächsten und meines Nächsten. Wahrhaftige Liebe kann nicht in Machenschaften der Finsternis verwickelt sein. Sie kann diese nur ablegen und sich für das Licht zugunsten eines menschenwürdigen Miteinanders entscheiden, in dem es keine Gewinner und Verlierer mehr gibt.

IV. Meine Schatten im Licht der Liebe ansehen

Heute am 1. Advent lassen wir uns wieder daran erinnern, dass wir auch in unserem Alltag Momente der Stille brauchen, um das zu finden, was brauche ich, damit ich zufrieden bin. Das geht oft in unserem Alltag, in all der Hektik, in der wir uns befinden, unter. Ja, noch mehr, ich behaupte, dass wir uns diese Hektik häufig selbst schaffen, um nicht zu spüren, was mir in der Tiefe meines Seins fehlt. Oder ich lenke mich ab, um es nicht merken zu müssen, dass ich gerade zutiefst traurig oder einsam bin, vielleicht auch gereizt oder wütend, weil manches in meinem Leben nicht so ist, wie ich es gerne hätte. Kommt Ihnen das bekannt vor?

Vielleicht ist es aber auch schon lange so zugedeckt, gut versteckt, damit es ja niemand bemerkt, auch ich selbst nicht. Wenn ich das von neuem entdecken darf, meine Mangelstellen in mein Bewusstsein hineinlasse, dann habe ich die Möglichkeit, es zunächst zu betrauern.

In einem zweiten Schritt, frage ich mich, wie gelingt es mir, diese Bedürfnisse in der Tiefe zu stillen. Statt mich abzulenken, schaue ich mutig hin und schärfe mein Bewusstsein. Wenn ich lerne, gut für mich zu sorgen, kann ich auch wahrnehmen, was meine Nächste und mein Nächster, meine Mitmenschen brauchen. Ich kann ihnen mit Liebe aus dem Herzen, mit Mitgefühl begegnen. Ich kann in meinem Umfeld die Machenschaften der Finsternis: Neid, Gier, Kampf, Krieg ablegen. Welche Wohltat, wenn mir das gelingt. Welche innere Zufriedenheit macht sich dann breit, wenn ich diese Haltung ausstrahle. Dann bleibt es nicht bei einer von außen an mich herangetragenen Aufforderung „Du musst…“, sondern es wird zu einem inneren Auftrag.

V. Gottes Liebe ist ewig. Sie kennt weder Zeit noch Raum

Nur wer sich selbst liebt, kann seine Mitmenschen wahrhaftig lieben. Es ist ein langer Weg, doch wer ihn geht, weiß, welche Chance er birgt, welche Ehrlichkeit und tiefe Wahrheit ans Licht kommen. In diesem Bewusstsein kann ich mich jeden Tag neu entscheiden: Nehme ich mir den Raum für mich, schaue ich hin oder schaue ich weg? Manchmal gelingt es mir, hinzuschauen und manchmal ist es mir nicht möglich. Auch das darf sein ohne es zu beurteilen, geschweige denn zu verurteilen. Die wahre Liebe urteilt und verurteilt nicht, sie nimmt wahr und nimmt an: „So ist es gerade.“ Zu einem späteren Zeitpunkt kann ich mich wieder neu entscheiden. Diese wahrhaft göttliche Liebe kennt weder Zeit noch Raum, sie ist ewig. In jeder und jedem von uns steckt diese Liebe. Suchen wir sie. Verbinden wir uns mit der göttlichen Liebe hier auf der Erde. Jetzt!

- Stille -

„Die Nacht ist bald vorüber, der Tag naht. Lasst uns nun die Machenschaften der Finsternis ablegen. Lasst uns die Rüstung des Lichts anlegen.“ Die Stunde ist da, vom Schlaf aufzustehen. Jetzt!

AMEN

Eingangsgebet

Gott der Liebe und des Lebens,
wir kommen heute Morgen zu Dir.
Wir kommen aus der Hektik unseres Alltags,
aus den Vorbereitungen für den ersten Advent.

Wir kommen so, wie es uns gerade zumute ist,
freudig und neugierig,
mutig und tatendurstig,
traurig und verängstigt,
gestresst und verärgert,
offen oder zugeknöpft,
laut oder leise,
dankbar oder enttäuscht.

So oder so kommen wir zu Dir.
In der Stille teilen wir unser Leben mit Dir.

- Stille -

SR

Fürbittengebet

Gott der Liebe und des Lebens,
hilf uns, uns für die wahrhaftige Liebe zu öffnen.
Lass uns hinsehen statt wegzusehen, wo Mangel herrscht,
bei uns selbst und bei unseren Mitmenschen.

Gott der Liebe und des Lebens,
hilf uns, Licht in die Machenschaften der Finsternis zu bringen.
Lass uns Ungerechtigkeiten aufdecken
und uns für Gerechtigkeit einsetzen.
Gott der Liebe und des Lebens,
hilf uns, zu erkennen,
wo wir uns am Krieg im Kleinen und im Großen beteiligen,
Lass uns in Frieden kommen mit uns selbst
und mit den Menschen um uns herum.

Gott der Liebe und des Lebens,
heute denken wir besonders an:
die uns am Herzen liegt.

Wir bitten für die Menschen,
die nicht für sich selbst sorgen können,
stell ihnen Menschen zur Seite,
die ihnen gute Wegbegleiterinnen und Wegbegleiter sind.

SR

Verfasserin: Pfarrerin Susanne Richter, Lindenstraße 25, 89584 Ehingen


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