12 So zieht nun an als die Auserwählten Gottes, als die Heiligen und Geliebten, herzliches Erbarmen, Freundlichkeit, Demut, Sanftmut, Geduld; 13 und ertrage einer den andern und vergebt euch untereinander, wenn jemand Klage hat gegen den andern; wie der Herr euch vergeben hat, so vergebt auch ihr! 14 Über alles aber zieht an die Liebe, die da ist das Band der Vollkommenheit. 15 Und der Friede Christi, zu dem ihr auch berufen seid in einem Leibe, regiere in euren Herzen; und seid dankbar. 16 Laßt das Wort Christi reichlich unter euch wohnen: lehrt und ermahnt einander in aller Weisheit; mit Psalmen, Lobgesängen und geistlichen Liedern singt Gott dankbar in euren Herzen. 17 Und alles, was ihr tut mit Worten oder mit Werken, das tut alles im Namen des Herrn Jesus und dankt Gott, dem Vater, durch ihn.
Liebe Gemeinde!
Sie kennen sicher das Sprichwort „Kleider machen Leute“. Die Art, wie wir uns kleiden, hat Einfluß auf unsere Ausstrahlung, sagt etwas über uns aus. Vielleicht haben Sie sich heute morgen sogar besonders angezogen, Sonntagskleidung, die Sie auch nach außen hin sichtbar und auch für Sie persönlich spürbar abhebt aus dem Alltag.
Wahrscheinlich haben wir alle so etwas wie einen persönlichen (Kleidungs-) Stil und einige Lieblingsstücke, in denen wir uns wohlfühlen, zu-Hause-fühlen.
Manchmal wählen wir unsere Kleidung mit viel Sorgfalt, etwa wenn es um wichtige Dinge geht wie ein Vorstellungsgespräch. Manchmal wird auch Kleidung bewußt provokativ verwendet, um sich abzugrenzen von bestimmten Personengruppen, ihrer Lebenseinstellung und ihrem Wertesystem.
In manchen Cliquen muß man einfach bestimmte Markennamen an der Kleidung haben um dazugehören zu können. Schließlich lassen uns Berufskleidung und Uniformen erkennen, daß hier ein Mensch nicht als Privatperson redet und handelt, sondern „von Amts wegen“, in einer bestimmten Funktion.
Kleidung also kann einiges über einen Menschen aussagen. Kleider machen eben Leute.
Und welche Kleider machen Christen? Diese Frage überrascht Sie sicher. Ob es so etwas überhaupt geben kann?
„So zieht nun an... herzliches Erbarmen, Freundlichkeit, Demut, Sanftmut, Geduld...“ - heißt es im heutigen Predigttext.
Ich möchte das heute morgen ganz wörtlich nehmen, um der Aussage des Textes nachzuspüren. Und ich lade Sie ein, sich der Kleidung bewußt zu werden, Ihr ‘Kleidergefühl’ wahrzunehmen.
„Zieht nun an... herzliches Erbarmen“; wie Unterwäsche den Leib vom Schritt bis zur Schulter hautnah einhüllt, so ist das Herz und die Brust und alles, was darin wohnt, eingehüllt von herzlichem Erbarmen. So ist der Rücken, der Bauch, und der intimste Bereich hautnah geschützt und gewärmt von herzlichem Erbarmen.
Was von Herzen kommt, was aus dem Bauch heraus geschieht, kann wachsen und reifen unter dem Schutz des Erbarmens; jener Fähigkeit des Einfühlens, oder dem Schutzraum, in dem neues Leben entstehen und reifen kann, wie ein Kind im Mutterleib.
„Zieht nun an... Freundlichkeit“: Wie ein Pullover kleidet Freundlichkeit den Oberkörper und die Arme, wärmt und schützt den Rücken, was im Herzen reift und wonach Arme sich ausstrecken - alles ist für jede und jeden sichtbar von Freundlichkeit umgeben.
„Zieht nun an... Demut“: Wie eine Hose den Unterleib und die Beine bedeckt, so zeichnet Demut den Standpunkt im Leben aus.
Demut, das Bewußtsein aufeinander und auf Gott angewiesen zu sein, läßt uns mit beiden Beinen mitten im Leben stehen.
„Zieht nun an... Sanftmut“: Wie Strümpfe deine Füße hautnah einhüllen, so läßt uns Sanftmut sicher auf eigenen Füßen stehen, jeden Schritt sanft und ruhig gehen.
„Zieht nun an... Geduld“: Wie Schuhe die Füße nach außen schützen und stützen, so trägt und prägt Geduld jeden Schritt. Die Spuren im Leben, die wir hinterlassen, tragen das Muster der Geduld, wie Fußspuren das Profil der Schuhsohlen zeigen. Die Schuhe der Geduld schützen die Füße und uns selbst vor schmerzhaften Verletzungen im unwegsamen, steinigen und heißen Gelände.
Und „über alles aber zieht an die Liebe...“: Wie einen Mantel oder einen Umhang, so richtig zum Reinkuscheln und gleichzeitig nach außen hin sichtbar und spürbar.
Ja, liebe Gemeinde, was ist das für ein Gefühl, so gekleidet zu sein oder sich zumindest so kleiden zu dürfen und zu können?
Ich merke, daß das noch nicht so richtig meine Kleider sind. Sie scheinen mir eine Nummer zu groß zu sein, zu edel. Kann ich darin denn noch ich selbst sein? Kann ich mich darin noch angemessen bewegen?
Sie machen mich unsicher und neugierig und stolz zugleich: So etwas Gutes, Edles liegt auch für mich bereit! Ich könnte es einfach ergreifen und anziehen, wie ich täglich meine Kleidungsstücke bereitlege und anziehe.
Vielleicht bräuchte es einfach etwas mehr Mut und Gewöhnung, wie es ja auch manchmal beim Kleiderkauf einen „Ruck“ braucht, um nicht wieder zur alten Lieblingsfarbe zu greifen, um mal einen anderen Stil auszuprobieren.
Kleidung hängt mit der persönlichen Ausstrahlung und dem Lebensgefühl zusammen und Kleidung ist etwas Persönliches.
„Kleider machen Leute“ und Kleider machen Christen, wenn ich den Verfasser des Predigttextes richtig verstehe.
Der Verfasser weiß, wie schwierig es ist, wirklich als Christen leben zu können, mit dem Herzen und dem Leben, nicht nur mit dem Kopf und dem Mund. Darum wirbt er, um die Menschen damals in Kolossä ebenso wie um uns heute, die diesen Brief hören und lesen.
Er breitet die Geschenke aus, die Gott für uns bereithält, so persönlich zur Freude und zum Schutz wie neue Kleidungsstücke, die wir nur ergreifen und anziehen brauchen, in denen wir bei jedem Schritt und jeder Bewegung hautnah und körperlich spüren können: Wir sind Geliebte Gottes und von Gott ausgestattet mit allem Wesentlichen, das wir brauchen, um im Alltag zu bestehen. Den Alltag, wo wir manches und manche einfach ertragen müssen, wo wir uns mit Ansprüchen und Kritik auseinandersetzen müssen, wo wir auch schuldig werden und wo Vergebung gefragt ist.
Vielleicht gelingt es ja, jeden Morgen neu mit unserer Alltagskleidung auch Stück für Stück die geschenkte „christliche“ Kleidung anzuziehen und hineinzuwachsen.
„So zieht nun an als die Auserwählten Gottes, als die Heiligen und Geliebten, herzliches Erbarmen, Freundlichkeit, Demut, Sanftmut, Geduld; ... Über alles aber zieht an die Liebe, die da ist das Band der Vollkommenheit.“ Amen.
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