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4. Sportethischer Fachtag

Es ist wichtig "Haltung" zu haben

Der vierte Sportethische Fachtag in Frankfurt beschäftigte sich mit den Werten des Sports „Zwischen Kultur und Kommerz".

Fast schon im Gehen sagte Axel Hellmann „Schade, dass es solche Treffen nur alle vier, fünf Jahre gibt. Die müsste es öfters geben."

Der Vorstandssprecher des Fußball-Bundesligisten Eintracht Frankfurt muss es einschätzen können. Denn mit dem Profi-Club vom Main befindet sich Hellmann „zwischen traditionsbewusster Wertegemeinschaft und modernem Hochfrequenzbetrieb", wie auch der Titel seines „Impulses" bei diesem Treffen lautete. Womit er trefflich das Motto des 4. Sportethischen Fachtags der Evangelischen Kirche Deutschlands (EKD) traf. Denn die Hybrid-Veranstaltung in der Evangelischen Akademie in Frankfurt hatte den Titel „Zwischen Kultur und Kommerz - Was ist der Sport uns Wert?".

Axel Hellmann formulierte es in einer Arbeitsgruppe des Nachmittags noch griffiger: Dient der Kommerz dem Fußball? Oder dient der Fußball dem Kommerz? Selbstkritisch gab der 50-Jährige im Blick auf die zweite Frage auch gleich eine Antwort auf die zweite Frage: „Etliche Vereine entwickeln sich in diese Richtung." Der Fußball müsse gesünder wirtschaften, auch wenn das europäische System dem der deutschen Bundesliga „total enteile".

Hellmann wollte aber auch nicht unerwähnt lassen, dass viele Menschen eine Sinnhaftigkeit im Fußball suchen würden. Als kleine Beiträge der Eintracht, damit der Kommerz nicht alles überwuchere, erwähnte er das Projekt einer Stehtribüne im Oberrang der Nord-West-Kurve des Frankfurter Stadions mit Platzkarten „für kleines Geld" und die 1000 Freikarten, die der Bundesligist vom Main für soziale Zwecke bereitstelle.

Dass die Frankfurter Eintracht zudem noch als Klammer für einen Großteil des Sports fungiere, hatte Axel Hellmann in seinem Impuls mit einer Beschreibung des Vereins skizziert. So seien bei der Eintracht „alle Dinge unter einem Dach" zu finden und würde der Breitensport in den 52 Abteilungen immerhin mit 3 Millionen Euro im Jahr von den Adlerträgern gefördert. Und für die 18 000 Sportaktiven im Verein würden nur ausgebildete Trainer akzeptiert. Das seien immerhin rund 1500 Übungsleiter, die von 250 Euro bis zu vierstelligen Summen für ihre Tätigkeiten erhalten würden.

Mag Axel Hellmann ein profundes und selbstkritisches Beispiel für die Realität des vom Kommerz mitgeprägten Sports abgeben, so sorgte der Sportpädagoge und Sportphilosoph Prof. Volker Schürmann von der Deutschen Sporthochschule in Köln für den theoretischen Überbau der Veranstaltung in der Akademie am Römerberg, als er sich mit der Frage „Wie den Sport schützen?" beschäftigte. Wichtig war ihm dabei einmal der Hinweis, dass der Sport keine „Naturtatsache", sondern eine „Kulturtatsache" sei. Schürmann hat auch kein Problem damit, „dass man mit dem Sport Geld verdienen kann". In der Form liege der Unterschied. Zudem habe das Feld des Sports eine eigene Logik und eine eigene Bedeutsamkeit. Die müsse man vor dem ökonomischen Übergriff schützen. Als Beispiel zitierte der Sportphilosoph den sportlichen Wettkampf und forderte: „Der Ausgang muss offen sein und bleiben!"

Dass dies nicht immer leicht einzuhalten sei, dazu wies er auf die Einteilung der Schadensklassen in den paralympischen Sportarten hin.

Ausgehend von der Prämisse, dass Sport „nicht von vornherein ein Geschäft" sei, sprach Schürmann so dem E-Sport die Zugehörigkeit zum Sport ab: „Das ist von vornherein ein Geschäft. Die Kommerzialisierung setzt die eigene Logik des Sports außer Gefecht."

Daneben standen weitere politische, ökonomische und biografische Aspekte im Blickpunkt der Vorträge und Diskussionen. „Wir haben die Themen mit großem Interesse verfolgt", zeigte sich auch Ralf-Rainer Klatt, Vizepräsident Sportentwicklung beim Landessportbund Hessen, als Online-Gast von der Thematik angetan.

Eine besondere Sichtweise brachte Kirsten Bruhn ein, die als Schwimmerin Paralympics-Teilnehmerin von Athen 2004, Peking 2008 und London 2012 war. „Der Sport hat mich gerettet", sagte sie im Blick auf ihren Unfall im Alter von elf Jahren, nach dem sie sich komplett neu orientieren musste. Danach habe sie erfahren, wie vielschichtig der Sport sei. Welchen Stellenwert er bei Bruhn hat, verdeutlicht die Aussage: „Sport ist mir mein Leben wert, fast das ganze." Den Wert des Sports für die Prävention unterstrich Reinhard Brücker als Vorstandsvorsitzender der Viactiv-Krankenkasse in Bochum. Sport sei hier „ein großer Baustein", bekräftigte er. Zudem betonte Brücker, dass es eine „irrige Diskussion" sei, dass die Krankenkassen mit ihrer Werbung „Millionaros" fördern würden. Sie seien vielmehr für Breiten- und Spitzensport da.

Christina Gassner, die Geschäftsführerin der Deutschen Sportjugend in Frankfurt, unterstrich, dass die Sportförderung des Bundes auf den Spitzensport ausgerichtet sei. Die Förderung des Kinder- und Jugendsports erfolge vor allem über den Kinder- und Jugendplan. In dieser sportlichen Vielfalt würden jeden Tag Werte über den Sport vermittelt. Besonders betonte Gassner die „Stärkung der Gesellschaft" durch das Ehrenamt. Jens-Uwe Münker als Leiter der Abteilung Sport im Hessischen Ministerium des Innern und für Sport in Wiesbaden legte Wert darauf, dass der Sport mehr sei als nur eine Nebensache. Während die Kirche einen Mitgliederschwund beklage, verzeichne der organisierte Sport einen Mitgliederzuwachs. Grundlage dessen sei die Integrität des Sports. „In den meisten Fällen funktioniert diese auch", stellte Münker heraus.

Ein etwas abseitiges Thema beleuchtete Prof. Arne Güllich von der TU Kaiserslautern. Der Sportwissenschaftler stellte auf der Basis von verschiedenen Studien die in Deutschland gängige These der frühen Nachwuchsförderung von jungen Talenten in Frage. „Unsere Untersuchungen widersprechen den Konzepten der Verbände." Vor allem sprach sich Güllich gegen eine allzu frühe Selektion aus und warb vielmehr für das Ausüben verschiedener Sportarten, bevor sich der junge Mensch auf eine spezialisiere. Und mit noch einer anderen Erkenntnis dürfte er bei etlichen Eltern, Trainern und Funktionären für Aufsehen sorgen: „Kinder und Jugendliche interessieren sich für den Wettkampf, nicht für die Siegerehrung."

In ein ähnliches Horn bliesen in der Schlussrunde Christina Gassner („Es ist wichtig, dass man ,Haltung' hat und dadurch Werte vermittelt."), der Frankfurter Rollstuhlbasketballer Nico Dreimüller („Wir können nur bestehen, wenn wir bestimmte Werte hervorheben und leben.") sowie Gastgeber Dr. Volker Jung. Der Kirchenpräsident der EKHN und (noch) Sportbeauftragte des Rates der EKD sagte, auch im Blick auf den Krieg in der Ukraine: „Der Sport tut uns gut, leiblich und seelisch."

Vorbereitet und geleitet wurde die Veranstaltung von Eugen Eckert, dem Referent der EKD für Kirche und Sport (und weiterhin Stadionpfarrer in Frankfurt), sowie von Hanna-Lena Neuser, der Kommissarischen Direktorin der Evangelischen Akademie in Frankfurt. Und gerade die Beiden werden den Wunsch von Axel Hellmann nach mehr Treffen dieser Art ganz besonders interessiert aufgenommen haben.

(Bericht von Albert Mehl)

4. Sporthethischer Fachtag
Beim Vortrag: Prof. Volker Schürmann, Sportphilosoph von der Sporthochschule Köln. © EKHN/Volker Rahn
4. Sporthethischer Fachtag
Im regen Gespräch (von links) Axel Hellmann, Eugen Eckert und Dr. Volker Jung. © EKHN/Volker Rahn