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Körper & Sprache

Körperorientierte und imaginative Spracharbeit in Predigt- und Liturgiedidaktik

Wie hängen die Worte der Lippen und die Sprache des Körpers zusammen? Und wie können körperorientierte Zugänge zu authentischer und elementarer Sprache verhelfen? Dazu hat Pfarrerin i. R. Doris Joachim, ehemalige Referentin für Gottesdienst im Zentrum Verkündigung, in Anlehnung an Methoden der Bioenergetischen Analyse das Konzept der Körperorientierten und Imaginativen Spracharbeit erarbeitet. Es versteht sich als ein ganzheitlicher Blick auf Entstehung und Performanz von gottesdienstlichen Texten. Dazu gibt es Fortbildungen für Pfarrpersonen, aber auch – auf Anfrage – für Ehrenamtliche und Kirchenvorstände.

Das Konzept der Bioenergetischen Analyse

Die Bioenergetische Analyse ist ein psychotherapeutisches Verfahren, das den Körper der Klient*innen in die therapeutische Arbeit mit einbezieht. Sie orientiert sich an der klassischen Psychoanalyse, von der sie historisch gesehen herkommt. Wilhelm Reich, ein Schüler Sigmund Freuds, hat erkannt, dass zum Sprechen auch die Sprache des Körpers gehört, denn in ihm sind Verletzungen und nicht gelebte Gefühle „gespeichert“. Seelische Blockaden drücken sich in körperlichen aus. Traumata, Stress und Konflikte führen zu Verspannungen und muskulären Panzerungen, die die Körperstruktur prägen. Vertiefte Atmung und gezielte Bewegung sind Schlüssel zur seelischen Gefühlswelt.

Alexander Lowen (1910-2008) führte den Ansatz Reichs weiter und entwickelte das Konzept der Bioenergetischen Analyse. Dabei geht es darum, durch Körperarbeit, durch das analytische Gespräch, Traumarbeit und durch die therapeutische Beziehung Lebensenergie freizusetzen und zu neuer Lebendigkeit zu finden. Neuere Forschung im Bereich der Neurobiologie und Säuglingsforschung bestätigen, dass Psychotherapie in ihrer Wechselwirkung zwischen Körper, Seele und Geist verstanden werden muss. Aktuell integrieren die meisten Bioenergetischen Analytikerinnen und Analytiker weitere therapeutische Ansätze wie z. B. imaginative und systemische Verfahren.

Körper & Sprache

Dass wir nicht nicht kommunizieren können, wie Paul Watzlawick sagt, ist zwar bekannt. Aber was genau geschieht in der Kommunikation zwischen Menschen? Auch und gerade dann, wenn die Lippen schweigen und „nur“ der Körper spricht. Was verraten die Fingerspitzen? Solchen Fragen ging Pfarrerin i. R. Doris Joachim in Fort- und Weiterbildungen für Pfarrpersonen nach. Dabei interessierten sie die vielfältigen verbalen und nonverbalen Kommunikationskanäle, die in einem Gottesdienst stattfinden.

Menschen kommunizieren miteinander, mit sich selbst, mit biblischen Texten oder Themen, aber auch mit Gott und Gott mit ihnen. Insbesondere den unausgesprochenen Resonanzen nachzuspüren, ist spannend und hilfreich nicht nur für die Performanz von Texten in Liturgie und Predigt, sondern bereits in ihrer Entstehung. Dies bedeutet eine erhöhte Aufmerksamkeit in der Selbstwahrnehmung, aber auch in der Wahrnehmung anderer. Die Arbeit an der eigenen Person in ihrer körperlichen und seelischen Existenz verschränkt sich mit der Arbeit an konkreten Texten und liturgischem Handeln.

Dazu braucht es besondere Methoden und Zugänge, die Pfarrerin i. R. Doris Joachim in der Bioenergetischen Analyse fand (s. o.). Eine mehrjährige Ausbildung zur bioenergetisch-analytischen Therapeutin hat sie dazu angeregt, das Konzept „Körperorientierte Spracharbeit“ zu entwickeln. Es versteht sich als Liturgie- und Predigtdidaktik mit körperlichen und imaginativen Zugängen, die zur Sprachfähigkeit sowohl in verbaler als auch in nonverbaler Kommunikationen verhelfen soll.

Wie Körperübungen und Imaginationen beim Predigen und beim öffentlichen Beten helfen können

Bei körperorientierter Spracharbeit geht es nicht um Psychotherapie. Aber manche Erkenntnisse und Körperübungen sind hilfreich, um den Worten und der Körpersprache auf die Sprünge zu helfen oder um sie zu vertiefen und authentisch werden zu lassen. Denn: Nichts, was wir tun, ist rein körperlich. Nichts, was wir sagen, ist rein geistig oder seelisch. Immer wirkt der Körper auf die Seele. Und immer wirkt auch die Seele auf den Körper. Seelische Vorgänge sind körperlich, „weil sie etwas mit dem Gehirn machen“ (Joachim Bauer). Es gibt keine Vorordnung des einen vor dem anderen, sondern immer ein Zirkulieren. Nur eines können wir sagen: Wenn der Körper etwas anderes als der Mund spricht, wird eher die Sprache des Körpers wahrgenommen. Denn die emotionalen Zentren des Gehirns und die Spiegelneurone haben schon längst gearbeitet, bevor die Großhirnrinde begonnen hat.

In den Workshops und Fortbildungen probieren wir aus, wie das Wahrnehmen und Bewegen des Körpers uns hilft, in eine Sprache der Worte zu kommen, die berührt und bewegt. Dabei arbeiten wir auch mit weiteren Mitteln und Methoden: Imaginationen, Achtsamkeitsübungen, Rhetorik bis auf die Ebene der Grammatik, Stimmbildung und selbstverständlich mit unserem theologischen Handwerkszeug.

„Die Lust ist der Schlüssel zum Selbstausdruck.“ Das sagt der Begründer der Bioenergetischen Analyse, Alexander Lowen. Pfarrerin i. R. Doris Joachim hat gemerkt: Schon der Selbstausdruck, also der körperliche und verbale Ausdruck dessen, was an Gefühlen in mir ist, verschafft Lust. Die Lust gebiert die schönen Worte, die berühren. Lust am Predigen. Lust an der Tora Gottes – das wusste schon der Beter des 1. Psalms. Lust an den Menschen, so wie Gott Lust an uns hat (Jes 62,4). Und nicht zuletzt: Lust am Gottesdienst. Dazu dienen die bioenergetischen Methoden. Mit Lust sich in den Worten der Bibel wiegen, auch in den ernsten Worten, auch in den schweren Worten. Lust ist nicht nur lustig. Sie kann auch traurig sein oder zornig. Aber mit Lust in ein Thema eintauchen, sodass jede Zelle meines Körpers mitspricht, die Augen bewegt sind, die Gesten geschmeidig dasselbe sagen wie die Worte – solche Lust möchten wir fördern. Und gesund ist das außerdem.

Eine ausführliche Darstellung steht in der Downloaddatenbank in der Reihe TEXTE 5 bereit.

Fragen beantwortet Ihnen gern Pfarrerin Bia Baumann.

Zitat

Wessen Lippen schweigen, der schwatzt mit den Fingerspitzen.

Sigmund Freud, Bruchstücke einer Hysterie, 1905