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Beispiele

Evangelischer Campus Heinrichstraße in Darmstadt

Was Kunst am Bau der Kirche wert ist
Ein Diskussionsbeitrag zur „Dreiflügelstele“ in Darmstadt

Wenn die Kirche baut, weiß sie sich der langen Tradition verpflichtet, einen kleinen Teil des Budgets für Kunst am Bau zu verwenden. Im Fall der Stele auf dem „evangelischen Campus“ in der Darmstädter Heinrichstraße wurden für die Kunst circa 0,25 % des finanziellen Bauvolumens eingesetzt. Also ein im Verhältnis sehr kleiner Anteil. Verteilt auf alle Kirchensteuerzahler:innen handelt es sich um Bruchteile eines Centbetrages. Auch im Vergleich zu anderen öffentlichen Bauträgern ist das wenig: Wenn der Bund baut, werden je nach Bauklasse deutlich mehr, nämlich 0,5 bis 1,5 Prozent der Baukosten für Kunst reserviert. Erst recht ist das wenig im Verhältnis zu den Ausgaben, die sich viele Privathaushalte leisten. Einzelne Familien geben zum Beispiel für ein Auto gerne ein Mehrfaches von der Summe aus, die dieses Kunstwerk gekostet hat.

Kunst am Bau ist kirchlichen und weltlichen Bauträgern wichtig, um einem Gebäude nicht nur eine Funktion zu geben, sondern auch ein „Gesicht“, das Identität und Menschlichkeit vermittelt. Denn ohne Kultur ist Menschsein nicht denkbar. Hinter dieser Überzeugung steht in unserer Gesellschaft ein zentrales Motiv des biblisch bezeugten Glaubens: Menschen sind Ebenbilder einer schöpferischen Gottheit.

Ein wichtiges Kriterium für kirchliches Bauen ist die Nachhaltigkeit: Das Gebäude für die gesamtkirchlichen Zentren Bildung und Seelsorge wurde errichtet, um langfristig Kosten zu sparen. Unter dem Strich kann der Gebäudekomplex sowohl für die Landeskirche als auch für die Kirchengemeinde, auf deren Grund und Boden er steht, günstiger genutzt und bewirtschaftet werden als die vorherigen Immobilien. Außerdem lassen sich alle Gebäude nachnutzen, sollte sich die Kirche irgendwann in der Zukunft von diesem Standort verabschieden.

Das Kriterium der Nachhaltigkeit gilt auch für die Kunst. Selbstverständlich könnte auch das Kunstwerk in der Heinrichstraße an anderem Ort nachgenutzt werden. Eine Fassadenmalerei wäre vielleicht günstiger gewesen, aber sie wäre ortsgebunden und lange nicht so haltbar. Die im Fall der Dreiflügelstele verwendeten Materialien sind besonders witterungsbeständig und jahrzehntelang stabil. Wenn dann doch nach frühestens 20 Jahren bestimmte Teile des Kunstwerks aufgefrischt werden müssten, kann das ohne großen Aufwand geschehen.

Grundsätzlich muss auch bedacht werden, warum Kunst für Kirche theologisch wichtig ist: In Jesus Christus wurde Gott ein Mensch aus Fleisch und Blut, dessen Leben und Sterben eine rettende Beziehung zu Gott stiftet. Daher besteht das „Wort Gottes“ im christlichen Sinne nicht nur in verbalen Mitteilungen, sondern äußert sich als Beziehungsgeschehen in allen sinnstiftenden Formen menschlicher Kommunikation. Anders gesagt: Wenn Gott ein Mensch mit allen Sinnen wurde, ist Gottes Wort zwangsläufig sinnlich und multimedial. Das schließt die Künste ein. Insbesondere die bildende Kunst führt buchstäblich vor Augen, dass wir es im Glauben mit etwas zu tun haben, das nicht in Formeln und Gleichungen aufgeht oder in einem philosophischen Begriff abgeschlossen sein könnte. Die Kunst führt zu einer Auseinandersetzung mit der eigenen Wahrnehmung, schließt Deutungsmuster auf und öffnet den Geist für das, was über bloße Worte hinausgeht.

Wenn die Kirche auf Kunst verzichten wollte, dann wäre das gleichsam so, als wenn eine Köchin auf Salz und Würze verzichtete. Dann ginge es uns nur noch ums Überleben, aber nicht mehr um ein Leben in der Freude über Gottes Gnade und der sinnlichen Fülle als geliebtes Geschöpf.

Im konkreten Fall stößt das Kunstwerk bestimmte Assoziationen an, die von den Betrachtenden situativ aufgenommen und weitergedacht werden dürfen: Engel, Segenshand, Fingerzeig in den Himmel, Wachstum und Leben, und vieles mehr. Die besondere Poesie dieses Kunstwerks besteht darin, dass es sich mit diesen Wahrnehmungsspielen als Glaubensmetapher eignet. Die Voraussetzung dafür ist aber eine persönliche Aneignung durch die Betrachtenden. Sie dürfen selbst am Sinn des Kunstwerks mitdenken und es sich zu eigen machen. Somit wird die Offenheit des Kunstwerks zu einer Bedingung für die Möglichkeit, dass Gottes Geist in der Betrachtung wirkt.

Dreiflügelstele
Dreiflügelstele - Kunstwerk von Roger Rigorth
© Dirk Räppold

Videodokumentation

Zur Entstehung des Kunstwerks „Dreiflügelstele“ von Roger Rigorth ist eine Videodokumentation begleitend von Dirk Räppold erstellt worden.

YouTube-Video (4 Minuten)
YouTube-Video (6 Minuten)

Evangelische Kirche Niederlibbach

Vorher stand ein Sammelsurium von Gegenständen im Chorraum. Leuchter, Notenständer und der brüchige Holzaltar hatten eine Funktion, aber in der schönen gotischen Dorfkirche wirkten sie wie abgestellte Altmöbel. Das Designerduo Arnold und Eichler aus Nürnberg hat hier sichtbar aufgeräumt. Die Gemeinde ist begeistert. Der neue Altar besteht aus einem blattversilberten Holzkubus mit einer Mensa (Tischplatte) aus schwarzem Stahl. Von einer raffinierten Kreuzkonstruktion getragen, schwebt sie mit einem kleinen Abstand über dem Holzkörper, der seinerseits ein winziges Stück über dem Sandsteinboden zu stehen scheint. Die versiegelte Silberoberfläche zeigt bei näherer Betrachtung eine lebendige Struktur. Aus dem Abstand spiegelt sie die Farben der Umgebung wider und reflektiert das Licht in sanfter Brechung auf den Boden. So fügt sich der Altar in die Sandsteinumgebung als wäre er schon immer für diesen Ort gedacht. Der angenehm lebendige Lichteindruck verändert sich je nach Sonneneinstrahlung und Betrachtungswinkel. Das gibt dem Block eine wohltuende Leichtigkeit. Der neue Lesepult, das Taufbecken und der Kerzenleuchter (hier nicht im Bild) wurden aus schwarzem Stahl konstruiert und wurden zum Teil ebenfalls mit Blattsilber versehen. Diese Stücke wirken sehr funktional, durchlässig und leicht. Sie nehmen mit kubischen Formen Bezug auf den Altar, lassen ihn aber als prominentestes Stück im Raum wirken.

Beispiele Kirchraumneugestaltung
Niederlibbach vor der Umgestaltung