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Abrams Berufung und Zug nach Kanaan

von Ulrich Wildermuth (72336 Balingen)

Predigtdatum : 30.06.2024
Lesereihe : VI
Predigttag im Kirchenjahr : 5. Sonntag nach Trinitatis
Textstelle : 2. Korinther (11,18.23b-30); 12,1-10
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Wochenspruch: "Aus Gnade seid ihr gerettet durch Glauben, und das nicht aus euch: Gottes Gabe ist es." (Epheser 2,8)

Psalm: 73,1-3.8-10.23-26

Predigtreihen

Reihe I: Matthäus 9,35-10,1(2-4)5-10
Reihe II: Lukas 5,1-11
Reihe III: 1. Korinther 1,18-25
Reihe IV: 1. Mose 12,1-4a
Reihe V: Johannes 1,35-51
Reihe VI: 2. Korinther (11,18.23b-30);12,1-10

Liedvorschläge

Eingangslied: EG 302 Du meine Seele, singe
Wochenlied: EG 313 Jesus, der zu den Fischern lief
Predigtlied: EG 273 Ach Gott, vom Himmel sieh darein
Schlusslied: EG 369 Wer nur den lieben Gott lässt walten

Predigttext: 2. Korinther (11,18.23b-30);12,1-10

(18 Da viele sich rühmen nach dem Fleisch, will ich mich auch rühmen. 23 b Ich rede wider alle Vernunft: Ich bin’s weit mehr! Ich habe mehr gearbeitet, ich bin öfter gefangen gewesen, ich habe mehr Schläge erlitten, ich bin oft in Todesnöten gewesen. 24 Von Juden habe ich fünfmal erhalten vierzig Geißelhiebe weniger einen; 25 ich bin dreimal mit Stöcken geschlagen, einmal gesteinigt worden; dreimal habe ich Schiffbruch erlitten, einen Tag und eine Nacht trieb ich auf dem tiefen Meer. 26 Ich bin oft gereist, ich bin in Gefahr gewesen durch Flüsse, in Gefahr unter Räubern, in Gefahr von meinem Volk, in Gefahr von Heiden, in Gefahr in Städten, in Gefahr in Wüsten, in Gefahr auf dem Meer, in Gefahr unter falschen Brüdern; 27 in Mühe und Arbeit, in viel Wachen, in Hunger und Durst, in viel Fasten, in Frost und Blöße; 28 und außer all dem noch das, was täglich auf mich einstürmt, die Sorge für alle Gemeinden. 29 Wer ist schwach, und ich werde nicht schwach? Wer wird zu Fall gebracht, und ich brenne nicht? 30 Wenn ich mich denn rühmen soll, will ich mich meiner Schwachheit rühmen.)

12, 1 Gerühmt muss werden; wenn es auch nichts nützt, so will ich doch kommen auf die Erscheinungen und Offenbarungen des Herrn. 2 Ich kenne einen Menschen in Christus; vor vierzehn Jahren – ist er im Leib gewesen? Ich weiß es nicht; oder ist er außer dem Leib gewesen? Ich weiß es nicht; Gott weiß es –, da wurde derselbe entrückt bis in den dritten Himmel. 3 Und ich kenne denselben Menschen – ob er im Leib oder außer dem Leib gewesen ist, weiß ich nicht; Gott weiß es –, 4 der wurde entrückt in das Paradies und hörte unaussprechliche Worte, die kein Mensch sagen kann. 5 Für denselben will ich mich rühmen; für mich selbst aber will ich mich nicht rühmen, außer meiner Schwachheit. 6 Denn wenn ich mich rühmen wollte, wäre ich kein Narr; denn ich würde die Wahrheit sagen. Ich enthalte mich aber dessen, damit nicht jemand mich höher achte, als er an mir sieht oder von mir hört. 7 Und damit ich mich wegen der hohen Offenbarungen nicht überhebe, ist mir gegeben ein Pfahl ins Fleisch, nämlich des Satans Engel, der mich mit Fäusten schlagen soll, damit ich mich nicht überhebe. 8 Seinetwegen habe ich dreimal zum Herrn gefleht, dass er von mir weiche. 9 Und er hat zu mir gesagt: Lass dir an meiner Gnade genügen; denn meine Kraft vollendet sich in der Schwachheit. Darum will ich mich am allerliebsten rühmen meiner Schwachheit, auf dass die Kraft Christi bei mir wohne. 10 Darum bin ich guten Mutes in Schwachheit, in Misshandlungen, in Nöten, in Verfolgungen und Ängsten um Christi willen; denn wenn ich schwach bin, so bin ich stark.

Predigt

I. Unsere Stärken müssen wir hervorkehren

Liebe Gemeinde!

Kennen Sie Ihre Stärken? Und gelingt es Ihnen auch, diese zu präsentieren?

Wir stehen ja ständig in einem Wettbewerb. Gerade auch dann, wenn wir beruflich weiterkommen wollen.

Vielleicht haben Sie schon einmal oder auch öfter ein Bewerbungsschreiben formuliert. Sie mussten dabei Ihre Fähigkeiten und sich selbst als Person in ein möglichst gutes Licht stellen. Ein guter Schulabschluss oder gar ein erfolgreiches Hochschulstudium sind da von Vorteil. Außerdem Sprachkenntnisse und ein vertrauter Umgang mit dem Computer. Dazu kommen Erfahrung und gute Zeugnisse aus zurückliegenden Anstellungen. Gut dran ist, wer da viel zu bieten hat. Aber manche und mancher fragt sich auch:

Kann ich da mithalten? Oder stehe ich auf der Verliererseite?

Wettbewerb – das kannte auch schon der Apostel Paulus.
In der Gemeinde von Korinth gab es nämlich Leute, die ebenfalls mit dem Anspruch auftraten, Apostel zu sein. Also Menschen, die in der Vollmacht und im Auftrag Gottes sprechen zu meinten. Menschen, die sich wortgewandt präsentieren konnten. Und die darüber hinaus Wunder wie Heilungen vorweisen konnten.
Paulus hatte also Konkurrenten. Konnte er da mithalten?
Und wie ist er mit dieser Herausforderung umgegangen?

In seinem zweiten Brief an die Gemeinde von Korinth geht er auf diesen Konflikt ein. Und er greift dabei zu einem ungewöhnlichen Mittel. Er lässt sich auf den Wettbewerb mit seinen Konkurrenten ein.

Er tut so, als würde er diese sogar überbieten. Aber dies nur, um ihnen einen Spiegel vorzuhalten. Und dann dreht er den Spieß um.
Man nennt diesen Abschnitt aus dem zweiten Korintherbrief deshalb eine „Narrenrede“. Kinder und Narren sagen ja bekanntlich die Wahrheit. Aber gerade dadurch entlarven sie die vermeintlich Überlegenen.

Wir hören Verse aus dem 12. Kapitel dieses Briefes. Darin spricht Paulus auch indirekt Erscheinungen und Offenbarungen an, die ihm selbst zuteil geworden sind:

Lesen des Predigttextes 2. Korinther 12, 1-10

II. Wie Paulus argumentiert

Soweit also die Argumentation des Paulus. Er kann durchaus mithalten mit seinen Gegnern, die gleichsam als Superapostel aufgetreten sind. Ein außerordentliches spirituelles Erlebnis ist auch ihm zuteilgeworden. Den göttlichen Ritterschlag hat auch er empfangen. Er hat eine Himmelsreise erlebt und ins Jenseits geblickt.

Was kein Auge je gesehen und kein Ohr je gehört hat, ist ihm dabei widerfahren. Darauf könnte er stolz sein. Und er könnte es als Ausweis seiner Autorität benützen. Er könnte damit seine Gegner übertrumpfen.

Aber genau das tut er nicht. Er bleibt auf dem Boden. Er dreht den Spieß um. Und er benennt genau das Gegenteil dessen, was im Wettbewerb der Starken zählt.
Er sagt: „Für mich selbst will ich mich nicht rühmen, außer meiner Schwachheit.“
Es ist für Paulus wichtiger, seine eigene Schwachheit einzugestehen als seine Gegner an Stärke zu übertrumpfen.
Warum tut er das?

Er tut das, weil er selbst als fehlbarer Mensch, als Verfolger der christlichen Gemeinde und als „unzeitige Geburt“ vor Damaskus in einer Vision den auferstandenen Jesus als Messias erlebt hat.
Paulus war auf einem Irrweg gewesen. Und Christus hat ihn als sein Werkzeug berufen. Das hat ihn überwältigt und befreit.
Und das war Gnade. Kein Grund, sich darauf etwas einzubilden.
Sondern Grund dankbar zu sein und bescheiden zu bleiben.
Sich nicht zu brüsten mit der Erkenntnis höherer Welten.
Sondern auch das Schwache und das Armselige zu sehen.

In einem anderen Brief schreibt Paulus deshalb:

„Ich kann niedrig sein und kann hoch sein; mir ist alles und jedes vertraut: beides, satt sein und hungern, beides, Überfluss haben und Mangel leiden; ich vermag alles durch den, der mich mächtig macht“ (Philipper 4,12f.).

Paulus hat wohl auch an einer sehr schmerzhaften Krankheit gelitten. Darum nennt er sie einen „Pfahl im Fleisch“ und bezeichnet sie als Schläge des „Engels Satans“. Aber selbst diese Krankheit sieht er noch positiv. Denn sie dient ihm als Erinnerung daran, auf dem Boden bleiben zu müssen.
Er hat nämlich im Gebet seinen Herrn angefleht: Befreie mich doch von diesem Leiden! Da kam die Antwort:

„Lass dir an meiner Gnade genügen, denn meine Kraft vollendet sich in der Schwachheit.

III. Meine Gnade genügt dir

„Meine Gnade genügt dir.“
Diese Antwort Jesu war nicht nur wichtig für Paulus.
Sie ist auch wichtig für uns. 
Daran hängt unser ganzer Glaube. 
„Meine Gnade genügt dir.“
Mehr braucht es nicht. Und mehr kann es auch nicht geben.
„Meine Gnade genügt dir.“
Das kann ich mir nicht selbst zusprechen. Das muss mir von außen, von einem anderen gesagt werden.
„Meine Gnade genügt dir.“
Doch leicht ist es nicht, dazu Ja zu sagen. Es kann sein, dass ich lange damit ringen muss. Vielleicht brauche ich jemanden, der mich immer wieder mit der Nase darauf stößt, wieviel Kostbares ich in meinem Leben dieser Gnade verdanke. Wie oft bin ich gerade noch davongekommen! Durch welches Wunder bin ich davor bewahrt worden, einen schlimmen Fehler zu begehen? Wenn es jemand gelingt, mich auch auf solche Wendungen meines Lebens aufmerksam zu machen, dann kann es sein, dass ich auf einmal das Bedürfnis spüre, danke zu sagen: „Danke, deine Gnade genügt mir“. 
Das ist das Entscheidende und das Ganze, was ich überhaupt von Gott wissen und sagen kann: Er hat sich herabgeneigt zu uns fehlbaren und verlorenen Menschen. Er nimmt sich unser an. Und er verleiht uns eine Würde, die niemals Verdienst, sondern immer nur ein Geschenk ist.
„Meine Gnade genügt dir.“ – Das ist das Licht des Evangeliums, wie mit einem Brennglas gebündelt. 

IV. Das Beispiel Karl Barth

Dazu ein Beispiel: 
Der berühmte Theologieprofessor Karl Barth hat viele dicke Bände einer Kirchlichen Dogmatik geschrieben, die so umfangreich geworden ist, dass man diese als „Walfisch“ bezeichnet hat und als eine der größten geistigen Leistungen des 20. Jahrhunderts. Über den Satz „Meine Gnade genügt dir“ hat er in seinen späten Jahren einmal in Basel im Gefängnis vor Strafgefangenen gepredigt. Und dabei gesteht er ein:

„Ich darf aber frank und frei und auch fröhlich zugeben, dass die vier Wörtlein: ‚Meine Gnade genügt dir‘ viel mehr und viel Besseres sagen als der ganze Papierhaufen, mit dem ich mich da umgeben habe. 

Sie genügen – was ich von meinen Büchern von ferne nicht sagen könnte. Was an meinen Büchern Gutes sein möchte, könnte höchstens darin bestehen, dass sie von ferne auf das hinweisen, was diese vier Wörtlein sagen. Und wenn jene längst überholt und vergessen sein werden und die Bücher der ganzen Welt mit ihnen, so werden diese immer noch leuchten in ewiger Fülle: ‚Meine Gnade genügt dir‘“ (Karl Barth, Predigten 1954-1967, Zürich, 2. Aufl. 1981, 220). 

Hier predigt Karl Barth zu Menschen zu, die sich im Leben verirrt und verfehlt haben. Er begibt sich auf ihre Ebene. Er versucht das Ganze, das er jemals mitzuteilen hatte und auch jetzt mitteilen will, so klar und einfach wie möglich zu sagen. Und es ist kein Satz, der aus seiner Feder stammt, sondern ein Wort der Heiligen Schrift.

Ein Wort des gekreuzigten und auferstandenen Herrn.

V. Wir dürfen Schwächen zugeben

„Meine Gnade genügt dir.“
Für uns ist das eine nicht zu überschätzende Entlastung.
Der Druck, im Wettbewerb der Starken mithalten zu müssen, wird dadurch weggenommen.
Wir dürfen Schwächen zeigen. Und das kann durchaus positiv sein.
Wenn ich bei einem Vorstellungsgespräch Schwächen zugebe, werde ich auch als ehrlich und authentisch wahrgenommen und hebe mich vielleicht von anderen Bewerbern ab, die versuchen, perfekt zu erscheinen.
Und wenn ich in der Partnerschaft Schwächen eingestehe, trage ich durchaus auch dazu bei, dass wir Partner einander näherkommen und uns gegenseitig besser verstehen und unterstützen können.
Wenn ich zu meinen eigenen Schwächen stehe, lerne ich mich selbst zu akzeptieren und zu lieben. Das dient dann auch meinem Selbstwertgefühl und meiner psychischen Gesundheit.
Ich muss keine Angst haben, auf der Verliererseite zu landen.
Ich darf aber gewiss sein, dass Gottes Gnade genügt.
Das befreit mich von der Angst, ich müsse immer nur aus eigenen Kräften gut dastehen.
Denn liegt nicht an unserem Wollen oder Laufen, sondern allein an Gottes Erbarmen.
Amen.

Verfasser: Ulrich Wildermuth, Pfarrer i. R., 72336 Balingen


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