Menü

Am Tisch des Herrn

von Simone Carstens-Kant (38855 Wernigerode)

Predigtdatum : 25.07.2004
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : 6. Sonntag nach Trinitatis
Textstelle : Apostelgeschichte 2,41a.42-47
Wenn Sie diese Predigt als Word-Dokument erhalten möchten, tragen Sie bitte Ihre E-Mail-Adresse ein und klicken Sie auf "Abschicken"
Ihre E-Mail

Wochenspruch:

So seid ihr nun nicht mehr Gäste und Fremdlinge, sondern Mitbürger der Heiligen und Gottes Hausgenossen.
(Epheser 2,19)

Psalm: 107,1-9

Lesungen

Altes Testament:
2. Mose 16,2-3.11-18
Epistel:
Apostelgeschichte 2,41a.42-27
Evangelium:
Johannes 6,1-15

Liedvorschläge

Eingangslied:
EG 279,1-4
Jauchzt, alle Lande, Gott zu Ehren
Wochenlied:
EG 221
oder EG 326
Das sollt ihr, Jesu Jünger, nie vergessen
Sei Lob und Ehr dem höchsten Gut
Predigtlied:
EG 225
Komm, sag es allen weiter
Schlusslied:
EG 209
Ich möchte, dass einer mit mir geht

Mein erster Eindruck
Beim ersten Lesen denke ich: Schön! Solche Situationen kenne ich von Kirchentagen und Gemeindefreizeiten. Meine Tochter denkt sogar noch weiter: „Klingt nach Paradies.“
Uns beide holt aber auch der Zweifel ein: Gibt es vielleicht irgendwo einen Haken? War das damals wirklich so? Ist der Text nicht reichlich idealisiert, wo er davon spricht, dass die ersten Gemeindemitglieder „Wohlwollen beim ganzen Volk“ fanden?
Der Text in seinem Umfeld
Lukas schreibt erst lange nach der Auferstehung Jesu seine Apostelgeschichte. Nach so viel Zeit (gut 50 Jahre) neigen wir Menschen wohl dazu, manches zu idealisieren. Das ist im Prinzip nicht verkehrt, wenn es denn nicht gebraucht wird, um auf andere Druck auszuüben.
Die Art und Weise des Erzählens lässt diesen Schluss jedoch nicht unbedingt zu. Es macht im Gegenteil einfach Spaß, manche Texte der Apostelgeschichte in ihrer Anschaulichkeit zu lesen.
Wenn Lukas moralischen Druck ausüben wollte, würde er das ganz anders tun. Eher will er seine Gemeinde motivieren.
Und das ist insofern wichtig, da den Menschen seiner Zeit ein wichtiger Glaubensgrund verloren gegangen war. Die ersten Christen hofften noch auf die nahe Wiederkunft Christi. Die jedoch war ausgeblieben. Lukas findet nun zu einer Neubewertung: Wann Jesus kommen wird, ist ungewiss und unbedeutend. Wichtig hingegen ist, dass alle Menschen von Gott erfahren = Mission.
Der vorliegende Text fordert aber nicht Erfolgszahlen (beim Festlegen des Predigttextes wurde übrigens auf Vers 41b verzichtet!), sondern er ermutigt zur Gemeinschaft, zur Freude, zum ehrlichen Glauben. Und Gott wird es sein, der Menschen zur Gemeinschaft hinzufügt.
Der Text ist ein Plädoyer für eine lebendige Gemeinde, damals wie heute. Ein Plädoyer für Visionen in unseren Gemeinden.

Persönliche Anmerkung
Bei meinem Predigtvorschlag habe ich sehr an „meine“ ersten Gemeinden gedacht. Typische Dorfgemeinden mit überschaubaren Mitgliederzahlen, weil auch die Bewohnerzahlen überschaubar waren. Ältere Frauen, die traurig waren, dass nichts mehr ist, wie es mal war. Ich vermute, dass Lektorengottesdienste vor allem in solchen Orten gehalten werden müssen, weil sie nicht mit Ruheständlern gesegnet sind wie wir hier in Wernigerode.
Hoffentlich werde ich dem gerecht.

41 Die das Wort annahmen, ließen sich taufen. 42 Sie blieben aber beständig in der Lehre der Apostel und in der Gemeinschaft und im Brotbrechen und im Gebet. 43 Es kam aber Furcht über alle Seelen und es geschahen auch viele Wunder und Zeichen durch die Apostel. 44 Alle aber, die gläubig geworden waren, waren beieinander und hatten alle Dinge gemeinsam. 45 Sie verkauften Güter und Habe und teilten sie aus unter alle, je nachdem es einer nötig hatte. 46 Und sie waren täglich einmütig beieinander im Tempel und brachen das Brot hier und dort in den Häusern, hielten die Mahlzeiten mit Freude und lauterem Herzen 47 und lobten Gott und fanden Wohlwollen beim ganzen Volk. Der Herr aber fügte täglich zur Gemeinde hinzu, die gerettet wurden.

Liebe Gemeinde!
Wir haben den Predigttext aus der Apostelgeschichte gehört. Ach ja, was waren das damals noch für gute Zeiten!!
Wer das Wort annahm, ließ sich taufen, so heißt es in unserem Bibeltext. Und das waren beim ersten Pfingstfest immerhin 3000 Menschen, so jedenfalls berichtet es uns Lukas. 3000 Menschen in nur einer Stadt! So viele Menschen werden in unserer gesamten Landeskirche (in der Kirchenprovinz Sachsen) in einem ganzen Jahr getauft…
Und mit der Gütergemeinschaft ist es auch nicht mehr wie früher. Wie viele sind schon ausgetreten, weil ihnen die Kirchensteuer zu hoch ist.
Vielleicht erinnern Sie sich auch an Ihre Konfirmation, als noch alle Schüler der achten Klasse hier vor dem Altar standen. Heute kann man froh sein, wenn eine Handvoll zusammen kommt.
Ach ja, das waren noch Zeiten!...
Eigentlich könnten wir doch resignierend die Hände in den Schoß legen, einen Klagepsalm beten und die Kirche wieder zuschließen.
Aber vielleicht nehmen Sie sich vorher doch noch ein wenig Zeit zum Erinnern: Wissen Sie noch, wie Sie Ihre Kinder erzogen haben, das Brot aufzuessen? Durften bei Ihnen auch Onkel Hans, Tante Lene, Oma Christa und soundsoviele andere Verwandte aufmarschieren, um beim Häppchenessen zu helfen?
Und erinnern Sie sich, wie Ihre Kinder laufen lernten? Welche Freude war das, als der erste Schritt von allein passierte. Ein Ereignis, das Nachbarn und Verwandten unbedingt mitgeteilt werden musste.
Wie haben Sie selbst eigentlich glauben gelernt?
Lukas, der Schreiber der Apostelgeschichte, scheint sich im heutigen Predigttext ebenfalls zurück zu erinnern. Er gehörte nicht zu den ersten Christen. Er kennt nur die Berichte aus dieser Zeit. Und die sind schon von vielen Mündern weitergetragen worden, bevor sie bei ihm auf fruchtbaren Boden fielen. Lukas macht sich sein eigenes Bild. Wahrscheinlich gehörte er früher zum Heidentum, bevor er Christ wurde. Oder, so vermuten andere, er war ursprünglich Jude in einem Gebiet, in dem der jüdische Glauben selten war.
So erinnert sich Lukas vielleicht an das zurück, was er damals von diesem neuartigen christlichen Glauben erhoffte: Eine große Gemeinschaft von Menschen, die alle dasselbe glauben. Und wo es nur Wahrhaftigkeit gibt. Jeder hilft jedem. Keiner wird vergessen. Die Kinder werden gemeinsam erzogen. Wer Ruhe nötig hat, darf sich ausruhen. Die anderen übernehmen in dieser Zeit bereitwillig seine Pflichten mit. Nie fällt ein böses Wort. Denn jeder ist ja gern in dieser Gemeinschaft.
Vielleicht sind derartige Vorstellungen dem ähnlich, was Menschen bei Kirchentagen erleben. Zigtausend kommen da zusammen. Viele, weil sie in ihrem Glauben gestärkt werden wollen. Andere, weil sie auf der Suche sind. Auch Menschen, die einfach die Gemeinschaft mit anderen suchen, sind dabei.
Die jeweilige Gastgeberstadt lässt einen Hauch von Himmel spüren. Überall kann man merken: Etwas ist heute anders. Jugendliche erzählen, sie hätten sich mit wildfremden Menschen bis tief in die Nacht über Gott und die Welt unterhalten. Mitten auf einem großen Platz. Andere schwärmen noch lange nach dem Großereignis von der ungezwungenen Atmosphäre, die allerorten herrschte. Selbst ältere Menschen nehmen die Strapazen eines wenig komfortablen Quartiers auf sich, um ein Christentum zu erleben, von dem man nur träumen kann.
Wer dabei ist, kann den Himmel berühren. Er wird erleben, dass er selbst ein Teil davon ist. Für einen Moment ist man ganz nah dran. Für einen Moment wird man zum Mitgestalter des göttlichen Himmels.
Lukas seinerseits malt mit seinem Text auch ein Stück Himmel. Das macht er für sich und seine Gemeindemitglieder. Er weiß, dass der Alltag oft mühsam ist. Nicht alles ist so, wie er es erträumt hat. Und auch bei seinen Mitschwestern und -brüdern spürt er Müdigkeit. „Ist denn alles zu Ende?“, mögen sie fragen. „Was sollen wir denn nur tun, damit der Glaube lebendig bleibt?“
Damals wie heute dieselben Erfahrungen! Dieselben Ängste und Befürchtungen. Doch im Gegensatz zu uns hatten die Christen es damals schwerer. Die Kirche war noch ganz jung. Die Erfahrungen mit Jesus und die Hoffnung auf seine Wiederkunft waren noch sehr lebendig. Umso schwerer fielen Verunsicherungen ins Gewicht. Heute können wir gleich in mehreren biblischen Büchern davon lesen, wie Christen diese Ängste überwunden haben. Die Menschen damals hatten diese Möglichkeit noch nicht.
So ähnlich geht es allen Kindern. Was uns Erwachsenen selbstverständlich ist, müssen sie mühsam lernen. Schritt für Schritt. Und mit viel mehr Misserfolgserlebnissen als wir. Sie sehen, wie wir gehen und möchten es auch. Wie muss es diesen kleinen Menschen zumute sein, wenn sie sich immer und immer wieder erfolglos bemühen, allein zu stehen. Und wie erst, wenn die ersten Schritte nicht in Mamas Armen, sondern schmerzhaft auf dem Po enden?
Können Sie sich noch erinnern, wie Sie glauben gelernt haben? War das im strengen Pflichtunterricht vor der Konfirmation?
Oder waren das nicht zuerst die Abendgebete kurz vorm Einschlafen? Und später die Texte aus der Bibel? Die Texte, die uns ein Bild vom Himmel malen. Wo uns versprochen wird, dass Gott dieser Erde keinen Schaden mehr zufügen wird, solange sie steht. Und in denen Gott uns Engel an die Seite stellt, die unseren Fuß nicht gleiten lassen werden. Hoffnungstexte für jeden Menschen und für jede Situation.
„Ist das nicht Utopie?“, fragen Skeptiker. Nein, das ist Glauben. Die Hoffnung auf eine bessere Welt gibt uns Kraft für das Jetzt und Hier.
Die Handvoll Konfirmanden ist viel, wenn wir uns vor Augen halten, was jeder von ihnen für Visionen und Hoffnungen im Lebensgepäck mit sich führt.
Nicht, dass es so wenige Konfirmanden sind ist das Entscheidende. Dass es Konfirmanden gibt, ist wichtig.
Auch wenn wir manches Bedrückende erleben, es ist immer auch Befreiendes zu finden. Es kommt darauf an, für welche Träume und Visionen wir uns offen halten.
In einer Gemeinde unserer Landeskirche kam eines Tages eine Frau zum abendlichen Gesprächskreis. Etwa drei Jahre war sie nicht mehr dort gewesen, weil sie in ihrer Ortsgemeinde viele Verpflichtungen hatte. Nun war sie wieder da. An dem Abend beschäftigten sich die Teilnehmer mit der Facharbeit einer Abiturientin. Es ging um die Statistik der Kirchenaustritte der letzten Jahrzehnte. Die Schülerin stellte zu Beginn an alle die Frage: „Warum glauben Sie eigentlich?“
Da war viel zu hören von Geborgenheit, Gemeinschaft und Lebenssinn. Auch die Frau erzählte Ähnliches aus ihrem Leben. Gemeinschaft sei ihr sehr wichtig. Und nun müsse sie erfahren, dass ja von den Alten von vor drei Jahren fast keiner mehr da sei. „Warum zerbröckelt unsere Kirche so? Warum ist unser Glaube so wenig attraktiv?“, wollte sie wissen. Betroffenes Schweigen in der ganzen Runde. Es stimmte ja. Fast nur neue und jüngere Gesichter waren in der Runde zu sehen.
Einer jedoch wagte eine andere Sicht: Ein Teil der Alten ist inzwischen im Seniorenkreis heimisch geworden. Andere sind sehr aktiv bei der Vorbereitung besonderer Gottesdienste beteiligt. Und wieder andere haben ihre Aufgabe im Gemeindekirchenrat gefunden.
Wenn wir wollen, dass unsere Kirche weiterlebt, dann muss sie sich verändern dürfen. Dann wird sicher manches anders als früher sein.
Lukas macht uns Mut zum Träumen. Mit Freude das Brot brechen und einmütig beieinander sein – dafür lohnt es sich zu leben und zu arbeiten. Dann wird die ganze übrige Welt den Christen mit Wohlwollen begegnen.
Und der Heilige Geist wird dem Glauben Menschen zuführen, die wir in unserer Mitte willkommen heißen werden.
Lassen Sie uns die Kirchentüren weit öffnen. Nicht um hinauszugehen, sondern um alle unser Loblied hören zu lassen. Amen.

Verfasserin: Pfrn. Simone Carstens-Kant, Pfarrstr. 24, 38855 Wernigerode

Herausgegeben vom

Logo Zentrum Verkündigung

Referat Ehrenamtliche Verkündigung
Markgrafenstraße 14, 60487 Frankfurt/Main,
Telefon: 069.71379-140
Telefax: 069.71379-131
E-Mail: predigtvorschlaege@zentrum-verkuendigung.de

in Kooperation mit dem

Logo Gemeindedienst der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland
Gemeindedienst der
Evangelischen Kirche
in Mitteldeutschland

Pfarrer Dr. Matthias Rost
Zinzendorfplatz 3 (Alte Apotheke), 99192 Neudietendorf
Telefon: 036202.7717-97

Logo MÖD – Missionarisch Ökumenischer Dienst
Pfarrer Thomas Borchers
Missionarisch-Ökumenischer Dienst
Westbahnstraße 4
76829 Landau
Telefon: 06341.928912
E-Mail: info@moed-pfalz.de