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Am Tisch des Herrn

von Martin K. Reinel (35390 Gießen)

Predigtdatum : 06.08.2000
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : 6. Sonntag nach Trinitatis
Textstelle : Philipper 2,1-4
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Wochenspruch:

So seid ihr nun nicht mehr Gäste und Fremdlinge, sondern Mitbürger der Heiligen und Gottes Hausgenossen. (Epheser 2,19)

Psalm: 107,1-9

Lesungen

Altes Testament:
2. Mose 16,2-3.11-18
Epistel:
Apostelgeschichte 2,41a.42-27
Evangelium:
Johannes 6,1-15

Liedvorschläge

Eingangslied:
EG 279
Jauchzt, alle Lande, Gott zu Ehren
Wochenlied:
EG 221
oder EG 326
Das sollt ihr, Jesu Jünger, nie vergessen
Sei Lob und Ehr dem höchsten Gut
Predigtlied:
EG 417
Lasst die Wurzel unsers Handelns
Schlusslied:
EG 225
Komm, sag es allen weiter

(Predigt für den 17.7.94)
1 Ist nun bei euch Ermahnung in Christus, ist Trost der Liebe, ist Gemeinschaft des Geistes, ist herzliche Liebe und Barmherzigkeit, 2 so macht meine Freude dadurch vollkommen, dass ihr eines Sinnes seid, gleiche Liebe habt, einmütig und einträchtig seid. 3 Tut nichts aus Eigennutz oder um eitler Ehre willen, sondern in Demut achte einer den andern höher als sich selbst, 4 und ein jeder sehe nicht auf das Seine, sondern auch auf das, was dem andern dient.

Liebe Gemeinde!
“Wenn Sie uns brauchen, sind wir für Sie zu sprechen.” So oder so ähnlich macht die Telefonseelsorge in vielen Städten und Kreisen auf sich aufmerksam. “Wir sind da für Sie.” 24 Stunden pro Tag engagieren sich meist freiwillige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, um anderen in völliger Anonymität erst einmal zuzuhören und dann vielleicht ein gutes Wort zu sagen. In ökumenischer Zusammenarbeit nehmen Christen und Christinnen verschiedener Konfession ihren Glauben ernst. Sie sind für andere Menschen da, wenn die jemand brauchen. Wie nötig ihre Geduld beim Telefondienst ist, zeigt die hohe Zahl der Anrufe überall in der Republik. Bei der Telefonseelsorge kümmern sich Menschen um andere, ohne großes Aufheben darum zu machen. Beispielhaft zeigen sie die christliche Liebe, von der der Apostel Paulus in seinem Brief an die Philipper spricht.
Ermutigende Worte im Auftrag Christi, tröstender Zuspruch, herzliche Verbundenheit, Beistand des Heiligen Geistes - solche durch und durch positiven Taten erwartet der Apostel von den Christen und Christinnen. In den ersten Versen des Predigttextes aus dem Philipperbrief beschreibt Paulus “christliche Liebe”. Man kann sich die konkreten Verhaltensweisen sehr gut vorstellen, die das Neue Testament hier fordert. Verhält sich eine christliche Gemeinde und verhalten sich ihre einzelnen Mitglieder wirklich so, dann zeichnen sie sich durch guten christlichen Gehorsam aus. Dann leben sie als echte Nachfolgerinnen und Nachfolger Jesu Christi. Und dann ist auch das Wort von christlicher Liebe und Nächstenliebe kein leeres Geschwätz.
Was von uns als Christen und Christinnen verlangt wird, ist nicht unmöglich. Es gibt viele gute Beispiele für christliche Liebe: Angefangen von den großen Einrichtungen der Diakonischen Werke wie Bethel oder Aktionen wie “Brot für die Welt” bis hin zu kleinen Taten wie der Hilfe für einen kranken Nachbarn oder echtes Interesse für einen jungen Menschen in Schwierigkeiten. Flüchtlingshilfe oder Krankenbesuche, Zuhören oder Hand-Anlegen, Aufmunterung oder warnendes Überlegen - christliche Liebe kennt keine Grenzen. Friedensinitiativen und Dritte-Welt-Gruppen legen immer wieder Zeugnis von ihr ab, genauso wie Pfarrerinnen und Kirchenvorsteher, Sozialarbeiter und Frauenkreise.
In der eigenen Gemeinde wie in der weltweiten Christenheit geschehen Tag für Tag unzählige Zeichen der Liebe. Gäbe es die nicht, wäre unsere Welt noch kälter und härter als sie ohnedies ist.
Doch diese positive und erfreuliche Feststellung kann letztlich nicht zufrieden stellen. Denn auf der anderen Seite erfahren viel zu viele Menschen immer wieder, wie unzulänglich ihr Leben verläuft. Viele spüren die Liebe Gottes ganz und gar nicht. Da erlebt eine Familie mit, wie die jungen Leute sich nach nur zweijähriger Ehe scheiden lassen. Da führt der wachsende Druck am Arbeitsplatz und die gestiegenen Erwartungen, jeden Tag mehr leisten zu müssen, zum Herzinfarkt des Familienvaters. Und über die großen Probleme dieser Welt mag man eigentlich gar nicht mehr reden: seit Jahren Krieg im ehemaligen Jugoslawien, Flüchtlingsströme in Afrika, Hunger in Asien. Da scheint es mit der Liebe Gottes nicht weit her zu sein.
Selbst innerhalb unserer Kirche sieht es doch manchmal ganz schlimm aus. Die Pfarrer beklagen die Überlastung in ihrem Amt und immer mehr Kirchenvorstände zeigen sich unzufrieden über ihre Seelsorger. Man bedauert die hohen Austrittszahlen und trotzdem gelingt es nicht, junge Leute in das Leben der Gemeinde einzubeziehen. Das Ansehen der Kirchen sinkt und die Medien machen sich noch lustig über die Gläubigen - so lauten die Klagen.
Im Alltag unserer Gesellschaft bleibt nicht mehr viel übrig von der Liebe Gottes. Und selbst den Christen und Christinnen gelingt es nur selten, ihre Meinungsverschiedenheiten untereinander auf eine fruchtbringende Art und Weise zu erledigen. Viel zu häufig bleiben ein bitterer Nachgeschmack und viel Frustration zurück, wenn über den richtigen christlichen Weg und den richtigen Glauben gestritten wird.
Die lautwerdende Enttäuschung wieder loszuwerden ist nicht einfach. Wo bleibt bei so viel Klage denn die Liebe Gottes, die eben noch so laut besungen wurde und glänzend dastand? Ein Begriff aus dem Schreiben des Paulus an die christliche Gemeinde in Philippi kann wieder in die richtige Richtung weisen - auch wenn es altmodisch und überkommen klingen mag.
Von “Demut” redet der Apostel und meint im guten Sinne Selbstbescheidung und Bescheidenheit. Christen und Christinnen sollen nicht aus Eigennutz heraus oder falscher Ehre wegen handeln. Vielmehr gehört zu richtig verstandener “Demut” die Bescheidenheit anzuerkennen, dass vielleicht ein anderer Mensch etwas besser kann als ich. Entgegen dem Eigennutz und dem Egoismus setzt Paulus auf die Achtung der anderen und weist unser Interesse auf das hin, was dem nächsten und anderen Menschen nützt.
Falsch verstandene Demut übrigens richtet viel Schaden an. Um Gottes Willen soll und darf zum Beispiel niemand im Namen christlicher Religion dazu angehalten werden, angeblich “demütig” und ohne Aufmucken immer nur dienen zu müssen. Kein Mensch muss im Namen Gottes sein eigenes Leben völlig aufgeben. Und niemand muss in irgendeiner Weise angeblich “demütig” und still Schläge einstecken, weder sogenannte Schicksalsschläge noch Hiebe und Schläge von Gewalttätern oder unterdrückerischen Machthabern. Christliche Demut will nichts und niemand demütigen und vertröstet nicht auf irgend ein Jenseits.
Christliche Demut - recht verstanden - steht vielmehr für gelassene Bescheidenheit, die auch anderen etwas zugesteht, und Beharrlichkeit, die das Wohl aller im Auge hat. Selbstlosigkeit aus freiem Antrieb und eigener Überzeugung und die Bereitschaft auch etwas zu opfern, was einem lieb und wert ist - die machen Demut aus. “Jede und jeder sehe nicht auf das Seine und Ihre”, schreibt Paulus, “sondern auch auf das, was dem anderen und der anderen dient.”
Was der Apostel fordert, macht einen neuen Weg des Zusammenlebens und der Verständigung möglich - innerhalb christlicher Kirchen und Gemeinden genauso wie zwischen Menschen anderer Ansichten. Sicher gibt es immer verschiedene Positionen. Aber man kann die Diskussionen so austragen, dass auch die Überzeugungen der anderen ernst genommen werden. Paulus empfiehlt nicht, den Streit gänzlich zu vermeiden. Aber er legt Wert darauf, dass Auseinandersetzung nicht nur zur Selbstprofilierung dient, sondern fair ausgetragen wird und andere dabei nicht untergebuttert werden. Das Ziel ist ein wirklicher Ausgleich der verschiedenen Interessen. Dazu verhilft, recht verstandene, christliche Demut.
Freilich führt uns Christen und Christinnen untereinander nicht einfach die Suche nach einem vernünftigen und fairen Kompromiss zusammen. Denn wir teilen miteinander den Glauben an Jesus Christus, der für uns Menschen gelebt hat, gestorben ist und der den Tod überwunden hat. Dieser Glaube prägt sich bei jedem und jeder von uns verschieden aus. Im Kern aber, in einem seiner Kristallisationspunkte, sagt er ohne Zweifel aus, dass wir Grenzen überschreiten sollen und Barrieren überwinden müssen.
So wie sich Jesus den Schwachen zuwandte, so sollen auch wir Menschen in seiner Nachfolge unsere Selbstsucht überwinden und uns des Leids anderer annehmen. So wie Jesus sich um die Bedürftigen kümmerte, so sollen auch wir gegen Ungerechtigkeit vorgehen und tatkräftig für bessere Lebensmöglichkeiten aller Menschen eintreten.
Christliche Liebe kennt deshalb keine Grenzen. Christliche Demut überwindet die Begrenztheit und Engstirnigkeit. Der Apostel Paulus erinnert uns daran, dass all dies keine leeren Worte sind, sondern handfeste Lebensmöglichkeiten. Wir haben die Chance, im Leben innerhalb einer Kirchengemeinde und im Leben mit anderen Menschen neu anzufangen. Immer wieder. Dazu verhilft uns der Glaube an Jesus Christus. Sein Gemeinschaft erleben wir miteinander und geben sie untereinander weiter. Und mit anderen können wir sie teilen. Amen.

Verfasser: Pfr. Martin K. Reinel, Margarete-Bieber-Weg 25, 35396 Gießen

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