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Angst

von Astrid Standhartinger (64331 Weiterstadt)

Predigtdatum : 04.05.1997
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : Kantate
Textstelle : Johannes 16,23b-28.(29-32).33
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Wochenspruch: Gelobt sei Gott, der mein Gebet nicht verwirft, noch seine Güte von mir wendet.

Wochenlied: EG 133 oder 344

Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wenn ihr den Vater um etwas bitten werdet in meinem Namen, wird er's euch geben. Bisher habt ihr um nichts gebeten in meinem Namen. Bittet, so werdet ihr nehmen, daß eure Freude vollkommen sei. Das habe ich euch in Bildern gesagt. Es kommt die Zeit, daß ich nicht mehr in Bildern mit euch reden werde, sondern euch frei heraus verkündigen von meinem Vater. An jenem Tage werdet ihr bitten in meinem Namen. Und ich sage euch nicht, daß ich den Vater für euch bitten will; denn er selbst, der Vater, hat euch lieb, weil ihr mich liebt und glaubt, daß ich von Gott ausgegangen bin. Ich bin vom Vater ausgegangen und in die Welt gekommen; ich verlasse die Welt wieder und gehe zum Vater.

Das habe ich mit euch geredet, damit ihr in mir Frieden habt. In der Welt habt ihr Angst; aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden.

Liebe Gemeinde,

Jesus hat mit einem Satz ein Lebensgefühl unserer Zeit angesprochen. Es ist der Satz: In der Welt habt ihr Angst. Wenn wir mit wachen Augen in dieser Zeit leben, können wir auch wirklich nicht anders als Angst zu haben. Da sind die Krankheiten, die wir durch unsere Lebensweise hervorgerufen haben und die nun einfach da sind und trotz aller großartigen Versprechen und Beteuerungen, trotz großer Anstrengungen und Forschungen einfach nicht wieder einzufangen sind. Krebs, BSE, Aids, gegen Antibiotika resistente Krankheiten sind da nur die Spitze des Eisberges. Oder da ist nicht zu übersehen, die immer stärker auseinanderlaufende Schere zwischen Reichtum und Armut, zwischen der bezahlten Arbeit und den vielen, die leer ausgehen oder sich schamlos ausbeuten lassen müssen. Verteilungskämpfe und Krieg, kein einziger Tag, wo uns das nicht bewußt gemacht wird. Man mag es schon nicht mehr hören. Und immer wieder die Beschwörung des Friedens, wo kein Friede möglich ist, weil die Voraussetzung fehlt, die Gerechtigkeit. Wer will sie schaffen, wer kann sie schaffen?

In der Schule habe ich mit Kindern über die Angst gesprochen. Da kommt das alles wieder, die Angst vor der Zukunft, vor der Zerstörung der Umwelt usw. Die Kinder zeigen nur sehr sensibel an, wie tief es uns erwischt hat mit der Angst. Grund genug gibt es, mehr als ich hier aufzählen mag.

Es gibt natürlich auch Rezepte gegen die Angst. Sie werden auch alle ausgiebig angewandt. Eins steht ganz vorne, nämlich: die Gefahr einfach leugnen. Den Kopf in den Sand stecken oder die Schuld dem Betroffenen zuzuschieben, war schon immer ein bewährtes Mittel. Es hat noch nie geholfen. Es macht krank und kostet viel Kraft. Der Rat unserer Zeit soll dagegen helfen: Denk positiv, dann wird's schon gehen.

Aber die Wahrheit läßt sich nicht auf Dauer übersehen. „In der Welt habt ihr Angst.“ Und der das sagt, will nicht die Angst verstärken, sondern uns Hilfe geben mit ihr zu leben und unsere Kraft einzusetzen einige Ursachen für unsere Angst zu verändern.

Als Jesus sich von seinen Jüngern verabschiedet, versucht er noch einmal zu sagen, was ihnen helfen kann. In den wenigen Sätzen, die wir aus den Abschiedsreden vor uns haben, sind drei entscheidende Dinge genannt:

* Der Hinweis: Ich habe die Welt überwunden

* Die Möglichkeit, mit ihm Verbindung zu halten: Bittet in meinem Namen

* Und nochmals die Erinnerung, wo wir ihn finden können: ich gehe wieder dahin, woher ich gekommen bin: zum Vater.

Ich möchte sie einladen, mit mir die Hilfe, die Jesus uns gegen die Angst anbietet, zu bedenken.

Er sagt: Ich habe die Welt überwunden. Der das sagt ist ein ganz konkreter Mensch gewesen. Und Bedrohung und Angst stand über seinem Leben von Anfang an. Die Evangelien erzählen das zwar nicht an erster Stelle, aber immer schimmert das durch die Umstände, die sie erwähnen. Als Baby war er schon gefährdet. Als Erwachsener fing es schon damit an, daß er sich von Johannes im Jordan taufen ließ. Schließlich kostete dem Johannes sein aufsässiges Reden den Kopf. Er war mit vielem, was er tat und sagte ein Angriff auf die Herrschenden und ist es bis heute geblieben. Er sah Frauen als eigene Menschen an, und machte sie zu entscheidenden Trägern seiner Botschaft. Er legte so den Grundstein dazu, daß sie es irgendwann sogar selbst begreifen werden. Er nahm den Kranken das Stigma der Schuld. Er machte jeden Menschen zum geliebten Kind Gottes.

Er sah sehr wohl, daß sie ihm nach dem Leben trachteten. Die Szene in Gethsemane, in der er seine ganze Angst Gott gegenüber ausspricht, ist ein Beispiel dafür, daß er nicht wie ein strahlender Sieger ohne jede Anfechtung gelebt hat. Er kannte, was er sagte: In der Welt habt ihr Angst. Aber, so sagte er weiter, seid getröstet, ich bin da durchgegangen trotz aller Angst, und habe die Welt überwunden. Und ich verstehe das auch ein Stück weit so, als sagt er damit: die Schrecken, die zu unserer Welt gehören, machen zwar Angst, aber die Angst muß dich nicht beherrschen. Wenn du mir nachfolgst und dich nicht beirren läßt, ist sie an vielen Stellen überwindbar.

Dazu ist eins ganz wichtig, daß wir die Verbindung zu ihm nicht verlieren. Das Gebet bietet er als eine ganz wichtige und starke Nabelschnur an. Nicht das Gebet, das an ihn gerichtet ist, hat er hier gemeint. Der Adressat ist Gott, den wir in seinem Namen bitten sollen.

Aber was heißt, im Namen Jesu Gott bitten? Ist das etwa so gemeint? „Lieber Gott, im Namen Jesu bitte ich dich, laß mich gesund werden, oder das Examen bestehen oder schenke mir einen Partner“ usw. Solche Gebete sind in keiner Weise gemeint. Denn so wie ich es hier ausgesprochen habe, ist „im Namen Jesu“ wie eine Zauberformel verstanden, mit der ich mir Gott willfährig machen will und ihn zwingen will zu tun, was ich mir wünsche. Ich denke, für solche Gebete hat Dietrich Bonhoeffer richtig gesehen, wenn er sagt, „Gott erhört alle unsere Gebete, aber erfüllt nicht alle unsere Wünsche.“ Die Bitte im Namen Jesu, kann nur in seinem Sinn sein und von seinem Geist geprägt, dem Geist der Verständigung, der Liebe zum Mitmenschen und zum Leidenden und dem Einsatz für Gerechtigkeit. Das Vaterunser ist da eine gute Schulung. Das einzige Mal, wo er seine eigene Person in den Mittelpunkt gestellt hat, da sagt er: „Vater, willst du, so nimm diesen Kelch von mir, aber nicht wie ich will, sondern wie du willst.“

Das Gebet in seinem Namen hält die Verbindung zwischen ihm und uns. Und es hilft gegen die Angst, weil jedes Gebet eine Hilfe gegen die Angst ist. Wenn ich ausspreche, was mich bedrückt und einengt, was mir Sorge macht und mich nicht mehr losläßt, dann lade ich schon einen Teil ab und werde freier. Mehr noch, wenn ich das, was mich bedrückt mit Jesu Augen und in seinem Sinn betrachte und vor Gott ausspreche, dann hat er mich schon ein Stück weit auf seinen Weg gestellt.

Und die dritte Hilfe gegen die berechtigte Angst ist, daß wir wissen, woher Jesus kommt und wo er zu finden ist. In manchen Lebenssituationen ist das wohl die wichtigste Hilfe. Macht es uns doch klar, woher auch wir kommen und wohin wir gehen werden. Gott, der die Ursache unserer Existenz ist, ist auch unser Ziel. Jesus hat ihn uns nahe gebracht mit seinem menschlichen Gesicht, das wir in dieser Welt immer wieder suchen und finden können, aber er hat auch vorgelebt, da wir in aller Angst geborgen sind. So sagt er, als scheinbar alles zu Ende ist und der sogenannte Realismus nichts anderes sieht, als einen gemarterten Menschen am Kreuz: Vater in deine Hände befehle ich meinen Geist. Und wir wissen ja, es war eben nicht aus, sondern es geht weiter mit ihm und uns.

Ich will es nochmals zusammenfassen, wie ich die Hilfe Jesu sehe, die in seinen Abschiedsworten angesprochen ist.

In der Welt habt ihr Angst, bleibt mit mir verbunden und seht die Welt mit meinen Augen und folgt mir in Worten und Taten, denn ich habe euch gezeigt daß Gott euch lieb hat. In allen Zweifeln und aller Angst könnt ihr euch darauf verlassen. Darum seid getrost, ich habe die Welt überwunden.

Amen.

Lieder:

EG 621

EG 625

EG 632

EG 406

EG 378

Pfrn. Astrid Standhartinger

Kirchgasse 19

64584 Biebesheim


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