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Anvertraute Gaben

von Frederike Reif (Neustadt)

Predigtdatum : 14.08.2022
Lesereihe : IV
Predigttag im Kirchenjahr : 9. Sonntag nach Trinitatis
Textstelle : Matthäus 25,14-30
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Wochenspruch: Wem viel gegeben ist, bei dem wird man viel suchen; und wem viel anvertraut ist, von dem wird man umso mehr fordern. (Lukas 12,48)

Psalm: 63,2–9 (EG 729)

Lesungen

Reihe I: Philipper 3,(4b-6)7-14
Reihe II: Jeremia 1,4-10
Reihe III: Matthäus 7,24-27
Reihe IV: Matthäus 25,14-30
Reihe V: 1. Könige 3,5-15(16-28)
Reihe VI: Matthäus 13,44-46

Liedvorschläge

Eingangslied: EG 452 Er weckt mich alle Morgen
Wochenlied: EG 634 Die Erde ist des Herrn
Predigtlied: EG 432 Gott gab uns Atem
Schlusslied: EG 360 Die ganze Welt hast du uns überlassen

Predigttext: Matthäus 25,14-30

14 Denn es ist wie mit einem Menschen, der außer Landes ging: Er rief seine Knechte und vertraute ihnen sein Vermögen an; 15 dem einen gab er fünf Zentner Silber, dem andern zwei, dem dritten einen, jedem nach seiner Tüchtigkeit, und ging außer Landes. Sogleich 16 ging der hin, der fünf Zentner empfangen hatte, und handelte mit ihnen und gewann weitere fünf dazu. 17 Ebenso gewann der, der zwei Zentner empfangen hatte, zwei weitere dazu. 18 Der aber einen empfangen hatte, ging hin, grub ein Loch in die Erde und verbarg das Geld seines Herrn. 19 Nach langer Zeit kam der Herr dieser Knechte und forderte Rechenschaft von ihnen. 20 Da trat herzu, der fünf Zentner empfangen hatte, und legte weitere fünf Zentner dazu und sprach: Herr, du hast mir fünf Zentner anvertraut; siehe da, ich habe fünf Zentner dazugewonnen. 21 Da sprach sein Herr zu ihm: Recht so, du guter und treuer Knecht, du bist über wenigem treu gewesen, ich will dich über viel setzen; geh hinein zu deines Herrn Freude! 22 Da trat auch herzu, der zwei Zentner empfangen hatte, und sprach: Herr, du hast mir zwei Zentner anvertraut; siehe da, ich habe zwei dazugewonnen. 23 Sein Herr sprach zu ihm: Recht so, du guter und treuer Knecht, du bist über wenigem treu gewesen, ich will dich über viel setzen; geh hinein zu deines Herrn Freude! 24 Da trat auch herzu, der einen Zentner empfangen hatte, und sprach: Herr, ich wusste, dass du ein harter Mann bist: Du erntest, wo du nicht gesät hast, und sammelst ein, wo du nicht ausgestreut hast; 25 und ich fürchtete mich, ging hin und verbarg deinen Zentner in der Erde. Siehe, da hast du das Deine. 26 Sein Herr aber antwortete und sprach zu ihm: Du böser und fauler Knecht! Wusstest du, dass ich ernte, wo ich nicht gesät habe, und einsammle, wo ich nicht ausgestreut habe? 27 Dann hättest du mein Geld zu den Wechslern bringen sollen, und wenn ich gekommen wäre, hätte ich das Meine wiederbekommen mit Zinsen. 28 Darum nehmt ihm den Zentner ab und gebt ihn dem, der zehn Zentner hat. 29 Denn wer da hat, dem wird gegeben werden, und er wird die Fülle haben; wer aber nicht hat, dem wird auch, was er hat, genommen werden. 30 Und den unnützen Knecht werft hinaus in die äußerste Finsternis; da wird sein Heulen und Zähneklappern.

Predigt

Bei einer Talentshow in England sorgte 2007 Paul Potts für Aufsehen. Der Mann, der seinen Lebensunterhalt als Verkäufer von Mobiltelefonen verdiente, überraschte Jury und Publikum mit seinem Gesang. Vielleicht erinnern Sie sich daran aus der Telekom-Werbung. [Ihr Konfis könnt es ja später googeln.] Man sieht die Skepsis der Jury, als der Kandidat beim ersten Auftritt erklärt, Oper singen zu wollen. Augenscheinlich wird ihm das nicht zugetraut. Umso größer das Erstaunen, als er sein besonderes Talent offenbart. Er gewinnt am Ende die Show und wird weltbekannt.

Paul Potts nährt den Traum „Jeder kann es schaffen“, seine Geschichte wird gerne erzählt als die des einfachen Mannes, dessen Talent wie durch ein Wunder ans Licht kommt. Sie zeigt uns nebenbei, wie sehr unsere Erwartungen vom Äußeren und von dem, was wir wissen, beeinflusst werden. Vor allem unterstreicht der Werdegang des Sängers, dass ein Talent gepflegt und genutzt werden will.

Denn Paul Potts hat nicht eben mal so das Können in sich entdeckt. Schon als Kind sang er in Schul- und Kirchenchor, und als Student und junger Erwachsener finanzierte er seine fundierte Gesangsausbildung aus eigener Tasche. Er kannte sein Talent und suchte Möglichkeiten, es zu vermehren. Die Show half ihm, keine Frage, den Ausschlag aber gab sein eigenes Mühen und Wirken.

Jesus spricht in seinem Gleichnis vom anvertrauten Geld von Talenten. Unser heutiger Sprachgebrauch des Wortes Talent als Begabung ist auf dieses Gleichnis zurückzuführen. Die überarbeitete Lutherbibel übersetzt „Zentner“, um deutlich zu machen: hinter dem griechischen Wort Talent steht nichts anderes als eine Maßangabe. Der reiche Mann, der verreisen will, vertraut seinen Dienern große Geldwerte an. In seiner Abwesenheit sollen sie sein Geld verwalten. Ein Talent entsprach in etwa 36 Kilogramm Silber, also eine stattliche Summe. Natürlich verlangt der Besitzer Rechenschaft, als er nach langer Zeit zurückkehrt.

Zwei der drei haben das Vermögen genutzt, um es zu vermehren, gewirtschaftet haben sie und das Ausgangskapital verdoppelt. Der Dritte aber war von der Sorge bestimmt, er könne das Anvertraute verlieren. Statt also damit etwas anzufangen, hat er es nur aufbewahrt. Er gibt exakt zurück, was er bekommen hatte – und wird bestraft. „Wenn du schon wusstest, dass ich einsammle, wo ich nicht ausgeteilt habe, hättest du wenigstens bei einer Bank dafür sorgen können, dass mein Geld Zinsen trägt. Du aber hast gar nichts damit gemacht!“, so urteilt der Herr.

Die Botschaft der Geschichte ist deutlich: Diejenigen, die das Anvertraute eingesetzt und vermehrt haben, dürfen bleiben, wer aber nichts aus dem macht, was ihm gegeben wurde, hat keinen Platz beim Freudenfest des Hausherrn. Das Gleichnis ist im Matthäusevangelium eingereiht in die Rede Jesu von der Endzeit. Für die Menschen, die Jesus gefolgt sind, und auch für die ersten Christinnen und Christen in der Frühzeit unseres Glaubens, war die Erwartung groß, das Weltgericht Gottes stünde kurz bevor. Nach 2000 Jahren christlicher Geschichte haben wir heute diese Erwartung aus den Augen verloren. Doch auch wir Heutigen machen uns mitunter Gedanken, was am Ende unseres Lebens auf uns wartet. Müssen wir Rechenschaft ablegen?

Martin Luther hat dieser Gedanke als junger Mönch gepeinigt. Vor gut einem halben Jahrtausend war er getrieben von dem Bestreben, gottgefällig zu leben – in ehrlicher Selbstkritik sah er sich jedoch dabei immer wieder scheitern. Er litt Qualen. Befreiung daraus erwuchs ihm im intensiven Bibelstudium: Allein aus Gnade sind wir gerechtfertigt vor Gott, so entdeckte Luther beim Studium des Römerbriefes. Rechtfertigung allein aus Gnade – aus dieser Erkenntnis nähren wir unseren Glauben heute. Wir leben nach dem, was Jesus uns vorgelebt hat – nicht, um Gott zu gefallen und uns einen Platz im Himmel zu „verdienen“; wir leben in Jesu Nachfolge, weil es gut für die Gemeinschaft, für die Welt ist. Die Nachfolge ist Folge der Gnade, nicht Voraussetzung.

Wie aber ordnen wir dieses Gleichnis ein, das Jesus erzählt? Wie wir es auch betrachten: es kratzt am Gottesbild. Wie wir von Gott denken, ist bestimmt von Jesu Reden von Gott. Vom barmherzigen Vater spricht Jesus, von Vergebung, vom unermesslichen Schatz, dem Gottesreich, das den Menschen zugedacht ist. Hier aber erleben wir den Hausherrn im Gleichnis unbarmherzig: Der Mensch, der das Silber nicht vermehrt hat, wird beschimpft und in die Finsternis geworfen. Es ist kein Platz für diesen einen beim Freudenfest.

Gerne werden solche Aspekte der Reden Jesu aus dem Bewusstsein gedrängt. Es trübt das Bild von Gott als sicherer Zuflucht, als Vater, der den verlorenen Sohn begrüßt, als Hirte, der das verlorene Schaf sucht.

Doch wenn wir die Botschaft Jesu ernst nehmen wollen, reicht es nicht aus, die angenehmen Bilder und Worte zu betrachten. Die Evangelien bieten uns eben auch Jesu Reden zur Endzeit und gleich mehrere Gleichnisse, die davor warnen, am Ende nicht bereit zu sein. Der Hausherr, der unbarmherzig den dritten Diener hinauswerfen lässt, wirft ein anderes Licht auf Gottes Sein.

Luther spricht in anderem Zusammenhang von der dunklen Seite Gottes. Es ist schwer, sich damit auseinanderzusetzen. Manchmal muss es genügen festzustellen, dass wir als Menschen Gott nicht begreifen können.

Auch wir Menschen haben dunkle Seiten. Wer von uns möge sagen, er oder sie habe noch nie aus Zorn gehandelt (und es anschließend bereut)? Und kennen auch wir nicht Situationen, wo wir, um uns selbst treu zu bleiben, uns von anderen abkehren (müssen)?
[Parkplatz für eigene Beispiele.]

Bleibt die Frage, wo wir selbst stehen. Wie gehen wir um mit dem, was Gott uns anvertraut – und welche Gaben sind es? Persönliche Talente? Möglichkeiten im Leben? Die Botschaft des Evangeliums? Gleichnisse bieten eine gewisse Weite, was letztendlich eingesetzt werden kann. Deshalb sind sie uns nach 2000 Jahren genauso bedeutsam wie den Menschen damals.

Es mag dem einen dies, der anderen das gegeben sein, so wie es im heutigen Gleichnis auch unterschiedliche Mengen Silbers sind, um die es geht. Was uns als Christinnen und Christen gleichermaßen von Gott gegeben ist, ist die Botschaft, die gute Nachricht: Gottes Gnade und Liebe ist uns geschenkt.

Was machen wir mit diesem Geschenk? Vergraben wir es unter den alltäglichen Herausforderungen, legen es weg, ohne uns darum zu kümmern? Oder erleben wir in dem Geschenk die Einladung, Jesu Beispiel zu folgen: unsere Nächsten sehen und daran mitwirken, dass Gottes Liebe in der Welt wachsen und gedeihen kann?

Handeln im Sinne der Nächstenliebe, Gott lieben, indem wir diese Liebe in der Welt erweisen – nicht, um sich die Gnade zu verdienen, sondern aus Dankbarkeit, dass sie uns geschenkt ist. So vermehren wir die Botschaft, die Gott uns anvertraut hat, und wir tun dies, indem wir die uns mitgegebenen Talente verwenden. Die eine so, der andere so. Auch das gibt das Gleichnis an: Was verteilt wird, ist unterschiedlich. Dabei gibt es keinen Wettbewerb: Um wieviel das Anvertraute vermehrt wurde, ist bedeutungslos. Dem strengen Hausherrn hätte es genügt, wenn nur Zinsen abgeworfen worden wären – nur nutzlos vergraben werden soll das Vermögen nicht. Es soll arbeiten, so, wie es gerade geht.

[Parkplatz für eigene Beispiele, die verdeutlichen, wie tätige Liebe sich vermehrt und Früchte bringt.]

So ermutigt das Bild von den Silbertalenten uns Heutige, unsere eigenen Gaben in Gottes Dienst zu stellen. Und es gibt uns auf, direkt damit loszulegen. Möglichkeiten gibt es viele, und diese können sich auch ändern im Lauf der Jahre. Wer weiß, wie lange der Herr im Gleichnis fort war? Wer weiß, welch unterschiedliche Gelegenheiten die Diener ergriffen im Laufe der Zeit? Manchmal sind neue Anläufe nötig, manchmal muss das eine zu Ende gehen, um etwas Neues anzugehen. Das zeigt uns auch das Beispiel von Paul Potts, der seinen Traum vom Opernsingen seinem Leben anpassen musste – losgelassen hat er ihn nicht. Er hat etwas gegeben, um sein Talent zu schulen und zu nutzen, und letztlich hatte er Erfolg. Dabei hat seine Begabung nicht nur ihn selbst erfreut, sondern Millionen Menschen. Die Telekom nutzte dieses Ereignis, um für sich zu werben: „Das Leben schenkt uns einzigartige Momente. Schön, dass wir sie mit anderen teilen können.“

Jesus lädt uns ein, die Botschaft Gottes zu teilen mit unseren je eigenen Möglichkeiten. Lassen wir uns darauf ein. Immer wieder neu. Amen.

Verfasserin: Pfarrerin Frederike Reif, Neustadt an der Weinstraße


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