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Befreiung im Vertrauen auf Gottes Gnade

von Manfred Günther (35325 Mücke)

Predigtdatum : 31.10.2001
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : 23. Sonntag nach Trinitatis
Textstelle : Jesaja 62,6-7.10-12
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Wochenspruch:

Einen andern Grund kann niemand legen als den, der gelegt ist, welcher ist Jesus Christus. (1. Korinther 3,11)

Psalm: 46,2-8 (EG 725)

Lesungen

Altes Testament:
Jesaja 62,6-7.10-12
Epistel:
Römer 3,21-28
Evangelium:
Matthäus 5,1-10 (11-12)

Liedvorschläge

Eingangslied:
EG 362
Ein feste Burg
Wochenlied:
EG 341
oder 351
Nun freut euch, liebe Christen g’mein
Ist Gott für mich, so trete
Predigtlied:
EG 147
Wachet auf, ruft uns die Stimme
Schlusslied:
EG 421
Verleih uns Frieden gnädiglich

6 O Jerusalem, ich habe Wächter über deine Mauern bestellt, die den ganzen Tag und die ganze Nacht nicht mehr schweigen sollen. Die ihr den HERRN erinnern sollt, ohne euch Ruhe zu gönnen, 7 lasst ihm keine Ruhe, bis er Jerusalem wieder aufrichte und es setze zum Lobpreis auf Erden!
10 Gehet ein, gehet ein durch die Tore! Bereitet dem Volk den Weg! Machet Bahn, machet Bahn, räumt die Steine hinweg! Richtet ein Zeichen auf für die Völker! 11 Siehe, der HERR lässt es hören bis an die Enden der Erde: Sagt der Tochter Zion: Siehe, dein Heil kommt! Siehe, was er gewann, ist bei ihm, und was er sich erwarb, geht vor ihm her! 12 Man wird sie nennen »Heiliges Volk«, »Erlöste des HERRN«, und dich wird man nennen »Gesuchte« und »Nicht mehr verlassene Stadt«.

Liebe Gemeinde am Reformationsfest!
Es ist nicht Jerusalem, es ist Altenkirchen im Westerwald, das mir bei diesen Versen in den Sinn kommt: „Wächter über den Mauern“ - „...setze zum Lobpreis auf Erden“ - „Richtet ein Zeichen auf“ - „...der Herr lässt es hören bis an die Enden der Erde“. Das ist nämlich so in Altenkirchen: Es gibt dort ein Gotteshaus mit einem Glockenspiel. Jeden Morgen um 7.30 Uhr klingt eine Melodie vom Kirchturm herab. Vielleicht ein Morgenchoral: „Die güldne Sonne“ oder „All Morgen ist ganz frisch und neu“ oder auch „Morgenglanz der Ewigkeit“.
Hoch über den Dächern der Stadt tönt das. An jedem Tag der Woche. Keinen Morgen schweigen die Glocken. Schade ist nur, dass der Straßenverkehr, der um die Morgenstunde schon herrscht, das zarte Spiel der Glocken fast völlig übertönt. Selbst wenn man in der Nähe der Kirche unten auf der Gasse steht, kann man nur ganz wenig vom klingenden Spiel da oben vernehmen!
Ist das nicht ähnlich wie bei den Stimmen der Wächter über den Mauern von Jerusalem? Wer hat sie wohl gehört? - Genau so in Altenkirchen: Die Choräle vom Kirchturm und schon gar ihre Botschaft dringen nur sehr schwer durch in dieser Zeit. Der Lärm, die Hektik unserer Tage machen es der Sache Gottes nicht leicht, zu den Herzen der Menschen durchzustoßen. Und dass, obgleich die Menschen unserer Zeit diese gute Sache nötiger haben denn je!
An das Glockenspiel von Altenkirchen, das so schwer bis zu den Herzen der Menschen vordringen kann, musste ich also denken, als ich bei Jesaja gelesen habe: Wächter über den Mauern, Lobpreis, Zeichen, Hören bis ans Ende der Erde... Der „Wächter“ ist unten, wo der Alltag stattfindet, kaum noch vernehmlich. Der „Lobpreis“ Gottes wird allenfalls noch von wenigen - in der Kirche - gehört und dargebracht. Das „Zeichen“, das Gottes Wort in dieser Welt setzt, wird kaum noch wahrgenommen. Und „Hören bis ans Ende der Erde“? - Es reicht ja kaum noch von unseren Kirchtürmen bis hinunter auf die Straßen!
Jetzt könnten wir sagen: Die gute Botschaft müsste halt lauter sein! Oder: Vielleicht ist dieses Wort Gottes heute doch nicht mehr so wichtig und nötig, wie die Pfarrer und die Kirchenleute meinen!?
Manches in dieser Welt spricht ja dafür und lässt es so scheinen! Oder hat die Kirche vielleicht zu lange und zu selbstgefällig eine Sprache gesprochen, die man „unten auf der Gasse“, wo das Leben der Menschen spielt eigentlich gar nicht verstehen kann? -
Heute ist Reformationsfest. Heute geht es für uns evangelische Christen um den Kern der Botschaft, um die Mitte der Heiligen Schrift! Heute also entscheidet es sich, ob Gottes Wort noch die Menschen erreicht. Heute müssten wir - besser als an jedem anderen Tag - erkennen können, ob die Menschen dieser Tage noch hören wollen und ansprechbar sind von Gott? Und schließlich müsste das auch ein Tag größter Mühe um eine verständliche Sprache sein, die deutlich macht: Gott meint mich und dich! Wir sollen hören! Uns will er gewinnen, befreien und trösten, erfreuen und gnädig sein.
Wir wollen sehen.
Wie heißt die Mitte der Schrift? - Jesus Christus! Wer ist er für uns? - Der Herr, der unsere Sache bei Gott richtet und in Ordnung bringt! Was haben wir davon? - Ein bewahrtes, mit Gott versöhntes Leben. Er ist unser Vater. Wir sind seine Kinder. Und Christus unser Bruder. Wie geht das einmal aus? - In einem ewigen Leben, in Herrlichkeit, ganz nah bei Gott, ohne Leid, ohne Tränen, ohne Schmerz, Krankheit und Tod. Wie wird das wahr für uns? - Durch Glauben, durch das Vertrauen zu meinem himmlischen Vater, dass er nicht meine Schuld ansieht, sondern das Opfer seines Sohnes am Kreuz. Und damit, dass ich meine Sache mit Gott nicht mehr selbst in Ordnung bringen will, mich nicht mehr aus eigener Kraft zu erlösen versuche - denn das kann ich nicht. Das kann kein Mensch!
Das ist - ganz kurz aber doch ausreichend - das Evangelium, die gute Nachricht Gottes, die beste Botschaft dieser Welt! - Aber - wie gesagt - sie hat es schwer heute! Sie wird ausgerichtet - aber nur wenig gehört. Sie wird gesagt, gesungen, gelebt und gespielt - aber sie dringt kaum noch hinein in den Alltag der Menschen. Sie tönt mit Glocken vom Turm - aber unten brandet der Verkehr und lässt ihren Klang nicht die Herzen erreichen. - Was können wir tun? Wie können wir der guten Botschaft zu den Menschen helfen?
Dass sie nicht mehr wichtig wäre, den Menschen unserer Tage nichts mehr bedeutet, kann ich nicht glauben! Wie erklärte sich sonst der Kampf und Krampf, dem sich viele Zeitgenossen hingeben?
Warum reiht einer Haus an Haus, kauft dies und dann noch das, steigert seinen Besitz und seinen Einfluss noch und noch, wenn nicht darum: Weil er zeigen will, wer er ist, was er vermag und kann!?
Und spielt nicht auch der Versuch, sich selbst zu erlösen, immer eine Rolle? So meinen wir doch den quälenden Fragen nach dem Sinn unseres Lebens zu entgehen, wenn wir halt durch Sachen, durch Häuser oder Äcker, durch Geld und Gut zeigen, was wir wert sind. So glauben wir - naiv wie wir sind - sogar dem Tod und dem Vergessen zu entkommen! Aber tief in unseren Herzen wissen wir es doch: Darin liegt kein Weg! Und wir versuchen es dennoch - immer wieder, jahrelang, manchmal ein ganzes Leben - bis ans Ende.
Oder sehen wir uns die Menschen an, die angeblich fertig sind mit Gottes Sache: Warum erwarten sie doch ein tröstliches Wort Gottes, wenn du sie am Krankenbett besuchst? Warum fragen sie die kirchlicheren Leute immer wieder nach den Dingen des Glaubens, oft so beharrlich, dass uns die Antwort schwerfällt und sie und ihre Fragerei uns fast lästig werden. Warum bloß, wenn für sie doch alles klar ist: „Gott gibt es nicht, mit dem Glauben bin ich fertig und auf dem Friedhof ist Schluss!“
Offenbaren diese Menschen damit nicht eigentlich, wie sehr sie suchen, wie sie sich sehnen und ausstrecken nach Trost und Sinn? Nicht „fertig“ sind sie, vielmehr noch in Bewegung auf Gott hin und das Ende aller Suche. Nicht am Ziel sind sie mit ihrem Nachdenken und Sinnen über Gott und den Glauben, vielmehr am Kreuzweg, fragend, wo die rechte Richtung für sie ist. Wir müssen ihnen helfen! Sie müssen erfahren: Dorthin führt der Weg, über den Pfad des Glaubens an Jesus Christus.
Und hier beginnt er: Wo du ja zu ihm sagst und aufhörst, „es selbst machen zu wollen“. Wir brauchen ihn, als Anfang und als Begleiter, als Wegweiser und als Ziel. Das müssen sie wissen!
Liebe Gemeinde, vorhin habe ich gefragt: Wie wir der Botschaft Gottes zu den Menschen helfen können? Wenn es nun stimmt, dass es nicht daran liegt, dass die Leute nichts mehr davon hören wollen, dann kann die Lösung eigentlich nur sein, dass wir die Sache Gottes vernehmlicher vor ihre Ohren und Herzen bringen! Nun die Glocken vom Turm lauter tönen zu lassen, scheint mir auch nicht das Richtige - ich weiß auch gar nicht, ob das ginge. Unten auf den Straßen des täglichen Lebens ist es so laut und hektisch, da würden sich auch die stärksten Glockenklänge verlieren.
Nein, wir müssen die Botschaft „herabholen“ von den Türmen und heraus aus den Kirchen! Wir müssen sie in den Gassen und Häusern, den Büros und den Fabriken hörbar und sichtbar machen! Unsere Worte, unser Handeln und Denken, unser ganzer Wandel und Leben müssen die Botschaft Gottes ausrichten unter den Menschen! Dann können sie hören. Dann werden sie hören!
Wie das geht? Leben wir unseren Alltag so, dass etwas davon durchscheint, dass wir erlöste Menschen sind! Mein Blick, mein Lächeln, meine Geduld und meine Freundlichkeit sollen davon klingen, dass ich weiß: Für mich ist Jesus Christus ans Kreuz gegangen. Ich bin mit Gott versöhnt! Und alles, was ich sage, soll es in die Herzen der Mitmenschen hineintönen: Ich glaube an die Liebe, die am Ende siegen wird, die mich und alle Menschen des Vertrauens in ein ewiges Leben führt!
Und jede Geste soll es den Leuten vor Augen bringen: Ich bin geborgen bei Gott, ich weiß, dass er mir gnädig ist, dass für mich gesorgt ist und mir niemand und nichts schaden kann! So wird auch das wahr, was der Prophet Jesaja sagt: Wir werden zu „Wächtern“ für die gute Sache Gottes in dieser Zeit, dass sie nicht untergeht, nicht an den Rand gedrängt und überhört wird. Wir werden ein lauter „Lobpreis“ Gottes in dieser Zeit und dieser Welt, durch den auch die Mitmenschen zu Gott finden und zum Glauben an ihn. Wir richten ein „Zeichen“ auf, zeigen einen Weg und eine Richtung, dass auch unsere suchenden Nächsten zum Ziel kommen. So wird - durch uns - der Herr „gehört bis an die Enden der Erde“ - helfen wir seinen Worten wenigstens bis zu unserem Nachbarn und den Menschen, die neben uns leben.
Die Stimmen der Wächter auf den Mauern von Jerusalem mögen unten in der Stadt nur wenige gehört haben. Der Morgenchoral vom Kirchturm in Altenkirchen mag im Lärm des Verkehrs auf den Straßen nur noch wenige erreichen. Darum holen wir das Wort und die gute Sache Gottes herab von den Türmen und aus den Kirchen. Machen wir sie unten - mitten im Leben - mit unseren Worten und unserem Handeln hörbar und sichtbar. Sie ist nötig heute nötiger denn je! Wir sollen sie bis zu den Herzen der Menschen bringen. Ich soll das - und du auch! So helfen wir der Botschaft Gottes - und den Menschen. Amen.

Verfasser: Pfr. Manfred Günther, Lohgasse 11, 35325 Mücke

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