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Befreiung im Vertrauen auf Gottes Gnade

von Karsten Müller (Halle /Saale)

Predigtdatum : 31.10.2021
Lesereihe : III
Predigttag im Kirchenjahr : 31. Oktober - Gedenktag der Reformation (Reformationsfest)
Textstelle : Galater 5,1-6
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Wochenspruch: Einen andern Grund kann niemand legen außer dem, der gelegt ist, welcher ist Jesus Christus. (1. Korinther 3,11)

Psalm: 46,2-12

Lesungen

Reihe I: 5. Mose 6,4-9
Reihe II: Matthäus 10,26b-33
Reihe III: Galater 5,1-6
Reihe IV: Psalm 46,1-12
Reihe V: Matthäus 5,1-10(11-12)
Reihe VI: Römer 3,21-28

Liedvorschläge

Eingangslied: EG 161 Liebster Jesu, wir sind hier
Wochenlied: EG 341 Nun freut euch, lieben Christen g‘mein oder EG 360 Die ganze Welt hast du uns überlassen
Predigtlied: EG 346 Such, wer da will
Schlusslied: EG 347 Ach, bleib mit deiner Gnade

Predigttext: Galater 5,1-6

1 Zur Freiheit hat uns Christus befreit! So steht nun fest und lasst euch nicht wieder das Joch der Knechtschaft auflegen!
2 Siehe, ich, Paulus, sage euch: Wenn ihr euch beschneiden lasst, so wird euch Christus nichts nützen.
3 Ich bezeuge abermals einem jeden, der
sich beschneiden lässt, dass er das ganze Gesetz zu tun schuldig ist.
4 Ihr habt Christus verloren, die ihr durch das Gesetz gerecht werden wollt, aus der Gnade seid ihr herausgefallen.
5 Denn wir warten im Geist durch den Glauben auf die Gerechtigkeit, auf die wir hoffen.
6 Denn in Christus Jesus gilt weder Beschneidung noch Unbeschnittensein etwas, sondern der Glaube, der durch die Liebe tätig ist.

Hinweis

Da der Predigttext während der Predigt noch einmal versweise zitiert wird, kann die Verlesung am Beginn der Predigt auch entfallen.

Predigt

Liebe Gemeinde,

der Predigttextbriefabschnitt (aus dem Galaterbrief im 5. Kapitel) beginnt mit einem Paukenschlag: Zur Freiheit hat uns Christus befreit! Wir hören vielleicht gleich mit: Wo der Geist des Herrn ist, da ist Freiheit. (2. Korinther 3,17). Weil Reformationstag ist, erinnern wir uns auch an eine der reformatorischen Hauptschriften Luthers: Von der Freiheit eines Christenmenschen. Da heißt es gleich zu Beginn: „Ein Christ ist ein freier Herr über alle Dinge und niemandem verpflichtet. Ein Christ ist ein dienstbarer Knecht in allen Dingen und jedermann untertan.“

Freiheit und Knechtschaft stehen sich gegenüber, im Galaterbrief, in der Reformation und im Leben. Wenn wir auf unser Leben schauen, dann sind wir vermutlich Menschen, die mit einer so großen Freiheit ausgestattet sind, die sich unsere Vorfahren hätten nie vorstellen können. Nicht allein, dass unsere Freiheit in der Verfassung garantiert ist, wir sind auch frei wegen der technischen Möglichkeiten, die wir haben. Durch elektrisches Licht können wir die Nacht zum Tage machen.

Luther hat versucht, seinen Zeitgenoss*innen eine befreiende Glaubenserfahrung weiterzugeben: Allein der Glaube an Christus ist die Basis für das Heil des Menschen. Gute Werke, die die Welt mit Sicherheit braucht, sind die Folge, aber nicht die Voraussetzung dieser Rettung. Eigentlich war das gar keine neue Erkenntnis. Der Reformator aus Eisleben hat nur neu betont, was der Apostel aus Tarsus schon erkannt hatte: Zur Freiheit hat uns Christus befreit! Das war für Paulus so klar, weil er es selbst erlebt hat in der Begegnung mit dem, den er verfolgte. (Apostelgeschichte 9,5)

So steht nun fest und lasst euch nicht wieder das Joch der Knechtschaft auflegen! Der zweite Satz unseres Predigttextbriefabschnittes ist nach dem Paukenschlag verstörend. Keinen Lobpreis der Freiheit hören wir. Paulus unterstreicht auch nicht, dass es Christus ist, der Mann vom Kreuz, der Auferstandene, der uns befreit.

Freiheit und Knechtschaft – man kann auch sagen: Freiheit und Sklaverei oder Freiheit und Diktatur sind bleibende Gegenpole. Die negativen Begriffe schneiden im Vergleich oftmals positiver ab, als wir es wahrhaben wollen, nicht nur nach dem Ende der Sklaverei in Ägypten oder nach dem Zusammenbruch der DDR. Auch gegenwärtig liebäugelt manche*r mit Strukturen, in denen es widerwärtig klargemacht wird, wo es langzugehen hat, wer dazugehört und wer nicht  - ohne Diskussion natürlich.

Paulus hat leidenschaftlich für Christus gestritten. Vielleicht hat er die Episode von Lebensende von Jesus erzählt, wie sich Jesus dem mit ihm gekreuzigten Verbrecher zuwendet. Einer, der nichts mehr zu hoffen hat und der nach Recht und Gesetz verurteilt ist, sagt zu Jesus: „Gedenke an mich, wenn du in dein Reich kommst.“ Dem antwortet Jesus: „… Heute wirst du mit mir im Paradies sein.“ So geht Befreiung!

Im Predigttextbriefabschnitt wird die Leidenschaft des Paulus für den befreienden Christus deutlich: Siehe, ich, Paulus, sage euch: Wenn ihr euch beschneiden lasst, so wird euch Christus nichts nützen. Der Gegensatz von damals ist und fremd, was hinter ihm steht, nicht. Denn: So eindrücklich die Befreiung durch Christus auch ist, öffnet sie nicht dem Chaos und der Anarchie Tor und Tür? Bleiben wir beim von Jesus befreiten Verbrecher am Kreuz: Kann man es sich so einfach machen? Ein Leben lang übel tun, rauben vielleicht sogar morden – und sich dann in der Stunde des Todes bekehren und gerettet werden?

Es muss doch, bei aller Freiheit, Regeln geben und wer die übertritt, der muss doch bestraft werden! Ja das ist richtig. Aber wenn Gott dieser Logik folgen würde, dann wäre seine Geschichte mit uns schon beim Sündenfall beendet gewesen. Die Vorschrift beim Umgang mit dem Baum der Erkenntnis lautete: „Du darfst essen von allen Bäumen im Garten, aber von dem Baum der Erkenntnis des Guten und des Bösen sollst du nicht essen; denn an dem Tage, da du von ihm issest, musst du des Todes sterben.“ (1.Mose 2, 16f) Gott hat sich an diese Vorschrift nicht gehalten. Er hat Adam und Eva wohl zur Verantwortung gezogen, zum Tode verurteilt hat er sie sie nicht. Hier kann man zum ersten Mal lernen, wie es zugeht, wenn von Gottes Gnade die Rede ist.

Ich bezeuge abermals einem jeden, der sich beschneiden lässt, dass er das ganze Gesetz zu tun schuldig ist. Freiheit ist eine schöne Sache, aber kann man ihr trauen? Es geht doch nicht ohne Regeln! Und da ist doch das Gesetz des Alten Bundes eine schöne Sache, weil man dann weiß, woran man ist. Gottes Geist, Freiheit, Gnade, Rettung allein aus Glauben – das sind alles wohl klingende Begriffe, aber wie setzt man das im Leben um? Was ist mit der Taufe, wenn das Taufwasser getrocknet und die Taufkerze abgebrannt ist?

Immer wieder misstrauen wir der Tragfähigkeit der Basis Glauben. Paulus sagt:  „Wenn du mit deinem Munde bekennst, dass Jesus der Herr ist, und glaubst in deinem Herzen, dass ihn Gott von den Toten auferweckt hat, so wirst du gerettet. Denn wer mit dem Herzen glaubt, der wird gerecht; und wer mit dem Munde bekennt, der wird selig.“ (Römer 10,10f) Paulus hat diese Erfahrung gemacht und er macht die Erfahrung, dass von ihm getaufte, mit Christus  durch ihn in Verbindung gekommene Menschen dieser Glaubensbasis nicht trauen.

Das Gesetz mit seinen klaren Regeln, die Beschneidung als sichtbar bleibendes Zeichen versprechen mehr, als sie halten können. Wenn wir die Zehn Gebote als Kernbestand des Gesetzes einmal anschauen, dann bekommt das Verhältnis des Geschöpfes zum Schöpfer eine Struktur. Arbeitstage und Feiertage werden ins Verhältnis gesetzt. Die menschlichen Beziehungen werden geregelt vom Lebensschutz bis hin zum Eigentum. Das ist richtig und wichtig.

Wir werden aber nicht dadurch befreite, gerettete, von Gott angenommene Menschen, wenn wir das alles einhalten und befolgen, was die Gebote von uns fordern. Es ist genau anders herum: Weil wir von Gott angenommene Menschen sind, darum können wir die von Gott eingerichtete Zeitstruktur annehmen, das Lebensrecht des Mitmenschen als Geschöpf Gottes achten und des anderen Eigentum sein Eigentum sein lassen.

Ihr habt Christus verloren, die ihr durch das Gesetz gerecht werden wollt, aus der Gnade seid ihr herausgefallen. Wir wären so gern gute Menschen durch die Befolgung der Gebote, aber wir sind es schon, weil wir zu Gott gehören und in der Folge des Bündnisses mit ihm förmlich zu guten Werken herausgefordert sind. Der Geist des Gesetzes wird auch daran deutlich, dass die Zehn Sätze nicht Ver-, sondern Gebote heißen. Als Verkehrszeichen wären sie blau, nicht rot.

Rettung kann aus dem Gebot und seiner Befolgung nicht kommen, das hat Paulus klar und richtig erkannt und Luther hat es neu verdeutlicht. So beliebt der Mechanismus der Rettung durch Gehorsam durch die Jahrtausende immer wieder ist, er wird nicht richtiger, weil er falsch ist. Er ist falsch, weil er im Grunde anmaßend ist: Ich kann mit meiner gesetzestreuen Tat als Geschöpf den Schöpfer beeindrucken und ihn nicht nur umstimmen, sondern ihn letztlich herausfordern, mich anzunehmen. Solche Haltung braucht keine Gnade mehr, sie ist sich selbst genug.

Wer sich selbst genug ist, kann Christus nicht nachfolgen. Wer sich selbst genug ist, kann auch nicht mit Gott im Bund sein. Wer sich selbst genug ist, der oder die ist auch nicht frei, sondern in sich selbst gefangen. Paulus will nicht, dass sich von Christus befreite Menschen wieder in alte Gefangenschaften begeben. Luther wollte 1500 Jahre nach Paulus, dass Menschen die befreiende Kraft des Glaubens neu für sich erkennen und entdecken können.

Am Ende unseres Predigttextbriefabschnittes schreibt Paulus: Denn wir warten im Geist durch den Glauben auf die Gerechtigkeit, auf die wir hoffen. Denn in Christus Jesus gilt weder Beschneidung noch Unbeschnittensein etwas, sondern der Glaube, der durch die Liebe tätig ist. Im letzten Satz klingt etwas von dem an, was Jesus das wichtigste Gebot genannt hat: „‚Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele, von ganzem Gemüt und mit all deiner Kraft.‘ Das andre ist dies:
‚Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.‘ Es ist kein anderes Gebot größer als diese.“ (Markus 12,29-31) Auch hier ist es wichtig: Der Impuls der Liebe geht von Gott aus. Gott nimmt uns an, stellt Beziehung her, liebt uns. Unsere Liebe ist die Antwort auf seine Liebe unsere Liebe zur und zum Nächsten ist die Konsequenz, die natürliche Folge der Liebe Gottes zu uns, nicht umgekehrt.

Glaube, Hoffnung und Liebe, die drei großen Worte klingen am Ende noch einmal an. Auf sie kommt es an, sie machen in Christus frei: Ein Glaube, der die Basis ist, die Hoffnung, die Perspektiven eröffnet und die Liebe, die uns zu Gott zieht – wo sein Geist ist, ist Freiheit.

Amen.

Verfasser: Pfarrer Karsten Müller, An der Johanneskirche 1, 06110 Halle (Saale)


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